In den letzten Jahren war und ist immer noch viel zu hören über die ehemalige DDR. Von unterschiedlichster Seite und aus unterschiedlichstem Interesse. Auch geschrieben und gesendet wird dazu viel. Die einen möchten ihre Publikationen am liebsten "mit Trauerflor umrahmen", die anderen verteufeln und verdammen den gewesenen ostdeutschen Staat “in Bausch und Bogen”. Da ich, Jahrgang 1974 und “gelernter” DDR-Bürger, die ausklingende DDR als Jugendlicher erlebte, hat mich das Thema “Jugend in der ausgehenden DDR und ihre (Freizeit-) Organisationen” einmal besonders interessiert, schon allein weil ich da auch persönliche Erfahrungen kann einfliessen lassen. Ich möchte darüber schreiben, welche Organisationsformen es gab, in welcher Form das Leben in diesen Organisationen Statt fand, ob es z. B. "Grup-penarbeit" gab, und wenn ja, in welcher Form.
Als Überschrift habe ich "Jugend in der ausgehenden DDR" gewählt. Hillary Clinton sagt: "It takes a village to raise a child." (Rodham-Clinton, 1996, S. 12). Dieser Ausspruch besagt, dass es bei der Erziehung Minderjähriger auf jeden Erwachsenen einzeln, aber auch auf die Gesell-schaft als Ganzes ankommt. Was meiner eigenen Überzeugung entspricht. Auf einen Teil des "villages", dass sich zu Zeiten der DDR um die hiesige Jugend kümmerte, die der Jugend der DDR zu Gebote stehenden (Freizeit-) Organisationen, möchte ich hier eingehen und ein Schlaglicht darauf werfen, wie ihr Organisationsleben funktionierte. Bei den Zitaten habe ich Rechtschreibung und Interpunktion so belassen, wie vorgefunden.
Gliederung
1. Einleitung
2. Jugend in der ausgehenden DDR
3. Jugendlich von wann bis wann?
3.1. biologische Eckdaten
3.2. biographische Eckdaten
4. Mitgliedschaft in Kinder- und Jugendorganisationen
4.1. Zu Normen, Regeln und Statuten der SED-nahen Kinder- & Jugendorganisationen
4.2. Die Pionierorganisation "Ernst Thälmann"
4.2.1. Beispiel Altstoffsammelaktion
4.2.2. Zur Eichel- & Kastaniensammelaktion
4.2.3. Spendenaktionen
4.2.4. Unterschriftenaktionen
4.3. Die Freie Deutsche Jugend
4.4. Junge Gemeinde
4.5. Kinder- und Jugendsektionen von Vereinen
4.6. (Jugend-) Arbeitsgemeinschaften
5. die Clique
6. Schulfreizeit
7. Resümee
8. Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
In den letzten Jahren war und ist immer noch viel zu hören über die ehemalige DDR. Von unterschiedlichster Seite und aus unterschiedlichstem Interesse. Auch geschrieben und gesendet wird dazu viel. Die einen möchten ihre Publikationen am liebsten "mit Trauerflor umrahmen", die anderen verteufeln und verdammen den gewesenen ostdeutschen Staat “in Bausch und Bogen”. Da ich, Jahrgang 1974 und “gelernter” DDR-Bürger, die ausklingende DDR als Jugendlicher erlebte, hat mich das Thema “Jugend in der ausgehenden DDR und ihre (Freizeit-) Organisationen” einmal besonders interessiert, schon allein weil ich da auch persönliche Erfahrungen kann einfliessen lassen. Ich möchte darüber schreiben, welche Organisationsformen es gab, in welcher Form das Leben in diesen Organisationen Statt fand, ob es z. B. "Grup-penarbeit" gab, und wenn ja, in welcher Form.
Als Überschrift habe ich "Jugend in der ausgehenden DDR" gewählt. Hillary Clinton sagt: "It takes a village to raise a child." (Rodham-Clinton, 1996, S. 12). Dieser Ausspruch besagt, dass es bei der Erziehung Minderjähriger auf jeden Erwachsenen einzeln, aber auch auf die Gesell-schaft als Ganzes ankommt. Was meiner eigenen Überzeugung entspricht. Auf einen Teil des "villages", dass sich zu Zeiten der DDR um die hiesige Jugend kümmerte, die der Jugend der DDR zu Gebote stehenden (Freizeit-) Organisationen, möchte ich hier eingehen und ein Schlaglicht darauf werfen, wie ihr Organisationsleben funktionierte. Bei den Zitaten habe ich Rechtschreibung und Interpunktion so belassen, wie vorgefunden.
