„Wir wissen als Deutsche, wie wichtig die USA in der Phase des kalten Krieges für uns waren. Denken wir an die Aufbauhilfe nach dem Krieg. Ohne Marshall-Plan wäre das Wirtschaftswunder kaum gelungen.“, erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Interview mit der 'Welt am Sonntag' vom 19. Mai 2002. Dieses kurze Zitat verdeutlicht, in welcher Weise sich der Marshall-Plan in der Wahrnehmung der Mehrheit der (West-) Deutschen manifestiert hat, insbesondere in der Perzeption der Zeitzeugen. Der Marburger Universitätsprofessor Gerd Hardach hat in seinem Buch „Der Marshall-Plan“ den Versuch unternommen, eine systematische, quellenkritische Untersuchung des Marshall-Plans in Deutschland vorzulegen, die nach Ansicht des Autors bisher fehlte. 1 „Der Marshall-Plan“ erschien 1994 im Deutschen Taschenbuch Verlag, mit dem Anspruch sich an alle historisch interessierten Leserinnen und Leser zu wenden. Der Autor greift die vorangegangene Forschung auf, welche zunehmend das traditionelle Bild des Marshall-Plans in Frage stellt und deutlich zwischen wirtschaftlichem und politischem Erfolg unterscheidet.2 Gerd Hardach nennt die Archivbestände in Deutschland und den USA als wichtigste Quellen seiner Untersuchung, darunter fallen auch Dokumente, die erst seit kürzerer Zeit der Forschung zugänglich sind. Die verwendete Literatur bildet ein breites Spektrum der Deutung und Bedeutung des Marshall-Plans ab und greift besonders, die in der jüngeren Literatur, kritisch betrachtete wirtschaftliche Bedeutung auf. Der Autor macht in seiner Untersuchung deutlich, dass nicht der Mythos oder die „[...]Linderung der individuellen Not, die dem Marshall-Plan eine gute Erinnerung sicherten [...]“3, nachgezeichnet werden sollen, sondern welche Bedeutung er für Wiederaufbau, wirtschaftliche Entwicklung und Westintegration Westdeutschlands hatte. 1 Vgl Gerd Hardach, „Der Marshall-Plan“, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994, S.15
2 Ebenda, S. 10 ff 3 Ebenda, S. 327
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
II.1 Entstehung und Entwicklung des Europäischen Wiederaufbauprogramms
II.2 Der Marshall-Plan in der Praxis
II.3 Die Bedeutung des Marshall-Plans für die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland und Epilog
II.4 Die Bewertung des Marshall-Plans im Vergleich
III. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„Wir wissen als Deutsche, wie wichtig die USA in der Phase des kalten Krieges für uns waren. Denken wir an die Aufbauhilfe nach dem Krieg. Ohne Marshall-Plan wäre das Wirtschaftswunder kaum gelungen.“, erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Interview mit der 'Welt am Sonntag' vom 19. Mai 2002. Dieses kurze Zitat verdeutlicht, in welcher Weise sich der Marshall-Plan in der Wahrnehmung der Mehrheit der (West-) Deutschen manifestiert hat, insbesondere in der Perzeption der Zeitzeugen. Der Marburger Universitätsprofessor Gerd Hardach hat in seinem Buch „Der Marshall-Plan“ den Versuch unternommen, eine systematische, quellenkritische Untersuchung des Marshall-Plans in Deutschland vorzulegen, die nach Ansicht des Autors bisher fehlte.[1] „Der Marshall-Plan“ erschien 1994 im Deutschen Taschenbuch Verlag, mit dem Anspruch sich an alle historisch interessierten Leserinnen und Leser zu wenden. Der Autor greift die vorangegangene Forschung auf, welche zunehmend das traditionelle Bild des Marshall-Plans in Frage stellt und deutlich zwischen wirtschaftlichem und politischem Erfolg unterscheidet.[2] Gerd Hardach nennt die Archivbestände in Deutschland und den USA als wichtigste Quellen seiner Untersuchung, darunter fallen auch Dokumente, die erst seit kürzerer Zeit der Forschung zugänglich sind. Die verwendete Literatur bildet ein breites Spektrum der Deutung und Bedeutung des Marshall-Plans ab und greift besonders, die in der jüngeren Literatur, kritisch betrachtete wirtschaftliche Bedeutung auf. Der Autor macht in seiner Untersuchung deutlich, dass nicht der Mythos oder die „[...]Linderung der individuellen Not, die dem Marshall-Plan eine gute Erinnerung sicherten [...]“[3], nachgezeichnet werden sollen, sondern welche Bedeutung er für Wiederaufbau, wirtschaftliche Entwicklung und Westintegration Westdeutschlands hatte.
II. Hauptteil
Gerd Hardach gliedert seine Arbeit in drei Schwerpunkte: 1. Die Entstehung und Entwicklung des Europäischen Wiederaufbauprogramms. 2. Der Marshall-Plan in der Praxis. 3. Die Bedeutung des Marshall-Plans für die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland, zusätzlich erweitert um den Epilog.
Der vorliegende Literaturbericht ist nach identischen Schwerpunkten gegliedert und vergleicht in einem vierten Teil die Arbeit Hardachs mit einem Aufsatz der Autoren Knut Borchardt und Christoph Buchheim, aus dem Buch „Marshallplan und Westdeutscher Wiederaufstieg.
