Ikonographie und Ikonologie zählen auch heute noch zu den wichtigsten kunstwissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Die ikonographische Methode ist unumstrittenes Instrumentarium, die Ikonologie hingegen wird zwar auf ihre Effektivität hin, den Gehalt eines Kunstwerks zu eruieren, nicht unterschätzt, doch was zum Zeitpunkt ihrer Inzeption eine die herkömmliche Ikonographie erweiternde und traditionelle Ansätze der Kunstgeschichte überschreitende Arbeitsmethode war und erst später ihre Systematisierung, ihren Namen, ihre eigentliche Ausformung, und Erweiterung erfahren hat, wurde inzwischen in ihrem Wert und ihrer Effektivität relativiert. „The Warburgian Method“ (dtsch. „Die Warburg Methode“), wie eine die moderne Ikonologie einleitende Arbeitsmethode zuerst genannt wurde, die der deutsche Kunsthistoriker Abraham (Aby) M. Warburg (13. 6. 1866 - 26. 10. 1926)1 für die Entschlüsselung der Fresken des Palazzo Schifanoja in Ferrara, Italien, entwickelte und auf dem internationalen Kunsthistoriker Kongress in Rom 1912 vorstellte,2 bedeutete zu seiner Zeit eine wissenschaftlich überzeugende Erweiterung historischer, ikonographischer Arbeitsmethoden, die u.a. auf Warburgs Ablehnung eng gefaßter stilgeschichtlicher Ansätze beruhte, auf seinem akuten Interesse für kultur-geschichtliche Aspekte der Kunstgeschichte, seinem spezifischen Interesse an Rezeptionsgeschichte sowie dem aktuellen wissenschaftlichen Diskurs der Zeit seines Schaffens. Im Folgenden wird mit einem Blick in die Geschichte die kunstgeschichtliche Entwicklung der Ikonographie und Ikonologie vor A. M. Warburg aufgezeigt sowie seine eigene Methode dargelegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Anfänge der Ikonographie und Ikonologie
3. Die Ikonographie im 19. Jahrhundert
3.1 Die kunsthistorische Fachdiskussion am Ende des 19. Jhs..
3.2 Aby M. Warburgs kunsthistorische Position
4. Aby M. Warburgs Forschungen zu den Schifanoja Fresken.
4.1 Die Schifanoja Fresken in Ferrara.
4.2 Der Weg zur Enträtselung der März-, April- und Juli-Fresken
5. Aby M. Warburgs ikonologische Analyse – Ikonologie
6. Bibliographie
7. Anhang
A. M. Warburg – Biographie
Die Genesis der Ikonologie
mit einer eingehenderen Betrachtung von
Abraham (Aby) M. Warburgs Forschung zu den Schifanoja Fresken
1. Einleitung
Ikonographie und Ikonologie zählen auch heute noch zu den wichtigsten kunst-wissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Die ikonographische Methode ist unumstrit-tenes Instrumentarium, die Ikonologie hingegen wird zwar auf ihre Effektivität hin, den Gehalt eines Kunstwerks zu eruieren, nicht unterschätzt, doch was zum Zeit-punkt ihrer Inzeption eine die herkömmliche Ikonographie erweiternde und traditio-nelle Ansätze der Kunstgeschichte überschreitende Arbeitsmethode war und erst später ihre Systematisierung, ihren Namen, ihre eigentliche Ausformung, und Er-weiterung erfahren hat, wurde inzwischen in ihrem Wert und ihrer Effektivität rela-tiviert.
„The Warburgian Method“ (dtsch. „Die Warburg Methode“), wie eine die mo-derne Ikonologie einleitende Arbeitsmethode zuerst genannt wurde, die der deutsche Kunsthistoriker Abraham (Aby) M. Warburg (13. 6. 1866 - 26. 10. 1926)[1] für die Entschlüsselung der Fresken des Palazzo Schifanoja in Ferrara, Italien, entwickelte und auf dem internationalen Kunsthistoriker Kongress in Rom 1912 vorstellte,[2] be-deutete zu seiner Zeit eine wissenschaftlich überzeugende Erweiterung historischer, ikonographischer Arbeitsmethoden, die u.a. auf Warburgs Ablehnung eng gefaßter stilgeschichtlicher Ansätze beruhte, auf seinem akuten Interesse für kultur-ge-schichtliche Aspekte der Kunstgeschichte, seinem spezifischen Interesse an Re-zeptionsgeschichte sowie dem aktuellen wissenschaftlichen Diskurs der Zeit seines Schaffens.