2. Jugend in der ausgehenden DDR
Ich schreibe hier über Jugend in der DDR zwischen etwa 1980 und 1990. Nicht aber über "die" Jugend in der DDR. Die gab es nämlich nicht! Es gab viele Millionen Jugendlicher, die alle ihre ganz spezielle Jugend hatten. Manche Leute behaupten heutzutage, vielleicht nicht wortwört-lich, aber doch sinngemäss, dass es in der DDR keine "richtige" oder "ordentliche" oder auch "normale" Jugend gegeben habe. Kindheit und Jugend sind immer Einzelschicksale, immer indi-viduell. Aber es gab in der DDR sehr wohl normbildende Grundmuster: Kinderkrippe, Kinder-garten, Schule, Berufsausbildung, Pioniermitgliedschaft, FDJ-Mitgliedschaft, Mitgliedschaft in der DSF (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft), Militärdienst, u. s. w. Dass ich hier auch Grundmuster anführe, die vor der Jugendzeit liegen liegt daran, dass die Dinge, die in der Zeit vor der Jugendphase erlernt wurden, in dieser immer noch wirksam sind (Freundschaf-ten zu schliessen etwa wird im Krippen-/ Kindergartenalter erlernt).
3. Jugendlich von wann bis wann?
Auch in der DDR gab es kein Gesetz, das genau festlegte, von wann bis wann man Jugendlicher war. Aber es gab Eckdaten.
3.1. biologische Eckdaten
Mit etwa dem 10./ 12. Lebensjahr setzte die Pubertät ein und endete ab circa dem 18. Lebensjahr (Vgl. Friedrich, Fuchs, Paul et al., 1966, S. 185 f.).
3.2. biographische Eckdaten
In der 4. Klasse (also auch mit etwa 10 Jahren) wurde man vom Jungpionier zum Thälmannpionier (Jungpionier wurde man schon in Klasse 1). Äusseres Zeichen dieser Veränderung war, dass man an Stelle eines blauen ein rotes Halstuch bekam (Vgl. Zentralrat der FDJ, Abteilung Junge Pioniere/ Organisationsleben, 1981, S. 13 f.).
Mit vollendetem 14. Lebensjahr erhielt man den Personalausweis der DDR. Auch war man ab diesem Zeitpunkt dem Jugendstrafrecht unterworfen.
Im auf den 14. Geburtstag folgenden Frühling erlebte man entweder seine Firmung (katholisch), Konfirmation (protestantisch) oder die Jugendweihe. Konfirmanden/ Firmlinge erhielten meist auch die Jugendweihe, da ihre Eltern nicht unliebsam auffallen wollten (S. auch Internet-Artikel "Jugendweihe" im Anhang).
Mit Beginn des 8. Schuljahres wurde man in die FDJ aufgenommen (Zwar war diese Mitglied-schaft offiziell freiwillig, aber in meiner Schulklasse, z. B., konnte nur eine Mitschülerin ihre Nicht-Mitgliedschaft nach härtesten Auseinandersetzungen mit unserer Schulleitung durchset-zen und hätte dafür auch auf ihre Delegation zur EOS verzichten müssen, wenn nicht die Wen-de gekommen wäre.) (Vgl. Wolle, 2001, S. 183 ff.). Mit Vollendung des 18. Lebensjahres wurde man volljährig und fiel (ausnahmslos) nicht mehr unter Jugendstrafrecht.
Die Mitgliedschaft in der Freien Deutschen Jugend endete in der Regel nach Ende der Berufs- ausbildung beziehungsweise des Studiums. Dies musste aber nicht unbedingt so sein. Als hauptamtlicher Mitarbeiter der FDJ (z. B. FDJ-Sekretär an einer Schule) konnte man auch mit eisgrauem Haar noch ein "Jugendfreund" (Anrede für FDJ-ler) sein, war dann also quasi "Berufsjugendlicher" (Siehe Wolle, 2001, S. 183 f.).
Fazit: Die Jugendphase begann damals nach dem vollendeten 10. Lebensjahr und endete mit etwa dem Beginn des zweiten Lebensjahrzehnts.
