Die Kolonisierung Afrikas führte zu einem grundlegenden Wandel afrikanischer politischer und wirtschaftlicher Systeme sowie der bestehenden Sozialstrukturen. An die Stelle der regionalen Vielfalt, die noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika südlich der Sahara herrschte, trat die Übertragung relativ uniformer politischer Modelle und einheitlicher Wirtschaftsstrukturen. Eine der ersten entscheidenden Änderungen war die Festlegung von Grenzen in Afrika. Traditionelle afrikanische politische Einheiten kannten keine festen Grenzen.
Stark vereinfacht formuliert handelte es sich bei ihnen entweder um zentralistische Staatswesen, für die zwar ein Kerngebiet identifizierbar, das aber von Einflusszonen und Vasallenstaaten umgeben war. Die Grenzen zwischen Kerngebiet und Einflusszone sowie zwischen Einflusszone und nicht politisch kontrollierten Gebieten waren jeweils fließend. Daneben gab es Regionen, die keiner zentralen Kontrolle unterlagen, sondern von relativ autonomen, einander verbundenen oder sich befehdenden Dorfgemeinschaften beherrscht wurden.
„Afrika wird vom Westen nach wie vor als eine Art Antithese gesehen, dabei ist es Europa geographisch so nahe, dass der senegalesische Philosoph und Staatsmann Leopold Senghor einmal sagte, die beiden Kontinente seien am Nabel zusammengewachsen. Und doch ist Afrika in der westlichen Wahrnehmung ganz weit weg. Das hängt sicherlich damit zusammen, daß es die Europäer sind, die den Ton angeben, die Macht haben zu bestimmen, welche Themen auf der Tagesordnung stehen.
Chinua Achebe“ [1]
Die Kolonisierung Afrikas führte zu einem grundlegenden Wandel afrikanischer politischer und wirtschaftlicher Systeme sowie der bestehenden Sozialstrukturen. An die Stelle der regionalen Vielfalt, die noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika südlich der Sahara herrschte, trat die Übertragung relativ uniformer politischer Modelle und einheitlicher Wirtschaftsstrukturen. Eine der ersten entscheidenden Änderungen war die Festlegung von Grenzen in Afrika. Traditionelle afrikanische politische Einheiten kannten keine festen Grenzen.[2]
Stark vereinfacht formuliert handelte es sich bei ihnen entweder um zentralistische Staatswesen, für die zwar ein Kerngebiet identifizierbar, das aber von Einflusszonen und Vasallenstaaten umgeben war. Die Grenzen zwischen Kerngebiet und Einflusszone sowie zwischen Einflusszone und nicht politisch kontrollierten Gebieten waren jeweils fließend. Daneben gab es Regionen, die keiner zentralen Kontrolle unterlagen, sondern von relativ autonomen, einander verbundenen oder sich befehdenden Dorfgemeinschaften beherrscht wurden.
Die Kolonialmächte errichteten innerhalb der von ihnen definierten Grenzen unterschiedliche Formen der Kolonialverwaltung, die idealtypisch in die Kategorien direkte und indirekte Herrschaft unterteilt werden können. Erstere wurde im wesentlichen von Frankreich, Belgien und Portugal bevorzugt, letztere von Großbritannien. Direkte Herrschaft in ihrer reinen Form bedeutete, daß alle entscheidenden Stellen im Verwaltungsapparat einer Kolonie mit europäischen Beamten besetzt wurden, selbst jene in den entlegensten Winkeln der Kolonialreiche. Vorkoloniale politische und administrative Strukturen wurden zerschlagen, traditionelle Herrscherfunktionen nur auf unterster lokaler Ebene zur Machtausübung benutzt.
Demgegenüber hatten die Briten erstmals in Nordnigeria ein Herrschaftssystem getestet, bei dem sie sich bestehender politischer und administrativer Strukturen bedienten, also ihre Herrschaft indirekt ausübten. Das bedeutete jedoch nicht, daß sie alle traditionellen Herrscher in ihren Funktionen belassen hätten. Dieses Privileg genossen nur die kooperationsbereiten Vertreter. Widerstand Leistende wurden ausgetauscht. Gegenüber dem Modell der direkten Herrschaft besaß das den indirekten Vorteil, daß es bei weitem mit geringeren Kosten verbunden war. Andererseits barg es das Risiko, daß traditionelle Herrscher ihre relative Autonomie zur Mobilisierung von Widerstand gegen die Kolonialherrschaft einsetzen konnten.[3]
Widerstand veranlasste die Kolonialadministration aber dazu, diese Machtzentren militärisch zu besiegen. Da wurde aufgeteilt, Könige wurden hingerichtet oder verbannt, Rivalen gestürzt oder die Systeme durch gefügige Ersatzleute diszipliniert. Land und Viehabtretungen im großen Stil erschütterten die ökonomischen Grundlagen, öffentliches Land unter Kontrolle des Adels wurde zu großem Privateigentum, Tributeinnahmen wurden zur kolonialen Steuer, Regierungssubsidien erhielten den Charakter von Gehältern. In diesen Auseinandersetzungen vertiefte sich die Erfahrung von Niederlage und bereitete sich der Wille zur Restauration vor. Zur Rationalisierung von Verwaltung und klaren bürokratischen Hierarchien griff auf der entgegengesetzten Skala der politischen Systeme in Afrika, bei den sogenannten staatenlosen Völkern, die Kolonialadministration wesentlich tiefer ein. In diesen staatenlosen Gesellschaften, fast ein Drittel der afrikanischen Völker zählte dazu, bestanden nur lose, für die Europäer kaum erkennbare Zusammenhänge, die durch Clanföderationen, gemeinsame religiöse Systeme und sprachliche Nähe stabilisiert wurden.[4] Hier suchte die Kolonialverwaltung Ansprechpartner, die ihre Zielsetzungen durchsetzen halfen. Bei sehr kleinräumigen Gruppierungen kam das Interesse hinzu, kolonialpolitisch nützliche Größenordnungen zu schaffen. Dort wurden Clanführer plötzlich administrativ aufgewertet, Usurpatoren mit guten Beziehungen zur Kolonialmacht gefördert.
