In diesem Essay geht es um die kritische Hinterfragung der Gleichberechtigung der Natur im Verhältnis zum Menschen.
Was berechtigt uns eigentlich dazu, zu bestimmen, wie viele Kälber eine Kuh bekommt und wann und welcher Stier der Erzeuger ist? Wie viele Kerne darf eine Traube oder Melone haben, wie viele Kurven ein Fluss und wie weit darf ein Bär eine Landesgrenze überschreiten, bevor er erschossen wird? Unser Wissen und unsere Macht durch Werkzeuge und Maschinen ermöglichen uns diese Entscheidungen, aber woher bekommen wir die dafür notwendige Legitimation? "Von Gott.", so könnte man argumentieren.
Steht doch in der Bibel geschrieben: "(...) füllt die Erde und macht sie euch untertan (...)" (1.Moses 1:28). Untertan. Im ersten Moment mag das so klingen, als wäre unser Umgang mit der Natur und allen in ihr existierenden Lebewesen hiermit gerechtfertigt. Doch wäre nicht jeder Mensch entrüstet, würde man ihm einen Herrscher vorsetzen, der mit seinen menschlichen Untergebenen so verfahre, wie wir mit der Natur?
Ein jeder bekäme seinen Platz vorgeschrieben, seinen Partner, den Zeitpunkt in dem er Nachwuchs zu bekommen hat, die Art und den Umfang der Nahrung, wie viel Licht er bekommt, wie er sich zu kleiden und zu verhalten hat. Widersetzt man sich, wird krank, oder bringt nicht mehr die Leistung, die von einem erwartet wird, entscheidet unser Herrscher über die Art unseres Todes. Eine schreckliche Vorstellung! Doch für allzu viele Tiere die Realität.
Anerkennung der Natur als gleichberechtigtes Sein
"Es ist total unnat ü rlich sich vegetarisch oder gar vegan zu ern ä hren. Der Mensch h ä tte es in seiner
Entwicklung nie so weit gebracht, h ä tte er nicht angefangen Tiere zu jagen und zu essen, zu kultivieren und sich ihrer Milch oder Eiern zu bedienen."
Diese oder ähnliche Sätze und Argumente höre ich regelmäßig, wenn sich ein Gespräch dem Für und Wider einer veganen oder vegetarischen Lebensweise zuwendet. Meine Antwort darauf ist meistens die selbe:
"Selbstverst ä ndlich ist es nat ü rlich Fleisch zu essen. Es hat doch niemand etwas anderes behauptet. Der Mensch ist ein Allesesser und unsere Z ä hne, wie auch unser Magen sind nicht auf so faserreiche Kost, wie Gras, Salat oder das meiste Gem ü se ausrichtet."
Damit habe ich meinen Gegenüber meistens kurzzeitig still. Mit einer Zustimmung meinerseits hat er wohl nicht gerechnet. Die häufig schon im Vorfeld zurecht gelegten Argumente eines typischen Gesprächspartners zu diesem Thema funktionieren nun nicht mehr. Um ihm auf die Sprünge zu helfen führe ich meinen Standpunkt weiter aus:
"Es kann mir aber auch keiner erz ä hlen, dass es nat ü rlich -also im Sinne der Natur- ist, dass ein Huhn, dessen wild lebende Verwandte eigentlich Einzelg ä nger sind, mit vier weiteren H ü hnern auf einer Fl ä che so gro ß , wie ein DinA4-Blatt gehalten wird."
Oftmals reich diese Aussage, um bei meinem Gegenüber wenigstens so eine Art von Verständnis hervorzurufen, aber die Diskussion endet damit meistens nicht.
