The optimal physical and tactical preparation of professional football teams has become an indispensable part of the professional game, especially due to the increased physical demands of match-play. The monitoring of players work rate profiles during competition is now feasible through computer-aided motion analysis. During the last season an inimitable project was initiated in professional football in Germany. All games were captured with a live tracking-system. The German Soccer League initializes the project and allowed all teams to participate using the data from the players. Formerly only a few teams had the possibility to use tracking-data. But how do the teams use the data in practice? Currently there are only a few empirical investigations on this topic and it remains unclear how the data are used in practice. Therefore, the present study attemps to explore the role of tracking-data in professional football teams in Germany. We administered questionnaires to a representative of all teams in the Bundesliga and second Bundesliga to gather information on how the tracking-data is used in their clubs and on their opinion concerning tracking.
In general the pattern of results suggests that every club uses the tracking-data in different ways. Primarily they use it to analyze the performance of their own team and to analyze opposing teams. The results also indicate that some teams incorporate the tracking data in the conceptualization and planning of training sessions. For most of the clubs the use of tracking-data involves a new field and so they do not have enough experts who can work in an adequate way with the data or they just haven’t enough time for it. In conclusion, tracking-data has established itself in professional football in Germany although the clubs do not use its full potential at the moment.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Teil
2.1 Definition von Tracking
2.2 Methoden von Tracking
2.2.1 MCS: Multi-Camera System
2.2.2 GPS: Global Positioning System
2.2.3 LPM: Local Positioning Measurement
2.3 Abgrenzung der Tracking-Methoden zueinander
2.4 Übersicht der technischen Hilfsmittel für die Spielanalyse
2.5 Tracking im sportwissenschaftlichen Kontext als Teil der systematischen Spielanalyse
2.5.1 Definition der systematischen Spielanalyse
2.5.2 Unterschied zwischen Spielbeobachtung und Spielanalyse
2.5.3 Spielbeobachtung
2.5.4 Methoden der Spielauswertung
2.5.4.1 Kriterien-Kataloge und Gütekriterien
2.5.4.2 Quantitative Analyse
2.5.4.3 Qualitative Analyse
2.5.5 Abschluss der systematischen Spielanalyse
2.5.6 Zusammenfassung: Tracking als Teil der systematischen Spielanalyse
2.6 Probleme und Grenzen
3 Entwicklung des Einsatzes von Tracking-Systemen
3.1 Impire AG
3.1.1 Unternehmensprofil
3.1.2 Entwicklung Impire
3.2 Amisco Group
3.2.1 Unternehmensprofil
3.2.2 Entwicklung Amisco
3.3 Abgrenzung der beiden Anbieter zueinander
4 Forschungsstand
5 Empirische Untersuchung
5.1 Methodik der Untersuchung
5.1.1 Beschreibung der Stichprobe
5.1.2 Untersuchungsdesign
5.1.3 Untersuchungsablauf
5.1.4 Rücklauf
6 Forschungsfragen
7 Empirische Untersuchungsergebnisse
7.1 Datennutzung
7.2 Analytische Statistik und Korrelationen
7.3 Einstellungen zum Tracking
8 Interpretation der Untersuchungsergebnisse
9 Fazit und Ausblick
10 Literaturverzeichnis
11 Anhang
Abstract
The optimal physical and tactical preparation of professional football teams has become an indispensable part of the professional game, especially due to the increased physical demands of match-play. The monitoring of players work rate profiles during competition is now feasible through computer-aided motion analysis. During the last season an inimitable project was initiated in professional football in Germany. All games were captured with a live tracking-system. The German Soccer League initializes the project and allowed all teams to participate using the data from the players. Formerly only a few teams had the possibility to use tracking-data. But how do the teams use the data in practice? Currently there are only a few empirical investigations on this topic and it remains unclear how the data are used in practice. Therefore, the present study attemps to explore the role of tracking-data in professional football teams in Germany. We administered questionnaires to a representative of all teams in the Bundesliga and second Bundesliga to gather information on how the tracking-data is used in their clubs and on their opinion concerning tracking.
