Die Masterarbeit bearbeitet alle gängigen Definitionen von Europäisierung und erarbeitet aus dem Konvolut die Hauptstränge des Europäisierungsbegriffs.
Die vorliegende Masterarbeit stellt fest, dass Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte trotz des vielfältigen Theorieangebots eine Sonderrolle einnimmt. Der Trend in Richtung Theorien mittlerer Reichweite und offener Konzepte wird in der Integrationsdebatte deutlich. Die Sonderstellung der Europäisierung als Beschreibungsperspektive auf nationalstaatlichen Wandel konkretisiert sich auch durch klare Anforderungen zur Präzisierung des Konzepts der EU-Integration als Bottom-up-Prozess. Europäisierung löst EU-Integration nicht als Begriff ab, weist Integration aber eine genauere Funktion zu. Die weitere Konzeptentwicklung von Europäisierung erfordert eine EU-Integrationsdefinition, die den eigenen Bottom-up-Prozess trennschärfer beschreibt.
In der Beschreibung nationalstaatlicher Anpassungsprozesse kommen Europäisierungsstudien häufig zu divergierenden Ergebnissen zwischen den verglichenen Staaten. Europäisierung untersucht komplexe staatliche Wandlungsprozesse, die keiner „Integrationslogik“ folgen. Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung beschreibt dabei vertikale und horizontale (zwischenstaatliche) Prozesse staatlichen Wandels. Insgesamt zeigt sich ein pragmatischer Umgang der Politikwissenschaft mit der Europäisierung. Die Interdisziplinarität des Konzepts wird von PolitikwissenschaftlerInnen genutzt, um auch andere (vor allem rechtliche) Dimensionen der Europäisierung zu untersuchen. Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung entwickelte bisher noch kein etabliertes Methodenrepertoire, sondern greift auf MLG-Forschung und Konzepte der vergleichenden Regierungslehre zurück. Um eine Profilschärfung der politikwissenschaftlichen Europäisierungsforschung zu erreichen, wäre es nötig, die bisher im Vordergrund stehende Institutionenforschung stärker mit der Erforschung der Bedeutung (politischer) Akteure und Parteien zu verknüpfen.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Politikwissenschaftliche Theorien europäischer Integration
2.1 Föderalismus
2.2 Neo-Funktionalismus
2.3 Intergouvernementalismus
2.4 Supranationalismus
2.5 Multi-Level-Governance
2.6 Sozialkonstruktivistische Ansätze
3 Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung
3.1 Die Begriffsdebatte um Europäisierung
3.2 Europäisierung als integrativer Forschungsansatz
3.2.1 Europäisierung und die Perspektive des Mehrebenenregierens
3.2.2 Europäisierungsforschung und die vergleichende Politikfeldforschung
3.3 Europäisierungsforschung und ihre Methodendebatten
3.3.1 Europäisierung als “Second-Image-Reversed”-Forschungsdesign
3.3.2 Vertikale und horizontale Wandlungsprozesse
3.3.3 Top-down und Bottom-up-Perspektive
3.3.4 Goodness-of-fit und neo-institutionalistische Ansätze
3.3.5 Up-, Cross- und Downloading
3.3.6 Europäisierung, Globalisierung und Regionalisierung
3.3.7 Qualitative Europäisierungsforschung
3.3.8 Quantitative Europäisierungsforschung
3.3.9 Methodentriangulation in der Europäisierungsforschung
3.4 Aspekte politischer Europäisierung
3.4.1 Europäisierung innerhalb der EU
3.4.1.1 Europäisierung auf mitgliedsstaatlicher Ebene
3.4.1.2 Europäisierung auf regionaler Ebene
3.4.2 Europäisierung außerhalb der EU
3.4.2.1 Erweiterungsprozess der Europäischen Union
3.4.2.2 Europäisierung außerhalb der Europäischen Union
3.5 Modelle „variabler Integration“ und Europäisierung
4 Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte
5 Weitere Dimensionen der Europäisierungsforschung
5.1 Rechtliche Europäisierung
5.2 Wirtschaftliche Europäisierung
5.3 Gesellschaftliche Europäisierung
6 Die Konzeptdebatte innerhalb der Europäisierungsforschung
6.1 Europäisierungsdebatte und Concept Stretching
6.2 „Konzeptionelle Schlampigkeit“ und Europäisierung
6.3 Ergebnisse der Konzeptdebatte in der Europäisierungsforschung
7 Europäisierung als Konzept politikwissenschaftlicher EU-Integrationsforschung?
7.1 Politikwissenschaftliche EU-Integrationsforschung
7.2 Politische Prozesse der Integration und Europäisierung
7.3 Politikwissenschaft und Europäisierung
8 EU-Integration konkretisiert durch Europäisierung - Fazit
Literaturverzeichnis
Gesetzesverzeichnis
Verzeichnis genutzter Bildmotive
Verzeichnis zitierter Internetseiten
Anhang
Abbildung 1: Wissenschaftliche Relevanz
Abbildung 2: Gemeinschaftsrecht und die deutsche Gesetzgebung
Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte – Europäisierung als Konzept politikwissenschaftlicher EU-Integrationsforschung?
Zusammenfassung
Die vorliegende Masterarbeit stellt fest, dass Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte trotz des vielfältigen Theorieangebots eine Sonderrolle einnimmt. Der Trend in Richtung Theorien mittlerer Reichweite und offener Konzepte wird in der Integrationsdebatte deutlich. Die Sonderstellung der Europäisierung als Beschreibungsperspektive auf nationalstaatlichen Wandel konkretisiert sich auch durch klare Anforderungen zur Präzisierung des Konzepts der EU-Integration als Bottom-up-Prozess. Europäisierung löst EU-Integration nicht als Begriff ab, weist Integration aber eine genauere Funktion zu. Die weitere Konzeptentwicklung von Europäisierung erfordert eine EU-Integrationsdefinition, die den eigenen Bottom-up-Prozess trennschärfer beschreibt.
In der Beschreibung nationalstaatlicher Anpassungsprozesse kommen Europäisierungsstudien häufig zu divergierenden Ergebnissen zwischen den verglichenen Staaten. Europäisierung untersucht komplexe staatliche Wandlungsprozesse, die keiner „Integrationslogik“ folgen. Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung beschreibt dabei vertikale und horizontale (zwischenstaatliche) Prozesse staatlichen Wandels. Insgesamt zeigt sich ein pragmatischer Umgang der Politikwissenschaft mit der Europäisierung. Die Interdisziplinarität des Konzepts wird von PolitikwissenschaftlerInnen genutzt, um auch andere (vor allem rechtliche) Dimensionen der Europäisierung zu untersuchen. Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung entwickelte bisher noch kein etabliertes Methodenrepertoire, sondern greift auf MLG-Forschung und Konzepte der vergleichenden Regierungslehre zurück. Um eine Profilschärfung der politikwissenschaftlichen Europäisierungsforschung zu erreichen, wäre es nötig, die bisher im Vordergrund stehende Institutionenforschung stärker mit der Erforschung der Bedeutung (politischer) Akteure und Parteien zu verknüpfen.
Schlagwörter:
Integration versus Europäisierung, Konzeptdebatte, Diversität nationalstaatlicher Europäisierungsergebnisse, Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
“In other words, Europeanisation follows no single ‘logic’.” Bulmer, Radaelli 2004:7
1 Einleitung
Die Europäischen Gemeinschaften und die spätere Europäische Union sind mit ihren internen wie externen Integrationserfolgen[1] immer auch ein Objekt politikwissenschaftlicher Theoriebildung gewesen. Politikwissenschaftliche Forschungsrichtungen, wie die vergleichende Regierungslehre und die internationalen Beziehungen, versuchen seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften ihren Verlauf analytisch zu verfolgen. Der Schwerpunkt der Analysen bezieht sich auf die Schaffung supranationaler Institutionen der EU sowie des gemeinsamen Binnenmarktes zwischen den Mitgliedsstaaten. Neben der analytischen Perspektive auf die EU erweitern normative Vorstellungen, wie im Föderalismus, die Vielfalt der Debatte. Diese normativen Ansätze versuchen die Finalität der Europäischen Gemeinschaften zu beschreiben. Die Komplexität der Debatte führt Jachtenfuchs und weitere Autoren dazu, die europäische Gemeinschaftsbildung als „sui generis“[2] zu bezeichnen (1997:7). Diese Zuschreibung von Einzigartigkeit zieht aber Schwierigkeiten für die wissenschaftliche Analyse nach sich.
Mit der Europäisierung ist seit fünfzehn Jahren ein konzeptioneller Ansatz in die wissenschaftliche Integrationsdebatte eingetreten, der sich in einigen Punkten von klassischen Integrationstheorien unterscheidet. Europäisierung stellt eine neue Perspektive auf den Integrationsprozess dar, indem die nationalstaatlichen Veränderungen durch den Anpassungsdruck der EU beschrieben werden. Die Analyse umfasst durch die weitreichenden Kompetenzen der EU ein breites Spektrum an Politikbereichen und Akteuren innerhalb und außerhalb der EU.
In diesem Rahmen werden die „Impulse“[3] der EU auf Nationalstaate und private Akteure untersucht. Die Debatte um die Europäisierung ist durch viele Begriffs- und Konzeptvorschläge gekennzeichnet. Von einem festen Konzept kann nicht gesprochen werden. Europäisierung hat sich trotzdem als Teil der European Studies etabliert. Die Offenheit des Europäisierungskonzepts erschwert aber die Abgrenzung von benachbarten Theorien und Ansätzen (wie der MLG-Forschung).
