Diese Arbeit befasst sich mit den Grundlagen und Auswirkungen der Einführung des Mindestlohnes, global und im speziellen auf dem deutschen Markt. Es wird ein umfassender Einblick in die mikro- und makrospezifischen Einflüsse gegeben.
Besonders seit 1990 mussten viele Kleinbäckereien, obwohl der Backwarenverbrauch der deutschen Bevölkerung vergleichsweise konstant geblieben ist, ihren Betrieb aufgeben oder mit großen Ketten fusionieren. Es findet ein starker Konzentrationsprozess innerhalb des Bäckereigewerbes statt, bedingt durch die Globalisierung und den steigenden Kostendruck aufgrund alternativer Backwarenverkäufer. Heute besitzt nahezu jeder Lebensmittelmarkt wie REWE oder EDEKA eine eigene Backstation und bietet Backwaren zu einem Bruchteil des Preises traditioneller Bäckereien an. 2014 wurden 70% der Backwaren bei einer dieser relativ neuen Verkaufsstellen erworben. Viele Bäckereibetriebe haben dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen und kapitulieren, da der Gewinn, wenn überhaupt noch vorhanden, häufig in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand steht.
Inhaltverzeichnis
Vorwort
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen des Mindestlohns
2.1 Das neoklassische Arbeitsmarktmodell
2.2 Die keynesiansische Theorie
2.3 Das Monopsonmodell
2.4 Kritische Betrachtung
3 Argumente für und gegen den Mindestlohn
3.1 Positive Auswirkungen
3.1.1 Verhindern von Lohnarmut
3.1.2 Erhöhung der Binnenwirtschaft und der Staatsgelder
3.2 Negative Auswirkungen
3.2.1 Vernichtung von Arbeitsplätzen
3.2.2 Erhöhung von Markteintrittsbarrieren
3.2.3 Mindestlöhne erhöhen Schattenwirtschaft
4 Mindestlöhne im internationalen Vergleich
4.1 Großbritannien
4.2 Frankreich
4.3 Anwendbarkeit internationaler Beispiele
5 Aktuelle Situation in Deutschland
5.1 Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLog)
5.2 Niedriglohnstruktur
5.3 Differenzierung zwischen Ost- und Westdeutschland
5.4 Betroffene des Mindestlohns
6 Mögliche Folgen am Beispiel ostdeutscher Kleinbäckereien
6.1 Ist Situation
6.1.1 Darstellung der Geschäftsstruktur
6.1.2 Darstellung der Lohnstruktur
6.2 Risiken der Mindestlohneinführung
6.3 Chancen der Mindestlohneinführung
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Anlagenverzeichnis
Vorwort
Aufgrund eines besonderen fachlichen Interesses und der in Folge meines Studiums der Betriebswirtschaftslehre erworbenen Kenntnisse bezüglich der Auswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohns, verfolgte ich die politischen Debatten zu einer Mindestlohneinführung gespannt.
Seit Mitte 2014 unausweichlich fest stand, dass Deutschland den Mindestlohn bekommen wird, war mir das Thema dieser Arbeit bewusst, wobei der Fokus auf ostdeutschen Kleinbäckereien liegt. Die Auswirkungen eines Mindestlohns sind sehr vielfältig und beruhen auf zahlreichen Einflussfaktoren, weshalb im Rahmen dieser Arbeit einige Punkte nur angedeutet sind, um ein Gesamtverständnis zu ermöglichen.
Eine große Hilfe zur Bearbeitung dieser Arbeit war mir Heinz Essel, Verbandsgeschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Bäcker- und Konditorenhandwerks Mecklenburg- Vorpommern, welcher in einem ausführlichen Gespräch am 07.01.2015 viele Fragen beantwortete und mir einige Ideen mit auf den Weg gab. Unterstützend bekam ich verschiedene Informationsmaterialen übermittelt, welche im Anhang dieser Arbeit zu finden sind.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einfaches neoklassisches Arbeitsmarktmodell mit Mindestlohn oberhalb des Gleichgewichtslohnes
Abbildung 2: Monopsonmarkt ohne Mindestlohn
Abbildung 3: Monopsonmarkt mit Mindestlohn
Abbildung 4: Gesetzliche Mindestlöhne im internationalen Vergleich
Abbildung 5: Beeinflussung der Arbeitskosten durch Mindestlohnerhöhung 2010 - 2013
Abbildung 6: Anteil vom Mindestlohn betroffener Arbeitnehmer
Abbildung 7: Anteil durch den Mindestlohn Betroffener nach Bundesländern
Abbildung 8: Die Entwicklung des deutschen Bäckerhandwerks zwischen 2008 und 2013..
Abbildung 9: Einstufung und Umsatzverteilung der Bäckereibetriebe 2012
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Tariflöhne des Bäcker- und Konditorenhandwerks in Hessen und Mecklenburg- Vorpommern
Tabelle 2: Beispiel Lohnkosten 2014
Tabelle 3: Beispiel Lohnkosten 2015 nach Mindestlohnumsetzung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„ Zwanzig bis dreißig Prozent der handwerklichen Bäckereien in Ostdeutschland werden den Mindestlohn nichtüberleben. “ 1
Das deutsche Bäckerhandwerk.
