Nachdem sich Hunde für die Therapie von verhaltensauffälligen Kindern als hilfreich erwiesen, sollen sie nun auch im Klassenverband ihre positive Wirkung entfalten. Tiere im Klassenzimmer sollen sich beruhigend auswirken, motivieren, die ängstlichen Kindern dazu anregen, sich zu öffnen und den aggressiven Schülern Rücksicht beibringen.
Den Schulhundeenthusiasten stehen die Kritiker gegenüber, welche die weit gefächerten positiven Auswirkungen der Schulhunde in Zweifel ziehen. Ängstliche Kinder ermutigen und Rabauken bremsen, wie soll das gleichzeitig funktionieren?
Da Hunde erst seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum überhaupt in der Schule eingesetzt werden, ist die Datenlage bisher relativ dürftig. Bisherige Forschungsergebnisse lassen jedoch vermuten, dass hinter dem Phänomen Schulhund mehr steckt als eine Modeerscheinung.
Mit diesem Buch möchte die Autorin dazu beitragen, das Forschungsfeld Hundeeinsatz in der Schule genauer zu beleuchten. Ihr Fokus liegt darauf, was der Schulhund wirklich leisten kann und welche Erfahrungen die Lehrkräfte in der Praxis gemacht haben. Mittels einer Umfrage hat die Autorin die Auswirkungen zusammengetragen, die professionelle Pädagogen, die mit Hunden im Klassenzimmer arbeiten, erleben.
Aus dem Inhalt:
- Tiere im Klassenzimmer
- Mensch-Tier-Beziehung
- Wirkung von Tieren
- Schulhund
- Unterrichtshilfe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Mensch-Tier-Beziehung
2.1.1 Geschichtliche Entwicklung
2.1.2 Der Mensch sucht die Natur: Die Biophilie-Hypothese
2.1.3 Du-Evidenz: Der Hund als Dialogpartner
2.1.4 Bindungstheorie: Der Hund als Bindungspartner
2.1.5 Wirkung von Tieren auf den Menschen und die wissenschaftliche Forschung
2.1.6 Der Start in Deutschland: Hunde in der Schule
2.2 Die Wirkung von Tieren auf physiologische, psychologische und soziale Größen
2.2.1 Die physiologische Wirkung:
2.2.2 Die psychologische Wirkung
2.2.3 Die soziale Wirkung:
2.2.4 Die Wirkung des Schulhundes auf das Lernverhalten und die Motivation der Schüler
2.2.5 Der Vorteil von Hunden im Klassenzimmer im Vergleich zu anderen Tieren
3. Begriffsdefinitionen
3.1 Hundegestützte Pädagogik:
3.2 Der Hund in der Schule – ein Schulhund
3.3 Der Begriff der Leistung im Zusammenhang mit dem Schulhund
4. Fragestellungen der Arbeit
4.1 Ziel der Untersuchung
4.2 Methodische Vorüberlegungen
4.3 Untersuchungsablauf
5. Darstellung der Ergebnisse
5.1 Merkmale der Stichprobe
5.2 Zu den Lehrkräften:
5.2.1 Schularten, in denen die Teilnehmer mit Schulhund arbeiten
5.2.2 Verteilung der Umfragenteilnehmer auf die Bundesländer
5.2.3 Zur Berufserfahrung der Teilnehmer
5.2.4 Die Schulhundeerfahrung der Umfrageteilnehmer
5.3 Merkmale der Schulhunde
5.3.1 Geschlecht
5.3.2 Alter der Schulhunde
5.3.3 Das Alter des Hundes bei seinem ersten Besuch in der Schulklasse
5.3.4 Wie lange soll der Schulhund eingesetzt werden?
5.3.5 Wie hoch ist das „Deputat“ der Schulhunde?
5.3.6 Rassenzugehörigkeit der Schulhunde
5.3.7 Anschaffungsmotivation der Schulhundeführer
5.3.8 Herkunft der in der Stichprobe erfassten Schulhunde
5.3.9 Ausbildung der Schulhunde
5.3.9.1 Besuch einer speziellen Ausbildung zum Schulhund
5.3.9.2 Welche Ausbildungsangebote wurden von den Schulhundehaltern genutzt
5.3.9.3 In die Ausbildung der Schulhunde investierte Zeit
5.3.9.4 Fortbildungsbereitschaft der Teilnehmer
5.4 Der Einsatz des Schulhundes und seine Wirkung auf die Schüler
5.4.1 Der Hund im Klassenraum: Wie wird er eingesetzt, was wird mit ihm gemeinsam unternommen?
5.4.2 Von der Lehrkraft wahrgenommene durch den Schulhund verursachte Veränderungen in der Klasse
5.4.3 Der Schulhund als bewusst eingesetzte Unterrichtshilfe
5.4.4 Der größte Nutzen des Schulhundes:
5.4.4.1 Zunahme an Motivation
5.4.4.2 Verbesserung der Empathiefähigkeit der Schüler
5.4.4.3 Mehr Ruhe
5.4.4.4 Stärkung des Selbstbewusstseins der Schüler
5.4.4.5 Schülern und Kollegen Freude machen
5.4.4.6 Verbesserung des Klassenklimas
5.4.4.7 Den Schülern Zuwendung geben
5.4.4.8 Fördert das Sozialverhalten der Schüler
5.4.4.9 Fördert das Sich-Öffnen der Schüler
5.4.4.10 Schüler lernen Rücksichtnahme
5.4.4.11 Verantwortungsübernahme durch die Schüler
5.4.4.12 Verbesserung der Lernatmosphäre und der Arbeitshaltung
5.4.4.13 Mehr Ordnung im Klassenraum
5.4.4.14 Bessere Konzentration der Schüler
5.4.4.15 Das Ansehen des Lehrers und die Beziehung zu ihm als Person
5.4.4.16 Fach- bzw. themenspezifische positive Veränderungen durch den Schulhundeeinsatz
5.4.4.17 Toleranz der Schüler schulen
5.4.4.18 Steigerung der Selbstreflexivität der Schüler
5.4.4.19 Verbesserung der Beobachtungsfähigkeit
5.4.4.20 Verbesserung der Zuverlässigkeit
5.5 In welcher Relation steht der subjektiv empfundene Nutzen zum Aufwand, den der Einsatz des Schulhundes mit sich bringt?
5.6 Auswirkung des Schulhundes auf die Beziehung zum Kollegium und zu den Eltern der Schüler
5.6.1 Auswirkung des Schulhundes auf die Beziehung zum Kollegium
5.6.2 Auswirkung des Schulhundes auf die Beziehung zu den Eltern der Schüler
5.7 Kommentare, Eindrücke und Zusatzinformationen
5.7.1 Der Wunsch nach mehr Professionalisierung
5.7.2 Betonung der Sinnhaftigkeit des Schulhundeeinsatzes
5.7.3 Wunsch nach mehr Anerkennung
5.7.4 Probleme, die der Hundeeinsatz mit sich bringt
5.7.5 Vom persönlichen Einsatz für den Schulhund
6. Diskussion der Ergebnisse
6.1 Die Teilnehmer und ihre Schulhunde
6.2 Der Hund im Klassenzimmer – wie wird er eingesetzt, was kann er leisten?
6.3 Durch den Schulhund verursachte Veränderungen in der Klasse
6.4 Der Schulhund als Unterrichtshilfe für die Lehrkraft
6.5 Der größte Nutzen des Schulhundes
6.6 Der Aufwand, der Nutzen und der Schulhundeeinfluss auf Kollegium und Elternschaft der Klasse
6.7 Kommentare und Eindrücke der Schulhundeführer
7. Fazit: Der Hund im Klassenzimmer – was kann er leisten?
8. Ausblick und Forschungsbedarf
Literaturverzeichnis
Anhang
A Tabellenverzeichnis
Schaubildverzeichnis
B Verzeichnis der Internet- Adressen
C Rasseliste: In der Stichprobe genannte Hunderassen und Mischlinge
D Darstellung des Fragebogens online:
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich den Pädagogen und Pädagoginnen, die an dieser Studie teilgenommen haben, herzlich dafür danken, dass sie in so kurzer Zeit so zahlreich den Fragebogen ausgefüllt, und mir dadurch ihren wertvollen Erfahrungsschatz zur Verfügung gestellt haben. Ihre in der Praxis erprobten Vorgehensweisen, ihre Gedanken und weiterführenden Hinweise sind mir eine große Bereicherung gewesen, ohne die diese Arbeit so nicht hätte geschrieben werden können.