4. Mitgliedschaft in Kinder- und Jugendorganisationen
Sämtliche Kinder- und Jugendorganisationen der DDR waren nichtstaatlich. Sie gehörten entweder zur Kirche (Junge Gemeinden), waren als Kinder- und Jugendsektionen Vereinen ange-gliedert (Turnverein, Schnitzverein, z. B.) oder waren formal eigenständig, bezeichneten sich aber selbst als "Kampfreserve der SED" (FDJ, Pionierorganisation "Ernst Thälmann") (Zentralrat der Freien Deutschen Jugend, 1986, S. 3).
FDJ und Pionierorganisation "Ernst Thälmann" waren uniformiert, die anderen Kinder- und Jugendorganisationen nicht (S. Zentralrat der Freien Deutschen Jugend, 1986, S. 3. und Zentralrat der FDJ, Abteilung Junge Pioniere/ Organisationsleben, 1981, S. 17 f.). Dies sollte u. a. die Zusammengehörigkeit der Mitglieder von FDJ und Pionierorganisation fördern. Da die Uniformen aber nur zu offiziellen Anlässen getragen wurden, verpuffte dieser Effekt. Auch wenn sie SED-nahe Organisationen waren, waren sie nicht auf Atheisten beschränkt (S. Förster, Friedrich, Starke; 1999; S. 192). Oben genannte offizielle Anlässe waren die einzigen Male, bei denen man genötigt war, als Pionier oder FDJ-ler aufzutreten. Ansonsten hingen Uniform und defacto auch Mitgliedschaft das ganze Jahr im Schrank. Gruppenarbeit fand in FDJ und Pionierorganisation "Ernst Thälmann" nicht Statt (zu Gruppenarbeit s. Kreft, Mielenz, 1996, S. 267 f.). Die Mitarbeit in diesen Verbänden erschöpfte sich weitgehend darin, den offiziellen Ritualen in vorgeschriebener Weise beizuwohnen.
4.1. Zu Normen, Regeln und Statuten der SED-nahen Kinder- & Jugendorganisationen
Die Statuten der "Pionierorganisation Ernst Thälmann" und der "Freien Deutschen Jugend" knüpften formal an in Deutschland bekannte Bilder und Traditionen an. Es gab die "10 Gebote der Jungpioniere" und die "11 Gesetzte der Thälmann-Pioniere", welche unmittelbar auf die biblischen 10 Gebote rekurieren. In diesen Statuten war z. B. festgelegt, wer wann wie zu wel-chen Konditionen Mitglied werden konnte, welcher Mitgliedsbeitrag zu entrichten war, wie die Mitglieder uniformiert waren und auch der Aufbau der Organisation war beschrieben und dass diese Organisationen nach den Regeln des demokratischen Zentralismus funktionieren. Kurzge-fasst funktioniert dieses Prinzip theoretisch so: Die jeweiligen Entscheidungsträger werden von unten nach oben in offenen, freien, demokratischen Abstimmungen gewählt. Die Entscheidun-gen der Entscheidungsträger sind von oben nach unten absolut verbindlich. Zu den jeweiligen Wahlterminen wird von den bisherigen Entscheidungsträgern Rechenschaft abgelegt. Nach Wahlen hatte sich die geschlagene Minderheit der obsiegenden Mehrheit geschlossen und dis-zipliniert unterzuordnen (S. hierzu Zentralrat der Freien Deutschen Jugend, Abteilung Ver-bandsorgane, 1986, S. 20 ff. und Wolle, 2001, S. 191 ff.). So stand es in den Statuten. Nur dass es bei den Wahlen in den Pionier- & FDJ-Gruppen praktisch weder Mehrheiten noch Minderheiten gab (zu Wahlen s. Wolle, 2001, S. 191 ff.). Wie in meinen Ausführungen zum Posten des Agitators in der Pioniergruppe angedeutet (s. u.) gab es nicht nur die geschriebe-nen, sondern auch die ungeschriebenen Gesetze. Zum Beispiel gab es folgende Konvention: Da in den meisten Schulklassen fast alle Kinder/ Jugendlichen Mitglieder von Pionierorganisation oder FDJ waren, nahm deren jeweiliger Gruppenratsvorsitzender beziehungsweise Gruppenlei-ter (FDJ) die Aufgaben mit wahr, die heute dem Klassensprecher zufallen.
