Pflegenotstand, Personalmangel und Pflegefehler sind in aller Munde. Nicht nur in der Fachpresse, auch in öffentlichen Medien, Zeitungen und Talkshows flammt das Thema immer mal wieder auf. Burnout und Überlastung, frühes Aussteigen aus dem Beruf sind in der Pflege Alltag.
Neben dem psychologischem Aspekt einen Umgang mit der Thematik zu finden, gibt es auch einen rechtlichen. In dem Berufsstand ist "mit einem Bein im Gefängnis" zu stehen nicht erst seit gestern ein geflügeltes Wort. Wer aber haftet für Fehler und Schäden an Heimbewohnern? Gibt es auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn ja für wen, wenn beispielsweise ein Heimbewohner exsikiert stürzt und sich Verletzungen zuzieht? Wie kann man sich zum Einen aus Arbeitnehmerperspektive vor der Haftung schützen und zum Anderen als Träger oder Leitung auf Überlastungssituationen reagieren, um rechtzeitig ein Organisationsverschulden abzuwenden?
An dieser Fragestellung orientiert sich diese Facharbeit. Denn eine einmal mit einem Pflegefehler in Verruf geratene Einrichtung, schafft es kaum mehr sich vor der Öffentlichkeit zu rehabilitieren und einen vormals vielleicht guten Ruf wiederherzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemdefinition
2 Ist-Analyse
2.1 Personalbemessung als strukturelle Ursache der Überlastung in der Altenpflege
2.1.1 Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen in stationären Einrichtungen
2.1.2 Personalbemessung
2.2 Subjektiv empfundene Überlastung
2.3 Haftung in der Pflege
2.3.1 Zivilrechtliche Haftung
2.3.1.1 Deliktische Haftung
2.3.1.2 Vertragliche Haftung
2.3.1.3 Arbeitnehmer- und Arbeitgeberhaftung
2.3.2 Strafrechtliche Haftung
2.3.2.1 Körperverletzung
2.3.2.2 Fahrlässige Körperverletzung
2.3.3 Organisationsverschulden
2.4 Haftungsrechtliche Relevanz nationaler Expertenstandards
2.5 Fallbeispiele
2.5.1 Haftung eines Pflegeheimbetreibers bei Dekubitus
2.5.2 Geldstrafe für Heimleiter
2.5.3 Sturz am Waschbecken
2.6 Überlastungsanzeige
2.6.1 Rechtliche Grundlagen
2.6.2 Form der Überlastungsanzeige
2.6.3 Überlastungsanzeige aus Arbeitnehmersicht
2.6.4 Überlastungsanzeige aus Arbeitgebersicht
3 Fazit
4 Literaturverzeichnis
5 Rechtssprechungsverzeichnis
Nachtrag - Aktuelle Anmerkungen zum PSG II
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1: Tatsächlicher Zeitaufwand
Tab. 2: Personalschlüssel RLP/Bund
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Problemdefinition
Pflegenotstand, Personalmangel und Pflegefehler sind in aller Munde. Nicht nur in der Fachpresse, auch in öffentlichen Medien, Zeitungen und Talkshows flammt das Thema immer mal wieder auf. Burnout und Überlastung, frühes Austeigen aus dem Beruf sind in der Pflege Alltag.
Neben dem psychologischem Aspekt einen Umgang mit der Thematik zu finden, gibt es auch einen rechtlichen. In dem Berufsstand ist "mit einem Bein im Gefängnis" zu stehen nicht erst seit gestern ein geflügeltes Wort. Wer aber haftet für Fehler und Schäden an Heimbewohnern? Gibt es auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn ja für wen, wenn beispielsweise ein Heimbewohner exsikiert stürzt und sich Verletzungen zuzieht? Wie kann man sich zum Einen aus Arbeitnehmerperspektive vor der Haftung schützen und zum Anderen als Träger oder Leitung auf Überlastungssituationen reagieren, um rechtzeitig ein Organisationsverschulden abzuwenden?
An dieser Fragestellung orientiert sich diese Facharbeit. Denn eine einmal mit einem Pflegefehler in Verruf geratene Einrichtung, schafft es kaum mehr sich vor der Öffentlichkeit zu rehabilitieren und einen vormals vielleicht guten Ruf wiederherzustellen.