In general the pattern of results suggests that every club uses the tracking-data in different ways. Primarily they use it to analyze the performance of their own team and to analyze opposing teams. The results also indicate that some teams incorporate the tracking data in the conceptualization and planning of training sessions. For most of the clubs the use of tracking-data involves a new field and so they do not have enough experts who can work in an adequate way with the data or they just haven’t enough time for it. In conclusion, tracking-data has established itself in professional football in Germany although the clubs do not use its full potential at the moment.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: MCS-System der Firma Amisco im Stadion
Abbildung 2: Skizzierung eines LPM-Systems im Einsatz
Abbildung 3: Prozessmodel der systematischen Spielanalyse
Abbildung 4: Leistungsanalyse der gegnerischen Mannschaft
Abbildung 5: Leistungsanalyse der eigenen Mannschaft
Abbildung 6: Trainingsinhalt (taktische Elemente)
Abbildung 7: Trainingsbelastung
Abbildung 8: Leistungsentwicklung von Spielern
Abbildung 9: Statistische Auswertungen
Abbildung 10: Live-Tracking-Daten
Abbildung 11: Vorteile gegenüber anderen europäischen Ligen
Abbildung 12: Ligaweites Tracking in den nächsten Jahren
Abbildung 13: Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal
Abbildung 14: Einstellungen der Vereine zum Tracking
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vor- und Nachteile der verschiedenen Tracking-Methoden
Tabelle 2: Technische Hilfsmittel für die Spielanalyse
Tabelle 3: U-Test: Unterschied bei der Nutzung zwischen den Ligen
Tabelle 4: U-Test: Unterschied bei den Gründen für die Nichtnutzung zwischen den Ligen
Tabelle 5: H-Test nach Kruskal und Wallis: Umsatzstäke und Datennutzung
Tabelle 6: Korrelation zwischen Umsatzstärke und Nutzungsmöglichkeiten
1 Einleitung
27. Juni 2010, 16:20 Uhr, Bloemfontein (Südafrika): Manuel Neuer legt sich den Ball auf die Torraumlinie. Der monotone Klang der Vuvuzelas hallt durch das Stadion, so dass selbst die Spieler auf dem Platz Schwierigkeiten bei der Kommunikation haben. Neuer lässt sich Zeit.
Kurz vor dem Anlauf deutet er seiner Abwehrreihe mit einer Handbewegung an, dass er einen langen Abschlag spielen wird. Dann geht alles ganz schnell: Anlauf Abschlag - Tor! Neuers Abschlag landet genau in der Schnittstelle der englischen Innverteidigung. Miroslav Klose setzt sich gegen Verteidiger Upson durch und erzielt im Fallen das Führungstor für die deutsche Nationalmannschaft - der Auftakt zweier grandioser Spiele gegen England und Argentinien.
Die FIFA führt Manuel Neuer als Vorbereiter - auf dem Platz war das auch so. Doch die echten Vorbereiter des Tores sitzen in Deutschland auf dem Sofa: Ein Team aus Mitarbeitern und Studenten der Deutschen Sporthochschule Köln. Warum? Torschütze Klose wird nach dem Spiel erklären, dass so ein Tor „geplant“ gewesen sei. Nationaltrainer Joachim Löw habe ihn und Manuel Neuer vor dem Spiel auf die Schwäche der englischen Innenverteidigung bei langen Bällen hingewiesen.
Winkler (2000) spricht bei solch einer akribischen Vorbereitung auf kommende Gegner von einer systematischen Spielanalyse. Die deutsche Nationalmannschaft bedient sich des Instruments der systematischen Spielanalyse seit der WM 2006 in Deutschland. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Leistungsanalyse der potentiellen Gegner gelegt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Durch die systematische Spielanalyse wird versucht Zufälligkeiten zu minimieren und durch Wissen einen Vorteil zu generieren. Gerade Vereine mit geringen finanziellen Mitteln können Konkurrenznachteile durch besondere Strategien in der Spielanalyse ausgleichen.
Mit der Professionalisierung der Spielanalysen hat sich auch ein Markt für Dienstleister entwickelt, die bei der Erhebung und Auswertung von Daten die Vereine oder auch Nationalmannschaften unterstützen. Die Firmen werben mit dem Versprechen die Mannschaftsleistung noch einen Tick zu verbessern.
Zu Beginn der Bundesliga Saison 2011/12 titelte ein Sportmagazin auf ihrer Homepage: „Poldi war der Lauffaulste, Großkreutz sprintete am öftesten“ (Hobusch, 2011). Grund dafür war der Start eines in der Welt einzigartigen Projektes, bei dem alle Begegnungen der aktuellen Saison in der ersten und zweiten Bundesliga, von der Firma Impire live getrackt werden. Dabei werden sämtliche Bewegungen der Spieler, der Schiedsrichter und des Balles auf dem Spielfeld aufgezeichnet, in Echtzeit analysiert und visualisiert. Die DFL stellt den Vereinen die Daten in einer Datenbank zur Verfügung, jeder Verein hat somit die Möglichkeit, sich zu jedem Spiel die aufgezeichneten Daten anzusehen.