4.2. Die Pionierorganisation "Ernst Th]]ä]]lmann"]
Die Pionierorganisation "Ernst Thälmann" war unterteilt in Jungpioniere (Kl. 1 - 4) und Thäl- mannpioniere (Kl. 4 - 8) und den Pfadfindern frei nachempfunden. In ihr waren zuletzt ca. 98 % ihrer Zielgruppe organisiert (S. Internet-Artikel “Pionierorganisation Ernst Thälmann”; S.6).
Die Jungpioniere waren Kinder, bei denen die Pubertät noch nicht eingesetzt hatte, weshalb hier nicht näher auf sie eingegangen werden soll. Erwähnen möchte ich nur noch, dass die Mit-gliedschaft hier wie auch bei Thälmannpionieren und FDJ (theoretisch) freiwillig war. Praktisch fand eine Befragung der Kinder, Jugendlichen oder Eltern, ob man beitreten wollte oder nicht, aber nicht Statt.
Die Thälmannpioniere waren Kinder, bei denen die Pubertät bereits eingesetzt hatte, oder auch sehr junge Jugendliche.
Die Grundorganisationen der Pioniere waren an die Schulen angegliedert. Alle Pioniere einer Klasse (meist also alle Klassenkameraden) bildeten eine Pioniergruppe. Diese wurde vom Gruppenrat, welcher zu jedem Schuljahresanfang unter Leitung des Klassenleiters gewählt wurde, geleitet. Der Gruppenrat hatte einen Gruppenratsvorsitzenden. Defacto nahm dieser ähnliche Aufgaben wahr wie heutige Klassensprecher. Allerdings ist die Wahl des Klassenspre-chers frei, die der Gruppenratsmitglieder war es nicht. Sie wurden vom Klassenlehrer auf Grund ihres Auftretens (gegenüber Lehrern/ anderen Autoritäten) und ihrer Noten vorgeschla-gen. Um die Wahl von Gruppenratsmitgliedern abzulehnen, mussten die Gruppenmitglieder sehr triftige Gründe ins Feld führen. Zum Beispiel wie es in meiner Schulklasse geschehen war, dass der vorgeschlagene Gruppenratsvorsitzende kurz vor der Wahl Mitschüler verprügelt hatte.
In jeder Pioniergruppe gab es die Funktion eines Agitators. Diesen Posten hatten in alphabeti- scher Reihenfolge alle Pioniergruppenmitglieder je eine Woche inne (Auch wenn es im Statut anders geschrieben stand (S. Zentralrat der FDJ, Abteilung Junge Pioniere/ Organisationsleben, 1981, S. 16)). Seine Arbeit bestand daraus, in einer Schulstunde in der Woche Werbung für die DDR, die Sowjetunion und den Sozialismus und angestrebten Kommunismus zu machen und die Fehler und Gräuel des Kapitalismus anzuprangern.
Letzteres war in Zeiten von Reagano-mics und Thatcherismus (Überfall der U. S. A. auf Grenada, Bombardierung von Tripolis durch die U. S. A., Entmachtung der Gewerkschaften in GB, Einführung der Poll Tax in GB) nicht eben schwer. Bei den anderen Sachen las man einfach aus den Zeitungen ab (Neues Deutschland, Freie Presse, Pionierzeitung "Trommel",...). Da aber jeder wusste, dass weder vom Sozialismus noch Kommunismus noch Kapitalismus objektiv berichtet werden durfte und die Agitatoren, sobald sie ausser Dienst waren, ihre vom "offiziellen Standpunkt" verschiede-nen Meinungen in der Klasse offen kund taten, nahm die Agitation niemand ernst.
Einmal im Monat fanden sogenannte Pioniernachmittage Statt. An ihnen sollten dann im Klas-senzimmer bei Kakao und Kuchen unter Leitung des Gruppenratsvorsitzenden und des Klas-senlehrers die anstehenden Aufgaben oder Probleme der Pioniergruppe, sprich also: der Klasse besprochen oder schulische Neuigkeiten verkündet werden.