Die Fragestellungen der vorgelegten Abschlussarbeit im Masterstudiengang „Politische Kommunikation“ beziehen sich auf die Einordnung des Europäisierungskonzept in die bestehende EU-Integrationsdiskussion. Hinzu kommt die Rolle der Politikwissenschaft in diesem interdisziplinären Konzept, in dem staatlicher Wandel durch EU-Impulse und damit auch politische institutionelle Veränderungen erforscht werden. Zur Vertiefung werden auch die Schwerpunkte der Europäisierungsforschung und die Debatte um deren Methoden vorgestellt.
Die erste Fragestellung lautet: Wie ist das junge Konzept der Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte einzuordnen? Der aktuelle Stand in der Diskussion um Europäisierung ist dazu grundlegend. Da das Europäisierungskonzept selbst noch keine feste Definition hat, wird die Abgrenzung nicht immer trennscharf sein können. Diese Arbeit versucht, den Diskurs um das Europäisierungskonzept soweit wie möglich zuzuspitzen. Dabei werden auch die Schwerpunkte sowie die methodische Messbarkeit von Europäisierung dargestellt. Die Einordnung geschieht durch die Gegenüberstellung des Europäisierungskonzepts mit Theorien der europäischen Integration. Gleichzeitig kann so die Frage geklärt werden, ob Europäisierung mit europäischer Integration gleichgesetzt werden kann. Diese Fragestellung wird in den folgenden drei Kapiteln behandelt.
Zweitens geht diese Arbeit der Frage nach, wie die Rolle der Europäisierungsforschung innerhalb der Politikwissenschaft einzuschätzen ist. Was genau ist das Politikwissenschaftliche an Europäisierung? Dabei wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass Europäisierungsprozesse nicht nur politisch, sondern auch rechtlich, wirtschaftlich oder gesellschaftlich charakterisiert werden können. Zur Klärung dient der Vergleich mit diesen weiteren Europäisierungsperspektiven. Die Fragestellung wird in den Kapiteln fünf bis sieben dargestellt und baut auf Ergebnissen der ersten Fragestellung auf.
Europäisierung und die Europäische Integration bilden ein großes Forschungsfeld, daher werden Inhalte ausgeschlossen, die aufgrund der begrenzten Seitenzahl nicht in dieser Masterarbeit thematisiert werden können. Der Fokus liegt auf dem politischen System der EU (mit Ausnahme der EMRK und des Europarats in der rechtlichen Europäisierung). Die Europäisierung von weiteren europäischen Gemeinschaften (wie EWR oder EFTA) wird kurz erläutert. Der Theorievergleich ist auf die analytischen Perspektiven ausgerichtet. Normative Vorstellungen der beschriebenen Theorien bleiben (außer im Föderalismus) unberücksichtigt[4]. Dazu gehört auch der mögliche weitere Integrationsverlauf der EU. Es werden ebenfalls keine historischen Ereignisse für den Theoriebildungsverlauf herangezogen.[5] Es sollen ausschließlich Unterscheidungen zwischen Theorien und Konzepten der europäischen Integration herausgearbeitet und diskutiert werden. Ebenfalls ausgeschlossen wird die Debatte um die sui generis Struktur[6] der EU. Auch wenn sie in der Europäisierungsdebatte immer wieder auftaucht, ist diese Vorstellung der Unvergleichbarkeit des EU-Systems nicht weiterführend für die untersuchten Fragestellungen. Die Breite der soziologischen Europäisierungsforschung konnte innerhalb dieser Arbeit nicht dargestellt werden. Dazu gehören grenzsoziologische[7] und sozialstrukturelle Analysen[8]. Die Europäisierung von Parteien (siehe Axt 2006, Mair 2008) lässt sich in dem begrenzten Umfang ebenso nicht darstellen, wie Ergebnisse von Europäisierungsstudien einzelner Staaten oder Politikfelder[9].
Wissen zum politischen und rechtlichen System der EU sowie der wichtigsten Funktionsweisen der EU seiner Institutionen erleichtern das Lesen dieser Masterarbeit. Dies schließt Vorkenntnisse des EU-Rechts sowie der Rolle des EuGH in Luxemburg als teilweise unmittelbar Recht setzendes Organ mit ein (Frenz 2010:180-186; 212-213). In dieser Funktion hat der EuGH für die rechtliche Europäisierung eine maßgebliche Rolle. Zudem sollten die Wirkungen der Rechtshandlungen der EU[10] bekannt sein. Diese Handlungen determinieren viele rechtliche Europäisierungsprozesse. Hinzukommen Durchführungsrechtsakte, die über Kommitologieverfahren in Kraft gesetzt werden können, wie im Fall des Lamfalussy-Prozesses (Frenz 2010:198-202, „Lamfalussy Richtlinie“ 2005).
Die Relevanz der vorgelegten Arbeit liegt in der Beschreibung der dynamischen und vielschichtigen Forschungsagenda der Europäisierung. Die Debatte um das Konzept der Europäisierung führt in eine große Vielfalt von Begriffs- und Konzeptvorschlägen ein, wie staatlicher Wandel durch die EU zu messen und zu beschreiben ist. Herausfordernd ist hier, die verschiedenen Meinungen aus Einzelstudien zur Konzeption von Europäisierung zu sichten und herrschende Meinungen herauszufinden. Diese Masterarbeit beschreibt damit keinen festen Theorie- und Methodenrahmen, sondern den Zwischenstand einer komplexen Debatte, in der der Weg zu einem akzeptierten Europäisierungskonzept noch weit zu sein scheint (Graziano, Vink 2007:8). Neben dem Theorievergleich zwischen Europäisierung und europäischer Integration, wird die Bedeutung der zweiten Fragestellung durch die interne (rechtliche, politische, wirtschaftliche und soziologische) Ausdifferenzierung der Europäisierungsforschung deutlich. Ziel ist es, spezifisch politikwissenschaftliche Ansätze in der Europäisierungsforschung und die konzeptionelle Rolle für die politikwissenschaftliche Integrationsforschung zu identifizieren. Grundlage ist die Überschneidung politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Europäisierungsprozesse. Der nationalstaatliche Wandel durch Europäisierung entsteht damit nicht nur durch politische Gremien, sondern wird durch europarechtliche Entscheidungen des EuGH und wirtschaftliches Handeln privater Akteure im EU-Binnenmarkt massiv mitbestimmt. Damit stellt sich politikwissenschaftlich die Frage, wie sich ihre Rolle in einem offenen, interdisziplinären Europäisierungskonzept gestaltet. Wie stark ist die Politikwissenschaft in der Integrationsdebatte zu erkennen?
Meine Motivation über Europäisierung zu forschen beruht auf drei Quellen. Die erste liegt in der Perspektive auf staatlichem Wandel durch Europäisierung. Eindrücke dieser Transformation wurden mir im staatswissenschaftlichen Bachelorstudium der Universität Erfurt vermittelt. Die Interdisziplinarität von Recht, Politik und Wirtschaft prägt meine Perspektive auf Staatlichkeit im Kontext eines sich scheinbar immer stärker vereinigenden Europas. Die zweite Quelle liegt in meinem Studienaufenthalt 2008/09 an der Sciences Po Paris im Master „Affaires européennes.“ Dort bin ich das erste Mal mit dem Konzept der Europäisierung in Kontakt gekommen und war wegen dessen Fokussierung auf die nationalstaatliche Ebene sehr daran interessiert. Hinzukommen die interdisziplinäre Offenheit und die Anknüpfungspunkte an den Multi-Level-Governance-Ansatz und Governance-Theorien, wie sie im Master „Politische Kommunikation“ der Universität Bielefeld gelehrt werden. Diese Quellen sollten zudem zu einer Fragestellung in Richtung politischer Kommunikation verengt werden. Diese Fragestellung zeigt sich meiner Ansicht nach, in der Untersuchung der „Konkurrenz“ politikwissenschaftlicher Forschung zu den weiteren Dimensionen der Europäisierungsforschung. Die Bedeutung der Selbstbeschreibung als PolitikwissenschaftlerIn in der Europäisierungsforschung soll innerhalb der zweiten Fragestellung untersucht werden.
Nachfolgend ein Bericht zum aktuellen Stand der Literatur. Europäisierung wird in zahlreichen Aufsätzen und Studien thematisiert. Viele dieser wissenschaftlichen Arbeiten sind über Datenbanken im Internet zugänglich. 90 % der genutzten 173 Literaturquellen dieser Arbeit sind über das Internet zugänglich. Dies spricht einerseits für Onlinejournals und Datenbanken zum Thema Europäisierung, andererseits gegen das unzureichende Angebot der Universitätsbibliothek Bielefeld zum Themas Europäisierung. Die für diese Arbeit genutzten Quellen sind zu über 75 % nach dem Jahr 2005 erschienen. Die Breite der Veröffentlichungen zeigt die Aktualität der Europäisierungsdebatte. Das Forschungsportal zur EU-Integrationsforschung EIOP[11] stellt wichtige Aufsätze bereit. Hinzukommen Veröffentlichungen aus dem Journals of Common Market Studies[12] sowie dem Living Reviews in European Governance[13]. Die Datenbank der Universität Oxford bietet Zugriff auf wichtige Quellen von Featherstone und Radaelli.[14] Die genannten Quellen stellen meist verlinkte Literaturverzeichnisse der eingestellten Artikel bereit. Eine wichtige Hilfe, um das breite Artikelangebot der Europäisierungsforschung besser zu überblicken und häufiger zitierte Autoren zu identifizieren. Schwierigkeiten ergeben sich in der Literaturrecherche aus der Unübersichtlichkeit der EU-Integrationsforschung sowie der breiten Nutzung des Europäisierungsbegriffs. Eine Abgrenzung der Europäisierungsliteratur z.B. von EU-Governance-Studien sowie inhaltlich ähnlicher Integrationsstudien (die aber nicht den Begriff Europäisierung nutzen) ist in der Literaturrecherche schwierig.