Seit dem 8. Jahrhundert ist es in Überlieferungen dargestellt und bildet somit eines der ältesten gewerblichen Handwerkstätigkeiten Deutschlands. In den folgenden Jahrhunderten stieg die Bedeutung des Bäckerberufs, im Zuge der Entwicklung des Brotes zu einem Grundnahrungsmittel, fortwährend an und trotz der Vielzahl gesellschaftlicher, politischer und regionaler Veränderungen, war dieser Trend nicht aufzuhalten.
Bis vor wenigen Jahren ein gravierender Wandel einsetzte. Besonders seit 1990 mussten viele Kleinbäckereien, obwohl der Backwarenverbrauch der deutschen Bevölkerung vergleichsweise konstant geblieben ist, ihren Betrieb aufgeben oder mit großen Ketten fusionieren.2
Es findet ein starker Konzentrationsprozess innerhalb des Bäckereigewerbes statt, bedingt durch die Globalisierung und den steigenden Kostendruck aufgrund alternativer Backwarenverkäufer. Heute besitzt nahezu jeder Lebensmittelmarkt wie REWE oder EDEKA, eine eigene Backstation und bietet Backwaren zu einem Bruchteil des Preises traditioneller Bäckereien an. 2014 wurden 70% der Backwaren bei einer dieser relativ neuen Verkaufsstellen erworben.3 Viele Bäckereibetriebe haben dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen und kapitulieren, da der, wenn überhaupt noch vorhandene Gewinn, häufig in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand steht.
Im bereits schwierigen Umfeld dieser Marktverschiebung wurde nun vor wenigen Wochen, nach jahrelangen politischen Debatten, am 01.01.2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde eingeführt. Es ist das erste Mal in der Geschichte Deutschlands, dass eine verbindliche, flächendeckende sowie branchenübergreifende Lohnuntergrenze beschlossen wurde. Aufgrund der daher fehlenden Erfahrungen stellt „ der gesetzliche Mindestlohn ein gigantisches arbeitsmarktpolitisches Experiment “4 dar, dessen Folgen nur schwer einzuschätzen sind.
Besonders in der ostdeutschen Region wurden im Bäckereigewerbe bis Ende 2014 fast ausschließlich Löhne unterhalb des neuen Mindestlohns gezahlt, weshalb der Hauptgeschäftsführer des „Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e.V“ Amin Werner in ihm eine weitere starke Belastung für das traditionelle Bäckerhandwerk sieht.
Er rechnet damit, dass ein Drittel der Betriebe diesen zusätzlichen Kosten nichts entgegenzusetzen hat, und dauerhaft vom Markt verschwinden. Das Zitat zeigt sogleich eines der Hauptargumente, welche gegen den Mindestlohn in Deutschland hervorgebracht werden: der Verlust von Arbeitsplätzen. Doch sind Verluste in dieser Größenordnung realistisch? Oder stellt diese Aussage eine Übertreibung einer überforderten Branche dar?
Bei der Untersuchung dieser Frage muss der Grund für den Wandel betrachtet werden, welchen das Thema Mindestlohn in den letzten Jahren in Deutschland vollzogen hat. So wurde noch vor wenigen Jahren der Mindestlohn zwischen den Parteien kontrovers diskutiert und eine Einigung zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage war nicht absehbar. Es standen sich die Ansichten von SPD, LINKE und den Grünen, welche eine Lohnuntergrenze einführen wollten, denen der CDU/CSU sowie der FDP, welche einen staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie vehement ablehnten, entgegen.5 6
Die Entwicklung des Arbeitsmarktes hat in letzten Jahren dazu geführt, dass die relativ geringe Lohnspreizung in Deutschland, die internationalen Vorbild-Charakter besaß, einen divergente Verlauf genommen hat und sich somit die Löhne der Geringverdiener immer weiter von dem Medianlohn aller Beschäftigter entfernten.7 Eine solche Entwicklung ist in jeder Volkswirtschaft von ökonomischem Nachteil und mit wirtschaftlichen sowie sozialen Risiken verbunden. Erschwerend kam hinzu, dass die Tarifbindung in Deutschland in den letzten Jahren stark abgenommen hat.8 Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass 1,2 Mio. Arbeitnehmer, für Löhne unter fünf Euro arbeiten. 2,4 Mio. Menschen arbeiten für weniger als 7,50 Euro und weitere 1,4 Mio. für Löhne unter der nun fixen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro.9 Damit verdienen mehr als fünf Mio. Menschen in Deutschland einen Lohn unterhalb des neuen Mindestlohns. Dieses Lohngefüge ist gesellschaftlich kaum zu vertreten, da die Arbeit für diese Menschen aus ihrer eigenen wirtschaftlicher Sicht in keinem positiven Verhältnis zu staatlichen Unterstützungen wie Hartz IV steht. Für viele Menschen lohnt sich Arbeit aus finanziellen Aspekten daher kaum.10
Um dieser Fehlentwicklung einen Riegel vorzuschieben, wurde mit dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in die Tarifautonomie eingegriffen, in der Erwartung, eine weitere Ausdehnung des Niedriglohnsektors zu unterbinden. Mit diesem Schritt folgt die Bundesrepublik Deutschland zahlreichen internationalen Beispielen und ist das 22. Land innerhalb der 28 EU-Staaten, welches den Mindestlohn eingeführt hat.11