2 Ist-Analyse
Überlastung bedeutet im eigentlichen Sinn, dass die Last zu groß ist. Die Ursachen hierzu sind m.E. in zwei Dingen zu suchen. Zum Einen steht der vom Medizinischen Dienst ermittelte Pflegebedarf nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand und zum Anderen sind nichteinmal die in diesen Begutachtungen ermittelten Zeitwerte zu erbringen, da die Personalbemessung aus den Pflegesatzverhandlungen dazu führt, dass eben nicht ausreichend Personal zur Verfügung gestellt werden kann.
2.1 Personalbemessung als strukturelle Ursache der Überlastung in der Altenpflege
Arbeitsbelastung steht und fällt mit dem Verhältnis von eingesetztem Personal und Arbeitsaufwand. Beides sind nicht nur in der Pflege dynamische Variablen. Die Personalsituation ist immer abhängig von den Kostenträgern, Krankenstand etc. Arbeitsaufwand in der Pflege steigt z.B. durch progrediente Verschlechterung des Allgemeinzustands der Pflegebedürftigen einer Organisationseinheit langsam und kontinuierlich, aber auch oft durch akute Geschehenisse, wie z.B. ein Schlaganfall eines Heimbewohners und damit plötzlich höherem Pflegebedarf oder vorübergehend z.B. durch eine Grippewelle unter Heimbewohnern, an.
2.1.1 Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen in stationären Einrichtungen
In der Studie bei über 700 Heimbewohnern aus Nordrhein-Westfalen wurde die durchschnittliche Zeit in den drei Pflegestufen gemessen, in welcher Pflegekräfte zur Unterstützung und Hilfeleistung zur Verfügung standen. Dabei ergab sich folgendes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Tatsächlicher Zeitaufwand
Quelle: Eigene Darstellung
Der gemittelte Zeitaufwand beträgt laut der Studie 82,7 Minuten. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die durchschnittlich erbrachte Leistungszeit in den Pflegestufen 2 und 3 unter den MDK-Zeitorientierungswerten liegen. Lediglich in der Pflegestufe 1 liegen die Zeitwerte geringfügig darüber. (vgl. Wingenfeld, Schnabel 2000: 61ff)
Kommt man zu dem Schluss, dass Personalschlüssel in einem direktem Verhältnis zu Pflegestufen stehen, so irrt man. Nirgendwo ist hinterlegt, was denn dann in der zur Verfügung gestellten Zeit tatsächlich an Leistung erbracht werden soll. So lässt sich auch die Unterschreitung der sog. Zeitorientierungswerte erklären. In den MDK-Richtlinien heißt es dazu: "Die Zeitorientierungswerte enthalten keine Vorgaben für die personelle Besetzung von ambulanten, teil- oder vollstationären Pflegeeinrichtungen und lassen keine Rückschlüsse hierauf zu. Sie haben nur für die Feststellung der Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XI Bedeutung. Die personelle Besetzung von Einrichtungen betrifft demgegenüber die Leistungserbringung[...]" (MDS 2009: 113)
2.1.2 Personalbemessung
Der Personalschlüssel wird von den Trägern der stationären Einrichtungen in den Pflegesatzverhandlungen mit den Pflegeversicherungen und Sozialhilfeträgern ausgehandelt. I.d.R. sind die Schlüssel innerhalb eines Bundeslandes gleich, sodass es eine vergleichbare Grundlage zur Personalbemessung gibt. (vgl. §§75,85 SGB XI) Der jeweilige Schlüssel ist abhängig von den jeweiligen Pflegestufen, z.B. bei Pflegestufe 1 beträgt der Schlüssel 1:3, d.h. für drei Heimbewohner mit der Pflegestufe 1 kann eine Vollzeitstelle besetzt werden. Beträgt der Schlüssel bei Pflegestufe 3 1:2, kann bereits für zwei Heimbewohner eine Vollzeitstelle besetzt werden.
Der aktuelle Personalschlüssel in Rheinland-Pfalz im Vergleich zum Bundesdurchschnitt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Personalschlüssel RLP/Bund ; Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Wipp 2014a & Wipp 2014b)
Angenommen die Pflegestufenverteilung der NRW-Studie ließe sich übertragen, hätte der durchschnittlichliche Heimbewohner die Pflegestufe 1,832 also 2 (vgl.: Wingenfeld, Schnabel 2000: 34) , mit 87 Minuten tatsächlich erbrachter Leistung, welcher mindestens 120 Minuten sog. Zeitorientierungswert gegenübersteht.