Außerdem war mir die Welle des Engagements, die mir als Resonanz auf meine Bitte zur Umfragenteilnahme entgegenschlug, eine große Motivation, selbst das Bestmögliche zu tun, um diesem Engagement auf Seiten der Pädagogen und Pädagoginnen gerecht zu werden.
Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. phil. Andreas Poenitsch für seine Bereitschaft, sich als Erstkorrektor und Betreuer der Arbeit zur Verfügung zu stellen und Herrn Dr. Patrick Blumschein, der die Aufgabe der Zweitkorrektur übernahm.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung.
Jennifer Flume
Abgabejahr: 2015
1. Einleitung
„Und der Umgang mit Tieren, ihre Versorgung, die freundliche Resonanz auf Zuwendung, all das erlaubt Kindern ein Wiederentdecken von immateriellen Werten, die in einer hochentwickelten Leistungsgesellschaft zu selten erfahren werden“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003).
Die vorliegende Zulassungsarbeit ergab sich aus meinem Wunsch, mich aktiv an der Forschung zum Thema Wirkung von Schulhunden zu beteiligen. Ich möchte dazu beitragen, das Forschungsfeld Hundeeinsatz in der Schule genauer zu beleuchten. Die Datenlage ist bisher relativ dürftig, da Hunde erst seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum überhaupt in der Schule eingesetzt werden. Die Forschung konnte darauf bisher nicht umfassend reagieren, so dass eine verlässliche Datenlage noch nicht existiert.
Bisherige Forschungsergebnisse lassen jedoch vermuten, dass hinter dem Phänomen Schulhund mehr steckt als eine Modeerscheinung, deren postulierte positive Effekte einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten. Für mich ist von Interesse, was der Schulhund wirklich leisten kann und was die Lehrkräfte in der Praxis mit seinem Einsatz für Erfahrungen gemacht haben.
In den letzten Jahren hat der Einsatz von Hunden in der Schule dank engagierter Pädagogen und Pädagoginnen zugenommen. Nachdem sich Hunde für die Therapie von verhaltensauffälligen Kindern als hilfreich erwiesen, sollen sie nun auch im Klassenverband ihre positive Wirkung entfalten. Tiere im Klassenzimmer sollen sich beruhigend auswirken, motivieren, die ängstlichen Kindern dazu anregen, sich zu öffnen und den aggressiven Schülern Rücksicht beibringen.
Hunde als soziale, trainierbare Lebewesen können, anders als zum Beispiel der Klassenhamster, auch direkt am Unterrichtsgeschehen teilnehmen, indem sie sich frei im Klassenraum bewegen und mit den Kindern Kontakt aufnehmen. Außerdem sind sie in der Lage, antrainierte Verhaltensweisen auszuführen. So können sie zum Beispiel den Kindern ein Buch bringen und sie so zum Vorlesen anregen oder sich an einem Mathematikspiel beteiligen, in dem sie mit einem großen Schaumgummiwürfel würfeln.
Den Schulhundeenthusiasten stehen die Kritiker gegenüber, welche die weit gefächerten positiven Auswirkungen der Schulhunde in Zweifel ziehen. Ängstliche Kinder ermutigen und Rabauken bremsen, wie soll das gleichzeitig funktionieren, merken sie an.
Meine Arbeit soll sich damit befassen, was ein Schulhund wirklich leisten kann. Welche von den vielen in der Literatur beschriebenen Wirkungen findet sich in meiner Befragung wieder? Können die bereits beschriebenen Wirkungen noch um weitere ergänzt werden? Welche positiven Auswirkungen können die professionellen Pädagogen, die mit Hunden im Klassenzimmer arbeiten, benennen?
Auf Grund dieser sehr offenen Fragestellung ist die vorliegende Zulassungsarbeit als Studie mit explorativem Charakter konzipiert. Das bedeutet, dass umfassende Angaben zu der erhobenen Stichprobe gemacht werden müssen, um keine eventuellen Zusammenhänge zu übersehen.
Pädagoginnen und Pädagogen mit Schulhund werden von mir gebeten, einen Online-Fragebogen zu ihrer Arbeit mit dem Hund im Klassenzimmer auszufüllen. Darin sind Fragen zur Lehrperson enthalten, zum Schulhund und seinem Einsatz sowie zu der Leistung, die der Schulhund in den Augen seiner Lehrkraft erbringt. Sollte eine Hunderasse besonders oft vertreten sein oder auffällig viele Personen mit wenig Berufserfahrung in die Stichprobe eingehen, wird in der Auswertung darauf eingegangen werden. In dem Fragebogen, den die Teilnehmer online ausfüllen konnten, finden sich sowohl offene Fragen zur Wirkung des Schulhundes und seinem in den Augen der Lehrkraft größten Nutzen als auch standardisierte Fragen zum Ausprägungsgrad der Wirkung des Schulhundes auf Parameter, die in der Literatur wiederholt genannt werden. Der Fragebogen vereint also quantitative wie auch qualitative Merkmale, um eine möglichst breite Informationserfassung zu leisten. Durch diese Vorgehensweise erwarte ich einen umfassenden Einblick in die Möglichkeiten sowie auch in die Grenzen des Einsatzes eines Hundes im Schulleben und insbesondere im Klassenverband zu erhalten.
Das zweite Kapitel der Zulassungsarbeit wird sich mit dem theoretischen Hintergrund des Einsatzes von Tieren zum Wohle des Menschen befassen.
Das dritte Kapitel geht auf die der Untersuchung zu Grunde liegenden Begriffe ein und definiert diese.
Kapitel vier geht auf die Ziele der vorliegenden Studie ein, den Aufbau der Untersuchung und das verwendete Erhebungsinstrument Onlinefragebogen.
In Kapitel fünf werden die Ergebnisse der Studie dargestellt.
Im sechsten Kapitel werden die erhobenen Daten im Hinblick auf die in der Literatur gefundenen Effekte und Bedingungen diskutiert.
Das siebte Kapitel enthält ein Fazit, was der Hund im Klassenzimmer leisten kann.
Kapitel acht gibt einen Ausblick auf offene Forschungsfelder und Überlegungen zum Thema.
Ich verwende in meiner Arbeit der besseren Lesbarkeit wegen die männliche Form, wenn Personen oder Personengruppen benannt werden. Pädagogen und Pädagoginnen sind gemeint, wenn der Terminus „Lehrkraft“ verwendet wird. Auf Schüler und Schülerinnen wird im Folgenden als „Schüler“ Bezug genommen.
Außerdem behalte ich mir vor, verwendete Zitate aus den Fragebögen der besseren Lesbarkeit wegen rechtschreiblich zu berichtigen.
2. Theoretischer Hintergrund
„Nicht das Tier an sich – der Dialog mit ihm ist hilfreich und spricht unmittelbar unsere Gefühle an“ (Otterstedt, 2001, S.183)
2.1 Die Mensch-Tier-Beziehung
„Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren [ist] allgemein immer im Kontext mit der menschlichen Kultur und Gesellschaft zu sehen“ (Agsten, 2009, S. 16).
2.1.1 Geschichtliche Entwicklung
Die Beziehung zwischen dem Tier und dem Menschen war seit ihrem Beginn dem Wandel unterworfen, welche die kulturelle und soziale Entwicklung des Menschen mit sich brachte und noch bringt (Otterstedt, 2001). Für die ersten menschlichen Kulturen waren die Tiere Nahrungsquelle und später Arbeitstiere und ihre Abbilder kamen außerdem in mythologischen Kulthandlungen zum Einsatz (Felsmalereien) (Vernooij, 2013). Diese Nutzung widerfuhr auch dem Hund, eines der am frühesten domestizierten Haustiere: „Die ältesten bisher entdeckten vollständigen Hundeschädel sind ca. 14. 000 Jahre alt und wurden in Russland entdeckt. Sie unterscheiden sich von Wolfsschädeln durch die fehlende Zahnlücke, die kürzere Schnauze und den breiteren Gaumen. Das Loch in einem Schädel deutet darauf hin, dass Hunde auch als Nahrungsquelle und/oder für rituelle Handlungen genutzt wurden“ (Schönberger, 2006; zitiert nach Agsten, 2009, S. 12). Die enge Verbundenheit von Menschen und Hunden, die Verwobenheit von Nutzung und Wertschätzung, zeigt sich auch in anderen Kulturkreisen: „Früheste Bildnisse von Hunden sind auf einer Wandmalerei mit einer Jagdszene in der Türkei zu sehen, die vor ca. 8000 bis 9000 Jahren entstand. In China entdeckte man in 339 Gräbern aus dem 2. Jahrh. v. Chr. 439 mitbestattete Hunde, die z.T. Bronzeglöckchen trugen“ (Agsten, 2009, S. 12). Im Altertum wurde in Babylonien die Göttin Gula, Göttin der Heilung, in Hundegestalt dargestellt und verehrt. Im Hinduismus und Buddhismus ergänzten ethische Normen zum Umgang mit Tieren – also auch den Hunden – den Kanon (Röger-Lakenbrink, 2006).