Dies zeigt einen entscheidenden Wechsel bei dem Umgang mit den sensiblen Daten. Bisher wurden derartige Daten streng vertraulich behandelt und jeder Verein, der mit einem Tracking-Anbieter zusammen arbeitete, konnte nur die Auswertungen der eigenen Spiele ansehen. Jetzt setzt die DFL auf Kooperation und Transparenz mit dem Ziel, die eigene Liga gegenüber anderen europäischen Ligen zu stärken.
Wie die Schlagzeile des Sportmagazins erkennen lässt, profitieren aber nicht nur die Vereine von den gewonnenen Daten. Nopp (2009, S. 27) konstatiert, dass neben „Experten aus der Praxis oder der Wissenschaft“, die Medien ein immer größeres Interesse an den Daten haben und vermehrt versuchen „analytische Sendungsinhalte im TV-Programm“ unterzubringen.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Fußball bekommt durch das Tracking ebenso neue Möglichkeiten. Pro Spiel werden ca. vier Millionen Positionsdaten erhoben, die unter wissenschaftlichen Kriterien analysiert werden können, um bestimmte Muster aus den Spielsystemen zu erkennen.
Problematisch ist, dass die gewonnen Daten für sich isoliert betrachtet keinen großen Wert haben. Es werden ausgebildetes Fachpersonal und festgelegte Kriterien benötigt, um aus dem Zahlenspiel qualitative Aussagen zu treffen.
Wie wird aber die Rolle der Tracking-Daten innerhalb der Vereine angesehen? Wie werden die Daten in der Praxis genutzt? In dieser Arbeit sollen erste Erkenntnisse gewonnen werden, wie sich die neuen Möglichkeiten auf die Vereine auswirken.
2 Theoretischer Teil
Im diesem Abschnitt sollen Grundlagen zum Tracking und dessen Zuordnung im sportwissenschaftlichen Kontext vermittelt werden. Dazu wird der Begriff der systematischen Spielanalyse im Detail erklärt und es werden abschließend Probleme und Grenzen des Trackings aufgezeigt.
2.1 Definition von Tracking
Das Wort Tracking kommt aus dem Englischen und kann als die Standortverfolgung oder das Zielverfolgen übersetzt werden (LEO GmbH, 2012). Auf den Fußballsport übertragen bedeutet dies, dass sämtliche Bewegungen der Spieler und des Balles auf dem Spielfeld aufgezeichnet werden. Für die Umsetzung des Trackings stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung, die im nächsten Punkt vorgestellt werden. Aus den gewonnen Informationen lassen sich zum Beispiel Leistungsdaten wie Laufdistanzen und Geschwindigkeiten berechnen, zusätzlich wird ein Abbild des Spiels mit allen Positionsdaten der Spieler errechnet. Dieses Abbild wiederum lässt sich als zwei- oder dreidimensionale Animation des Spielgeschehens darstellen und hilft bei der taktischen Analyse der Gegner oder der eigenen Mannschaft (Niedzkowski, 2011).
2.2 Methoden von Tracking
Seit Einführung des Trackings im Fußballsport gab es verschiedene Technologien, um eine bestmögliche Umsetzung zu garantieren. Aktuell werden im professionellen Fußballsport drei automatisierte Technologien eingesetzt: das Multi-Camera System (MCS), das Global Positioning System (GPS) und das Local Positioning Measurement (LPM).
2.2.1 MCS: Multi-Camera System
Multikamerasysteme bestehen aus mehreren gegenseitig fest orientierten Kameras. Die Bildaufnahme des gewünschten Objektes, im Fußballsport sind es die Spieler auf dem Spielfeld, erfolgt gleichzeitig. Dadurch lässt sich ein größerer Bereich überblicken, es werden robustere Ergebnisse gewonnen und es lassen sich 3DInformationen rekonstruieren (Mitsubishi Electric Corporation, 2004). Die zu verfolgenden Objekte werden entweder anhand ihrer Trikotfarbe, der Gangart oder der Erscheinungsform erkannt.