Begründet wird dies mit zwei Hauptzielen: so soll das Festsetzen der Lohnuntergrenze einerseits bewirken, dass Vollzeitbeschäftigte mindestens ein Einkommen oberhalb des sozialkulturellen Existenzminimums erzielen, zum anderen soll die wachsende fiskalische Belastung der öffentlichen Kasse eingeschränkt werden, da die Aufstockung des Gehalts mit Hilfe des Arbeitslosengeldes II in den letzten Jahren auf ein ungekanntes Niveau gestiegen ist.12 Entgegen dieser zwei Ziele argumentieren die Gegner des Mindestlohns vor allem mit arbeitsmarktheoretischen Aspekten. Nach der neoklassischen Theorie besitzen die Mechanismen des Arbeitsmarktes eine selbstregulierende Wirkung und sind, ergänzt durch die Tarifautonomie, hinreichend geregelt, um einen optimalen Markt darzustellen.13 Ein solch schwerer Eingriff wie die Einführung des Mindestlohns wird nach Meinung der Widersacher folgenreiche negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben und somit zu einer erhöhten Arbeitslosenquote führen, was den Effekt der eingesparten Aufstockungsgelder zunichtemacht.14
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich, aufbauend auf den theoretischen Grundlagen des Mindestlohns, mit der Frage, welche Chancen und Risiken die kommende Lohnuntergrenze in Höhe von 8,50 Euro auf den deutschen Arbeitsmarkt, insbesondere auf ostdeutsche Kleinbäckereien, mit sich bringt.
Es wird der Versuch unternommen, eine Darstellung bezüglich auftretender Problem- und Spannungsfelder durchzuführen um zu klären, inwiefern der Mindestlohn als Katalysator der aktuellen Probleme der Bäckereien angesehen werden kann und welche Chancen sich aus „der Not heraus“ für die Betriebe bieten.
1.2 Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit soll daher untersucht werden, ob der kommende branchenübergreifende Mindestlohn eine Chance für Deutschland darstellt, die ausufernde Lohnspreizung einzudämmen und somit ein gerechteres Lohnniveau zu schaffen oder ob der Mindestlohn ein Risiko für den deutschen Arbeitsmarkt bedeutet.
Um auf Folgen einer Lohnuntergrenze eingehen zu könne, werden zunächst im Kapitel zwei die drei wichtigsten theoretischen Modelle in Bezug auf Beschäftigungseffekte eines Mindestlohns dargestellt und erläutert. Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie ist eine viel zitierte und von den Gegnern des Mindestlohns genutzte Argumentationsgrundlage, um negative Folgewirkungen zu prognostizieren. Diese wird zunächst erklärt, worauf folgend die Kaufkrafttheorie nach Keynes und das Monopsonmodell Erläuterung finden, da sie unterschiedliche Ansätze im Vergleich zu der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie darstellen, und daher den Befürworten des Mindestlohns zur Unterstützung ihrer Thesen dienen.
In Kapitel drei werden die häufigsten hervorgebrachten Argumente für positive und negative Auswirkungen der Mindestlohneinführung kurz betrachtet. Häufig basieren diese Erkenntnisse auf makro- und mikroökonomischen Theorien, welchen immer eine vereinfachte Form des realen Arbeitsmarktes zu Grunde liegt. Aufgrund dieser Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit werden im anschließenden Kapitel vier die Auswirkungen des Mindestlohns am Beispiel von Großbritannien und Frankreich betrachtet, welche schon seit vielen Jahren den Mindestlohn besitzen, und geklärt, inwieweit diese internationalen Vergleiche sinnvoll sind.
Das fünfte Kapitel stellt die aktuelle Situation in Deutschland dar, wozu zunächst ein Überblick über die Beschäftigungsstruktur gegeben wird. Wichtig ist in Deutschland zudem eine Differenzierung von regionalen Unterschieden im Lohn und Beschäftigungsniveau auszuarbeiten. Insbesondere wird in diesem Punkt auf die verschiedenen Gehälter in Ost-- und Westdeutschland eingegangen, da diese zum Teil ein erhebliches Gefälle aufweisen, und somit der kommende Mindestlohn, welcher für jedes Bundesland in gleicher Höhe gilt, ganz unterschiedlichen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben wird.
Unter anderem mithilfe dieser Auswertung ist es möglich, in Kapitel 6 eine Prognose für die Folgen der Mindestlohneinführung für ostdeutsche Kleinbäckereien zu erstellen. Um eine Beurteilung der Anpassungsfähigkeit dieser Bäckereien anzufertigen, ist es an dieser Stelle unabdingbar, einen Blick auf das aktuelle Lohngefüge und die aktuellen Beschäftigungszahlen zu werfen. Damit werden Risiken und Chancen, speziell bezogen auf das Ostdeutsche Bäckereihandwerk, aufgezeigt und eine Prognose für die kommenden Geschäftsjahre gegeben. Abschließend an die Darstellung der Situation ostdeutscher Kleinbäckereien wird eine Zusammenfassung und Auswertung der gewonnenen Daten und Erkenntnisse stattfinden, um ein Resultat dieser Arbeit aufzuzeigen.