Was berechtigt uns eigentlich dazu, zu bestimmen, wie viele Kälber eine Kuh bekommt und wann und welcher Stier der Erzeuger ist? Wie viele Kerne darf eine Traube oder Melone haben, wie viele Kurven ein Fluss und wie weit darf ein Bär eine Landesgrenze überschreiten, bevor er erschossen wird? Unser Wissen und unsere Macht durch Werkzeuge und Maschinen ermöglichen uns diese Entscheidungen, aber woher bekommen wir die dafür notwendige Legitimation? "Von Gott.", so könnte man argumentieren. Steht doch in der Bibel geschrieben: "(...) f ü llt die Erde und macht sie euch untertan (...)" (1.Moses 1:28). Untertan. Im ersten Moment mag das so klingen, als wäre unser Umgang mit der Natur und allen in ihr existierenden Lebewesen hiermit gerechtfertigt. Doch wäre nicht jeder Mensch entrüstet, würde man ihm einen Herrscher vorsetzen, der mit seinen menschlichen Untergebenen so verfahre, wie wir mit der Natur? Ein jeder bekäme seinen Platz vorgeschrieben, seinen Partner, den Zeitpunkt in dem er Nachwuchs zu bekommen hat, die Art und den Umfang der Nahrung, wie viel Licht er bekommt, wie er sich zu kleiden und zu verhalten hat. Widersetzt man sich, wird krank, oder bringt nicht mehr die Leistung, die von einem erwartet wird, entscheidet unser Herrscher über die Art unseres Todes.
Eine schreckliche Vorstellung! Doch für allzu viele Tiere die Realität.
"Das ist halt so. Wir leben nun mal in einer kleinen Welt und um die vielen Menschen zu ern ä hren, m ü ssen wir mit -dem uns zur Verf ü gung stehenden- Platz so sparsam, wie m ö glich sein."
Wenn nun mein mein Gegenüber dieses Argument vorbringt, verweise ich meist gerne auf seine Anfangsaussage zurück und frage, wie viel Fleisch denn einer unserer (sich so toll entwickelnden) Vorfahren zur Verfügung hatte. Jeden Tag Fleisch zu essen, beziehungsweise essen zu können, ist ein Privileg unserer heutigen Zeit und nur der westlichen Gesellschaft und für unsere Entwicklung weder natürlich, in irgendeiner Weise zwingend notwendig oder ihr zuträglich. Dazu kommt, dass der uns zur Verfügung stehende Platz (national gesehen), bei halb so großer viehwirtschaftlicher und in den entsprechenden Gebieten dafür landwirtschaftlicher Nutzung, ausreichen würde, um weit mehr, als nur die deutsche Bevölkerung zu ernähren.
Die Tiere sind dabei ja nur ein Teil dessen, was wir uns von der Natur zu Untertanen -wenn nicht sogar zu Unterdrückten- gemacht haben. Schon lange gibt es kaum noch eine Flusskurve, die nicht gewollt eben genau diese Biegung macht, oder einen Baum, der dort wächst, wo seine Frucht auf den Boden gefallen ist. Ich bin gewiss die Letzte, die sich beschwert, wenn in Koblenz an der Hauptstraße vor dem Löhr-Center kleine Lavendelfelder gepflanzt werden und den Abgas- und Stadtgeruch ein bisschen erträglicher machen; aber ist das nicht wieder ein Eingriff in die Natur? Wissen wir, was das für Auswirkungen hat, Pflanzen aus anderen Gebieten heimisch zu machen und zu uns umzusiedeln? Wer sagt uns denn, ob mit dem Lavendel nicht eine Bienensorte anreist, die unsere hiesigen Bienenvölker angreift und verdrängt? Okay, das mag übertrieben klingen für Lavendel, aber wer hat nicht gerne eine exotische Palme, Orchidee oder Venusfliegenfalle im Wohnzimmer oder Garten stehen, von denen wir die symboitischen Insektenarten nicht so leicht einschätzen können, wie die des französischen Lavendels. Hat nicht so etwas Ähnliches in Australien dazu geführt, dass der dort früher heimische Beutelwolf ausgestorben ist? Wir Menschen können die Folgen unseres Handelns oftmals nicht oder zumindest nicht langfristig genug einschätzen, um wirklich fundierte Entscheidungen treffen zu können und lernen wenn, dann aber auch nur bedingt daraus. Ein gutes Beispiel hierfür ist auch die Atomenergie. Auf den ersten Blick eine bahnbrechende naturwissenschaftliche Errungenschaft: saubere Energie, mit geringen, für Mensch und Tier schädlichen, Emissionen; günstig, da die Herstellung wenig energetischen Aufwand erfordert; überall praktikabel, unabhängig von Wind, Erdgas, Kohle oder Wasser und doch: eine so große Gefahr, für alles Leben auf unserem Planeten. Tschernobyl, Fukushima, Hiroshima und nicht zu vergessen die Suche nach einem geeigneten Endlager sind Folgen dieser Errungenschaft, die zu Zeiten ihres Erscheinens noch nicht abzusehen waren. Mal ganz davon abgesehen, dass durch das andauernde Wettrüsten (beispielsweise der USA und des Irak) auf unserer Erde mittlerweile eine so große Menge an Atomwaffen gelagert wird, dass die addierte Sprengkraft den Planeten mehrmals auslöschen könnte.