Die Ambiguität im Umgang mit den Tieren im Allgemeinen und mit dem Hund im Besonderen setzt sich bis heute fort: Sie können als Partnerersatz verhätschelt oder als Versuchstier benutzt werden. Rechtlich gelten sie als Sache (Olbrich & Otterstedt, 2003). Die Evolution des Menschen und die Fortentwicklung der Tiere sind nicht getrennt voneinander denkbar, es besteht eine gegenseitige Einflussnahme, die mit den ersten Hominiden begann, die sich mit den Tieren eine Umwelt teilten. Auf genau dieser „Gemeinschaft zwischen Tier und Mensch begründet sich eine tiefe emotionale Vertrautheit“ (Otterstedt, 2001, S. 40).
2.1.2 Der Mensch sucht die Natur: Die Biophilie-Hypothese
Der Biologe Edward O. Wilson geht in seiner Biophilie-Theorie von1984 von einer dem Menschen eigenen vererbten emotionalen Affinität zur Natur aus, die dafür sorgt, dass gerade in Zeiten der Industrialisierung und Naturentfremdung die Begegnung mit Tieren stellvertretend für die Begegnung mit der Natur zum Trend wird, dem sich immer mehr Menschen zuwenden (Agsten, 2009). Edward O. Wilson formuliert, dass „der Mensch über Millionen Jahre hinweg eine biologisch begründete Verbundenheit mit der Natur und eine Bezogenheit zu all jenen in ihr beheimateten Lebewesen ausbildete, die ihn im Laufe seines evolutionären Entwicklungsprozesses geprägt und beeinflusst haben“. Dies sei ein „komplexes Regelwerk, welches das Verhalten, die Gefühle und sogar die spirituelle Entwicklung des Menschen betrifft“ (Wilson 1984, zit. nach Vernooij & Schneider, 2013, S.4). Der Kontakt zur Natur, belebt wie unbelebt, ist demnach eine Notwendigkeit des menschlichen Lebens, keine Wahl. New et. al. (2007, zit. nach Beetz, 2012, S.90) postulieren das Vorhandensein eines Monitoring für Lebendiges, das im visuellen Aufmerksamkeitssystem angelegt ist und die menschliche Aufmerksamkeit hin zu den lebendigen Aspekten der Umwelt lenkt. Studien belegen, dass schon Babies länger Tiere ansehen als unbelebte Dinge (DeLoache et al., 2011, zitiert nach Beetz, 2012, S. 90). „Generell scheint die ontologische Unterscheidung zwischen Lebewesen und unbelebten Dingen früher nachweisbar als die Unterscheidung von Basiskategorien innerhalb derselben globalen Domäne. Mit Lebewesen verbinden Säuglinge die Fähigkeit zu selbstinitiierter Bewegung, zu intentionalem Handeln und zur Kommunikation, während die genannten Eigenschaften nicht mit unbelebten Dingen assoziiert sind“ (http://www.psychology48.com/deu/d/saeuglingsforschung/saeuglingsforschung.htm, Zugriff am: 14.09.2015). Schon beim Säugling zeigt sich also eine Hinwendung zum Lebendigen in seiner Umwelt. Olbrich (2003, S. 76) kommt zu dem Schluss, dass „Tiere Lebenssituationen vervollständigen oder ergänzen“. Der Kontakt zum Tier, das Zusammenleben mit ihm schafft eine dem Menschen „evolutionär „bekannte“ Situation“ (ebd.), in der er sich orientiert und beheimatet fühlt.
2.1.3 Du-Evidenz: Der Hund als Dialogpartner
„Mit Du-Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich beziehungsweise Tiere unter sich kennen“ (Greiffenhagen & Buck Werner, 2009, S. 22). Für sozial lebende Lebewesen ist es naheliegend, sich ebenfalls soziale Lebewesen zum Aufbau der Du-Evidenz auszusuchen: „Menschen gehen in erster Linie mit sozial lebenden Tieren, vor allem mit Hunden und Pferden, eine solche Beziehung ein [...]“ (Vernooij & Schneider, 2013, S. 8).
„Das Tier wird dabei als Genosse gesehen, dem personale Qualitäten zugeschrieben werden“ (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2009, S. 23). In der Beziehung zu unserem Gegenüber, hier dem Hund, bemühen wir uns, eine Kommunikationsebene zu finden, welche den Dialog zwischen dem Ich und dem Du fördert. Selbst die Imitation des Dialogparts des anderen (als einfachste Form des Dialoges) verändert etwas: „Aber bereits die Bestätigung der Imitation vermittelt uns das Gefühl des Angenommenwerdens und wir öffnen uns [...]. Weil das Du uns annimmt, trauen wir uns mehr zu. Unser Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl steigt, unsere körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte, unsere sozialen Talente werden be- bzw. gestärkt“ (Olbrich & Otterstedt, 2003, S. 65).
2.1.4 Bindungstheorie: Der Hund als Bindungspartner
Beetz (2012) zieht Bowlbys (1968) Bindungstheorie heran, die 1991 von Ainsworth weiterentwickelt wurde, um die Mensch–Hund-Beziehung zu erklären. Nach John Bowlby „ist die frühe Beziehung des Kindes zu seiner Mutter eine notwendige Voraussetzung für seine späteren sozialen Beziehungen“ (Zimbardo, 1995, S. 82). „Positive Beziehungen kann das Baby zu jeder Pflegeperson aufbauen, die beruhigend mit ihm umgeht, aktiv auf es eingeht und die auf seine Signale verständnisvoll reagiert“ (Ainsworth, 1973). „Die Mutterbindung ist dann stark, wenn die Pflege des Kindes diese Qualitäten aufweist und schwach, wenn sie fehlen“ (Zimbardo, 1995, S. 82). Der Bindungspartner ist also nicht zwingend die biologische Mutter, jedoch muss die Bindungsperson Kriterien erfüllen, um ein sicherer Bindungspartner zu sein. Ainsworth (1991) spezifiziert die Kriterien, welche ein Bindungspartner erfüllen muss, um als positive Bindungsfigur anerkannt zu werden:
- Er vermittelt Trost, Sicherheit und bietet eine Basis für Exploration.
- Er wird bei emotionalem Stress und anderen belastenden Situation aufgesucht.
- Die körperliche Nähe zum Bindungspartner wird positiv erlebt, Nähe wird gesucht und aufrechterhalten.
- Bei Trennung vom Bindungspartner tritt sog. Trennungsschmerz auf (Ainsworth 1991, zit. nach Beetz, 2012, S.91).
Beetz (2003, 2012) kommt zu dem Schluss, dass Menschen auch mit Tieren nach den Kriterien der Bindungstheorie Bindungen eingehen können, sogar, dass es ihnen oft leichter fällt, eine sichere Bindung zu einem Tier aufzubauen als zu einem Menschen (Beetz, 2012). Andrea Beetz postuliert, dass Kinder positive Bindungserfahrungen mit ihrem tierischen Bindungspartner auch auf andere Menschen übertragen können und dass die mit dem Hund erlernten positiven Muster negative, im Elternhaus erworbene Bindungsstile ersetzen können: „Denn die Beziehung zu vertrauten Tieren erfüllt bei den meisten Menschen die Funktion einer sicheren Bindung, unabhängig davon, wie die Bindung zu Menschen aussieht. Darauf begründet sich das große Potenzial hundegestützter Interventionen für Kinder mit unsicheren Bindungsmustern“ (Beetz, 2012, S.81). Würden dafür in Zukunft positive wissenschaftliche Belege erbracht werden können, hätte dies für den therapeutischen oder pädagogischen Einsatz von Tieren weitreichende Implikationen. Unsichere Bindungsstile könnten verbessert, das kindliche Gefühl, sich angenommen in einer freundlich gesinnten Welt zu bewegen, gestärkt werden.