Aufgrund der Aktualität des Themas und dem Zeitpunkt der Einführung des verbindlichen Bundesweiten deutschen Mindestlohns muss an dieser Stelle erklärt werden, dass sich der größte Teil dieser Ausarbeitung auf die Zeit sowie die Begebenheiten vor 2015 beziehen. Die Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung basieren auf wissenschaftlichen Modellen in Verbindung mit den Erfahrungen anderer Nationen, und Erwartungen verschiedener Arbeitgeberverbände. Eine Feststellung der realen Auswirkungen anhand aktueller Zahlen ist daher noch nicht umsetzbar.
In dieser Arbeit wird mit dem Ziel der verbesserten Lesbarkeit des Textes nur die männliche Form (z.B. Arbeitnehmer, Arbeitgeber) verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Die Differenzierung von Ost- und Westdeutschland ist der erheblich unterschiedlich wirtschaftlichen Situation geschuldet. Ostdeutschland umfasst Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen sowie ein Teil von Berlin.
2 Theoretische Grundlagen des Mindestlohns
Es ist für das Verständnis dieser Thematik unabdingbar, die theoretischen Wirtschaftsmodelle, auf welchen die positiven und negativen Faktoren einer staatlichen Mindestlohneinführung basieren, zu untersuchen. Die drei zugrunde liegenden Modelle sind im Folgenden:
Das neoklassische Arbeitsmarktmodell Die keynesianische Kaufkrafttheorie Das Monopsonmodell Anhand dieser werden die gesamtwirtschaftlichen Effekte von Mindestlöhnen erörtert und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der betroffenen Märkte im Theoretischen dargestellt. Da die vorgestellten Modelle fast ausschließlich auf volkswirtschaftlichen Theorien basieren, wird im Anschluss eine kritische Auseinandersetzung stattfinden.
2.1 Das neoklassische Arbeitsmarktmodell
Bei den Diskussionen bezüglich der Beschäftigungswirkung eines Mindestlohns wird für eine erste Annäherung an die Thematik häufig auf das neoklassische Arbeitsmarktmodell zurückgegriffen. Es dient als theoretische Grundlage zum Verständnis eines idealen Arbeitsmarktes. Es stellt das einfachste Modell dar und ist damit nur begrenzt geeignet, um realtypische Arbeitsmärkte zu beschreiben. Aufgrund der verständlichen und einflussbefreiten Erklärung bietet jedoch die Möglichkeit der Charakterisierung und Strukturierung von Arbeitsmärkten.15
Da es einen idealtypischen Arbeitsmarkt aufzeigt, welcher in der Realität nie erreicht werden kann, wird die neoklassische Arbeitsmarkttheorie auch als Messlatte für existierende Arbeitsmärkte angesehen und verwendet. Es wird bei diesem Modell davon ausgegangen, dass ein vollkommener Markt vorhanden ist, welcher eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern in sich vereint. Durch diesen Punkt kann weder die Angebots- noch die Nachfrageseite relevanten Einfluss auf die Preisbildung ausüben und der Markt reguliert somit die Preise.16
Außerdem basiert das Modell auf folgenden Voraussetzungen:
- Fehlen von Transaktionskosten sowie Markzutrittsbarrieren und Wettbewerbsbeschränkungen
- Die Anpassungsgeschwindigkeit von Prozessen ist unendlich
- Konstante Skaleneffekte
- Arbeitnehmer und verkaufte Güter sind homogen, damit vollständig substituierbar
- Vollständige Mobilität der Arbeitsanbieter
- Der Arbeitsmarkt ist komplett transparent, alle Teilnehmer verfügen über vollkommene Informationen
- Unternehmen streben nach Gewinnmaximierung
- Arbeitnehmer streben nach Maximieren ihrer Nutzenfunktion17
- Gleichgewichtslohn und Vollbeschäftigung stellen sich ein
Arbeitnehmer und Arbeitgeber versuchen ihren eigenen Interessen zu folgen, so bieten viele Arbeitnehmer ihre Leistungen bei hohen Löhnen an, aber nur wenige Unternehmen sind in der Lage. diese auch zu zahlen. Für die niedrigen Löhne, welche Unternehmen anbieten, möchten auch nur wenige Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Denn Unternehmen sehen in einem Mitarbeiter nur dann einen Gewinn, wenn seine Grenzproduktivität mindestens seinen Grenzkosten (Lohn) entspricht.18
Darin ist zu erkennen, dass jede Seite ihren individuellen Nutzen steigern möchte, was zu einem Marktgleichgewicht führt, in welchem sich Angebots- und Nachfragekurve schneiden.19 Dieses Marktgleichgewicht resultiert aus der Annahme, dass Anbieter und Nachfrager auf dem Markt so zahlreich sind, dass der Einzelne keinen nennenswerten Einfluss auf das Einstellen eines Lohngefüges besitzt. Dem Say´schen Theorem folgend erzeugt jedes Angebot seine eigene Nachfrage, woraus immer ein Gleichgewichtszustand resultiert. Daher kann jeder Unternehmer seine gewinnmaximierenden Produktionen vollständig und ohne intensiven Aufwand zum gegebenen Marktpreis absetzen.20
Das Marktgleichgewicht und die aus einem darüber liegendem Mindestlohn resultierenden Erwartungen zeigen sich in folgender Abbildung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Einfaches neoklassisches Arbeitsmarktmodell mit Mindestlohn oberhalb des Gleichgewichtslohnes
Quelle: Bartsch, K. (2007), S. 10
Nach Einstellung dieses Marktgleichgewichtes folgt ein Gleichgewichtslohn, der unter den genannten Voraussetzungen auf theoretischer Basis zwangsläufig eintreten wird. An dieser Schnittstelle hat sich der Markt dahingehend reguliert, dass keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit existiert und die Unternehmen eine jede freie Stelle besetzen können, was zu einer Vollbeschäftigung führt.21
Wird dieser vollkommene Markt durch äußere Faktoren, wie unter anderem durch Gewerkschaften und/oder einer Mindestlohneinführung, dahingehend beeinflusst, dass der Reallohnsatz für längere Zeit über der Beschäftigungsproduktivität verharrt und keinerlei Flexibilität nach unten mehr besitzt, wird unfreiwillige Arbeitslosigkeit entstehen. Dieser kann nur durch Abschaffen von Gewerkschaften und Mindestlohn begegnet werden, um innerhalb dieses idealtypischen Marktes eine Vollbeschäftigung zu erwirken.