Entscheidend ist für diesen Literaturbericht, die wichtigen Autoren in der Europäisierungsdebatte zu identifizieren. Diese sind Börzel, Radaelli, Rosamond, Töller sowie Graziano und Vink. Börzels Arbeiten sind von der Beschreibung des institutionellen Wandels sowie von Methoden wie dem Goodness-of-Fit-Ansatz geprägt (siehe Unterpunkt 3.3.4). Radaelli bemüht sich nachhaltig um die Konzeptionalisierung von Europäisierung und ist durch seine Metastudien (zusammen mit Exadaktylos 2009 und 2010) einer der wenigen Autoren, die versuchen, empirisch das Feld der Europäisierungsstudien zu analysieren. In der Europäisierungsdebatte gehört Radaelli zu den meistzitierten Autoren. Rosamond legte mit seinem Buch „Theories of European Integration“ ein breit rezipiertes Buch vor, das, obwohl es schon im Jahr 2000 erschienen ist, immer noch relevant für Problematiken der Europäisierungsforschung ist (z. B. im Bezug auf Globalisierungs- und Europäisierungsphänomene, siehe Unterpunkt 3.3.6). Töller sticht mit ihrem quantitativen Forschungsansatz für Europäisierung heraus (siehe Unterpunkt 3.3.8). Graziano und Vink gaben im Jahr 2007 mit „Europeanization - New Research Agendas“ den ersten „systematischen Vergleich von Forschungsergebnissen der Europäisierungsforschung“ heraus (2008:5). Konkret bedeutet dies eine Übersicht zu Forschungsständen der Europäisierung, getrennt nach einzelnen Politikfeldern. Damit ist das Buch (neben Featherstones und Radaellis: „The Politics of Europeanization“ aus dem Jahr 2003) eine wichtige Orientierung in der Konzeptvielfalt der Europäisierungsforschung. Diese Überblicksliteratur ist von hoher Bedeutung, da es der Europäisierungsforschung an breiten Vergleichen zu Politikfeldern aller EU-Mitgliedsstaaten mangelt. Die fehlende Anschlussfähigkeit der qualitativen Studien untereinander erschwert es zusätzlich, Einzelstudien zu einem Gesamtüberblick über Europäisierungsprozesse zusammenzufügen. Damit findet die Konzeptdebatte um Europäisierung auf der Grundlage einer unausgewogenen Studienverteilung, bezogen auf untersuchte Staaten und Politikfelder, statt. Das Ergebnis ist ein, durch die Literatur umrissenes ungenaues Forschungsfeld, in dem viele Aufsätze und Studien Teilaspekte der Europäisierung beschreiben, ohne dies in den Gesamtzusammenhang der Europäisierungsforschung einzubetten. Diese Arbeit muss daher für die Beschreibung der Schwerpunkte von Europäisierungsforschung eine Europäisierungsdefinition wählen. da auch die Forschungsschwerpunkte in der Europäisierungsforschung umstritten sind (siehe Unterpunkt 3.4). Die Definition von Olsen wurde ausgewählt, da sie den breitesten „Wirkbereich“ von Europäisierung abgedeckt (siehe Unterpunkt 3.1). Hier werden Europäisierungsprozesse außerhalb der EU in die Darstellung einbezogen. Diese Schwerpunktübersicht nach Olsen bedeutet aber nicht, dass dieses Konzept in der Europäisierungsdiskussion maßgeblich wäre.
Diese Masterarbeit hält als Ergebnisse zur ersten Fragestellung fest, dass Europäisierung durch ihre „umgekehrte“, weil staatszentrierte, Beobachtungsperspektive eine Sonderrolle in der EU-Integrationsdebatte einnimmt. Die Beobachtung von EU-Impulsen auf Nationalstaaten setzt Integration als „Grundlage“ für Europäisierung voraus. Europäisierung beinhaltet damit ein offenes Konzept zur Analyse staatlichen Wandels. Die politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung greift auf bestehende Ansätze zurück und setzt diese im Sinne ihrer Forschungsperspektive ein. Das stark debattierte interdisziplinäre Europäisierungskonzept zeigt in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte auf, dass (politikwissenschaftliche) EU-Integrationsprozesse nur als Bottom-up-Prozesse beschrieben werden können. Durch die Anknüpfung der Europäisierungsperspektive an die EU-Integration steht das EU-Integrationskonzept unter Konkretisierungsdruck, um im weiteren Schritt genauer von Europäisierung abgegrenzt werden zu können. Es kommt damit zur Doppelbedeutung von EU-Integration, erstens als allgemeinem Begriff zur Beschreibung der Debatte um Vereinigungsprozesse in der EU und zweitens als Bottom-up-Prozess, der sich gegenläufig zu Europäisierung vollzieht.
Die Ergebnisse zur zweiten Fragestellung beschreiben erst die Ergebnisse zum interdisziplinären Konzept der Europäisierungsforschung und in der Folge die Rolle der politikwissenschaftlichen Europäisierungsforschung.
Europäisierung ist als analytisches Forschungsgebiet in der wissenschaftlichen EU-Integrationsforschung etabliert. Trotz Bezügen zum Neo-Funktionalismus steht Europäisierung für einen neuen Blick auf die EU-Integrationsforschung. Konzeptionelle und definitorische Ungenauigkeiten in der Beschreibung von Europäisierung führen aufgrund der eindeutigen Fokussierung des Forschungsziels Nationalstaat nicht zu einer Schwächung des jungen Konzepts in der EU-Integrationsdebatte. Der Methodendiskurs innerhalb des breiten Forschungsgebiets lebt bisher vom Rückgriff auf etablierte Forschungsmethoden. Eigene methodische Ansätze, wie der Goodness-of-fit-Ansatz, sind stark umstritten.
Die Untersuchung von Europäisierungsprozessen schafft neue Herausforderungen für die politikwissenschaftliche Forschung. Bisher wird die interne Abgrenzung verschiedener Europäisierungsprozessen in der Forschung wenig thematisiert. Es ist aber erkennbar, dass die politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung eigene horizontale und vertikale Analyseperspektiven entwickeln muss. Insbesondere gegenüber der rechtlichen Europäisierungsforschung wären klare Abgrenzungen nötig. Im Gegensatz zum „politischen“ Bottom-up-Prozess, der die Legitimationsübertragung von Nationalstaaten auf die supranationale EU umfasst, ist der Top-down-Europäisierungsprozess durch die Überlagerung rechtlicher und politischer Prozesse gekennzeichnet. Recht scheint die Rolle der Politik (etwa durch direkt wirkende Entscheidungen des EuGH) zu überlagern[15]. Im Prozess der horizontalen (zwischenstaatlichen) Europäisierung sind zudem weitere Anstrengungen zur Determinierung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse (durch den Einfluss privater Akteure) nötig. Für die politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung heißt dies, neben der Fokussierung auf die institutionelle Adaptionsforschung, Europäisierungsprozesse mit Bezug zu Entscheidungen und Prozessen (politischer) Akteure zu erforschen.[16] Über die Nutzung von Methoden der MLG-Forschung und der vergleichenden Politikwissenschaft macht politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung zusätzlich globalen Einfluss auf nationalstaatlichen Wandel sichtbar. Diese Einflüsse von Globalisierung und Regionalisierung können bisher nicht ausreichend von Europäisierungsprozessen abgegrenzt werden. Die zu erarbeitenden Forschungsdesigns sind in der Europäisierungs- und der „benachbarten“ Governance-Forschung nicht stark genug ausgearbeitet.
2 Politikwissenschaftliche Theorien europäischer Integration
Die im Folgenden vorgestellten Theorien europäischer Integration führen in die wissenschaftliche Diskussion ein und werden im vierten Kapitel dem Konzept der Europäisierung entgegengestellt. Dieser Theorievergleich zur Einordnung der Europäisierungsforschung in die wissenschaftliche EU-Integrationsdebatte wird u. a. von Bulmer (2007:48) vorgeschlagen.
Bevor im ersten Unterpunkt der Föderalismus als Integrationstheorie vorgestellt wird, sind noch einige Bemerkungen zur Funktion der Begriffe Theorie und Integration zu machen. Eine Theorie zur europäischen Integration stellt immer ein vereinfachtes Bild der Realität dar, um damit beschreibende und erklärende Aussagen über Integrationsprozesse machen zu können. Karl Popper beschreibt Theorien als „Netze“, mit denen der Versuch unternommen wird, die Welt einzufangen. Die verschiedenen verfügbaren „Netze“ der europäischen Integrationstheorie führen meist auch zu unterschiedlichen Ergebnissen (Brückner 2005:19). Theorien strukturieren wissenschaftliche Beobachtung, dienen als Beschreibungsmittel für den untersuchten Gegenstand und helfen wichtige Merkmale zu identifizieren.
Theorien erfüllen folgende allgemeine Aufgaben:
1. Theorien haben eine Selektionsfunktion, das heißt, sie wählen aus dem breiten empirischen Datenmaterial die relevanten Daten und Fakten aus.
2. Theorien besitzen eine Ordnungsfunktion, der zufolge sie die empirischen Beobachtungen strukturieren und ordnen sollen, um Faktoren und Variablen gewichten und in ihrer Bedeutung unterscheiden zu können.
3. Theorien haben eine Erklärungsfunktion, d. h. sie sollen mit Hilfe der beiden erst genannten Funktionen dazu beitragen, Zusammenhänge und Ursachen erkennen und darstellen, also erklären zu können; und
4. Theorien besitzen eine operative Funktion, der zufolge das theoretische Wissen in der politischen Praxis angewandt werden kann (nach Bieling, Lerch 2006:15-16).
Insbesondere der letzte Punkt zeigt, dass Theorie nicht um ihrer Theorie Willen verfolgt werden sollte. Ein empirischer Bezug müsse erkennbar bleiben.