Die Kameras sind über ein Netzwerk mit einem zentralen Rechnersystem verbunden, welches die Bilder und aufgenommen Daten in Echtzeit visualisiert und speichert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: MCS-System der Firma Amisco im Stadion (S.U.P. sas, 2010).
2.2.2 GPS: Global Positioning System
Das Global Positioning System ist für den Laien das wohl bekannteste Verfahren. Es wird unter anderem bei Navigationssystemen oder auch Handys verwendet. Im Fußballsport erfolgt die Umsetzung über sogenannter GPS-Module, die dem Spieler am Körper angebracht werden. Sie können entweder als Armband getragen oder im Schuh bzw. Stutzen untergebracht werden. Die Bewegungen werden dann per Satellit bestimmt und können später über den Computer ausgewertet werden.
2.2.3 LPM: Local Positioning Measurement
LPM ist ein patentiertes System zur lokalen dreidimensionalen Standortmessung in Echtzeit. Positionen von Personen oder beliebigen Objekten werden bis zu eintausend Mal pro Sekunde gemessen, verfolgt und in Echtzeit auf einem Bildschirm dargestellt. Das Echtzeit-Netzwerk basiert auf Hochfrequenztechnologie und kann Indoor wie Outdoor eingesetzt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Skizzierung eines LPM-Systems im Einsatz (JF Partners Consulting & Management GmbH, 2010).
Die Athleten tragen einen Transponder, der ein bestimmtes Signal an die BasisStationen rund um das Spielfeld sendet. Die empfangenen Daten werden dann in Echtzeit über das Netzwerk an den Zentralrechner weitergeleitet. Dieser errechnet daraus die aktuellen 3D-Positionsdaten und den Geschwindigkeitsvektor. In der entsprechenden Anwendungssoftware werden die Daten dann vollautomatisch übergeben und dargestellt (JF Partners Consulting & Management GmbH, 2009).
2.3 Abgrenzung der Tracking-Methoden zueinander
Bei den vorgestellten Methoden wird ein Unterschied deutlich, der besonders im Fußballsport eine entscheidende Rolle spielt. Während bei der GPS- und LPMMethode Chips, Sensoren oder Transponder an dem zu trackenden Objekt angebracht werden müssen, kommt die MCS-Methode ohne zusätzliche Technik am Objekt aus. Daher wird die MCS-Methode auch als passives Tracking und die GPS und LPMMethode als aktives Tracking deklariert.
Für den Einsatz im Fußballsport kommt daher bei Pflichtspielen nur die MCSMethode in Frage, da die notwendige zusätzliche Technik der anderen Methoden, aufgrund der erhöhten Verletzungsgefahr, für die Spieler nicht erlaubt ist.
Folgende Tabelle stellt die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden zur besseren Übersicht dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Vor- und Nachteile der verschiedenen Tracking-Methoden.
2.4 Übersicht der technischen Hilfsmittel für die Spielanalyse
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, entwickelt sich das Gebiet der systematischen Spielanalyse gerade für professionelle Vereine zu einem unverzichtbaren Instrument, um die eigenen Möglichkeiten im Wettbewerb zu verbessern. Dies hat auch die Wirtschaft erkannt und bietet den Vereinen verschiedene Dienstleistungen an. Auch Vereinen aus unteren Ligen, die finanziell keine großen Investitionen tätigen können, haben die Möglichkeit sich technische Hilfsmittel für die Unterstützung der Spielanalyse anzuschaffen. Für einen ambitionierten Amateurverein eignet sich besonders das Tagging. Mit einer Tagging-Software lassen sich Videos schneiden und direkt in vorher festgelegten Kategorien speichern. Folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die vorhandenen Hilfsmittel, deren Leistungen, Zielgruppen und Kosten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Technische Hilfsmittel für die Spielanalyse. In Anlehnung an Niedzkowski (2011).
Wie sich aus Tabelle 2 konstatieren lässt, ist die für diese Arbeit relevante TrackingMethode momentan nur für eine Zielgruppe im Sport interessant. Die derzeit sehr hohen anfallenden Kosten, können nur von Vereinen im professionellen Fußballsport getragen werden.
2.5 Tracking im sportwissenschaftlichen Kontext als Teil der
systematischen Spielanalyse
Der Begriff der systematischen Spielanalyse ist wissenschaftlich klar definiert. Um den Mehrwert des Trackings für den Sport und die richtige Einordnung im wissenschaftlichen Kontext verständlich zu machen, werden zunächst der Begriff und daraufhin der Ablauf einer systematischen Spielanalyse erläutert.