Der gegenteilige Versuch Löhne zu erhöhen, würde dazu führen, dass sich das Lohnniveau weiter von der Marktproduktivität entfernt und so weitere unfreiwillige Arbeitslosigkeit entsteht, um eine neues Gleichgewicht herzustellen.22
Das Modell geht von freiwilliger und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit aus. Jeder Arbeitsanbieter, welcher aus freiem Willen für den entstandenen Gleichgewichtslohn oder weniger arbeitet, wird einen Arbeitsplatz finden. Diejenigen, welche bewusst aus rationalen Gründen ihrer eigenen Nutzens Maximierung auf Arbeit verzichten, sind freiwillig arbeitslos. Diese Tatsache begründet zudem, dass ein Sinken des Gleichgewichtslohnes mit einem fallenden Arbeitsangebot einhergeht. Arbeiten stellt ein Verzicht auf Freizeit dar und es entstehen somit Opportunitätskosten für den Einzelnen, welche durch den geringen Lohn nicht mehr ausreichend gedeckt werden.
Aufgrund dieser direkten Kausalität erklärt es sich, dass ein Mindestlohn innerhalb dieses Modelles zwei Resultate hervorbringen kann. Wird ein Mindestlohn beschlossen und eingeführt, welcher auf selber Höhe oder niedriger als der bestehende Gleichgewichtslohn ist, hat dieser keinen Einfluss auf den Markt. Im Falle eines Mindestlohns, welcher über dem Gleichgewichtslohn liegt, führt dies zu einer starken Verschiebung der Angebots- und Nachfrageseite. Das Angebot steigt, da nun die auftretenden Opportunitätskosten kleiner sind als das Lohnniveau.23 Die Nachfrage hingegen sinkt, da Teile der Arbeitnehmer nicht mehr den entsprechenden Ertrag erwirtschaften können, den sie selbst ausgezahlt bekommen, womit sie eine negative ökonomische Bilanz besitzen und entlassen werden. Diese Verschiebung bewirkt eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit, deren Höhe von der Differenz zwischen Gleichgewichtslohn und neuem Mindestlohn abhängig ist.24
Dieses Modell findet Unterstützung von wichtigen Ökonomen, wie z.B. Marcel Thum und Joachim Ragnitz, welche in einer Erläuterung zu den Berechnungen des ifo-Institutes auf folgenden Mechanismus hinweisen: steigt innerhalb eines Marktes der Preis für Äpfel und Benzin, führt dies unweigerlich zu geringerem Konsum von Äpfeln, und es wird intensiver über die Autonutzung nachgedacht.25
Die gesamte Untersuchung „Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen dieser beiden Ökonomen, kritisiert die fehlende Beachtung dieses marktwirtschaftlichen Grundprinzips, da nach ihrer Beurteilung eine Mindestlohneinführung nicht ohne negative Effekte auf die Arbeitsnachfrage eingeführt werden kann.
Insbesondere Deutschland wird nach diesen Aussagen von einem hohen Nachfragerückgang betroffen sein, da der Mindestlohn von 8,50 € bei 13,6% bis 19,7% der Arbeitnehmer den Lohn übersteigt und damit zu drastischen Arbeitsplatzverlusten führen kann.26
2.2 Die keynesiansische Theorie
Das neoklassische Modell galt lange als das Referenzmodell zum Verständnis eines perfekten Marktes und wurde erst anlässlich der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren infrage gestellt. In Folge dieser Krise rutschte die Weltwirtschaft in eine starke Depression, woraufhin die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in den Industrienationen auf 25% stieg.27 Diese Entwicklung war nicht vereinbar mit der ausschließlich freiwilligen Arbeitslosigkeit, welche im neoklassischen Modell Erwähnung findet, weshalb Keynes dieses Paradoxon der Arbeit im Jahre 1936 mit Grundlage seines Werkes „The General Theory of Employment, Interest and Money“ anzweifelte und zu lösen versuchte.