Diese vier Kategorien werden im Theorievergleich des dritten Kapitels wieder aufgegriffen.
Theorien europäischer Integration befassen sich mit dem Prozess der Herstellung eines Ganzen, so die lateinische Bedeutung von Integration. Diese Begrifflichkeit zeigt allein noch nicht auf, ob es sich um einen Prozess oder einen Zustand der Integration handelt, der wissenschaftlich beobachtet wird. Es handelt sich beim Begriff der Integration immer um die Beschreibung einer Relation zweier Zustände. Damit wird normativ noch keine Aussage darüber gemacht, was unter dem Endpunkt des Integrationsprozesses zu verstehen ist.[17] Somit wird die Integrationsforschung immer von verschiedenen Konzepten zur Finalität und zur Beschreibung des Prozesses von Integration begleitet (Rosamond 2000:12).
Je nach Blickwinkel wird so entweder das Entstehen von Kooperationen und Integration zu beobachten sein, etwa in der Angleichung von Grenzregionen, oder die Betrachtung eines Zustands von Integration, z. B. die des gemeinsamen Binnenmarktes wird beschrieben. Auch wenn die abhängigen Variablen innerhalb der Theorien der europäischen Integration immer wieder variieren. Es ist wichtig vorauszuschicken, dass die Europäische Integration in der Europäisierungsforschung als Bottom-up-Prozess verstanden wird (u. a. Börzel 2003:3). Dies bedeutet, dass theoretisch erklärt werden soll, wie Nationalstaaten Teile ihrer Kompetenzen auf die europäische, supranationale Ebene verlagern. Daher sind die Hauptthemen politischer EU-Integrationstheorien auch immer das Verhältnis von Politik, Wirtschaft und Recht sowie die Zukunft des Nationalstaats im Kontext der Europäischen Gemeinschaften (Rosamond 2000:2). Das Untersuchungsobjekt selbst, die EU und ihr ständiger Erweiterungsprozess haben zur Beschreibung als „moving target“ (Bieling, Lerch 2006:9) geführt, das es zu erforschen gilt.
Ein wichtiger Aspekt der folgenden Theorien ist, dass sie sich nicht nur auf Europa als zu erklärenden Gegenstand beschränken, sondern Teil der Forschung der Internationalen Beziehungen sein können. Diese Theorien durchliefen in ihrer Auseinandersetzung mit dem europäischen Integrationsphänomen einen Prozess der Ausdifferenzierung (Bieling, Lerch 2006:12).
Angemerkt werden muss, dass viele Theorien zur europäischen Integration selbst nicht den Anspruch haben, die EU oder Europa als Ganzes zu erklären. Diese Teiltheorien oder „Theorien mittlerer Reichweite“ ergänzen sich häufig gegenseitig. Sie gehen meist vom sozialen Mechanismus aus, der einen „erklärenden Zugriff“ auf das Objekt erlaubt (Mackert 2006:83). Eine weitere Theoriebildung bleibt aber aus. Ziel von „Theorien mittlerer Reichweite“ ist es, sozialen Wandel erklärbar zu machen (Mackert 2006:167). Damit kann in der EU-Integrationsforschung nicht von einer festen Theorielandschaft gesprochen werden (Bieling, Lerch 2006:21), so dass sich die EU-Integrationsforschung als pluralistisch beschreiben lässt.
2.1 Föderalismus
Zu Beginn der Theoriedebatte steht mit dem Föderalismus eine ambivalente Integrationstheorie. Trotz der langen Tradition seit Montesquieu (Fischer, Hüttmann 2006:47) und dem Einfluss föderalistischer Ideen etwa auf die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1787 („Federalist Papers“) wird der Föderalismus eher „als politisches Projekt“[18] denn als Integrationstheorie beschrieben (Rosamond 2000:23). Grund dafür ist die noch zu beschreibende Normativität der Theorie, die viele Wissenschaftler mit dem Föderalismus verbinden.[19]
Die Komplexität des Föderalismus besteht darin, dass unter der Regierung föderalistischer Systeme immer auch Kompetenzen an regionale Akteure vergeben werden. Am Beispiel der EU als stark dezentralisiertem System zeigt sich, dass die Teilung von Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen ähnlich wie im Föderalismus angelegt ist. Daher kann die EU auf den ersten Blick als föderaler Staat gelten (Rozenberg 2007:9). Diese These wird durch die „Konkurrenz“ des Multi-Level-Governance-Konzepts aber wieder relativiert (Rosamond 2000:24 siehe Unterpunkt 2.5). Insbesondere in der MLG-Forschung wird die Föderalismusforschung als Grundlage der jetzigen EU-Forschung verstanden, auch wenn die MLG-Forschung wichtige Erweiterungen gebracht habe (Brunnengräber et al. 2008:22; Schuppert 2006:14).
Föderalistisches Denken ist geprägt von der Verhinderung totaler Herrschaft durch deren Teilung. Die politische Struktur ihrer föderalistischen Gemeinschaft ist durch gemeinsame Werte und Ziele verbunden, die in der Verfassung niedergeschrieben sind (Rosamond 2000:26). Dieses Modell kommt dem des Verfassungspatriotismus von Jürgen Habermas nahe (Foley 2006:75). Einige dieser gemeinsamen Werte wurden durch den italienischen Politiker Altiero Spinelli definiert. Nach seiner Überzeugung haben Nationalstaaten ihre Berechtigung verloren, da sie die politische und ökonomische Sicherheit ihrer Bürger nicht garantieren können. Es müssten Direktwahlen angestrebt werden, so dass keine Diplomaten mehr nötig seien, um eine europäische Verfassung aller Bürger umzusetzen (1972:68, zitiert nach Rosamond 2000:23). Allerdings bestehen in Föderalismus nur ungenaue Vorstellungen über diese Gewaltenteilung zwischen den einzelnen Ebenen (Rosamond 2000:25). Die föderalistischen Ausgestaltung Deutschlands und der USA zeigt die möglichen Unterschiede. Während der bundesdeutsche „verkappte Einheitsstaat“ (Abromeit 1992, zitiert nach Mann 2009:339) eine Ausgestaltung widerspiegelt, ist die föderalistische Entwicklung der USA ein Beispiel für die stärker subsidiär geprägte Form des Föderalismus.[20]
Der Föderalismus fordert, dass politische Lösungen für Konflikte durch die Einbeziehung der lokalen Ebenen zu lösen seien. Veranschaulicht wird dies am Subsidiaritätsprinzip. Dies besagt, dass politische Aufgaben am Effizientesten auf der lokalen Ebene gelöst werden können[21], als im (entfernten) politischen Zentrum. Die entstehende Autonomie und getrennte Souveränität verhindern, dass ein Akteur das „letzte Wort“ sprechen könnte (1968:7, zitiert nach Fischer, Große Hüttmann 2006:49).
Die Staatszentriertheit in der föderalistischen Theorie ist ambivalent, da einerseits der Nationalstaat überwunden werden soll, andererseits aber z. B. die EU im Föderalismus nur als (Bundes-)Staat gedacht werden kann. Verglichen zur Europäisierungsforschung, die den Wandlungsprozess von Staaten inhärent beschreibt (siehe Kapitel 3), bleibt die Rolle des Staates in der Föderalismustheorie unbestimmt. In dieser Fixierung der gemeinsamen Werte, liegt die Schwierigkeit in der Umsetzung föderalistischer Integration Europas. Damit werden meist verschiedene Einzelziele verfolgt. Zu diesen Zielen zählen das „optimale Verhältnis“ von Einheit und Diversität. Maximale Effektivität des politischen Regierens sowie maximale Dezentralisierung und Autonomie (Rosamond 2000:24). Es handelt sich um Idealvorstellungen, deren Umsetzung offen bleibt. Eine analytische Definition als Integrationstheorie ist folglich schwierig. Gegensätzliche Positionen innerhalb der Föderalismusdebatte reichen von „Euroföderalisten“ mit dem Ziel des Ausbaus der EU (Bundesstaat) bis zu „Euroskeptikern“, die mit Betonung der nationalen Ebene eine Konföderation von Nationalstaaten favorisieren (Staatenbund). Föderalismus ist so nicht immer prointegrativ zu verstehen (Münch 2008:244). Rosamond bezeichnet dies als „Elastizität“ des Föderalismuskonzepts (2000:26). Die modernste Konzeption des Föderalismus liefert Wessels mit der Vorstellung eines fusionierten Föderalstaats. Dies bedeutet, dass der Trend zur Verschmelzung von Regierungen und Verwaltungen zwischen Nationalstaaten und EU „in wachsendem Maße anhält“ (Wessels 1992:40). Trotz dieser Schwierigkeiten der Präzisierung des Föderalismuskonzepts spielt es, durch „Erfolgsbeispiele“, wie die USA und Deutschland im politischen EU-Diskurs immer wieder eine Rolle. Verhandlungen um die Nutzung des Wortes „föderal“ in EU-Verträgen stießen in Großbritannien und Schweden auf massive Vorbehalte (Fischer, Große Hüttmann 2006:41). Im EU-Vertrag wird infolgedessen von einer „immer enger werdenden Union der Völker Europas“[22] gesprochen.
2.2 Neo-Funktionalismus
Der Neo-Funktionalismus stellt die erste „Großtheorie“ (Faber 2005:26) zur Beschreibung der europäischen Integration dar. Der Hauptvertreter Haas beschäftigte sich mit der Leitfrage, wie ökonomische Integration politische Integration ermöglichen könne, bzw. dieser vorausgeht. Dazu steht im Neo-Funktionalismus die Frage im Raum, unter welchen Bedingungen supranationale Institutionen diesen Prozess der Integration beschleunigen (Rosamond 2000:2). Haas‘ Ziel war die Entwicklung eines empirisch-analytischen Konzepts, um Integrationsprozesse beschreibbar zu machen. Er verwarf sowohl die zeitgenössischen Föderalismus- als auch die bis dahin ausbuchstabierten „Funktionalismus-Ansätze“ als ausschließlich normativ. Hinzu kam die neue Rolle des Nationalstaats. Der Neofunktionalismus betont hier den Fokus auf die regionale Vernetzung, die über staatliche Grenzen hinausgeht und die Handlungsfähigkeit der Nationalstaaten einschränkt (Wolf 2006:74).