2.5.1 Definition der systematischen Spielanalyse
Das Prozessmodell von Winkler (2000) veranschaulicht, welche einzelnen Schritte bei einer systematischen Spielanalyse beachtet werden müssen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Prozessmodel der systematischen Spielanalyse. In Anlehnung an Winkler (2000).
Anhand von Abbildung 3 lässt sich feststellen, dass drei Phasen durchlaufen werden müssen, um eine fundierte Spielanalyse zu gewährleisten. Der erste Schritt wird als Spielbeobachtung deklariert, darauf folgt die Spielauswertung und abschließend werden die Ergebnisse interpretiert und präsentiert. Die einzelnen Phasen werden später detailliert erklärt.
Weiterhin sieht Winkler (2000) vier Bedingungen als notwendig, damit eine Spielanalyse als systematisch bezeichnet werden kann:
- die Beobachtungs- und Auswertungsziele sind eindeutig benannt
- die Beobachtungs- und Auswertungsmethoden sind eindeutig festgelegt
- es muss eine Dokumentation der Ergebnisse erfolgen
- es wird eine Interpretation/Bewertung der Ergebnisse bzw. Beurteilung der Spielerleistung vorgenommen
Nopp (2009) weist ebenfalls explizit darauf hin, dass die systematische Spielanalyse sich deutlich von einer subjektiven, alltäglichen Eindrucksanalyse abgrenzt. Durch die oben genannten vier Kriterien, wird aus einer reinen subjektiven Einschätzung eines Zuschauers, ein wissenschaftliches Verfahren. Bisanz und Gerisch (2008, S. 75) ergänzen, dass sie unter einer zeitgemäßen Spielanalyse besonders das „Prinzip interaktiver Vernetzung von Computer- und Videotechnik“ verstehen.
2.5.2 Unterschied zwischen Spielbeobachtung und Spielanalyse
Der Begriff Spielbeobachtung wird in der Praxis oft synonym mit dem Begriff Spielanalyse verwendet, obwohl die Begriffe im eigentlichen Sinne eine andere Bedeutung haben. Nopp (2009) spricht sich auch für eine klare Abgrenzung der Begriffe zueinander aus, da es fatal sei, sie synonym zu verwenden. Wie im Prozessmodell von Winkler (2000) präsentiert, ist die Spielbeobachtung ein Teilaspekt der Spielanalyse und darf daher nicht mit dem Begriff Spielanalyse gleichgesetzt werden. Insbesondere unter den Scouts und Beobachtern der Bundesligavereine werden die Begriffe oft analog verwendet.
2.5.3 Spielbeobachtung
Die Spielbeobachtung als erste Phase der systematischen Spielanalyse dient zum „Wahrnehmen und Speichern von Informationen bei einem aktuellen Fußballspiel [...]“ (Winkler, 2000, S. 64).
Bisanz und Gerisch (2008, S. 75) zählen folgende Verfahren der Spielbeobachtung auf:
- freie Spielbeobachtung
- Aufnahmeprotokolle auf Formblättern
- Beobachtungsbögen mit vorgegebenen Kategorien und Symbolen sowie Rastern für grafische Darstellungen
- Tonbandnotizen mittels Diktiergerät
- Videoaufzeichnungen
- Computergestützte Analysesysteme der ersten Generation
- Multimediale Analysesysteme (SIMI-Scout, MasterCoach, Amisco Pro, Dartish-Teampro u. a.)
„Die verschiedenen Formen der Spielbeobachtung unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Systematik, Präzision, Praktikabilität und Ökonomie, insbesondere in Bezug auf ihren Material- und Zeitaufwand sowie ihren Informationsgehalt“ (Bisanz & Gerisch, 2008, S. 75).
Aufgrund der fortschreitenden technischen Möglichkeiten, sind die computerunterstützten Analysesysteme am effektivsten. Dennoch hat der Beobachter immer noch die entscheidende Rolle. Er muss aus der beobachteten Realität ein passendes Abbild kreieren und versuchen dabei so wenig subjektive Einflüsse wie möglich einfließen zu lassen. Lames (1994, S. 38) sieht den Beobachter als „Messinstrument“ an. Besonders die Erhebungssituation wird von Lames (1994) als Fehlerquelle deklariert, da hier auch nicht beeinflussbare Faktoren involviert sind, wie ein ungünstiger Blickwinkel, große Entfernungen oder Fernsehbilder in Abhängigkeit vom Kamerawinkel.