2.1.5 Wirkung von Tieren auf den Menschen und die wissenschaftliche Forschung
Aus dem 12. Jahrhundert nach Christus stammt eine der ersten schriftlich niedergelegten und überlieferten Gedanken zur positiven Wirkung der Tiere auf das Gemüt des Menschen. Dem Minnesänger Walther von der Vogelweide wird die Aussage zugeschrieben, dass ein „tier dem herze wôl macht“ (zitiert nach Greiffenhagen, 2009, S. 13). Weitere belegbare Nutzung von Tieren zum psychischen Wohl des Menschen sind jedoch rar und auch dann nur anekdotenhaft beschrieben, aber nicht im Sinne heutiger Dokumentation festgehalten. Im 8. Jahrhundert n. Chr. werden in belgischen Klöstern geistig kranke Waisenkinder unter Mithilfe von Tieren, vor allem Hunden, therapiert (Greiffenhagen, 2009; Röger-Lakenbrink, 2006). Im 18. Jahrhundert gründen die Quäker, eine religiöse Gemeinschaft aus England, das sogenannte York Retreat, eine Anstalt für Geisteskranke. In den Außenanlagen der Anstalt sind Gärten angelegt und es gibt Ställe mit Kleintieren, bei deren Versorgung die Patienten als Teil ihrer Therapie mithelfen (Greiffenhagen, 2009; Röger-Lakenbrink, 2006). Am Ende des 19. Jahrhunderts wird in Bethel bei Bielefeld, Deutschland, die erste gezielte Therapie von Epileptikern mithilfe von Tieren durchgeführt. Unter anderem finden Reittherapien in diesem Zentrum für Epileptiker statt. In England engagiert sich vor allem Florence Nightingale dafür, Tiere zur Unterstützung des Heilungsprozesses in der Krankenpflege einzusetzen (Röger-Lakenbrink, 2006). Für eine wissenschaftliche Erforschung reichen die wenigen, unzureichend dokumentierten und schlicht nicht als bedeutsam erkannten therapeutischen Ansätze mit Tieren nicht aus. „Die Weisheit der Alten musste von modernen Wissenschaftlern neu entdeckt werden“ (Greiffenhagen, 2009, S. 14).
Dies beginnt in den 1960er Jahren in New York mit dem amerikanischen Kinderpsychotherapeuten Boris M. Levinson und seinem Golden Retriever Jingles (Greiffenhagen, 2009; Röger-Lakenbrink, 2006). Jingles, der im Therapiezimmer „vergessen“ wird – aus dem er eigentlich während Therapiesitzungen verbannt ist – ermöglicht Levinson den Kontakt zu einem Jungen, der eigentlich als austherapiert im Sinne eines hoffnungslosen Falles gilt. Doch der Hund geht auf den Jungen zu, begrüßt ihn, lässt sich umarmen und freut sich über den Jungen. Als Levinson zusagt, der Hund werde auch bei seinen weiteren Sitzungen anwesend sein, äußert das Kind seine Bereitschaft, in diesem Fall gern zur Therapie zu erscheinen (Heyer &Kloke, 2011; Langer, 2014; Röger-Lakenbrink, 2006).
Levinson fasst seine Erkenntnisse in seinem 1969 erschienen Buch „Pet Oriented Child-Psychiatry“ zusammen (Röger-Lakenbrink, 2006), dem ersten Buch, das sich auf wissenschaftliche Weise mit der heilsamen Wirkung von einem Hund auf die Patienten der Kinderpsychiatrie befasst. Obwohl Levinsons Ansatz zunächst harsch kritisiert und sogar ins Lächerliche gezogen wird, beginnen dennoch ab diesem Zeitpunkt auch Forschungen zum Thema. Die Wirkung von Tieren auf den Menschen wird zum Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses. Das Psychologenehepaar Elizabeth und Sam Corson, die Soziologin Erika Friedman und der Mediziner Aaron Katcher setzen „mit ihren Berichten über die heilsame Wirkung von Tieren auf kranke und einsame Menschen die medizinische Welt in Erstaunen“ (Greiffenhagen, 2009, S.14). In der Folgezeit kommt es zur Gründung wichtiger, bis heute einflussreicher Gesellschaften und Dachorganisationen im englischsprachigen und europäischen Raum, welche im Folgenden in aller Kürze der Vollständigkeit wegen dargestellt werden sollen.
1977 gründet sich in den USA die „Delta Society“, welche die tiergestützte Therapie in den USA bekannt macht und verbreitet, Richtlinien zur tiergestützten Intervention erstellt und sich sowohl für die wissenschaftliche Erforschung des Themenbereichs als auch für die praktische Umsetzung tiergestützter Therapie einsetzt (Vernooij & Schneider, 2013).
1977 wird in Deutschland unter der Schirmherrschaft von Konrad Lorenz das IEMT, Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung, gegründet. 1990 weitet sich die Tätigkeit des Institutes auf die Schweiz aus (Vernooij & Schneider, 2013). Ebenfalls 1977 gründet sich in Frankreich das französische Pendant AFIRAC, Association Française d`Information et de Recherche sur l`Animal de Compagnie (Vernooij & Schneider, 2013).
1979 wird in Großbritannien die SCAS, Society for Companion Animals Studies ins Leben gerufen (Vernooij & Schneider, 2013). 1983 wird ebenfalls in Großbritannien die Vereinigung „Pet as Therapy“ gegründet, welche Haustier-Besuchsprogramme durchführt (Röger-Lakenbrink, 2006). In Deutschland gründet sich 1987 in Würzburg der Verein „Tiere helfen Menschen e.V.“ und ein Jahr darauf in Berlin der Verein „Leben mit Tieren e.V.“. Die Therapieeinsätze der Vereine werden hauptsächlich mit Hunden durchgeführt (Röger-Lakenbrink, 2006).
1990 kommt es zur Gründung des Dachverbandes IAHAIO, der International Association of Human-Animal-Interaction-Organisations, einem Dachverband, der die nationalen Forschungsbemühungen bündelt und ihnen durch internationale Konferenzen eine Austauschplattform bietet (Vernooij & Schneider 2013).
In Österreich gründet Dr. Gerda Wittmann 1991 das TAT, Tiere als Therapie. In der Schweiz werden 1993 die ersten Kurse für Therapie-Hunde-Teams durchgeführt und 1994 der Verein „Verein Therapiehunde Schweiz“ (VTS) gegründet (Röger-Lakenbrink, 2006).
2004 und 2006 folgen die Gründungen weiterer Dachverbände für tiergestützte Therapie: 2004 der ESAAT, der Europäische Dachverband für die tiergestützte Therapie mit Sitz in Wien, und 2006 die ISAAT, International Society for Animal-Assisted Therapy mit Sitz in Zürich (Vernooij & Schneider, 2013).
All diese Vereine, Forschungsgruppen, Gesellschaften und Dachverbände verfolgen das gemeinsame Ziel, die positive und heilende Auswirkung des Kontaktes zwischen Mensch und Tier zu erforschen, wissenschaftlich abzusichern und in implementierbare Besuchsprogramme umzusetzen, welche evaluiert und bei Bedarf verbessert werden. Sie bereiten mit ihrem wissenschaftlichen Engagement die Basis für die Idee, die förderlichen Auswirkungen von Heimtieren auch in den Schulen einzusetzen. Ihre Forschungsergebnisse regen die Studien an, welche sich mit dem Einfluss von Hunden auf Schulkinder befassen.
2.1.6 Der Start in Deutschland: Hunde in der Schule
Nach Agsten sind Schulbesuchshunde in Deutschland seit 1997 aktiv. 1999 bringt Herr Hund aus Köln seinen Mischling Sadie mit in den Unterricht, was jedoch kein großes Aufsehen erregt (Agsten 2009, S. 39).
2002 nimmt Bernd Retzlaff seine Hündin Jule in die Schule mit und dokumentiert das Projekt unter dem Namen „Zur Schule mit Jule“ (Retzlaff, 2002) und Lydia Agsten bringt ihren Hund Sandy mit zu ihren Schülern (Agsten, 2009), um das Zusammenspiel von Kindern und Hund zu beobachten und zu untersuchen.