Dem Neo-Funktionalismus liegt ein schwach ausgearbeitetes Theoriekonzept zu Grunde (Rosamond 2000:41). Das bedeutendste Konzept ist dabei die Vorstellung des „Spill-overs“. Darunter ist das „Überschwappen“ erfolgreicher Integrationsprozesse in weitere Funktionsbereiche oder die regionale Übernahme von Konzepten zu verstehen (Rosamond 2000:59). Anschaulich wird dies an der Vergemeinschaftung von Politikfeldern etwa der Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes mit den weiteren Schritten der EWWU, die das Ausgreifen dieser Marktdynamik belegen. Diese Idee „funktionale Effizienz“ (Bieling, Lerch 2006:26) zeigt sich im Agieren von Interessengruppen, Experten und supranationalen Institutionen der Europäischen Gemeinschaften. Über die EU hinausgehend wurde der Neo-Funktionalismus auch für die Erforschung von globalen Integrationsprozessen (z. B. der Vereinten Nationen) genutzt. Der Neofunktionalismus ist daher nicht an die Analyse der europäischen Gemeinschaften gebunden. So lassen sich Spill-over-Prozesse nicht nur in Staaten, sondern auch bei privaten Akteuren beobachten. Generell lassen sich funktionale, politische und „cultivated“ (Wolf 2006:73) Spill-over identifizieren. „Cultivated“ bedeutet in diesem Sinne gemeinsame Institutionen zu errichten, die die Vergemeinschaftung supranational vorantreiben. Integration beinhaltet damit mehr, als politische Prozesse. Aufgrund der Anschaulichkeit des Spill-over Konzepts bietet der Neo-Funktionalismus nach Rosamond (2000:39) das beste Handwerkszeug, um die „technische Natur“ der EU zu verstehen. Neben der EU internen Integration über Spill-over wird der Erweiterungsprozess der EU als Beispiel für das Erklärungspotenzial des Neo-Funktionalismus herangezogen.
Allerdings bestehe die Gefahr, die eigene Logik der Funktionalität zu überschätzen, insbesondere in dem Aspekt, dass der politische Anteil an Integration durch die beschriebenen funktionalen und technokratischen Logiken überlagert wird (Pentland 1981:551, zitiert nach Rosamond 2000:40). Somit steht dem rationalistischen Konzept des Neofunktionalismus der Zwang gegenüber das Politische in der Integration neu zu definieren, da das Politische hier häufig nur als nachfolgender Funktionsbereich integriert werde. Kritiker des Neo-Funktionalismus unterscheiden hier in „high“ und „low politics“ Bereiche (Hoffmann 1966:882, zitiert nach Rosamond 2000:77) und sehen Spill-over Effekte nur in Politikfeldern, die für die Mitgliedsstaaten von untergeordneter Bedeutung sind.
Insbesondere die wirtschaftliche Integration (die durch Deregulierung erreicht werde) treibe nach der Spill-over Vorstellung des Neo-Funktionalismus die europäische Integration an. Die Entwicklung des gemeinsamen Binnenmarkts und der ökonomischen Einigung der EU mit ihrem vorläufigen Abschluss durch die im Jahr 1991 beschlossene Währungsunion und dem Ausgreifen der Einigung in die Innen- und Justiz- sowie die Außenpolitik zeige, wie erklärungskräftig der Neo-Funktionalismus sei. Zudem werde deutlich, wie wirtschaftliche Ideen der politischen Integration vorangehen würden. Diese wirtschaftliche Integration der Liberalisierung von Märkten wird in der Politikwissenschaft als negative Integration bezeichnet (u. a. Bulmer-Radaelli 2004:5-6). Gleichzeitig kann auch die rechtliche Vergemeinschaftung durch die Funktion des Europäischen Gerichtshofs als funktionaler Spill-over verstanden werden. Aspekte der rechtlichen und wirtschaftlichen Spill-over werden in den Unterpunkten 5.1 und 5.2 vertieft besprochen.
Methodisch baut der Neofunktionalismus auf qualitativen Studien auf. Kritisiert wird am Neo-Funktionalismus immer wieder die Definition der abhängigen Variablen. Erklärt werden soll die regionale Integration. Dies wird teilweise als nicht messbar kritisiert, da in der regionalen (europäische) Integration immer um die Definition eines beweglichen Ziels gehe. So sei der Integrationsprozess in seinem Zustand schwer zu determinieren, da klare methodische Kriterien fehlen (Wolf 2006:77). Eine weitere Kritik ist die Fixierung des Neo-Funktionalismus auf Integrationsprozesse und –strukturen durch die Akteure im Integrationsprozess (Politiker und Staaten) zu wenig thematisiert werden.
Gleichzeitig sieht Haas aber auch die Schwierigkeiten seiner Theorie, Phasen der langsamen Integration zu erklären.[23] Eine Erklärung wird im dialektischen Funktionalismus gesucht und sieht vor, dass die Vergemeinschaftung eines Politikfeldes nationale Gegenreaktion hervorbringen kann. So sichern sich Nationalstaaten durch neue Regulierungen Einflussmöglichkeiten auf EU-Politik. Diese Argumentation ist für den Neo-Funktionalismus ungewöhnlich und lässt sich dem Intergouvernementalismus zurechnen, da der Staat in diesem Fall die entscheidende Rolle bei der Integration spielt (Wolf 2006:82).
2.3 Intergouvernementalismus
Die zweite „Großtheorie“ neben dem Neo-Funktionalismus stellt der Intergouvernementalismus dar. Der intergouvernementale Theorieansatz hat in den Theorien der Internationalen Beziehungen großen Einfluss (Rosamond 2000:14). Für den Hauptvertreter Hoffmann steht der Staat als souveräner und autonom handelnder Akteur im Mittelpunkt aller Integrationsprozesse (Rosamond 2000:154).
Der wichtigste Unterschied zum Neo-Funktionalismus besteht in der Rolle des Staates in beiden Integrationstheorien. So kann der Intergouvernementalismus besser erklären, warum Konflikte zwischen den Nationalstaaten trotz Fortschritten bei der Integration in die EU nicht abnahmen. Integrationsergebnisse werden dem zwischenstaatlichen Zusammenspiel von Staaten zugerechnet und die Institutionen der EU als unterstützendes Beiwerk angesehen (Rosamond 2000:151). Weitere Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem Neo-Funktionalismus bestehen in der Einbeziehung globaler Einflüsse im Intergouvernementalismus auf die Europäische Integration (also außerhalb der supranational gebildeten Institutionen, auf die der Neo-Funktionalismus fixiert ist). Dazu kommt im Neo-Funktionalismus die fehlende Unterscheidung der politischen Unterschiede zwischen Mitgliedsstaaten. Der letzte Kritikpunkt wurde bereits in Unterpunkt 2.3.2 genannt und unterstellt, dass Spill-over Effekte nur „low politics“ betreffen würden (Bieling 2006:93). Allerdings ist anzumerken, dass Bewertungen als „high“ oder „low politics“ sehr vage bleiben und sich der Integrationsprozess durch diese Ungenauigkeiten auch mit dem Intergouvernementalismus nicht genau bestimmen lässt.
Der Intergouvernementalismus baut auf qualitativen Studien auf. Laut Hoffmann wäre die Verwendung quantitativer Studien eine zu weite Entfernung von der Empirie. Grundlage für diese Annahme ist die analytische Grundhaltung des Intergouvernementalismus, der die europäische Integration als offenen Prozess beschreibt (Bieling 2006:94).[24]
Kritisiert wird der Intergouvernementalismus für die Vielzahl privater Akteure auf unterschiedlichen Ebenen, die von der Theorie nicht gesehen würden (Rosamond 2000:144). Zudem wird hinterfragt, ob die Unterscheidung staatlicher Innen- und Außenpolitik im Intergouvernementalismus für eine Theorie der EU-Integration sinnvoll erscheint. Diese Kritik wird durch die Beobachtung verstärkt, dass nationale Regierungen meist nicht in der Lage sind ihre nationalstaatlichen Ziele voll umzusetzen. Dies ist in dem komplexen EU-Gesetzgebungsverfahren aber zu bezweifeln (Rosamond 2000:137). Der Intergouvernementalismus geht auf diese Verhandlungsverfahren nicht ein, unterstellt den verhandelnden nationalen Regierungen aber rationalistisches Handeln.
Neben dem Intergouvernementalismus stellt der liberale Intergouvernementalismus eine Spezialisierung dar. Dieser unterstellt den Nationalstaaten marktrationales Verhalten. Aus dieser Perspektive schließen sich Staaten zusammen, um global oder regional erfolgreicher Handel betreiben zu können und schränken aus diesem Grund ihre Autonomie ein. Die wirtschaftliche Vergemeinschaftung nach dem zweiten Weltkrieg wird damit als treibende Kraft der politischen Einigungen gesehen, die Europa weltpolitisch wieder stärker auftreten ließ (Bieling 2006:104). Der liberale Intergouvernementalismus sieht also keine allgemeine politische Integrationsbewegung in der europäischen Integration, sondern bindet die Integration an gemeinsame Wirtschaftsinteressen. Der Intergouvernementalismus versteht die Vergemeinschaftung innerhalb der EU als elitären Prozess. Nationalen Gesellschaften fehle durch die staatlichen Entscheidungen der Bezug zu diesem Einigungsprozess (Bieling 2006:106).