2.5.4 Methoden der Spielauswertung
Die Spielauswertung erfolgt unmittelbar nach der Spielaufnahme durch die Beobachtung. Es wird zwischen einer Quantitativen und Qualitativen Auswertung unterschieden. Für beide Bereiche ist es zwingend notwendig im Vorfeld bestimmte Kriterien oder Kategorien festzulegen.
2.5.4.1 Kriterien-Kataloge und Gütekriterien
Ein im Vorfeld verifizierter Kriterien-Katalog, in dem die einzelnen Merkmale genau definiert werden, ist essentiell für die Methoden der Spielauswertung. Ziel ist es, ein möglichst hohes Maß an Vergleichbarkeit zu erreichen. Der Katalog sollte zum Beispiel beinhalten, wann von einer offensiven Standard-Situation gesprochen wird oder wann ein Zweikampf als verloren gilt. Die Festlegung solcher Kataloge geschieht oft „in Zusammenarbeit mit Trainern aus der Fußball-Bundesliga und Vertretern sportwissenschaftlicher Einrichtungen […]“, dabei werden „[…] Definitionen zu den ausgewählten Beobachtungsereignissen erstellt und schriftlich fixiert“ (Winkler, 2000, S. 118). Durch die Zusammenarbeit mit der Expertise aus Wissenschaft und Vereinen wird gleichzeitig gewährleistet, dass Gütekriterien wie Objektivität, Reliabilität und Validität eingehalten werden.
2.5.4.2 Quantitative Analyse
Anfang der 80er Jahre stellten Bisanz und Gerisch (1980, S. 324) noch fest, dass „die quantitative Erfassung bestimmter Spielaktionen selbst im professionellen Fußball kaum genutzt wird“. Dieser Zustand hat sich in den letzten dreißig Jahren extrem gewandelt. Heutzutage sind Erhebungen der Standardsituationen, Laufleistungen, Zweikampfstatistiken oder auch der Passquote ein Standard an jedem Bundesliga-
Spieltag. An dieser Stelle der systematischen Spielanalyse ordnet sich das Tracking ein, da es ausschließlich quantitative Daten bereitstellt.
Die gewonnen Daten sollten nach der Erhebung statistisch verarbeitet und graphisch dargestellt werden. Darauf folgt der kritische Punkt der Interpretation der Ergebnisse. Winkler (2000, S.69) warnt vor einem „unkritischen Umgang mit quantitativen Daten“. Die Erhebung einer reinen statistischen Zahl hat keine große Aussagekraft oder kann sogar falsch interpretiert werden. Um eine fachkundige Interpretation aus quantitativen Daten zu erstellen, muss auch immer nach der Ursache für den statistischen Wert gefragt werden. Um dies zu gewährleisten ist es sinnvoll die quantitative Analyse, durch eine qualitative Analyse zu ergänzen.
2.5.4.3 Qualitative Analyse
Die qualitative Spielanalyse besitzt gegenüber der reinen numerischen Erfassung von Spielereignissen und deren statistischer Auswertung zwar den Nachteil der geringeren Objektivität, aber dafür lassen sich komplexere gruppen- und mannschaftstaktische Handlungen bis hin zur Analyse des Spielsystems einer Mannschaft verdeutlichen (Bauer, 1998).
Um die subjektiven Einflüsse gering zu halten, ist es wichtig im Vorfeld bestimmte Kriterien und Merkmale festzulegen und klar zu definieren. Dies ist besonders wichtig, wenn unterschiedliche Betrachter bestimmte Szenen beurteilen müssen. Urs Siegenthaler1 weißt explizit darauf hin, dass bei qualitativen Analysen die „gleiche Sprache“ gesprochen werden muss (Dahlmann, 2008, S. 329). Abweichende Interpretationen verringern in hohem Maße die Aussagekraft. Daher ist es auch wichtig, dass die Analyse von fachkompetenten Beobachtern durchgeführt wird, am besten vom Trainer selbst oder seinen engsten Vertrauten.