Im Folgenden wird mit einem Blick in die Geschichte die kunstgeschichtliche Entwicklung der Ikonographie und Ikonologie vor A. M. Warburg aufgezeigt sowie seine eigene Methode dargelegt.
2. Die Anfänge der Ikonographie und Ikonologie
Die Begriffe ‚Ikonographie‛ und ,Ikonologie‛ sind seit dem 16. Jahrhundert in Be-schreibungs- und Sammelwerken von Bildern und Darstellungsmustern gebräuch-lich.
Im 16. Jahrhundert wurde ,Iconographia‛ für die Beschreibung und Sammlung vornehmlich antiker Porträts verwendet, wie zum Beispiel ‚,Illustrium imagines ex antiquis marmoribus“’ von Fulvio Ursini oder später ‚,Iconographia“ des Canini, eine Bildnissammlungen des 17. Jahrhunderts. In der klassischen Archäologie war der Begriff der Iconographia für Sammelwerke antiker Porträtbüsten, Porträtmünzen und -medaillons, wie z. B. die Arbeiten des Archäologen J. J. Bernoulli zur antiken Por-trätkunst ‚Römische Ikonographie‛ oder ‚Griechische Ikonographie‛ zeigen, noch bis ins frühe 20. Jahrhundert geläufig.
Der Begriff Iconologia des 16. Jahrhunderts bezeichnete kompendiumartig auf-gebaute Sammlungen von Darstellungsmustern der bildenden Kunst, wie z. B. das Werk Cesare Ripas ,,Iconologia“, das 1593 in Rom erschien. Solche ,Iconologiae‛ können bis ins 18. Jahrhundert nachgewiesen werden; noch 1756 kam in Frankreich ein ‚,Dictionnaire iconologique“ von Lacombe de Prezel heraus. Bis zu dieser Zeit verstand man unter ‚Ikonologie‛ die Zusammenstellung von gebräuchlichen oder auch die Erfindung von neuen Allegorien und anderen zeichenhaften Darstellungs-mustern. Sie sollte dem Gebrauch des Auftraggebers oder Künstlers bei der Gestal-tung von Bildprogrammen dienen.
Dazu trat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine andere Bedeutung. So waren zwei Werke gleichen Titels ‚,Iconographie chrétienne“ erschienen, das des Franzosen Adolphe Napoléon Didron und das seines Landsmannes Augustin Crosnier, die sich beide mit den Themen und Inhalten der christlichen Kunst befaß-ten. Hierbei stand die Sammlung und Klassifizierung von bildlichen Darstellungen christlichen Inhalts sowie die Angaben der literarischen Quellen im Mittelpunkt. Zu den ersten deutschen Veröffentlichungen in dieser Richtung zählen J. von Radowitz ‚,Ikonographie der Heiligen“ aus dem Jahre 1834 und G. Helmsdörfers ‚,Christliche Kunstsymbolik und Ikonographie“ von 1839. Weitere wichtige Werke waren A. Springers ‚,Ikonographische Studien“ von 1860, H. Detztels ‚,Christliche Ikonogra-phie“ von 1894 und die ikonographischen Studien von F. X. Kraus.
3. Die Ikonographie im 19. Jahrhundert
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die wissenschaftliche Ikonographie als ein eigenständiger Forschungsbereich, u.a. auch um die Symbolsprache der früh-christlichen Kunst und die bildlich dargestellten Offenbarungstatsachen zu verstehen, die der christliche Bilderkreis vor Augen führte. Die dargestellten Personen in ihrer besonderen Mimik und Gestik, ihrer Haltung, ihren Attributen und ihrem motivisch beschreibbaren Handeln und die thematische Bedeutung sollten durch ein Aneignen entsprechender kultureller bzw. kulturgeschichtlicher Kenntnisse erkannt werden. Um das Thema z. B. eines Bildes zu bestimmen, werden alle erreichbaren Textquellen erforscht, die in einer thematischen Beziehung zu dem nur auf dem Wege über das Motiv erschließbaren Thema des Kunstwerks stehen. Je nach dem Thema bedient sie sich dabei biblischer, mythologischer, literarischer und/oder historiographischer Texte. Das erste Erkenntnisziel ist erreicht, sobald man die einer Person oder einem dargestellten Ereignis eindeutig zugehörige(n) Textquelle(n) ausfindig gemacht hat, sich dieses Thema durch den Rückgriff auf die Typengeschichte im historischen Vorkommen seines motivischen Ausdrucks erwiesen hat, und man damit das zunächst verborgene Thema des Kunstwerks in Form nachprüfbarer Behauptungen aufgedeckt hat. Nach ihrer (interpretativen) Beschreibung sucht sie sodann die dar-gestellten Themen nach gewissen Kriterien zu klassifizieren. Die Ikonographie blieb hiermit jedoch immer eine rein (themen)beschreibende Wissenschaft .