Dies konnten zum Beispiel sein:
- Altstoffsammelaktionen (leere Gläser und Flaschen, Altpapier) y Eichel- & Kastaniensammelaktionen
- Spendenaktionen
- Unterschriftenaktionen y anstehende Ausflüge
4.2.1. Beispiel Altstoffsammelaktion
Zuerst wurde zum Beispiel anlässlich eines Pioniernachmittages verkündet, dass und wann eine Altstoffsammelaktion Statt finden sollte. In den Tagen bis zur Abgabe der Altstoffe auf dem Schulhof/ Sportplatz der Schule sammelten dann die Pioniere die in ihrer Familie angefallenen Altstoffe. Aber auch Freunden, Bekannten, Nachbarn und Verwandten versuchte man, ihre Altstoffe "abzuluchsen". Dies war nicht immer einfach, da es in der DDR Sekundärrohstoffan-nahmestellen gab, wo DDR-weit ein darauf spezialisierter VEB (Volkseigener Betrieb) Altstof-fe aufkaufte. Was von allen Bevölkerungsschichten gut angenommen wurde. Aber vor allem Kinder und Jugendliche nutzten diese Möglichkeit, angefallene Altstoffe los zu werden und sich damit das Taschengeld aufzubessern. Weswegen auch die Beiträge mancher Pioniere zu den Altstoffsammelaktionen manchmal schmal ausfielen. Anlässlich des nächsten Schulappells (s. Kapitel Schulfreizeit) wurde dann verkündet vom Direktor, der Pionierfreundschaftsleitung, oder der FDJ-Sekretärin (s. FDJ), welchen Erfolg die Aktion gezeitigt hatte.
4.2.2. Zur Eichel- & Kastaniensammelaktion:
Eine Eichel- & Kastaniensammelaktion folgte ähnlichem Muster. Nur dass sie aus ersichtlichen Gründen auf den Herbst beschränkt war und es keine konkurrierenden Aufkaufsstellen gab. Aber das menschliche Umfeld wurde mit einbezogen, wenn auch anders als bei den Altstoff-sammelaktionen. Man ging nämlich gemeinsam auf Sammelspaziergänge. Die gesammelten Baumfrüchte kamen dann den Tieren in Tierparks und Landwirtschaftlichen Produktionsgenos-senschaften zu Gute.
4.2.3. Spendenaktionen:
Diese waren ausserordentlich selten. Während es der anderen Sammelaktionen mehrere im Jahr gab, kann ich mich nur an eine einzige Spendenaktion während meiner ganzen Pionierzeit er-innern. Bei der einzigen von mir erlebten Spendenaktion wurden Spielzeuge für Kinder in Ni-karagua gesammelt. Man packte zu Hause ein Paket mit Spielsachen, die man nicht mehr brauchte, gab das in der Schule an einem festgelegten Datum ab und von dort holte dann die Post die Pakete und verschickte sie.
4.2.4. Unterschriftenaktionen
sahen so aus, dass die Unterschriftenlisten an den Wandzeitungen aushingen. Und man sich beteiligte oder eben auch nicht. Zum Beispiel wurde eine solche durchgeführt zur Freilassung Nelson Mandelas.
Sämtliche Pioniergruppen einer Schule bildeten eine Pionierfreundschaft (S. Zentralrat der FDJ, Abteilung Junge Pioniere/ Organisationsleben, 1981, S. 22 f.)). Diese wurde von einem Freundschaftspionierleiter geleitet. Dieser war dem FDJ-Sekretär der Schule und der Schullei-tung verantwortlich (Vgl. Internet-Artikel "www.DDR-Schulrecht.de", S.5 ff.).
4.3. Die Freie Deutsche Jugend
Die FDJ war der Mitte der 40-er Jahre gegründete der SED zu Zeiten der DDR nahe stehende Jugendverband und ist eine der wenigen Massenorganisationen der DDR, die die Wende bis heute überlebt haben (Vorläuferorganisationen gab es im Exil seit den 30-er Jahren). Sie war damals an Betrieben und Bildungseinrichtungen organisiert, konnte theoretisch aber auch nach dem Territorialprinzip aufgebaut sein. In den 80-er Jahren waren zwischen 69 % (1981) und 85 % (1988) der Jugendlichen der DDR Mitglieder der FDJ (S. Internet-Artikel "Freie Deut- sche Jugend"; S. 3). In der FDJ-Gruppe gab es die selben Einrichtungen wie in der Pionier- gruppe. Nur die Termini waren etwas verschieden (FDJ-Gruppenleiter anstatt Gruppenratsvor-sitzender, z. B.). Aber es gab keine “FDJ-Nachmittage”. Dafür wurde man, so man noch schul-pflichtig war, u. a. als Pausenaufsicht (offizielle Sache, daher im Blauhemd) eingesetzt. Für je-de Grundorganisation (Betrieb, Schule,...) war ein hauptamtlicher FDJ-Sekretär zuständig. An den Schulen war er Mitglied des pädagogischen Rates (heute: Lehrerkollegium) und hatte das Recht, an den Sitzungen der Schulleitung nicht stimmberechtigt Teil zu nehmen.