2.5.5 Abschluss der systematischen Spielanalyse
Zum Abschluss der systematischen Spielanalyse werden die Ergebnisse interpretiert und präsentiert. Anhand von ausgewählten Videoszenen, Grafiken oder auch statistischen Daten versucht der Trainer seine Schlussfolgerungen aus den vorherigen Schritten der Mannschaft zu verdeutlichen. Am effektivsten für die Vermittlung ist dabei der Einsatz von auditiven und visuellen Medien. Nopp (2009) bestätigt, dass diese Kombination den Lerneffekt bei den Spielern optimiert. Es ist davon abzuraten, den Spielern kurz vor dem Spiel die Ergebnisse zu präsentieren, da ihre Aufnahmefähigkeit zu diesem Zeitpunkt sehr gering ist. Sinnvoller ist es, die letzte Trainingseinheit dafür zu nutzen.
2.5.6 Zusammenfassung: Tracking als Teil der systematischen
Spielanalyse
Wie in Kapitel 2.5.4.2 beschrieben, ergänzt das Tracking den Teilbereich der quantitativen Analyse einer systematischen Spielanalyse. Daten wie Laufleistung, Durchschnittsgeschwindigkeit, maximale Geschwindigkeit, Sprints, Sprint-Distanzen oder die genauen Positionsdaten aller Spieler werden durch das Tracking erfasst. Klare Definitionen, wie in 2.5.4.1 beschrieben, sind auch beim Tracking wichtig, um zum Beispiel Merkmale wie gehen, laufen oder sprinten bei Spielern zu unterscheiden. Die erhobenen Tracking-Daten, in Kombination mit den vorher festgelegten Definitionen, erweitern das Potenzial der systematischen Spielanalyse und der Interpretationsmöglichkeiten.
2.6 Probleme und Grenzen
Trotz der fortgeschrittenen Technologie heutzutage sind den Tracking-Methoden Grenzen aufgesetzt. Das gravierendste Problem beim Tracking ist die Genauigkeit der Daten. In einer Studie aus dem Jahr 2007 der technischen Universität München und der Intelligent Autonomous Systems Group2, wurde das Eröffnungsspiel der WM 2006 in Deutschland mit einem Multi-Camera System getrackt. Dabei kam heraus, dass eine 90 prozentige Übereinstimmung der Daten während des normalen Spielverlaufs stattgefunden hat, im Vergleich zu den überarbeiteten Daten. Die Quote lag bei Pulksituationen wie Freistößen oder Eckstößen noch bei über 70 % (Gedickli, Bandouch, v. Hoyningen-Huene, Kirchlechner & Beetz, 2007). Speziell wenn die Spieler sich gegenseitig verdecken, stoßen die Tracking-Systeme an ihre Grenzen. Meistens muss dann von einem Operator vor Ort im Stadion manuell eine Korrektur vorgenommen werden. Carling, Bloomfield, Nelsen und Reilly (2008) beklagen ebenfalls in ihrer Studie, dass bei den meisten Tracking-Systemen bisher keine zufriedenstellenden Qualitätschecks durchgeführt wurden. Die reinen Herstellerangaben reichen nicht aus um wissenschaftliche Standards wie Objektivität, Reliabilität und Validität einzuhalten. Selbst wenn Technik am Körper des Spielers in naher Zukunft im professionellen Fußballsport erlaubt werden sollte, wird es schwer sein, Daten zu generieren, die zu 100 % stimmen. Bei Tests mit der GPS-Methode fanden Carling et al. (2008) heraus, dass immer noch eine Fehlertoleranz zwischen 4,8 % bis 5,5 % vorhanden ist. Wechselhafte Wetterbedingungen erschweren den Systemen zusätzlich valide Daten zu liefern. Ein Sonne- und Schattenwechsel auf dem Spielfeld oder sich ändernde Helligkeitswerte während des Spiels erfordern ständige Korrekturen der Operator vor Ort, um sich den Bedingungen anzupassen. Auch starke Rauchentwicklungen aufgrund sogenannter Bengalos in den Stadien, können das Tracking-System an seine Grenzen bringen.
3 Entwicklung des Einsatzes von Tracking-Systemen
Das Thema Tracking erlebt erst seit dieser Saison ein großes Aufsehen in den Medien, obwohl es schon seit mehreren Jahren im professionellen Fußballsport in Deutschland genutzt wird. Dies liegt darin begründet, dass nicht nur die Vereine Zugriff auf die seit dieser Saison erhobenen Daten haben, sondern auch die Medienvertreter.