Neben der Beschreibung des Integrationsprozesses, wird diese genutzt, um einzelne Institutionen und Strukturen der EU zu charakterisieren, in denen Mitgliedsstaaten zwischenstaatlich zusammenarbeiten. Dazu gehören unter anderem der Rat der Europäischen Union und der Europäische Rat in dem die Nationalstaaten auf der Ebene der Fachminister- und die Regierungschefs miteinander verhandeln. Nach Hoffmann ist intergouvernementale Zusammenarbeit immer noch das generelle Prinzip innerhalb der EU. Eingeschränkt werde dies durch die supranationale Kommission, das Abstimmungsprinzip der qualifizierten Mehrheit[25] im Rat, mit dem die Stimmen der Nationalstaaten nicht gleich stark sind sowie dem EuGH, dessen Entscheidungen über nationalem Recht stehen (Hoffmann, Keohane 1993:385, zitiert nach Bieling 2006:112).
Bezogen auf die, im dritten Kapitel noch folgende, Europäisierungsdebatte lässt sich vorgreifend festhalten, dass der Intergouvernementalismus als analytische Konzeption mit dem Fokus auf dem Nationalstaat eine frühe Variante der Beobachtung von Inlandspolitik in den Theorien der europäischen Integration darstellt (Rosamond 2000:76). Daraus wird, wie auch aus der Europäisierungsperspektive deutlich, dass sich staatliche Entscheidungen nicht allein durch internationale Prozesse bestimmen lassen, sondern sich an innenpolitischen Prozessen orientieren, d. h. indirekt auch durch Interessengruppen und politische Parteien, die ihrerseits zwischen Staat und Gesellschaft vermitteln (Hoffmann 1982:27, zitiert nach Bieling 2006:114).
2.4 Supranationalismus
In der Theorieentwicklung zur europäischen Integration ergab sich in den 1960er bis 70er Jahren eine neue Ausrichtung hin zur Forschung der Internationalen Beziehungen. Damit blieben die Integrationstheorien nicht nur auf Europa beschränkt, sondern wurden erweitert (Rosamond 2000:96). Gleichzeitig ergab sich ein Wechsel zu Theorien mittlerer Reichweite in den IR und Politikwissenschaft. Damit ist gemeint, dass Theorien nicht mehr beanspruchen ein Phänomen allein erklären zu können.[26]
Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Entwicklungen wurde Ende der 1980er Jahre der Supranationalismus entwickelt. Ziel war es die EU als schnellintegrierende supranationale Instanz zu beschreiben. Damit war ein klarer Abgrenzungswillen zum liberalen Intergouvernementalismus verbunden. Insbesondere zur Erklärung von Spill-over Effekten wurde die Theorie des Supranationalismus konzipiert, die explizit auf die Arbeiten des Neo-Funktionalismus zurückgreift (Kohler-Koch 1989:409). Allerdings sieht der Supranationalismus das Ziel der europäischen Integration nicht in der Überwindung des Nationalstaats, wie es noch der Neo-Funktionalismus annahm (Nölke 2006:147). Der Supranationalismus stellt ein rechtspolitisches Integrationskonzept dar, in dem von supranationalen Institutionen ausgehend nationalstaatlicher Anpassungsdruck entfaltet wird (Neyer 2007:384). Ein Beispiel bildet der EuGH, der in die nationalen Gerichtswege mit eingebunden ist.
Kern der Theorie ist der Vergleich einzelner Politikfelder auf nationaler und supranationaler Ebene, in der die EU-Institutionen teilweise starke Kompetenzen besitzen. Dazu unterstellt der Supranationalismus, dass mit der zunehmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verflechtung auch die Supranationalisierung von Politikfeldern vorangetrieben werde. Der Supranationalismus weist den Nationalstaaten hinsichtlich der Fokussierung auf die Vergemeinschaftung von Politikfeldern eine wesentliche schwächere Rolle zu, als der Intergouvernementalismus (Nölke 2006:144). Die Motivation weitere Kompetenzen auf die supranationalen Institutionen zu verlagern, entstehen durch vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie der Perspektive, wirtschaftlich in weiteren Bereichen profitieren zu können (Nölke 2006:146). Der Supranationalismus untersucht die Verstärkung von horizontalen (Ebene der Mitgliedsstaaten) und vertikalen (EU und Mitgliedsstaaten) Integrationsprozessen. Aus diesem Prozess resultieren neue Regierungsformen und Entscheidungsprozesse (Nölke 2006:150).
Abgrenzungen gegenüber dem Föderalismus ergeben sich durch das supranationalistische Verständnis der EU als internationaler Organisation. Dazu werden normative Vorstellungen über das supranationalistische Endziel der EU vermieden. Mit dieser Prozessvorstellung eines permanenten Integrationsprozesses grenzt sich der Supranationalismus vom Intergouvernementalismus ab, für den nur in zwischenstaatlichen Verhandlungen Integrationsergebnisse entstehen können. Die neuen Regierungsformen sowie die Veränderungen in verschiedenen Politikfeldern werden gemessen. Stone Sweet und Sandholz unterscheiden hier drei Formen von Politikfeldern: die Normen auf EU-Ebene, die Institutionen auf EU-Ebene (wie der EuGH als „Rechtsfortbilder“) sowie die nationalen Akteure, die nicht nur Staaten, sondern auch private Akteure umfassen können (Nölke 2006:152). Die rechtlichen Aspekte der Integration werden vom Supranationalismus als wichtiger Integrationsmechanismus eingeschätzt. Allerdings spielen auch private Akteure in der supranationalistischen Theorie eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von (nicht-rechtlicher) Integrationsdynamik. Das rationale Argument der Transaktionskostensenkung motiviere viele Akteure, auf supranationaler Ebene für die Abschaffung wirtschaftlicher Grenzen in einzelnen Politikfeldern zu kämpfen (Nölke 2006:154). Aufgrund dieser Unterstellung kostenminimierender Handlungsintentionen ist der Supranationalismus als rationalistisches Konzept einzuschätzen. Die Politikfeldforschung spielt auch in der MLG sowie der Europäisierungsforschung eine wichtige Rolle und wird in Unterpunkt 3.5 ausführlich vorgestellt.
Eine Kritik am Supranationalismus bezieht sich auf die Auswahl der Politikfelder, die weiter integrierte Felder, wie den Binnenmarkt, bevorzugen würde. Zudem bleibt die Frage offen, ob nun Regierungen oder supranationale Institutionen wie die Kommission oder das EP die europäische Integration dominieren (Nölke 2006:161). In der wissenschaftlichen Debatte wird der Supranationalismus häufig als Nachfolger des Neo-Funktionalismus beschrieben. Trotz seines „sparsamen“ Konzepts ist seine Aussagekraft weitreichend. So ist in der Beschreibung der EU häufig von ihren supranationalen Organen die Rede (Nölke 2006:164).
2.5 Multi-Level-Governance
Wie schon im Supranationalismus beschrieben, ist auch der MLG-Ansatz keine Theorie im Sinne des Intergouvernementalismus. Kern des MLG-Ansatzes ist die Machtverteilung auf verschiedenen Ebenen innerhalb europäischer oder globaler Integrationsprozesse aufzuzeigen und damit ein Gegenstück zu staatsbezogenen Theorien bzw. der vergleichenden Regierungslehre zu liefern (Rosamond 2000:110, 131). Es handelt sich bei dem MLG-Ansatz primär um eine analytische Beobachtungsperspektive. Diese ist insbesondere für Policy-Forschung (auch Politikfeldforschung genannt) sowie Netzwerkanalysen sehr anschlussfähig, da sich die thematisierten Akteure durch MLG zusätzlich noch auf ihre Ebene zurechnen lassen, von der aus sie agiert haben bzw. agieren.
Der Bezug zum Supranationalismus bildet die Grundlage für die Beobachtung von Governance-Modes. Damit sind Steuerungsmechanismen gemeint, die auf EU-Ebene identifiziert werden können und innerhalb privater, öffentlicher oder öffentlich-privater Netzwerken, zur Durchsetzung kollektiv verbindlicher Entscheidungen führen (Mayntz 2002:21). Die MGL-Forschung untersucht die Zurechnung von Akteuren auf eine oder mehrere Ebenen und beobachtet die Machtstrukturen innerhalb der relevanten Netzwerke (Brunnengräber et al. 2008:27). Damit wird deutlich, dass im MLG-Ansatz unklare Grenzverläufe zwischen einzelnen Ebenen angenommen werden (Botzem 2009, 15). Die MLG-Forschung ist ein global eingesetzter Analyserahmen, der insbesondere wenig regulierte Funktionssysteme untersucht. Als Schlagwort wird immer wieder „government without governance“[27] genannt. Darunter sind zum Beispiel Netzwerke privater Akteure zu verstehen, die globale Normierungen aufstellen (etwa die Festlegung von ISO Standards).
Bezogen auf die EU, als regionales Regime mit besonderen Governance-Formen werden unter anderem Formen von EU-Governance thematisiert, die sich inhaltlich an den Werten „Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Wirksamkeit und Kohärenz“ orientieren (2001:10). Gleichzeitig muss deutlich gemacht werden, dass neben den Governance-Vorstellungen der Kommission viele private Akteure auf den verschiedenen Ebenen eigene Formen von Governance entwickeln, bzw. wie diese neue Kombination aus rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen „neue Formen grenzüberschreitenden Regierens“ (Brunnengräber et al. 2008:19) nötig macht. Im Gegensatz zum Intergouvernementalismus sieht die MLG-Forschung für die EU den Rang eines eigenen Netzwerkes vor und ist nicht abhängig von seinen Mitgliedsstaaten (Große Hüttmann, Knodt 2006:225).