Um die Wirtschaft der DDR zu unterstützen, führte die FDJ einige sogenannte “zentrale Ju- gendobjekte” durch. Dorthin wurden dann Tausende FDJ-ler delegiert, um Arbeiten auszufüh-ren, mit denen sonst hätten Betriebe betraut werden müssen, deren Arbeitskräfte so anderwei-tig eingesetzt werden konnten. Jedoch lag die Hochzeit dieser “zentralen Jugendobjekte” in den 40-er bis 60-er Jahren (“Max braucht Wasser”, Talsperre Sosa, Flughafen Berlin-Schöne-feld, Melioration der Altmärker Wische und Friedländer Großen Wiese, Errichtung KKW Nord (jetzt: Greifswald 1)). Nur der Mitbau an den Erdgastrassen “Freundschaft” und Urengoj auf dem Boden der Sowjetunion fand in den 80-er Jahren Statt. Ende der 80-er Jahre waren rund 2,3 Millionen Mitglieder in der FDJ. Einige Zehntausend Mitarbeiter hatten die beiden Trassen-Projekte. Das ist eine hohe Zahl, aber die meisten FDJ- ler nahmen nicht an diesen Projekten Teil und kannten diese auch nur aus den Medien (S. Internet-Artikel "Erdgastrasse", S. 1).
4.4. Junge Gemeinde
Die jungen Gemeinden sind örtliche kirchliche Jugendgruppen. Sie werden von den Pfarrern geleitet. In ihrem Rahmen fand zu Zeiten der DDR die Christenlehre Statt. Zu DDR-Zeiten wa-ren Religion und Staat auf dem Bildungssektor (Ausnahmen: religionswissenschaftliche Ein-richtungen, die sehr wenigen kirchlichen Schulen (z. B. die des Thomanerchors und die des Kreuzchors)) viel stärker getrennt als jetzt. Religionsunterricht an staatlichen Schulen durch staatliche Lehrer war undenkbar. Daher wurde von den Kirchen der DDR im Rahmen der Jun-gen Gemeinden die Christenlehre eingeführt, welche von den Pfarrern abgehalten wurde.
Aber auch gesungen, gespielt und miteinander die Freizeit verbracht wurde in den Jungen Ge- meinden, sprich, Gruppenarbeit geleistet. Zum Beispiel sind die Jungen Gemeinden auch heute noch verantwortlich für das Aufführen des Krippenspiels zu Weihnachten. Allerdings stellten die Jungen Gemeinden keine Konkurrenz zu FDJ und Pionierorganisation dar, da sie sich aus-schliesslich an christliche Jugendliche richteten. Und deren Zahl lag weit unter der der nichtre-ligiösen Jugendlichen (S. Internet-Artikel "'Religiös unmusikalisch'? - Ostdeutsche Mentalität zwischen Agnostizismus und flottierender Religiosität, S. 2 f.). Die Jungen Gemeinden waren vom Staat DDR nur ungern gelitten, da man hier, unter Schutz und Dach der Kirchen, Meinun-gen die vom offiziellen Kurs abwichen, viel deutlicher postulieren konnte als in FDJ oder Pionierorganisation (S. Internet-Artikel "Junge Gemeinde", S. 1).
4.5. Kinder- und Jugendsektionen von Vereinen
waren deren Kinder- und Jugendabteilungen. Hier war ein Ort, wo sich "früh krümmen, was ein Häkchen werden wollte" konnte. Man lernte von den Älteren, was für das jeweilige Hobby oder gar den späteren Beruf (z. B. bei der Jugendfeuerwehr, den jungen Schnitzern) wichtig war (Vgl. Friedrich, Fuchs, Paul et al, 1966, S. 128 ff.). Hier waren Jung und Alt (durch ge-meinsames Hobby) vereint, was ja schon Knigge in seinem Standardwerk höchlich rühmt.
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- Quote paper
- Mario Brandt (Author), 2005, Jugend in der ausgehenden DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35352
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