Keynes geht im Gegensatz zu den vollkommen flexiblen Preisen und Löhnen der neoklassischen Theorie von festen Werten aus, welche keinerlei Bewegungsspielräume haben. Zudem sieht er einen großen Unterschied in der zeitlichen Entstehung von Nachfrage nach Gütern. Keynes sagt, dass die Güternachfrage das Angebot bestimmt, Firmen also nur nach entsprechendem Bedarf produzieren. In der neoklassischen Theorie wird hingegen angenommen, dass ein jedes Angebot sich seine eigene Nachfrage schafft und der Markt sich somit automatisiert einpegelt.28
Steigt nun nach Keynes Perspektive die Nachfrage nach einem Produkt eines bestimmten Unternehmens, passt sich dieses durch erhöhte Produktion an die Nachfrage an und wird zur Realisierung dieser Anpassung Arbeitsplätze erhöhen.29 Dies berücksichtigt den Doppelcharakter der Löhne, welche gleichzeitig betriebliche Kosten wie auch gesamtwirtschaftliche Kosten darstellen. Unter diesem Wissen lässt eine Erhöhung der Reallöhne von Niedriglohnarbeitern, infolge der Etablierung eines Mindestlohns, erwähnenswerte Nachfragewirkung erwarten, da die Verwendung der Einkommen dieser Personengruppe gekennzeichnet ist durch eine überdurchschnittlich hohe Konsumquote und somit der größte Teil der Lohnerhöhung direkt in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt.30
Keynes Überlegungen und Berechnungen resultieren in dem Fazit, dass, im Gegensatz zu der neoklassischen Theorie, steigende Löhne die Kaufkraft steigern und damit direkte positive Beschäftigungswirkung mit sich ziehen.
Er glaubte nicht an eine Selbstregulierung des Marktes, weshalb seiner Meinung nach der Staat durch gezielte Fiskalpolitik die vorherrschende Arbeitslosigkeit eindämmen und beseitigen kann.31 Daher wird nach diesem Modell bei ausbleibenden negativen Beschäftigungseffekten mit steigender Kaufkraft und gesamtwirtschaftlichen positiven Entwicklungen in Folge eines Mindestlohns gerechnet.
2.3 Das Monopsonmodell
Das Monopsonmodell beschreibt die dritte der gängigsten Theorien, mithilfe derer die möglichen Auswirkungen eines Mindestlohns dargestellt und erklärt werden können. Entgegen der Annahmen im neoklassischen Modell, existiert im Monopson nur ein einziges Unternehmen welches Arbeit nachfragt, weshalb dieser Arbeitgeber, der Monopsonist, über vollkommene Marktmacht verfügt.
Diese Situation ist im realen Marktgeschehen nicht darstellbar, kann aber verglichen werden mit der Konstellation eines abgelegenen Dorfes, welches nur einen Arbeitgeber besitzt und die Mobilitätskosten, die anfallen würden um zu einem anderen Arbeitgeber zu gelangen, den Lohngewinn übersteigen. Dieser Fall wird als lokales Monopson bezeichnet. Aufgrund der nicht vorhandenen Konkurrenz kann der Arbeitgeber keine zusätzlichen Arbeitskräfte von anderen Unternehmen abwerben, was zur Folge hat, dass für jeden weiteren Arbeiter ein höherer Lohn gezahlt werden muss, da diese aus anderen Regionen und Berufsfeldern angeworben werden müssen.32
Infolge der zur Grunde gelegten Homogenität des Arbeitsmarktes im Monopsonfall muss allen Angestellten der gleiche Lohn gezahlt werden, da homogene Arbeit in diesem Fall nicht unterschiedlich entlohnt werden kann. Damit einher geht die fehlende Möglichkeit der Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln, und somit ihren Lohnsatz in einem gewissen Rahmen selbst beeinflussen zu können. Aufgrund dieses Umstandes ist es dem Arbeitgeber möglich, einen Lohn zu zahlen, welcher unterhalb der Grenzproduktivität des Arbeitnehmers liegt und somit den Gewinn des Unternehmens erhöht.33
Wie zuvor erwähnt, muss jedem neuen Arbeiter ein höherer Lohn gezahlt werden und infolge dessen muss eine Lohnanpassung aller bestehenden Mitarbeiter erfolgen, um die Lohngleichheit zu wahren. Das führt zum Monopsoneffekt: die Grenzkosten der Arbeit steigen mit jeder Neueinstellung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Monopsonmarkt ohne Mindestlohn
Quelle: Henneberger, F.; Haug, L. (2010), S. 20
Die vorstehende Grafik verdeutlicht das Gefüge, welches sich auf einem Monopsonmarkt einstellt und zeigt, dass die Funktion der Grenzkosten der Arbeitskräfte über der des Arbeitsangebotes liegt. Zudem wird deutlich, dass der Lohnsatz der Arbeitskräfte (Wm) weit unter dem Gleichgewichtslohn liegt, somit erwirtschaftet jeder Mitarbeiter einen bedeutend größeren Wert, als er in Form seiner Lohnzahlung zurückbekommt.
Die Grenzkosten pro Arbeitskraft sind im Monopsonfall höher als im neoklassischen Modell, daher ist eine niedrigere und ineffiziente Gesamtbeschäftigung auf dem Markt festzustellen.