Um den wissenschaftlichen Diskurs zur Rolle der Europäisierung in der wissenschaftlichen Debatte innerhalb des vorgegebenen Rahmens thematisieren zu können, wird hier das Verhältnis zwischen privaten Akteuren zu der EU und den Nationalstaaten nur ausschnittartig betrachtet.[28] Insbesondere innerhalb der Governance-Debatte spielen private Akteure eine wichtige Rolle zur Beschreibung des Wandels von Staatlichkeit. Diese spielen nach Börzel innerhalb auf EU-Ebene aber eine schwächere Rolle als auf staatlicher Ebene (2008:87).
Neben der Erarbeitung von Governance-Formen ist auch die exakte Beschreibung der Ebenenbildung eines Netzwerks innerhalb der EU „von Unsicherheit und Offenheit gekennzeichnet“ (Brunnengräber et al. 2008:20). Entgegen föderalistischer Vorstellungen handelt es sich nicht um ein hierarchisches Konstrukt von Ebenen, sondern um ein „dynamisches Beziehungsgeflecht“ (Brunnengräber et al. 2008:20; Botzem 2009:14), in das sich „Akteure, Staaten und Strukturen einordnen“ (Hooghe, Marks 2001:4). Neben der offenen Anordnung von Ebenen in einem Mehrebenensystem beobachtet die Forschung, dass Akteure versuchen auf mehreren Ebenen Einfluss auf Entscheidungsprozesse zu nehmen (etwa Lobbying-Gruppen). Eine feste Zurechnung von Akteuren auf Ebenen ist nicht gegeben. Deutlich wird aber, dass Einfluss innerhalb eines Mehrebenensystems stark von den Ressourcen der beteiligten Akteure und ihrer Präsenz auf relevanten Ebenen abhängt (Sack, Burchardt 2008:42,51).
Der MLG-Ansatz baut auf qualitativen Studien auf, die zum großen Teil einzelne Politikbereiche oder Netzwerke umfassen. Konzeptionell besteht daher die Herausforderung, die vorhandenen Forschungsergebnisse einander anschlussfähig zu machen und damit eine Theorie zu entwickeln, die übergreifend die Mechanismen und Wirkungen charakterisieren könnte (Hooghe, Marks, 2004:6).
Eine Leitfrage der MLG-Forschung ist das Verhältnis zwischen horizontaler und vertikaler Verteilung von Macht in Mehrebenensystemen. Hier stehen hierarchische Steuerungsmodelle vertikalen Integrationsverfahren gegenüber. Dieses „Koordinatensystem“ wird in der Europäisierungsforschung an anderer Stelle nochmals aufgegriffen (Unterpunkt 3.3.2).
Innerhalb der MLG-Forschung werden grob zwei Typen von Governance-Strukturen unterschieden. Diese Formen sind für die europäische Integrationsforschung interessant, da die EU selbst nicht eindeutig zu einer dieser Formen zuzuordnen ist. Der erste MLG-Typ beschreibt Netzwerke in denen eine staatliche Hierarchie (über festes Territorium, Hierarchie, Überwachung der Einhaltung von Gesetzen, klare Zuweisung von Kompetenzen auf einzelne Ebenen) föderalistisch strukturiert ist. Dieser Typ erinnert dabei stark an staatliche Regierungsstrukturen und ist für die EU, durch ihre dynamischen Veränderungen des Territoriums sowie die Angewiesenheit auf die Mitgliedsstaaten bei der Durchsetzung von Gesetzen, nur schwer anwendbar. Der zweite MLG-Typ konkretisiert hingegen „polyzentrische“ Netzwerkformen (Black 2008:4), in denen private Akteure innerhalb von selbst geschaffenen Gremien zu Selbstregulierungen kommen (bspw. die World Commission on Dams). Die EU passt aufgrund ihrer klaren internen Entscheidungsstrukturen eindeutig nicht zu diesem Governance-Typ (Hooghe, Marks 2004:7; Sack, Burchardt 2008:47).
Trotz dieser großen Typisierung von MLG ist die wissenschaftliche Debatte stark von dem Diskurs um den Begriff Governance geprägt. Da dieser Begriff für das Verständnis des MLG-Ansatzes eine wichtige Rolle spielt und die Funktion von Ebenen bereits geklärt wurde, im Folgenden noch einige Positionen zu diesem Begriff. Nach Straßheim beginnt Governance im Gegensatz zur Vorstellung von „Regieren“ mit der Aushandlung von Möglichkeiten einer Koordination von Koordination (2009:468). Damit schließen Governance-Prozesse, Aspekte wie Agenda Setting und Gremienbesetzungen durch private Akteure mit ein. Governance stellt somit einen breit einsetzbaren Begriff von Koordination dar, der auch reflexive Formen von Steuerung berücksichtigt.
Das Governance-Konzept ist durch seine Offenheit gegenüber anderen Ansätzen charakterisierbar. Gleichzeitig kritisieren Brunnengräber et al., dass eine reine Analysemethode keine Problemlösungen für Ungerechtigkeiten in Mehrebenensystemen bringen könne (2008:35). Governance stehe wie Globalisierung für die Beschreibung „subjektlose[r] Prozesse, die sich bestimmten Akteuren nicht zuordnen lassen“ (Offe 2008:61). So erscheint es, als hätten diese Prozesse keine Verantwortlichen. Gleichzeitig scheint nach Offe der MLG-Ansatz nur dort zum Einsatz zu kommen, wo staatliche und marktwirtschaftliche Konzepte nicht mehr ausreichen (2008:68). Willke verteidigt hingegen das Governance-Konzept mit dem Hinweis auf die „gewandelten politischen Herausforderungen einer globalisierten und vernetzten Welt“ (1983, zitiert nach Große Hüttmann, Knodt 2006:224). Kern der nicht zu lösenden Gegensätze über Governance scheint die veränderte Rolle von Staatlichkeit zu sein, sowie die normativen Rollen, die diese zu erfüllen habe. Die „Entzauberung des Staates“ (Willke 1983, zitiert nach Große Hüttmann, Knodt 2006:224) ist mit der Globalisierung von Funktionssystemen verknüpft, die nach ihren Eigenlogiken lateral nebeneinander stehen (wie Recht, Geld, Politik). Entscheidend für Governance ist, dass Politik neben und nicht über anderen globalisierten Funktionssystemen steht. So wird verständlich, wie Formen von Governance neben staatlichen und marktförmigen Regulierungen entstehen können (bspw. öffentlich-private Partnerschaften).
Governance lässt sich als Struktur- und Prozessbegriff unterscheiden. Schuppert (2006:14) hebt die Prozessanalyse der MLG-Forschung für die Fähigkeit hervor, die Wandlungsprozesse im Kompetenz- und Institutionsgefüge der EU innerhalb eines Systems nachvollziehbar zu machen. Jachtenfuchs (2001, zitiert nach Schuppert 2006:18) betont die Unterschiede in dem Erkenntniszweck zwischen klassischer Integrationsforschung und dem MLG-Ansatz: während klassische Ursachen und Ergebnisse der Entwicklung von EU-Politikfeldern untersucht wurden, liege nun der Fokus auf Problemen und Entwicklungslinien von Regierungsformen im EU-Institutionengefüge.
2.6 Sozialkonstruktivistische Ansätze
Als letzter Theoriekomplex der europäischen Integration ist mit den sozialkonstruktivistischen Ansätzen ein stark ausdifferenziertes Gebiet vorzustellen. Im Gegensatz zu den zuvor vorgestellten rationalistischen Ansätzen handelt es sich um institutionalistisch-soziologisch geprägte Modelle zur Erklärung der europäischen Integration. Entsprechend müssen zuerst einige Grundannahmen der zuvor behandelten Theorien relativiert werden. Sozialkonstruktivistische Ansätze gehen nicht davon aus, dass ökonomische oder militärische Überlegenheit maßgeblich für das Handeln von Akteuren ist (Scholl 2006:63). Entscheidend ist, dass menschliche Zuschreibung Objekten eine Bedeutung gibt und diese nicht objektiv (über rationalistische Konstrukte determiniert) gelte. Sie gehen von der Dominanz persönlicher Normen und Werte aus, die „ideelle Faktoren“ darstellen und für das Funktionieren von Institutionen eine bedeutende Rolle einnehmen (Bieling 2006:166). Hinzu kommt, dass menschliche Werte veränderbar sind und innerhalb von sozialen Kontexten variieren können. Institutionen spielen für die Übernahme von Werten eine wichtige Rolle, haben aber selbst Grenzen der institutionellen Leistungsfähigkeit (Berger, Luckmann et al. 2009:92). So entwickelte der Sozialkonstruktivismus eigene organisationssoziologisch geprägte Kategorien zur Analyse von Wirkung und Wandel von Identitäten und Normen bei Akteuren sowie zur Recherche der normativen Fundamente der EU und der Legitimität supranationalen Regierens (Diez, Wiener 2004:9).