Ebenso kündigen sich die Folgen des seit Jahren exponentiell anwachsenden CO²-Ausstoßes immer deutlicher an. Ein Phänomen, besser bekannt unter dem Titel "Globale Erwärmung". Wetterextreme, wie die zuletzt in diesem Frühjahr zu beobachtenden, tagelang andauernden Regengüsse beschränkt auf wenige Landstriche, deren Flüsse und Felder die Wassermassen durch ihre Begradigung, beziehungsweise Versiegelung nicht abtransportieren können. Anderenorts: Waldbrände. Ausgelöst durch andauernde Hitze und Trockenheit. Jahrhundertsommer, Jahrhundertflut, Jahrtausendflut! Die Extreme häufen sich seit Langem und so langsam gehen sie uns aus. Es folgen Katastrophen, deren Ausmaße zu benennen unser Wortschatz dann nicht mehr reicht.
Es scheint, als würde die Natur sich gegen ihre Unterdrückung wehren; als würde sie uns zeigen wollen, dass wir die Erde auf diese Weise in unser eigenes Verderben manövrieren. Die monokulturelle Ausbeutung des Bodens, auf dem unsere Nahrung wächst, die wir anhand von Genmanipulation schon keiner bestimmten Sorte mehr zuordnen können und die teilweise aus sich heraus auch zu keiner Fortpflanzung mehr im Stande ist, führt dazu, dass diese Fläche eines Tages tot, frei von sämtlichen Nährstoffen, Tier- und Pflanzensorten sein wird und was tun wir? Wir entwickeln einen Dünger, der nicht nur genau auf die gewollten Pflanzenarten angepasst wird, sondern zudem auch noch alles (von uns als solches definiertes) Unkraut abtötet und mit ihm eine große Anzahl an Kleinstlebewesen. Die Würmer, die nun fehlen um den Boden aufzulockern, müssen wir wieder mit Maschinen ersetzen. Jede Lösung, die wir für ein Problem finden, erschafft meist ein neues (oftmals noch größeres) Problem. Doch anstatt dem ganzen an einem Punkt Einhalt zu gebieten und zum Ursprung zurückzublicken, übertrumpfen wir uns gegenseitig mit immer neuen Innovationen, die sowohl die Land-, wie auch die Viehwirtschaft für unsere Bedürfnisse immer ertragreicher werden lassen.
Führt man sich die Situation unseres Planeten einmal vor Augen, so drängt sich einem die Frage auf: Was können wir jetzt noch tun? Wieviel Macht hat ein Einzelner überhaupt gegen unsere heutigen Großkonzerne, gegen die Werbung und die Konsumgesellschaft? Es ist für die meisten von uns unmöglich, auf reine Selbstversorgung umzusteigen. Zwar haben viele Familien in den Gebieten außerhalb großer Städte einen kleinen Gemüsegarten, doch reicht die Menge an Gurken, Salat, Tomaten, Him- oder Erdbeeren meist nicht, um sich länger als eine Woche davon zu ernähren. Nur wenige können sich selbst eine Kuh, Schweine oder Hühner halten, um sich zu vergewissern, dass die Haltungsbedingungen, zwar selten natürlich, aber doch in gewissem Maße erträglich für die verschiedenen Tiere sind. Wenn ich Freunden von mir ein Video zeige, auf dem zu sehen ist, wie an einem Morgen 60 000 männliche Küken aussortiert und vergast, beziehungsweise geschreddert werden, weil sie für die Legehennenzucht ungeeignet und für die Mast zu klein sind, ist die Betroffenheit oft groß. "Ich kaufe ab jetzt nur noch Bio.", ist dann meistens die Antwort. Genau! Weil bei Biohühnern ja auch die Männchen Eier legen. Eine von vielen unbequemen Wahrheiten, von der eigentlich jeder weiß, sich aber nicht damit beschäftigen oder auseinandersetzen möchte. Wir verschließen die Augen vor dem, was wir nicht sehen wollen; fahren in den Urlaub, um Kühe auf Bergwiesen grasen und Flüsse, sich durch ein Tal schlängeln zu sehen. Das alles definieren wir dann als Wirklichkeit und füttern unser Unterbewusstsein mit genau diesen Bildern, wenn wir das nächste Mal ein Glas Milch trinken. Noch klappt diese Täuschung ganz gut. Doch niemand weiß, wie lange.