Ein Schicksal war allen afrikanischen Gewalten gemeinsam: Sowohl alte Führungsschichten wie neu eingesetzte oder aufgewertete mussten neue, von der Kolonialverwaltung zugeschriebene Funktionen erfüllen.
Weit über ihre von der afrikanischen Gesellschaft tolerierte oder akzeptierte Autorität hinaus mussten sie an der Arbeiterrekrutierung mitwirken, Landabtretungen organisieren, Steuern eintreiben, europäische Handelsmonopole und zumindest Kompromisse mit den christlichen Weltreligionen zulassen. Alle diese afrikanischen Gewalten mussten ihre Einflüsse überdehnen, Dinge tun, die nicht üblich waren. Sie waren letztlich durch die Kolonialarmee abgesichert. Wer sich verweigerte, konnte abgesetzt werden, Rivalen boten überdies Gelegenheit zu Machtgewinn.[5]
Unabhängig von der Frage direkter oder indirekter Herrschaftsausübung war es in jedem Fall die wichtigste Aufgabe der Kolonialbeamten, Finanzmittel für die Aufrechterhaltung der Kolonialverwaltung zu beschaffen. Dies geschah in der Regel durch Steuern und Zwangsarbeit, in den wenigen Gebieten Afrikas, in denen der Handel relativ intensiv war, auch durch Zölle. Daneben hatten die Kolonialbeamten vornehmlich für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dazu diente der Einsatz militärischer Gewalt und eine äußerst repressive Form der Rechtsprechung, die traditionelle afrikanische Systeme der Rechtsfindung zerschlug.
Besteuerung und Zwangsarbeit sollten jedoch nicht nur die Kosten der Kolonialverwaltung finanzieren. Sie hatten auch den Zweck, die afrikanische Bevölkerung zum Aufbau elementarer Infrastruktureinrichtungen heranzuziehen sowie ihre Integration in das koloniale Wirtschaftssystem zu erzwingen.[6]
Die zentrale Infrastrukturinvestition war der Bau von Eisenbahnen. Er wurde ursprünglich vor allem aus strategischen Erwägungen begonnen, da nur die Eisenbahn den schnellen Transport von Truppen in entlegene Gebiete ermöglichte. Mit Hilfe des Schienenverkehrs gelang die Überwindung des afrikanischen Transportproblems, das bis dahin das entscheidende Hemmnis einer beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung gewesen war. Die Eisenbahn senkte wesentlich die Transportkosten. Für die zukünftige Entwicklung Afrikas war jedoch von Nachteil, daß die Eisenbahnschienen nicht traditionellen Handelsrouten folgten oder die wirtschaftliche Erschließung des gesamten Kolonialgebietes zum Ziel hatten. Vielmehr dienten sie neben dem strategischen Zweck nun vor allem dazu, den Gütertransport aus landwirtschaftlich oder mineralisch begünstigten Regionen zu den Häfen oder politischen Zentren eines Kolonialgebietes sicherzustellen.[7]
[...]
[1] Mir A., Ferdowski, Afrika – ein verlorener Kontinent?, Stuttgart 2004, S.5
[2] Warhold, Drascher, Schuld der Weißen, Tübingen am Neckar 1961, S.5ff
[3] Vgl. A. , Petersen, Livingstones schwarze Erben, Bad Honnef 1990, S. 34
[4] Vgl. Horst, Gründer, Ein Geschichte der Europäischen Expansion, Stuttgart 2003, S.21f
[5] Vgl. Jürgen, Osterhammel, Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen, München 1995, S.142f
[6] Vgl. Jürgen, Osterhammel, Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen, München 1995, S. 150f
[7] Vgl. Aimé, Césaire, Über den Kolonialismus, Berlin 1968
- Arbeit zitieren
- Armin Kofler (Autor:in), 2009, Auswirkungen der Kolonisation in Afrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353721
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