Methodisch dominieren bei Sozialkonstruktivisten qualitative Forschungsmethoden (z. B. Inhaltsanalysen) zur Erforschung von Wertvorstellungen in der EU (Schwellnus 2006:325). Die Unterschiede zwischen rationalistischen und konstruktiven Integrationstheorien gehen aber nicht so weit, dass Konstruktivisten quantitative Studien ablehnen würden (Schwellnus 2006:327). Innerhalb der konstruktivistischen Ansätze sind strukturelle und akteurszentrierte Ansätze zu unterscheiden. Interessenkonflikte und gemeinsame Überzeugungen können so untersucht werden und Hinweise analysiert werden, warum Akteure von der EU gesetzte Regeln einhalten. So können auch Verhandlungsverläufe zwischen Akteuren nachvollzogen werden (Schwellnus 2006:328). Börzel weist darauf hin, dass „politische Entscheidungen und Politikereignisse nur unter Einbeziehung ideeller Faktoren zu erklären sind“ (1997:131), so dass der Konstruktivismus als Bereicherung der wissenschaftlichen Debatte angesehen wird. Dieser wird, wie auch der MLG-Ansatz, als „offener“ Analyserahmen bezeichnet. Diese Ansätze, zu denen auch die Europäisierungsforschung zählt, werden innerhalb der europawissenschaftlichen Forschung oft miteinander verbunden. Eine Spezialisierung des Konstruktivismus stellt das Konzept des Neo-Institutionalismus[29] dar, das auch in der Europäisierungsforschung genutzt wird und daher später in Abgrenzung zum rationalistischen Institutionalismus vorgestellt wird. Dieser Ansatz geht davon aus, dass das Handeln von Institutionen der „Logik der Angemessenheit“ (Scholl 2006:65) folgt und damit nicht rationalen Erwägungen auf Grundlage möglichst geringer (Transaktions-) Kosten folgt.
3 Politikwissenschaftliche Europäisierungsforschung
Nachdem wichtige Theorien der europäischen Integration vorgestellt und ins Verhältnis gesetzt wurden, geht es nun darum, das Konzept der politikwissenschaftlichen Europäisierungsforschung vorzustellen. In diesem Kapitel werden zuerst verschiedene Definitionen von Europäisierung vorgestellt. Danach werden die Methoden der Europäisierungsforschung sowie wichtige Anwendungsgebiete definiert. Dabei wird nur auf politikwissenschaftliche Europäisierungsprozesse eingegangen. Die weiteren Dimensionen von Europäisierung werden im fünften Kapitel vorgestellt.
3.1 Die Begriffsdebatte um Europäisierung
Begriffe und Konzepte bilden das Grundgerüst politikwissenschaftlicher Analyse. Die Beschreibung von Begriffen[30] muss eindeutig sein, um diese eindeutig verknüpfen zu können. In der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte sind aber Begriffe wie „Europa“, Integration“, “Theorie“ und „Europäisierung“ hart umkämpft (Bieling, Lerch 2006:12). Der Begriff „Europäisierung“ ist aus den Massenmedien bekannt. Trotzdem sind die damit verknüpften Vorstellungen, ähnlich wie bei dem Begriff „Globalisierung“, sehr unterschiedlich. Unter Wissenschaftlern wird seit den 1990er Jahren mit diesem „newly fashionable term” (Featherstone 2003:3) operiert. Es folgte die sprunghafte Verbreitung des Begriffs Europäisierung in Publikationen (Sittermann 2006:2). Mair kommentiert diesen Trend wie folgt: “…by now almost every book or paper on the topic - including this one, of course - begins with a reference to how fashionable it has become to discuss Europeanization.” (2004:337, zitiert nach Sittermann 2006:2). Ähnlich auch Radaelli: "If everything is Europeanized to a certain degree, what is not Europeanized?" (2003:32). Der Begriff gilt seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts als wissenschaftlich etabliert (Lodge 2006:59). Eine allgemeine wissenschaftliche Definition von Europäisierung gibt es nicht[31], so dass Beschreibungen meist nur Relevanz für einzelne Studien haben (Börzel 1999:574). Dies wird in der wissenschaftlichen Debatte immer wieder kritisiert (Töller 2010:421), hält die rege Diskussion, um die einzunehmenden Perspektiven und zu beschreibenden Prozesse, aber in Gang. Radaelli zieht daraus sogar den Schluss, dass eine allgemeine Definition nicht nötig ist, um die wissenschaftliche Diskussion zum Konzept der Europäisierungsforschung weiterzuführen (2004:4).
[...]
[1] Zu diesen Erfolgen zählt intern der Aufbau eines gemeinsamen Binnenmarktes sowie extern die Aufnahme 21 neuer Mitgliedsstaaten seit der Gründung der EG im Jahr 1957.
[2] Die EU als Gebilde „eigener Art.“ Diese Vorstellung führt zu der Problematik, dass die EU nach diesem Verständnis mit keinem Staat oder keinem regionalen Bündnis (wie etwa Mercosur) zu vergleichen ist.
[3] Siehe dazu die Vorstellung von EU-Impulsen nach Töller (2010:428).
[4] Für einen Überblick siehe Huget (2007) Demokratisierung der EU: Normative Demokratietheorie und Governance- Praxis im europäischen Mehrebenensystem.
[5] Einen guten Überblick bieten Kristoferitsch (2007:199-265) sowie Brunn, Die Europäische Einigung. Von 1945 bis heute.
[6] Zur Vertiefung siehe Jachtenfuchs (1997) oder Von Bogdandy (1999).
[7] Einführend: Mau (2006, 2007); Eigmüller, Vobruba (2006); Boehnke et al. (2009); Roose (2009).
[8] Einführend: Berger, Weiß (2009) sowie Mau, Verwiebe (2009).
[9] Lesenswerte Studien sind etwa: Jordana, Levi-Faur und Puig (2005) zur Liberalisierung des portugiesischen und spanischen Telekommunikationsmarktes und Radaelli (1997) zur Steuerregulierung in Italien und Großbritannien.
[10] Diese Rechtshandlungen sind: Verordnung als „EU-Gesetz“ mit unmittelbarer Anwendbarkeit, Direktive/Richtlinie mit unmittelbarer Wirkung sowie Entscheidung, Empfehlung und Stellungnahmen als nicht direkt umzusetzende Vorgaben der EU an die Mitgliedsstaaten.
[11] Online verfügbar unter http://eiop.or.at .
[12] Online verfügbar unter http://www.blackwellpublishing.com/jcms.
[13] Online verfügbar unter http://europeangovernance.livingreviews.org .
[14] Online verfügbar unter http://www.oxfordscholarship.com .
[15] Als Beleg der These kann das Rechtskonzept der „judicialization of politics“ gelten
(Conant 2009:156).
[16] Siehe das Beispiel Börzels nationaler Regierungen als takers und shapers (2003:3).
[17] Haas beschreibt dies wie folgt: „The task of selecting and justifying variables and explaining their hypothesized interdependence cannot be accomplished without an agreement as to possible conditions to which the process is expected to lead. In short, we need a dependent variable“ (Haas 1970:622).
[18] Richard Coudenhove-Kalergi beschreibt mit dem Buch „Pan Europa“ im Jahr 1926 als erster Autor die Version eines föderalistisch vereinten Europas (Rosamond 2000:21).
[19] Die Kritik des Neo-Funktionalismus „[...] it is not always clear whether the assertions are normative or descriptive, they are certainly not explanatory (...) The main building blocks are normative assertions based on the faith of the asserters. The remainder is illustrative material chosen from the historical experience of federal nations“ (Haas, zitiert nach Giering 1997:78).
[20] Wie Mann 2009.338-9 zeigt, kann die Betrachtung der föderalistischen Geschichte der USA, dazu führen die Idee der EU als sui generis (Gestalt eigener Art) zu relativieren. Dieses Ergebnis des Vergleichs mit der “Nature of the Union” Debatte im 19. Jahrhundert schärft so den Blick für den “Schwebezustand” der EU heute und bewahrt davor, durch das Ausweichen auf die sui generis Formel davor der EU wissenschaftliche Unvergleichbarkeit zu attestieren.
[21] Das Subsidiaritätsprinzip wurde mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1993 in das EU-Recht ein-geführt und gibt Leitlinien zur Verteilung von Problemen auf EU und Mitgliedsstaatsebene vor.
[22] Siehe Gesetzesverzeichnis oder online verfügbar unter
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0001:01:DE:HTML .
[23] „Regional integration in Western Europe has disappointed everybody: there is no federation, the nation-state behaves as if it were both obstinate and obsolete, and what once appeared to be a distinctive ‚supranational‘ style now looks more like a huge regional bureaucratic appendage to an intergovernmental conference in permanent session“ (1975:6, zitiert nach Wolf 2006:80).
[24] „International relations should be the science of uncertainty, of the limits of action, of the ways in which states try to manage but never quite succeed in eliminating their insecurity.“ (Hoffmann 1977: 57, American Social Science: International Relations. In: Daedalus 106:3, 41-60, zitiert nach Bieling 2006:97).
[25] Zum Erreichen einer qualifizierten Mehrheit sind Zustimmungen von Nationalstaaten nötig, die 55 % der Staaten und 65 % der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren.
[26] Als Beispiel gilt die IPE, die sich speziell mit den Besonderheiten von transnationalen Wirtschafts-beziehungen befasst.
[27] Bekannt wurde diese Bezeichnung durch das Buch „Governance without Government“ von Rosenau und Czempiel im Jahr 1992.
[28] Zu den Entgrenzungsphänomenen betreffend private Akteure siehe einführend u. a. Schuppert (2006:12-13).
[29] Grundlegend zum „New Institutionalismus“ der Artikel von March und Olsen (2005).
[30] Ein Begriff ist “ein Ausdruck, der sich nicht nur auf einen Gegenstand, sondern auf mehrere Gegenstände bezieht, denen bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden, die man anderen Gegenständen abspricht, wodurch sie von ihnen unterschieden und unter einen anderen Begriff subsumiert werden. Begriffe liefern also Unterscheidungen, die das Universum der untersuchten Gegenstände sachlich gliedern“ (Noblen, Schulze (2002): Lexikon der Politikwissenschaft. S.67).
[31] Dazu harte Kritik von Kassim “Because ‘Europeanization’ has no single precise or stable meaning, it has been argued that the term is so unwieldy, that it is futile to use it as an organizing concept.” (2000:238, zitiert nach Olsen 2002:921).
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- Maurice Müller (Author), 2010, Europäisierung in der wissenschaftlichen EU-Integrationsdebatte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351544
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