Brita Ortbauer veröffentlicht 2001 ihre Arbeit „The Effects of Dogs on the Social Integration of Children in Elementary School“ und Andrea Vanek-Gulner 2002 ihre Dissertation „Das Konzept “Tiergestützte Heilpädagogik – TGHP“ – Ein individualpsychologischer Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität verhaltensauffälliger Kinder“ (Agsten, 2009; Vernooij & Schneider, 2013). Seitdem steigt die Anzahl der Schulhunde stetig und auch die Anzahl der Veröffentlichungen wächst (Agsten, 2009) (vgl. a. Kap. 2.2.5 Der Vorteil von Hunden im Klassenzimmer im Vergleich zu anderen Tieren).
2.2 Die Wirkung von Tieren auf physiologische, psychologische und soziale Größen
Über die Erfassung von biologischen Werten sowie die Erhebung psychologischer und sozialer Größen wird versucht, den Einfluss von Tieren auf Menschen abzuschätzen. Vernooij & Schneider (2008, S. 144ff) geben einen Überblick über Studien zum Thema Wirkungseffekte von Tieren auf Menschen in der Unterteilung biologisch-physisch, sozial – emotionaler Bereich und dem Bereich der Kognition und Sprache. Hier soll vor allem auf die physiologische Wirkung, die soziale Wirkung und die Wirkung des Schulhundes auf das Lernverhalten und die Motivation der Schüler eingegangen werden.
2.2.1 Die physiologische Wirkung:
Studien zur Veränderung von physiologischen Parametern von Schülern, die Kontakt mit Schulhunden haben, gibt es nur sehr wenige. Deshalb wird an dieser Stelle auch auf Studien zurückgegriffen, die generell den Einfluss von Tieren auf den Menschen messen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich der Kontakt zum Tier auf das bio-physiologische System des Menschen auswirkt.
Das Zusammensein mit einem Tier fördert nach Carola Otterstedt bei Patienten in Senioren- oder Pflegeheimen zum einen generell die Motivation, sich zu bewegen, zum anderen die Entspannung der durch Schmerzen, Bettlägerigkeit oder anderes Unwohlsein verspannten Muskulatur; es fördert eine tiefe Atmung und reduziert in signifikantem Maß den Blutdruck. Nach Otterstedt fördert es zudem die Koordination und Kraft in Fein- und Grobmotorik, sowie das Gleichgewichtsgefühl und verbessert motorische Funktionen (Otterstedt, 2003, S. 233). Auch Schüler werden von Tieren positiv angeregt: Olbrich & Otterstedt (2003) ließen Kinder einen trainierten Hund durch eine Agility-Parcours führen: Die Kinder lernten dabei „wohlkoordiniertes und bezogenes Verhalten, sie erfahren, dass sie etwas bewirken können [...]“ (Olbrich & Otterstedt, 2003, S. 261). Die Entwicklung der sensu-motorischen Koordination geht dabei einher mit dem positiven Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Nach Beetzt et. al (2011) senkt das Streicheln Blutdruck und Herzfrequenz von Kindern in einer schulischen Belastungssituation Sie mussten Rechenaufgaben lösen und zu einer Geschichte ein Ende erfinden und vortragen. Die Hunde in der Studie von Beetz et. al. reduzierten durch ihre Anwesenheit und das Streicheln die Stresssymptome, der Schüler, gemessen über den Cortisolspiegel. Leider wurden in dieser Studie weibliche Schülerinnen ausgeschlossen, um geschlechtsspezifische Artefakte zu vermeiden.
Die Effekte von Hunden lassen sich demnach wissenschaftlich absichern. Sie sind messbar über die Erhebung von Stresssymptomen wie einer erhöhten Herzfrequenz, einem hohen Cortisolspiegel und hohem Blutdruck.
2.2.2 Die psychologische Wirkung
Der Veterinärmediziner Armin Claus veröffentlichte 2000 seine Studie „Tierbesuch und Tierhaltung im Krankenhaus“. Darin fasst er die förderlichen Effekte des Tierkontaktes auf Patienten zusammen: Die Nähe eines Tieres schafft das Gefühl von Vertrauen, Nähe, Geborgenheit, Trost, lindert die Gefühle von Angst und Stress, fördert die Entspannung und stärkt das Selbstvertrauen der Klinikpatienten. Es ermutigt, sich der Lebenssituation zu stellen, und die positiven Erfahrungen, die mit dem Tier gemacht werden, werden auf andere Lebensbereiche übertragen. Das Besuchstier puffert die emotionale Krisensituation der Patienten ab und schafft durch seine Zuwendung einen emotionalen Ausgleich zur belastenden Krankenhaussituation (nach Otterstedt, 2003, 227ff).
Beetz (2012) fasst die Ergebnisse verschiedener Studien zu einer Liste der „Effekte von Hunden in der Schule“ zusammen, die aber noch der wissenschaftlichen „Absicherung durch Replikation“ bedürfen (Beetz, 2012, S. 59). Eine Auswirkung des Hundes auf psychologische Größen sieht Andrea Beetz in folgenden Bereichen:
Die Interaktion mit dem Schulhund steigert das Einfühlungsvermögen gegenüber Tieren, reduziert aggressives Verhalten vor allem bei männlichen Schülern, verbessert die Nutzung adaptiver Strategien zur Regulation negativer Emotionen und wirkt sich motivierend auf die Lernfreude der Schüler aus, so dass die Schulunlust zurückgeht.
Stephanie Uhlmann (2013) fasst in ihrer Masterarbeit die von ihr aus Studien und Literatur zusammengetragenen Wirkeffekte von Hunden auf Schüler wie folgt zusammen: Der Hund hilft beim Aufbau von Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstsicherheit. Er unterstützt den Abbau von Aggressionen und Ängsten, hilft beim Erlangen von emotionaler Stabilität und fördert das Zulassen und Kommunizieren von Gefühlen. Außerdem unterstützt der Schulhund die Steigerung der Sensibilität- und Empathiefähigkeit (Uhlmann, 2013).
Den Selbstwert der Schüler beeinflussen die Hunde im Klassenzimmer auf nicht eben unerhebliche Weise: „Kinder müssen eine Überzeugung von der eigenen Tüchtigkeit aufbauen. Geschieht dies – wie in unserem Bildungssystem üblich – zu ausschließlich im Bereich der kognitiven Leistungen, dann entwickeln sich nur sehr partielle und vor allem bei intellektuell schwächer begabten Kindern nur sehr schwache Überzeugungen von der eigenen Tüchtigkeit“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S. 263). Auch die Frustrationstoleranz wird geschult: Das „Kind kann auch lernen, wie es mit Begrenzungen umgeht, wenn es beispielsweise mit Enttäuschung feststellt, dass ihm das Tier nicht gehorcht“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S. 263).
Der größte Nutzen liegt aber laut den Autoren darin, dass Hunde den Schülern ein ausgewogenes Bild von ihren Stärken inklusive ihrer Schwächen spiegeln und auf diese Weise die ganze Persönlichkeit des Schülers ansprechen, nicht nur Teile davon: „Auf eine sehr einfache und eine sehr natürliche Art können Kinder in der Interaktion mit Tieren verspüren, dass sie über Kompetenzen verfügen, dass diese Kompetenzen aber auch ihre Grenzen haben. Wahrscheinlich ist ein realistisches Bild von den eigenen Stärken und von den eigenen Schwächen wertvoller als die bloße Akzentuierung der positiven Aspekte des eigenen Könnens“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S264).
2.2.3 Die soziale Wirkung:
Im sozialen Bereich ist die Datenlage hinsichtlich der Schüler und ihres Lernverhaltens umfangreicher. Schwarzkopf & Olbrich (2003) werten verschiedene Studien und Berichte zum Thema „Hund in der Schule“ aus und kommen zu dem Ergebnis, dass Hunde im Klassenraum den Schülern helfen, Ängste zu verlernen. Die Anwesenheit der Hunde schafft eine freundliche und lockere Atmosphäre im Klassenraum, die sich auf das Sozialverhalten der Kinder förderlich auswirkt. Verbale sowie körperliche Aggressionen gehen zurück, die Schüler haben häufigere und positivere Sozialkontakte. Die Kinder zeigen mehr Freude als vor dem Schulhundeeinsatz. So fällt es auch „scheuen, eingeschüchterten oder traurigen Kindern leichter, mit einem Tier zu kommunizieren als mit einem Menschen“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S. 260). Zudem wird die Lehrkraft als Mensch wahrnehmbar. Die Beziehung der Lehrkraft „zum Tier wird als Modell seiner Beziehung zu SchülerInnen wahrgenommen“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S. 260). Wenn die Schüler beobachten, wie die Lehrkraft ihren Hund bestimmt aber freundlich führt, auf seine Bedürfnisse eingeht und mit Missgeschicken ruhig und souverän umgeht, erwarten sie, dass dieses Verhalten auch auf sie angewandt wird. Das kann dazu führen, dass die Schüler ihre Hemmungen oder ihre eventuell vorhandene misstrauisch-abwägende Haltung gegenüber der Lehrkraft abbauen. Am Modell des Hundes hat sie sich als vertrauenswürdig erwiesen.