Geht man von einer Nettoarbeitszeit von 80% aus, zieht zudem täglich 90 Minuten Zeit für Übergaben, Dokumentation und Administration ab, kommt man auf 69 Minuten pro Heimbewohner mit Pflegestufe 2, also noch unter die ermittelte Zeit aus der NRW-Studie. (40 Std. Wochenarbeitszeit ergibt 5,7 Std. tgl. x 60 Minuten = 343 Minuten tgl. für 2,67 Heimbewohner, abzüglich 20% Urlaub, Krankheit, Mutterschutz etc. entspricht 274 Minuten täglich für 2,67 Heimbewohner; abzüglich 90 Minuten anderweitige Aufgaben tgl. entspricht 184 Minuten für 2,67 Heimbewohner, bzw. jeweils rund 69 Minuten) Dabei wurden noch nicht die Stellenanteile für Pflegedienstleitung und Qualitätsmanagement abgezogen, welche derzeit in den meisten Bundesländern noch in den Pflegepersonalschlüssel fallen.
Unterstellt, die MDK-Gutachten bilden den tatsächlichen Pflegebedarf ab, ist keine stationäre Einrichtung unter den jetzt vorherschenden Bedingungen in der Lage ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen eben diesem Bedarf gerecht zu werden.
Alles in allem kann man zu dem Schluss kommen, dass die Personalbemessung nicht vom tatsächlichen Bedarf, sondern vielmehr von finanzielen Erwägungen der Kostenträger abhängig ist.
2.2 Subjektiv empfundene Überlastung
Da wie oben schon beschrieben, die Personaldecke ohnenhin sehr dünn in der stationären Altenpflege ist, führen temporäre Ereignisse, wie Dienstausfall oder plötzliche Arbeitsverdichtung, z.B. durch eine Magen-Darm-Epidemie zu Überlastungssituationen. Aktuellen Zahlen der AOK zufolge fallen täglich 6,3% der Pflegekräfte stationärer Einrichtungen gegenüber 4,8% in anderen Berufen krankheitsbedingt aus. (AOK 2013) Häufiges Rufen aus dem Frei oder personelle Unterbesetzung führen ihrerseits wieder zu Belastungsreaktionen.
Einer Studie der Fachhochschule Münster zufolge bemängeln über 70% der Altenpflegekräfte ihre Aufgaben in der vorgegebenen Zeit nicht bewältigen zu können. (vgl. Buxel, 2010: 10). Darüber hinaus sind über 60% der Beschäftigten mit der Personaldecke eher bis sehr unzufrieden (s. ebenda: 121). 65% der Befragten gaben an sich psychisch, 50% sich physisch stark belastet zu fühlen. (s. ebenda: 131)
2.3 Haftung in der Pflege
Unter den derzeitigen Bedingungen und mit Ausblick auf den demographischen Wandel ist die Frage, welche Konsequenzen zivil- und strafrechtlich auf Arbeitnehmer-, als auch auf Arbeitgeberseite ggf. zu tragen sind, berechtigt. Dieses Kapitel beleuchtet dies näher.
2.3.1 Zivilrechtliche Haftung
Zivilrechtliche Haftung zielt immer auf Schadensersatz, z.B. Erstattung von Heilbehandlungskosten, Ersetzen von Sachschaden und nicht zuletzt auch auf Schmerzensgeld ab. Man unterscheidet hierbei im wesenlichen die deliktische Haftung und die Haftung aus einem Vertrag.
2.3.1.1 Deliktische Haftung
Deliktische Haftung oder auch Verschuldenshaftung leitet sich aus dem §838 BGB ab. Demnach muss ein Schädiger dem Geschädigtem Schadensersatz leisten, sofern die Tat (Delikt) zum Einen rechtswidrig und zum Anderen von ihm verschuldet ist. Zudem kann ein Geschädigter auch Schmerzensgeld einfordern. Die deliktische Haftung trifft also einen Einzelnen. Im Gesetz wird zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Im Kontext zu Überlastungssituationen, können am ehesten Situationen entstehen, in welchen Pflegepersonal fahrlässig handelt, sei es, dass durch subjektiv empfundenen oder reelem Zeitdruck eine Brille eines Heimbewohners aus der Hand gleitet, oder dass ein Heimbewohner stürzt, da das Pflegepersonal aus Überlastung nicht umgehend auf einen Klingelruf reagiert, sodass der Heimbewohner sich selbstständig zur Toilette zu mobilisieren versucht.
[...]
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- Fabian Bredin (Autor), 2014, Überlastung in der stationären Altenhilfe im Kontext zum Haftungs- und Strafrecht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351606
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