"Wenn Schlachth ä user W ä nde aus Glas h ä tten, w ä re jeder Vegetarier." (Sir Paul McCartney)
Meiner Meinung nach ist es noch nicht zu spät, um uns unserer Natur wieder (wenigstens ein Stück weit) anzunähern. Was passiert, wenn wir unsere Umwelt nicht nur als Materiallager betrachten, sondern sie versuchen zu verstehen und von ihr zu lernen kann man sehen, wenn man die Errungenschaften der Bionik betrachtet. Vor allem Flugkörper und Fahrzeuge, gebaut am Beispiel von Insekten und Vögeln, sind oftmals um einiges effektiver und flexibler als diejenigen, deren Erbauer sich nicht von der Natur inspirieren ließen.
Doch nicht nur die Wissenschaft, jeder von uns kann etwas tun. Statistisch gesehen wird in deutschen Haushalten bereits jedes fünfte gekaufte Lebensmittel weggeworfen. Unsere enorme Kauflust resultiert in einer ebenso großen Überproduktion oder erhöhter Einfuhr von Lebensmitteln aus anderen (meist ärmeren) Ländern. Würden wir alle nur ein bisschen mehr in Frage stellen, was wir kaufen, oder die Genießbarkeit eines Lebensmittels nicht nur am Mindesthaltbarkeitsdatum festmachen, so würde weniger kostbare Nahrung vernichtet. Auch was die Tiere angeht, ist ein größeres Bewusstmachen der Dimensionen ein erster Ansatz. Im Schnitt isst jeder Deutsche in seinem Leben 1094 Tiere. Würden wir alle nur einen fleischfreien Tag pro Woche einlegen, so müssten jedes Jahr 157 Millionen weniger Tiere geschlachtet werden. Und würden wir uns nur ein bisschen besser um die, von uns gehaltenen Nutztiere kümmern, so könnten beispielsweise Legehennen anstatt eineinhalb, 20 Jahre und Milchkühe bis zu 30 anstelle der aktuellen vier bis fünf Jahre alt werden.
Zu was ein -mit einzelnen Personen angefangener- Protest führen kann, sieht man beispielsweise in der Pelzindustrie: heutzutage trägt kaum noch jemand echten Pelz; wenn auch manchmal nicht aus ethischen Gründen, dann doch aus Angst, von anderen Personen verachtet oder angefeindet zu werden.
Was ich erreichen will ist keine Welt, in der jeder ein schlechtes Gewissen haben muss, der ein Stück Fleisch isst, sondern eine Gesellschaft, die sich der Lebewesen um sich herum wieder bewusst wird. Eltern, die ihren Kindern erklären, dass Steaks und Würstchen nicht auf Bäumen wachsen, sondern Tiere dafür gestorben sind, dass sie etwas zu essen haben. Menschen, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass Lebewesen in Fabriken "angebaut" und wie Steine transportiert werden; die nicht akzeptieren können, dass Hühner und Puten so gezüchtet werden, dass sie sich wegen ihrer viel zu großen Brust schon nach wenigen Tagen nicht mehr auf den Beinen halten können, um dann liegend bis zu ihrem Tod nur noch zu fressen und zu trinken. Ich möchte, dass Menschen sich wieder fragen, was die Natur mit einer Sache bezweckt, bevor sie sie verändern. Denn wie schon Schopenhauer sagte:
"Jeder dumme Junge kann einen K ä fer zertreten.
Aber alle Professoren der Welt k ö nnen keinen herstellen."
Quellen:
Zahlen und Daten: VEBU / Veggie Times / 4,2013 / Seite 1. www.peta.de/paulmccartneyweihnachten
http://www.zitate-online.de/literaturzitate/allgemein/1906/jeder-dumme-junge-kann-einen- kaefer-zertreten.html
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- Bachelor of Sience Psychologie, Soziologie Yvonne Moch (Autor), 2013, Die Anerkennung der Natur als gleichwertiges Sein, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354050