Nach Otterstedt (2003) fördern Tiere die Bereitschaft, sich anderen Menschen zu öffnen, und den Willen, sich auf andere einzustellen. Sie bieten einen Kommunikationsanlass abseits der belasteten Themen.
Heyer & Kloke (2013, S. 21) fassen die von ihnen als förderlich zusammengetragenen Befunde wie folgt zusammen: „Besonders Kinder erleben sich im Umgang mit Hunden als kompetent und mündig handelnde Wesen und lernen, Verantwortung für ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Durch den Kontakt mit einem Hund können verschüttete, verdrängte Bedürfnisse nach Kontakt und Nähe reaktiviert werden. Soziale Ängste [...] können in der Interaktion mit dem Hund eher abgebaut werden als mit Menschen. Das Arbeiten mit einem Schulhund hilft Schülern Rücksichtnahme, soziale Sensibilität und angemessene Formen der Selbstbehauptung (Konsequenz) zu erlernen. Die Erfahrung, von einem Tier gemocht, gebraucht und akzeptiert zu werden, stärkt das Selbstbewusstsein der Schüler und kann dazu beitragen, dass sie diese in der Interaktion mit dem Tier erlernten Verhaltensweisen auf soziale Situationen mit Menschen übertragen“ (Vernooij & Schneider 2008, S. 114; Olbrich, 2008).
Kotschral & Ortbauer (2003) postulieren auf Grundlage der Ergebnisse ihrer Studie, dass ein Klassenhund die Gemeinschaft der Klasse stärkt sowie die sozialen Beziehungen und die Kontaktaufnahme zwischen den Schülern fördert, so dass die Schüler sich mehr im Klassenraum bewegen und dabei positivere Sozialkontakte untereinander haben als ohne Hund. Der Hund wirkt dabei unterschiedlich auf die Schüler: Ruhige Kinder gehen eher aus sich heraus und Schüler, die zu störendem Verhalten neigen, werden ruhiger. Der regelmäßige Kontakt zu Tieren wirkt sich auch positiv auf das Erkennen von Emotionen aus und schult damit die Fähigkeiten zur nonverbalen Kommunikation der Schüler.
Beetz (2012) stellt fest, dass die ihrer Arbeit zu Grunde liegenden Studien nahelegen, dass ein Klassenhund dazu führt, dass sich die Kinder besser in den Klassenverband integrieren und aggressives Verhalten abnimmt, so dass das Klassenklima von der Anwesenheit des Schulhundes profitiert.
Stephanie Uhlmann, die in ihrer Masterarbeit von 2003 mehr als 15 Studien und Literaturstellen ausgewertet hat, fasst die Wirkung von Schulhunden auf das Sozialverhalten der Schüler folgendermaßen zusammen:
Der Hund verbessert der Beziehungsfähigkeit der Schüler, hilft beim Vertrauensaufbau, unterstützt die Aneignung eines friedlichen Durchsetzungsvermögens der Schüler und sorgt für das Erleben positiver sozialer Erfahrung wie Gemeinschaft und Freundschaft. Er unterstützt die Entwicklung der Frustrationstoleranz der Schüler und fördert das sich Entwickeln und Wachsen des Verantwortungsbewusstseins und Pflichtbewusstseins der Schüler.
2.2.4 Die Wirkung des Schulhundes auf das Lernverhalten und die Motivation der Schüler
Uhlmann (2013) findet in den von ihr ausgewerteten Studien, dass das Lernen mit Hund den Schülern eine Motivation ist, die Konzentration der Schüler fördert und ihre Aufmerksamkeit und Ausdauer erhöht, mit der sie sich einer Aufgabe widmen. Außerdem verbessert der Hund generell die Lernatmosphäre und wirkt sich positiv auf die Lehrer-Schüler-Beziehung aus. Zudem wird das Sprachverhalten der Schüler aber auch ihre Fähigkeit trainiert, nonverbal zu kommunizieren.
Schwarzkopf und Olbrich (2003) stellen fest, dass Lernen und soziale Beziehungen nicht zu trennen sind und der Hund durch seine Förderung der sozialen Beziehungen auch das Lernen beeinflusst: „Lernen spielt sich zudem oft in sozialen Beziehungen ab, und die Qualität dieser Beziehungen hat nachweislich einen großen Einfluss auf das Lernergebnis. Lernstörungen können aus Beziehungsstörungen herrühren, genauso aber können Veränderungen im zwischenmenschlichen Geschehen – sei es verändertes Engagement, eine gegenseitige Bestätigung, vielleicht Empathie – eine profunde Veränderung im Lernprozess herbeiführen“ (Schwarzkopf & Olbrich, 2003, S. 256).
Beetz (2012) fasst die von ihr ausgewerteten Studien in ihren Aussagen zum Lernen und der Motivation der Schüler durch einen Klassenhund folgendermaßen zusammen: Der Hund verbessert das Klassenklima, steigert die Aufmerksamkeit gegenüber der Lehrkraft, vergrößert die Lernfreude der Schüler und die den Schülern gestellten Aufgaben werden exakter ausgeführt und genauer bearbeitet. Der Hund hilft den Schülern, sich besser zu konzentrieren.
Kotschral & Ortbauer (2003) stellen fest, dass die Schüler insgesamt leiser sind, so dass es in der Klasse ruhiger wird. Sie sind aufmerksamer und die Lehrerin hat in ihrer Studie mehr Autorität gegenüber der Klasse. Auch besuchen die Schüler die Schule generell lieber, haben eine positivere Einstellung gegenüber der Schule und die Schulunlust geht zurück. Dies liegt nach Kotschral & Ortbauer daran, dass ein Hund beruhigend und entspannend auf die Schüler wirkt und einfach Freude und positive Stimmung verbreitet.
2.2.5 Der Vorteil von Hunden im Klassenzimmer im Vergleich zu anderen Tieren
Der Hund ist das älteste Nutztier des Menschen (vgl. 2.1.1 Geschichtliche Entwicklung). Die Affinität des Menschen dem Hund gegenüber ist ungebrochen groß. Agsten (2009) spricht von 5 Millionen Hunden, die heute in Deutschland leben. 359 verschiedene Züchtungen werden von der FCI (Fédération Cynologique Internationale) betreut. Schätzungen sprechen davon, dass auf der Welt mehr als 800 Hunderassen existieren. Sie sind entstanden, um den verschiedenen Aufgaben und den Geschmäckern ihrer Herren gerecht zu werden. Auch heute kommen immer weitere Neuzüchtungen hinzu, das Interesse am Begleiter Hund ist ungebrochen. Der Labradoodle ist ein bekanntes Beispiel für den Versuch, eine neue Hunderasse zu schaffen.
Nach Lydia Agstens Recherche für ihre Abschlussarbeit des Kontaktstudiums Tiergestützte Pädagogik und Therapie an der Ev. Hochschule Freiburg ergab sich in den Jahren 1999 bis 2007 ein Anstieg der Schulhundezahlen in Deutschland von einem Schulhund (Herr Hund aus Köln mit Mischling Sadie) zu 109 auf der Homepage www.schulhundweb.de eingetragenen oder Agsten bekannten Schulhunden (Agsten, 2009). Heute, Stand September 2015, verzeichnet das schulhundweb 424 registrierte Schulen mit Schulhund.