Interessant wird die Betrachtung einer Mindestlohneinführung im Monopsonmodell, wenn der Mindestlohn über dem gezahlten Monopsonlohnniveau und unter dem Schnittpunkt der Grenzkostenkurve liegt. Das führt dazu, dass der Monopsonist gezwungen ist, den höheren Lohn auszuzahlen.34 Im Gegensatz zu einem Markt mit vollkommener Konkurrenz tritt nun der Fall ein, dass trotz des höheren Lohnes, der Wert, welchen der einzelne Mitarbeiter für das Unternehmen erwirtschaftet, höher liegt als dessen Grenzkosten.
Somit ist es für den Arbeitgeber lohnenswert, mehr Beschäftigte als vor der Mindestlohneinführung einzustellen, da eher auf freiwillige Arbeitslosigkeit verzichtet wird und keine Kostensteigerung für die vorhandenen Mitarbeiter durch neue Angestellte eintritt.35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Monopsonmarkt mit Mindestlohn
Quelle: Henneberger, F.; Haug, L. (2010), S. 24
Damit führt eine Mindestlohneinführung in einem Monopsonmarkt, welche kleiner/gleich dem Gleichgewichtslohn ist, zu einer Erhöhung der Beschäftigungszahlen sowie steigenden Löhnen, was somit zu einer gesamten Steigerung der Markteffizienz führt. In diesem Marktumfeld ist eine Mindestlohneinführung zu befürworten. Nur bei Löhnen oberhalb des Gleichgewichtslohns wird auch im Monopsonmarkt mit sinkenden Beschäftigungszahlen gerechnet.36
2.4 Kritische Betrachtung
Die Grundlage des Modells der Neoklassik steht seit langem in der Kritik, auf zu starren Annahmen zu basieren, und somit nur geringe Aussagekraft für die Übertragbarkeit auf reale Märkte zu besitzen. Insbesondere die folgenden, in Punkt 2.1 angesprochenen, Voraussetzungen sind in der Realität nicht zutreffend:
(1) Konstante Skaleneffekte
(2) Der Arbeitsmarkt ist komplett transparent, alle Teilnehmer verfügen über vollkommene Informationen
(3) Arbeitnehmer und verkauften Güter sind homogen, damit vollständig substituierbar
(4) Gleichgewichtslohn und Vollbeschäftigung stellen sich ein
(5) Die Anpassungsgeschwindigkeit von Prozessen ist unendlich
(1) Der Effekt konstanter Skaleneffekte hat insbesondere im Zuge der Industrialisierung an Bedeutung verloren und muss heute als nichtig bezeichnet werden. Im aktuellen Marktgeschehen ist vielmehr ein steigender Skaleneffekt, also sinkende Grenzkosten zu beobachten, welche in den meisten Fällen ihre Gründe in der Massenfertigung finden. Jedes weitere produzierte Teil reduziert den Anteil an Fixkosten pro Stück bei konstant steigendem Material-und Produktionsaufwand.
(2) Die Märkte sind intransparent, beide Seiten agieren unter unvollständigen Informationen; so kennen viele Arbeitnehmer nicht ihren realwirtschaftlichen Wert und Unternehmen besitzen nur wenig Wissen über die Bezahlung anderer Firmen.
(3) Arbeitnehmer unterscheiden sich stark in ihrem individuellem Wissen und ihren Fähigkeiten, bieten somit einen sehr differenten Nutzen für das jeweilige Unternehmen, weshalb eine solche Homogenität und damit Ersetzbarkeit nicht zu erkennen ist.37
(4) Bei Einbeziehung anfallender Aufwendungen für einen Arbeitnehmer, einen Arbeitsplatz zu finden oder zu wechseln, kann ein vollständig geräumter Arbeitsmarkt selbst unter idealen Bedingungen nie vorhanden sein, da z.B. kein sofortiger Wechsel stattfinden kann. Diese Übergangszeit wird als Sucharbeitslosigkeit bezeichnet und in dem Modell der Neoklassik nicht berücksichtigt38
(5) Es ist unmöglich, von einer unendlichen Anpassungsgeschwindigkeit auszugehen. So erfordern Produktionsanpassungen Zeit zur Umstellung, und viele marktwirtschaftliche Veränderungen besitzen erst mit großer Verzögerung Einfluss auf den Markt39
Diese Punkte führen dazu, dass das Neoklassische Modell nur bedingt auf die vorherrschenden Märkte angewandt werden kann, da es eine extreme Vereinfachung von Abläufen darstellt. Es wird von der Vollkommenheit der Märkte ausgegangen, welche, bedingt durch unzählige Einflussfaktoren, nicht vorzufinden ist. Zudem treffen Unternehmen nicht auf eine immer ausreichend vorhandene Nachfrage ihrer Angebote, was jedoch eine Grundannahme des Modells darstellt. Bedingt durch diese Faktoren können Unternehmen ihre Löhne beeinflussen und gewisse Marktmacht ausüben, was zur Entlohnung unterhalb ihrer Produktivität führt. Daraus resultierte die Überlegung des Monopsonmodells.