II.1 Entstehung und Entwicklung des Europäischen Wiederaufbauprogramms
Der US-amerikanische Außenminister George C. Marshall erklärte, auf die Frage nach den Ursachen der Entstehung des Europäischen Wiederaufbauprogramms, dass die Moskauer Außenministerkonferenz vom 10. März bis zum 24. April in Moskau ausschlaggebend war. Die Konferenzen von London, Paris, New York und letztendlich Moskau führten nicht zu einer Einigung der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs über eine gemeinsame Deutschlandpolitik. Aus amerikanischer Sicht scheiterten die Verhandlungen unter anderem, an der Einrichtung zentraler Verwaltungen, am Umfang der Reparationen und der zukünftigen Wirtschaftspolitik in den vier Besatzungszonen.[4]
In der Truman-Doktrin vom 12. März 1947 brachte der Präsident den globalen Führungsanspruch der USA zum Ausdruck und setzte ein deutliches Zeichen, dass die USA die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion aufgaben. Die nun von den USA betriebene Containment-Politik sollte, vor allem durch die wirtschaftliche Stabilisierung Westeuropas, den Einfluss der UdSSR eindämmen.[5] Im Frühjahr des gleichen Jahres begannen die Planungen zu einem Europäischen Wiederaufbauprogramm. Aufstellung eines eigenen Wiederaufbauprogramms und die Gründung einer Wirtschaftsunion der europäischen Staaten, waren besonders wichtige Ziele der Auslandshilfe, die gegebenenfalls auch durch wirtschaftlichen Druck der amerikanischen Seite erreicht werden sollten. Außenminister Marshall nutzte eine Rede an der Harvard Universität am 5. Juni 1947, um der internationalen Öffentlichkeit das Europäische Wiederaufbauprogramm vorzustellen. Das Programm hatte zum Ziel die innereuropäische Arbeitsteilung wieder herzustellen und Europa in die amerikanische Weltwirtschaft zu integrieren. Bereits durch die Warnungen vor Hunger, Elend und Chaos in der Rede des Außenministers entstand der viel verbreitete Eindruck, es handele sich um ein wirtschaftliches Hilfsprogramm.[6]
Der Wiederaufbau im Sinne der Vorschläge Marshalls wurde spätestens nach dem Scheitern der Drei-Mächte-Konferenz im Juni 1947 in Paris zu einem reinen westeuropäischen Programm mit anti-sowjetischer Stoßrichtung. Das „Committee of European Economic Cooperation“ (CEEC) wurde am 12. Juli 1947 von 16 europäischen Staaten gegründet, mit der Aufgabe einen Wiederaufbauplan zu erarbeiten. Das State Department war der Auffassung, dass Westdeutschland ebenfalls in das Programm einbezogen werden sollte.[7]
Das Europäische Wiederaufbauprogramm wurde am 3. April 1948 vom amerikanischen Kongress unter dem Namen „Economic Cooperation Act“ beschlossen. Das Gesetz forderte explizit die Einbeziehung Westdeutschlands in den Wiederaufbau. Reparationen standen nach Auffassung des Kongress im Widerspruch zum europäischen Wiederaufbau, über Demontagen sollte neu verhandelt werden. Die „Economic Cooperation Administration“ (ECA) wurde als neue Behörde zur Durchführung des Programms gegründet. Mit der ECA hatte die amerikanische Regierung, neben der Verteilung der Auslandshilfe, ein Instrument um auf die Wirtschaftspolitik der Teilnehmerländer einzuwirken, da sie mitverfügen konnte über die „Gegenwertkonten“ die sich aus Zahlungen europäischer Importeure für „European Recovery Programm“ Lieferungen bildeten.[8]
Die Westzonen wurden durch die Währungsreform vom Juni 1948 von der sowjetisch besetzten Zone abgegrenzt und mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 wurde Deutschland auch politisch auf damals nicht absehbare Zeit geteilt. Im Dezember 1949 wurde das Auslandshilfe-Abkommen zwischen den USA und Westdeutschland geschlossen. Kritik am Marshall-Plan wurde im Jahr 1949 nicht nur von der SPD Opposition geübt, auch die christlich-liberale Regierungskoalition sprach von einer Krise des Marshall-Plangedankens. Die deutschen Enttäuschungen gingen unter anderem zurück auf das späte Anlaufen der ERP-Lieferungen, die übermäßige Bürokratisierung und die zunächst sehr geringe deutsche Zuständigkeit. Gerd Hardach stellt resümierend fest, dass der Marshall-Plan damals viel von seinem Glanz einbüßen musste. Er beurteilt die deutsche Zustimmung zum ERP mit politischen Motiven, da der Bundesregierung nichts anderes übrig blieb, wollte sie nicht die Beziehungen zur amerikanischen Vormacht riskieren.[9]
Der Autor beurteilt den „[...] langen Weg von Marshalls Vorschlag zum Marshall Plan [...]“ als ein Programm mit Widersprüchen, da marktwirtschaftliche Ziele mit interventionistischen Mitteln erreicht werden sollten, international propagandierte Freihandelsdoktrin im Gegensatz zum amerikanischen Protektionismus standen und die ECA die europäische Wirtschaft fördern und gleichzeitig einen Wirtschaftskrieg gegen die Sowjetunion führen sollte.[10]
[...]
[1] Vgl Gerd Hardach, „Der Marshall-Plan“, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994, S.15
[2] Ebenda, S. 10 ff
[3] Ebenda, S. 327
[4] Ebenda, S. 17ff
[5] Ebenda, S. 39
[6] Ebenda, S. 44ff
[7] Ebenda, S. 51ff
[8] Ebenda, S. 66ff
[9] Ebenda, S. 121ff
[10] Ebenda, S. 66ff
- Quote paper
- Till Martin Hogl (Author), 2003, Gerd Hardach - Der Marshall Plan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35417
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