Hunde sind soziale Lebewesen, gleich dem Menschen, was ihnen eine gemeinsame Verständnisgrundlage schafft: „Als Rudeltier an soziale Verbände gewöhnt, akzeptieren sie den Menschen schnell als ihr Leittier. [...] Der Hund ist sehr anpassungsfähig, versucht innerhalb kurzer Zeit die individuelle körpereigene Sprache eines Menschen zu erkennen und folgt somit seinen Bedürfnissen (Kommandos). Der Mensch fühlt sich bestätigt und verstanden“ (Otterstedt, 2001, S. 138). Auch Agsten kommt zu dem Schluss, dass es an der Anpassungsfähigkeit des Hundes liegt, dass Mensch und Hund so gut miteinander arbeiten können: „Die Koevolution von Mensch und Hund beruht u. a. auf der guten Kooperationsfähigkeit des Hundes, die einen Unterschied zu der Beziehung zu anderen Tieren ausmacht“ (Agsten 2009, S. 18). Der Hund bringt ein Interesse daran mit, den Menschen zu verstehen, er wendet sich ihm von sich aus zu. Die Kommunikation des Hundes ist ehrlich und unbestechlich: „Manche Tierarten (vor allem Pferde und Hunde) besitzen in hohem Maße die Fähigkeit, die nonverbal-analogen Signale des Interaktionspartners (in diesem Fall des Menschen) äußerst sensibel wahrzunehmen und mit ihrem eigenen Verhalten entsprechend darauf zu reagieren“ (Vernooij & Schneider, 2013, S.23).
Darüber hinaus sind Hunde in hohem Maß trainierbar. Die Lehrkraft kann sie aktiv ins Lerngeschehen einbeziehen. Hunde können lernen, Schülern Lernaufgaben zu überbringen, sie können Schaumgummiwürfel rollen lassen, sie können gemeinsam mit den Schülern einen Bewegungsparcours durchlaufen und kleine Tricks ausführen (vgl. Jablonowski & Köse, 2014). Hunde sind durch die vielen möglichen Varianten in ihrem Einsatz den anderen Tieren, die eine Lehrkraft in das Klassenzimmer begleiten könnten, überlegen. Ihre Haltung ist, verglichen mit einem Delphin oder Lama, geradezu trivial. Zusätzlich vereinen Hunde zwei für den Einsatz im Klassenzimmer bedeutsame Merkmale in sich: eine jeweils eigene Persönlichkeit und eine grundsätzlich unvoreingenommene Kooperationswilligkeit, etwas, wovon Schüler jeden Alters und auch die hundeführende Lehrkraft nur profitieren können.
3. Begriffsdefinitionen
Im Folgenden sollen die zentralen Begrifflichkeiten dieser Arbeit, nämlich „hundegestützte Pädagogik“, „Schulhund“ und „Leistung“, gemeint ist hier die Leistung des Schulhundes, definiert werden.
3.1 Hundegestützte Pädagogik:
Hundegestützte Pädagogik ist „der systematische Einsatz von ausgebildeten Hunden in der Schule zur Verbesserung der Lernatmosphäre und individuellen Leistungsfähigkeit sowie des Sozialverhaltens der Schüler“ (Heyer & Kloke, 2011, S. 17). „Als Co-Pädagoge unterstützt der Hund dabei den Lehrer / Erzieher bei dessen Erziehungs- und Bildungsauftrag“ (ebd.), welcher sich aus der Definition von Pädagogik nach dem Duden erschließt, den Heyer & Kloke gewählt haben: Pädagogik beschreibt „die Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung“ (Duden 2007, zit. nach Heyer & Kloke, 2011).
Meines Erachtens ist der Begriff Co-Pädagoge nicht glücklich gewählt – zwar arbeitet der Hund mit seinem Teampartner Mensch eng zusammen, doch um ein gleichwertiger Kollege zu sein, fehlt ihm die Bewusstheit, um welches Ziel es sich beim gemeinsamen Handeln mit den Schülern handelt (nämlich die Erziehung und Bildung).
Andrea Beetz definiert hundegestützte Pädagogik wie folgt: „Hundegestützte Pädagogik wird von einer Fachkraft mit einer pädagogischen bzw. heil- / sonder- /sozialpädagogischen Ausbildung und entsprechendem Fachwissen über Hunde durchgeführt. Die Intervention ist auf ein pädagogisches Ziel ausgerichtet, welches Bildung und / oder Erziehung betrifft. Die eingesetzten Hunde werden speziell für den Einsatz mit Menschen sozialisiert und ausgebildet“ (Beetz, 2012, S, 15).
Diese Definitionen haben gemeinsam, dass sie die Wichtigkeit einer Ausbildung, ja sogar Sozialisation des Hundes für seine Aufgabe betonen. Der Einsatz des Hundes soll systematisch erfolgen und auf ein bildungs- oder erziehungsrelevantes Ziel ausgerichtet sein. Meines Erachtens besteht die Gefahr, dass, folgt man der Definition von Beetz zu strikt, der Hund in seinem Wirken beschnitten wird: Sein Einsatz ist per Definition stets systematisch und die Lehrkraft verfolgt damit ein bildungs- und / oder erziehungsrelevantes Ziel. Damit ist der Weg vorgegeben und die Prozessorientierung leidet zugunsten der Produktorientierung, obwohl immer noch das Feld der Wirkeffekte des Schulhundes ein weitgehend unerforschtes ist und die Haltung eines offenen Beobachtens von Vorteil wäre, um weitere, den Schulhunden mögliche Wirkweisen zu entdecken.
Auch widerspricht Beetz (2012) ihrer eigenen Definition, wenn sie im Kapitel „Was ist ein guter Schulhund?“ die erwachsenen Hunde, die aus dem Tierschutz stammen, nicht ausschließt – was sie nicht tut. Deren Sozialisierung, sofern hier wirklich der Fachterminus gemeint ist, liegt nämlich absolut im Dunkeln, denn die Sozialisationsphase, auch Sozialisierungsphase genannt, liegt bei Hundewelpen zwischen der 8. bis 12. Lebenswoche (Trumler, 2007).
3.2 Der Hund in der Schule – ein Schulhund
In meiner Arbeit folge ich der relativ offenen Definition von www.schulhundweb.de: Schulhunde sind Hunde, „die regelmäßig zur pädagogischen Unterstützung der Lehrer / Pädagogen eingesetzt werden“. Ich würde gern ergänzen, dass sie in der Schule eingesetzt werden und die Lehrperson sowohl Eigner als auch Hundeführer ist. Die Regelmäßigkeit der Anwesenheit des Hundes in der Klasse ist meines Erachtens ein wichtiges Kriterium.
In Abgrenzung dazu sehe ich die Schulbesuchshunde, die von externen Begleitpersonen geführt werden und den Schülern nur für die Dauer eines Projektes oder eine AG zur Verfügung stehen (in Anlehnung an Beetz, 2012).
3.3 Der Begriff der Leistung im Zusammenhang mit dem Schulhund
Nach von Saldern bewegt sich die Leistungsbewertung immer im Spannungsfeld von Bewertung, Produkt und Prozess.
Hauptmerkmal der Leistung ist jedoch die Bewertung von etwas: „Leistung ist immer eine Bewertung (Gütemaßstab, Norm, definierter Schwierigkeitsgrad oder Standard)“ (v. Saldern 2001, S. 8). Diese Bewertung kann vom zu Bewertenden selbst vorgenommen werden (Selbstevaluation) oder durch einen Fremdevaluator. Entscheidend bei der Bewertung ist oft, ob ein Lernziel erreicht wurde oder nicht (Produktorientierung). Die Beurteilung der Leistung des Schulhundes könnte unter produktorientierten Gesichtspunkten folgendermaßen vorgenommen werden: Der Klassenlehrer ermittelt den Notendurchschnitt seiner Schüler vor der Einführung des Schulhundes und noch einmal nachdem der Hund die Schüler eine Zeit lang begleitet hat. Dann vergleicht er die beiden Werte miteinander. Auf diese Art bemisst sich die Leistung des Schulhundes in der Veränderung des Notendurchschnitts der Schüler. Die Bewertung der Leistung des Schulhundes wird hierbei am Ergebnis des Hundeeinsatzes, am Endprodukt Notendurchschnitt der Schüler, vorgenommen.
Leistung kann jedoch auch als Prozess verstanden werden, der zu einem Produkt führt (Prozessorientierung). „Dabei sind vorrangig die Bedingungen, unter denen Leistungen erbracht werden, zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B. die Entwicklung eines Kenntnisstandes und der Vorgang einer gezeigten Problemlösung“ (v. Saldern, 2001, S.8). Dazu gehört auch die Arbeitshaltung eines Schülers und seine Art, mit Frustration und Hindernissen umzugehen. Wichtig sind hier eher die qualitativen Veränderungen, die sich nicht unmittelbar als Endprodukt fassen lassen, aber dennoch wahrnehmbar sind. Auf den Schulhund bezogen muss man sich also fragen: Hat er einen Einfluss auf den Prozess genommen, in dem ein Produkt entsteht? Arbeiten die Schüler ruhiger, fleißiger und motivierter?