3.1 Die kunsthistorische Fachdiskussion am Ende des 19. Jhs.
Überlegungen zur Ikonographie rückten in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts wieder verstärkt in den Mittelpunkt der kunsthistorischen Fachdiskussion. Dabei sind zunächst Anstrengungen zur Gründung einer „Internationalen Gesellschaft für ikono-graphische Studien“ zu nennen. In der Gründungsphase dieses Projekts wurden als Bereich der Ikonographie auch profangeschichtliche Themen angesprochen. Ein nächster Schritt war die Forderung August Schmarsows nach Einsetzung einer soge-nannten „Kommission zur Förderung ikonographischer Studien auf dem Gebiet der Kunstwissenschaft“. Darauf wurde eine Kommission aus einer Reihe von namen-haften Kunsthistorikern verschiedener Nationen wie Eugene Müntz, Franz Xaver Kraus, J. J. Tikkanen, Julius Schlosser und Conrad de Mandach gebildet. Der erste Bericht der so ins Leben gerufenen Gesellschaft ist aufschlussreich für das damalige Verständnis des Begriffes Ikonographie:
„[Zum] Sinn, der dem Worte ‚Ikonographie’ beizulegen ist: Nach der letz-ten Ausgabe des Dictionaire de l’Académie francaise 1879 bedeutet der Ausdruck: Beschreibung der Bildwerke, Gemälde usw. Er bezieht sich vor-zugsweise auf die antiken Denkmäler wie Büsten, die Reliefs, die Malerein. Er bezeichnet insbesondere auch die Sammlungen von Bildnissen berühmter Männer aus dem klassischen Altertum wie z. B. Viscontins Iconographia. das Wort Iconographie [hat] einen doppelten Sinn. Es kann einerseits und zwar im engeren Sinne, auf das Studium des Porträts allein bezogen werden; andererseits, und zwar im weiteren Sinne, die Untersuchung der ver-schiedenen von der bildenden Kunst verarbeiteten Themata [beinhalten]... die herkömmliche Bezeichnung Ikonographie [steht für] die Erforschung der Dar-stellungsgegenstände und Vorstellungsinhalte in allen Werken der bildenden Kunst...“[3]
3.2 Aby M. Warburgs kunsthistorische Position
Aus dem berechtigten Zweifel an der erkenntnismäßigen Reichweite ikonographi-scher Aussagen schlugen bei Beginn des 20. Jahrhunderts A. M. Warburg und bald darauf auch andere Kunsthistoriker eine auf der Ikonographie zumindest auf-bauende neue Forschungsrichtung ein, die über das hinaus ging, was zu Warburgs Zeit in der Forschung üblich war, wie das Nachempfinden in der Nachfolge Walter Paters (1839-1894), Zuschreibungsfragen oder die lineare Entwicklung des stilge-schichtlichen Verlaufs der italienischen Renaissance nach Heinrich Wölfflin (1864-1945), der sich nurmehr für das reine künstlerische Sehen interessierte. Kon-zeptuelle Vorläufer zu Warburgs Arbeitsweise sind u.a. die 1876 gestellte For-derung Gottfried Kinkels nach einer Diskussion, die Ikonographie im kulturge-schichtlichen Zusammenhang zu erkennen oder auch Eugene Müntzs 1902 ge-äußerte Forderung, bei der Analyse eines Kunstwerkes nicht nur nach Darstellun-gen wie es in der Ikonographie betrieben wird, sondern auch nach Vorstellungen zu fragen, also auch eine Art ,,kulturhistorische Ikonographie“ zu betreiben. In einer methodologischen Schrift aus dem Jahre 1888 forderte Wolfgang von Oettingen sogar, daß der Kunsthistoriker alle Dokumente aufzusuchen habe, die die Entstehung, Bedeutung und Funktion des Werkes betreffen. Er benötige dazu Kenntnis der Literaturgeschichte, Quellenkritik, der Paläographie, Diplomatik etc. Wenn er sich so mit dem Kunstwerk auseinandersetze, werde er „völlig zum Culturhistoriker...“.
[...]
[1] Für biographische Angaben s. Anhang 1.
[2] S. Warburg 1998: 459-481.
[3] Schmidt 1989: 22-23.
- Arbeit zitieren
- Annette Luzia Heitmann (Autor:in), 2004, Die Genesis der Ikonologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35425
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