3 Argumente für und gegen den Mindestlohn
Um einen Überblick zu ermöglichen, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Argumente von Befürwortern und Gegnern des Mindestlohns genutzt werden, wird in folgendem Abschnitt auf die wichtigsten Aspekte dieser Diskussion eingegangen. Besonders Arbeitgeberverbände und viele Wirtschaftsforscher warnen vor den Folgen der Mindestlohneinführung, Politik und Gewerkschaften führen die positiven Faktoren auf. Aufgrund fehlender Erfahrung der Auswirkungen eines flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland, sind viele widersprüchliche Argumente zu finden. Eine reale Einschätzung der Anwendbarkeit vorgebrachter Argumente explizit für Deutschland kann frühestens Ende 2017 stattfinden. Erst mit Ablauf des Jahres 2016 läuft die Übergangsfrist für niedrigere Tarifverträge aus und der Mindestlohn kommt in seiner Gänze am Markt an.40
3.1 Positive Auswirkungen
Sowie die positiven als auch die negativen Auswirkungen stellen eine bloße Aufstellung der Argumente und ihrer zugrundeliegenden Annahmen dar, um nachvollziehen zu können, was die Antriebe und die Ängste bezüglich einer Mindestlohneinführung in Deutschland sind. Aufgrund des eingeschränkten Umfangs der vorliegenden Arbeit ist daher eine Auswertung und Gegenüberstellung der unzähligen, teilweise im Gesamten widersprüchlichen, Argumentationsstrukturen nicht vorgesehen.
3.1.1 Verhindern von Lohnarmut
Das häufigste verwendete Argument für das Einführen eines Mindestlohns ist unzweifelhaft das Herstellen einer sozialen Lohngerechtigkeit. Wer arbeitet muss aus ethischem Betrachtungswinkel genug verdienen, um ohne Hilfe des Staates ein Existenz sicherndes Einkommen zu erwirtschaften.41
Daher soll der Mindestlohn das Ausufern des deutschen Niedriglohnbereiches erfolgreich bekämpfen und den Angestellten eine würdevolle und angemessene Bezahlung gewährleisten. Der hohe Mindestlohn soll den Arbeitnehmern die Gewissheit geben, einen ausreichenden Lohn zu erhalten, sodass eine Arbeitsstelle aus rein wirtschaftlicher Sicht mehr Anreiz als staatliche Hilfen bietet.
Ein weiteres langfristiges Problem der Niedriglohnarbeiter stellt der, aufgrund zwangsläufig zu geringer Einzahlungen, nicht ausreichende Rentenanspruch dar.
Studien zufolge müsste ein Arbeitnehmer, um eine Nettorente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen, 45 Jahre lang mindestens 9,47 Euro brutto verdienen.
[...]
1 o. V. (2014), focus.de
2 Vgl. Zentralverband (2015) baeckerhandwerk.de
3 Vgl. Gesellschaft für Konsumforschung (2013), S 6.f.
4 Stellungnahme Bäckerhandwerk (2014), S. 4
5 o. V. (2011) zeit.de
6 o. V. (2006) spiegel.de
7 Vgl. Brenke, K. (2007), S. 73 f.
8 Vgl. Fischer, G., 2006, S. 17
9 Vgl. Schulten, T. (2011), S. 132
10 Vgl. Borstel, S. (2008), welt.de
11 Vgl. Schulten, T. (2014), S. 132
12 Vgl. Fuest, C. (2008), S. 25 f.
13 Vgl. Henneberger, F.; Haug, L. (2010), S. 5
14 Vgl. Raddatz, G., Wolf, S. (2007), S. 16
15 Vgl. Henneberger, F.; Haug, L. (2010), S. 12 f.
16 Vgl. Kromphardt, J. (1987), S. 75 ff.
17 Vgl. Keller, B. (2008), S. 270 f.
18 Vgl. Ragacs, C. (2002), S. 5
19 Vgl. Detzer, D. (2010), S. 413
20 Vgl. Henneberg, F.; Haug, L. (2010), S. 8
21 Vgl. Nermerich, D. (2009), S. 102
22 Vgl. Bartsch, K. (2007), S. 8 ff.
23 Vgl. Nermerich, D. (2009), S. 103 f.
24 Vgl. Herr, H. (2002), S. 7
25 Vgl. Ragnitz, J., Thum, M. (2008), S. 1
26 Vgl. Kalina, T.; Weinkopf, C. (2014), S. 1
27 Vgl. Romer, C. (2003) , S. 2
28 Vgl. Bartsch, K. (2007), S. 14
29 Vgl. Kromphardt, J. (1987), S. 64 ff.
30 Vgl. Bartsch, K. (2007), S. 14 f.
31 Vgl. Nermerich, D. (2009), S. 106
32 Vgl. Ehrenberg, R.; Smith, R. (2009), S. 133
33 Vgl. Mankiw, N.; Taylor, M. (2006), S. 309 f.
34 Vgl. Ragacs, C. (2002), S. 59 ff.
35 Vgl. Henneberger, F.; Haug, L. (2010), S. 18 f.
36 Vgl. Franz, W. (2007), S. 434 f.
37 Vgl. Bontrup, H.-J. (2008), S. 105
38 Vgl. Wienert, H. (2008), S. 116
39 Vgl. Bontrup, H.-J. (2008), S. 105 f.
40 §24 MiLoG
41 o. V. (2011), linksfraktion.de
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- Matthes Hübner (Author), 2015, Risiken und Chancen der Mindestlohneinführung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351432
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