Im pädagogischen Bereich unterscheidet von Saldern (2001) vier Leistungsbegriffe:
1 Leistung kann produktorientiert als das Erreichen von Lernzielen definiert werden. Im Falle des Schulhundes ist er die Hilfe für den Schüler, der ein Lernziel erreichen soll. Die Leistung des Schulhundes besteht also in der Unterstützung beim Erreichen des Lernzieles durch den Schüler. Man muss erheben: Erreichen dank des Schulhundes mehr Schüler das Lernziel?
2 Leistung als Prozess (Prozessorientierung). In diesem Bereich geht es darum, das Lernen als Prozess zu Betrachten. Es gilt, den Lernprozess erst zu analysieren und dann zu optimieren. Hier kann der Schulhund direkt wenig beitragen. Analyse und Optimierungsplan müssen von der Lehrkraft oder, beim eigenverantwortlichen Lernen, vom Schüler selbst geleistet werden. Dennoch hat der Schulhund auch hier einen Einfluss: Es wird berichtet, Schulhunde stärken auch die Selbstreflexivität der Schüler (Schwarzkopf & Olbrich, 2003; Vernooij & Schneider, 2013). Dies ist beim eigenverantwortlichen Lernen eine Unterstützung für die Analyse und Optimierung des eigenen Lernens. Die Anwesenheit des Hundes ist dabei eine zusätzliche Motivation (Uhlmann, 2013). Auf der Ebene der Unterrichtsbewertung kann die Lehrkraft selbst analysieren, ob ihr Hund optimal eingesetzt ist oder ob noch Verbesserungsbedarf besteht.
3 Leistung als Ergebnis (Produktorientierung): Der Lernertrag wird mittels Leistungsmessung erhoben. Für den Schulhund bedeutet dies, dass sein Einsatz im Klassenzimmer bewertet wird: Ist es den Mehraufwand wert, den eine Lehrkraft durch seinen Einsatz hat? Hat sich der Lernertrag gesteigert, seit er anwesend ist?
4 Leistung als Verdienst: Hier geht es darum, etwas geschafft zu haben, was nicht jedem gelingt, etwas, wofür ein Mensch einen Orden bekäme oder ein Lob im Zeugnis (v. Salden, 2001). Man muss also genau hinsehen, ob sich durch den Einsatz des Schulhundes Vorteile ergeben, die man ohne ihn nicht zu erwarten gehabt hätte.
Fazit: Auf den Schulhund angewandt werden kann vor allem der Bereich Leistung als Verdienst und Leistung als Prozess. Seine Leistung über den Lernertrag abzuschätzen, scheint zu kurz zu greifen, obwohl es theoretisch möglich zu sein scheint.
In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf den Leistungen des Schulhundes im Sinne eines Verdienstes und im Sinn der Beeinflussung des Prozesses, in dem die Schüler lernen, liegen.
4. Fragestellungen der Arbeit
4.1 Ziel der Untersuchung
Im Theorieteil wurde ersichtlich, dass die Forschungslage zu Wirkeffekten von Hunden in der Schulklasse aus bisher sehr wenigen Studien besteht. Der große Anteil der Untersuchungen befasst sich mit dem Einfluss von Tieren auf kranke oder alte Menschen (Kap 2.2.1 Die physiologische Wirkung) oder auf Jugendliche mit abweichendem Sozialverhalten, die in stationären Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht sind (Möhrke, 2012), und nur sehr wenige Arbeiten befassen sich mit dem Einfluss eines Hundes auf die Schüler einer Schulklasse. Ab der Jahrtausendwende, also erst in den letzten fünfzehn Jahren, war überhaupt erst ein Interesse am Thema Einfluss von Heimtieren auf Schulkinder zu verzeichnen, angeregt durch die Studien im Bereich der tiergestützten Therapie. Erst ab dem Jahr 2000 begann die Anzahl der Hunde in deutschen Schulen anzusteigen, der Höhepunkt dieser Entwicklung war in den Jahren 2006 und 2007 (Agsten, 2009, vgl. Kap. 2.2.5 Der Vorteil von Hunden im Klassenzimmer im Vergleich zu anderen Tieren).
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zu überprüfen, ob sich die bisher postulierten positiven Effekte der Schulhunde auf die Schüler in einer Befragung von aktiven Lehrkräften, die unterstützt durch ihren Hund arbeiten, replizieren lassen (siehe Frage 18, Anhang D). Die Untersuchung ist so angelegt, dass die befragten Lehrkräfte durch ihre Erfahrung die Liste der bisher bekannten Auswirkungen ergänzen können, und zwar sowohl in die positive als auch in die negative Richtung. Die befragten Lehrkräfte werden auch gebeten, eine Gewichtung vorzunehmen, in welchen Wirkungen des Schulhundes sie eine besonders wertvolle Hilfe sehen (siehe Frage 20, Anhang D). Erfasst wird in der vorliegenden Untersuchung zusätzlich, inwieweit der Schulhund der Lehrkraft eine Hilfe bei der Unterrichtsgestaltung ist (siehe Frage 19, Anhang D), ob er zum Beispiel zur Differenzierung, Methodenerweiterung oder als Unterstützung bei der Eingliederung von Migrantenkindern herangezogen wird. Auch die Relation von durch die Lehrkraft geleistetem Aufwand und empfundenen Nutzen wird erfragt (siehe Frage Nr. 21, Anhang D), sowie die Auswirkungen auf das Umfeld der Lehrkraft, die Kollegen und die Eltern der Klasse (siehe Frage 22 und 23, Anhang D).
Diese Fragestellungen haben das Ziel, das Forschungsfeld Schulhundeleistung möglichst umfassend darzustellen und dem explorativen Charakter der vorliegenden Arbeit Rechnung zu tragen.
4.2 Methodische Vorüberlegungen
Da das Untersuchungsfeld sehr weit ist und der Gegenstand der Untersuchung explorativ, d.h. erkundend, erforscht werden soll, schließen sich rein quantitative Erhebungsmethoden aus. Ein durchstrukturiertes Interview oder ein durchstrukturierter Fragebogen wären nicht in der Lage zu erfassen, was untersucht werden soll, da keine Freiheitsgrade in den Antwortmöglichkeiten bestehen.
Idealerweise würde man sich der oben dargestellten Fragestellung nähern, indem man in einer Längsschnittstudie zwei ähnliche Schulklassen über einen längeren Zeitraum begleitet, wobei die eine Klasse mit einem Schulhund arbeitet, die andere ohne ihn. Man würde per Videoanalyse ähnliche Unterrichtssituationen mit und ohne Schulhund miteinander vergleichen und im Hinblick auf Verhaltensweisen auswerten, über die sich Sozialverhalten, Empathie und kooperatives Verhalten untereinander operationalisieren lassen. Es ließen sich ebenfalls die Lernergebnisse der Schüler daraufhin analysieren, in welcher Klasse ein größerer individueller Lernzuwachs feststellbar wäre.
Ein anderer geeigneter Weg wäre es, mit den Lehrkräften, die sich dazu bereit erklären, ein halbstrukturiertes Interview zu führen, das neben den festgelegten Fragen genug Freiraum lässt, damit die Lehrkräfte aus ihrem Erfahrungsschatz berichten können. Von diesen Interviews würde ein auditiver Mitschnitt erstellt, der zur Auswertung transkribiert wird. Die Transkripte dienen als Grundlage für die Auswertung der Interviews.
Da eine Zulassungsarbeit jedoch im Zeitfenster von drei Monaten erstellt werden muss, fallen diese beiden Herangehensweisen als zu zeitintensiv und aufwendig weg.
Die beste Annäherung an das letztgenannte Verfahren stellt m. E. der halbstrukturierte Fragebogen dar. Dieser umfasst sowohl geschlossene Fragen als auch offene Fragekategorien, ermöglicht also die so wichtigen Freiräume bei den Antworten, so dass die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen einbringen können.
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- Citar trabajo
- Jennifer Flume (Autor), 2015, Der Hund im Klassenzimmer. Was kann hundegestützte Pädagogik leisten?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350727
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