Zwei Firmen sind bei der Entwicklung in Deutschland maßgeblich beteiligt: Zum Einen ist das die Amisco Group mit ihrem Hauptsitz in Frankreich und zum Anderen die Impire AG, die in Deutschland beheimatet ist. In diesem Abschnitt werden die beiden Firmen vorgestellt und jeweils deren chronologische Entwicklung auf dem deutschen Fußballmarkt aufgezeigt. Anschließend werden die Firmen voneinander abgegrenzt.
3.1 Impire AG
3.1.1 Unternehmensprofil
Die Impire AG wurde im Jahr 1988 gegründet und ist mittlerweile einer der größten unabhängigen Mediendienstleister in Deutschland. Die 1992 ins Leben gerufene ranDatenbank war unter anderen ein Produkt der Impire AG. Zu den Kunden zählen alle großen TV-Sender, namenhafte Verlage, Internetdienste, Mobilfunkunternehmen und nahezu alle Bundesligavereine.
Das Angebot der Impire AG umfasst sportwissenschaftliche Statistiken, Echtzeittracking durch das VIS.TRACK-System, TV-Sendegrafik, redaktionelle Dienstleistungen sowie Technologie-Konzepte für TV-Formate, Multimedia und Contentsysteme. Die Firma beschäftigt aktuell ca. 60 Vollzeitkräfte und ca. 200 kapazitätsorientierte Arbeitskräfte. Standorte der Firma sind Ismaning (bei München), Hamburg, Karlsbad (Betriebsstätte) und Innsbruck (proFILE GmbH) (Impire AG, 2012).
3.1.2 Entwicklung Impire
Im Oktober 2003 wurde die IMPIRE AG von der Cairos Technologies AG übernommen. Die Cairos Technologies AG hatte ein videobasiertes Tracking System (Vis.Track) entwickelt, das in der Lage ist, sämtliche Spieler und den Ball zuverlässig in Echtzeit zu tracken. Erste Tests bzw. Kooperationen mit
Bundesligisten folgten im Jahr 2008. Erst ab der Saison 2010/11 wurde das Vis.Track-System bei ausgewählten Vereinen regelmäßig eingesetzt.
Wie aus der Presse bekannt wurde, war Borussia Mönchengladbach einer der ersten Vereine, die das Tracking-System der Impire AG genutzt haben. Lucien Favre nutzte die neuen Möglichkeiten unter anderem dafür, die Abstände seiner Spieler auf dem Feld zu kontrollieren, um daraus zu erkennen, wie kompakt sich seine Mannschaft bewegt hat (Impire AG, 2011).
Ebenfalls der Deutsche Meister aus der Saison 2010/11, Borussia Dortmund, vertraute auf die Hilfe der Tracking-Daten der Impire AG. In Dortmund wurden die Daten insbesondere für die Trainingsgestaltung bzw. die Trainingsintensitäten genutzt. Konditionelle Defizite oder Überbelastungserscheinungen sowie die Länge des Aufenthaltes oberhalb oder unterhalb der aerob-anaeroben Schwelle wurden aus den Daten ausgewertet und beim Training berücksichtigt (Wellerdiek, 2011). Als dritter Bundesligist hatte sich der FC Schalke 04 in der Saison 2010/11 für das Vis.Track-System entschieden. Der erste Zweitligist im Kundenkreis der Impire AG im Bereich Tracking war der VFL Bochum, der ab Januar 2011 die Daten nutzte.
Im Februar 2011 beauftragte die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) die Impire AG mit der Erfassung der offiziellen Spieldaten der Bundesliga und 2. Bundesliga ab der Saison 2011/12, sowie der exklusiven Vermarktung im Bereich Medien und Sportwetten. Den Zuschlag erhielt die Impire AG nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Bieterverfahren (DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, 2011). Durch den Zuschlag der DFL ergab sich auf dem deutschen Markt ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Impire AG gegenüber anderen Tracking-Anbietern. Alle 36 Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga gehören somit automatisch zu den Kunden der Impire AG im Bereich der Spieldaten und Spielanalyse für den Trainerstab und die sportliche Leitung.
[...]
1 Chefscout der deutschen Nationalmannschaft
2 http://ias.cs.tum.edu
- Arbeit zitieren
- Christian Kochs (Autor:in), 2012, Die Rolle von Tracking-Daten. Eine explorative Studie im professionellen Fußballsport in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353374
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