Die europäische Gesellschaft in ihrer Form und Gestalt, so wie wir sie heute kennen, steht in engem Zusammenhang mit ihren historischen Ursprüngen und Entwicklungstendenzen, die sie eingehend geprägt und zu jener gemacht haben, die sie heute ist. Speziell die Gründung einer europäischen Gemeinschaft, welche sich durch kontinuierliche Transformationsprozesse zur Europäischen Union (EU) weiterentwickelte, scheint gravierende Spuren innerhalb des europäischen Gesellschaftswesens hinterlassen zu haben.
Das Augenmerk ist hierbei auf die Auseinandersetzung mit der eigenen nationalen Identität im Vergleich zu einer einheitlichen, kontinentalen, europäischen zu legen. Es ist somit zu bemerken, dass solch ein Diskurs mitunter ein Spannungsverhältnis innerhalb der einzelnen Gesellschaften hervorruft. Speziell in Großbritannien scheint das gesellschaftliche Verständnis bezüglich Großbritanniens Verhältnis zur Europäischen Union stark von Skeptizismus geprägt zu sein.
Der Zweck dieser Arbeit ist es daher die Wurzeln des Euroskeptizismus in Großbritannien zu erforschen, um das Bild, dass wir von der Gegenwartsgesellschaft in Großbritannien haben, die ja Teil der europäischen Gesellschaft ist, auch historisch nachvollziehen und somit verstehen lernen. Was sind nun die Gründe für solche eine negative Haltung gegenüber dieser Institution und wo genau in der Geschichte nehmen sie ihren Ausgangspunkt? Prinzipiell lassen sich die Wurzeln des britischen Euroskeptizismus in drei verschiedenen Perioden, in welche die britische Post-Kriegszeit eingeteilt werden kann, vorfinden: Jene, in welcher der Antrag zum Eintritt Großbritanniens in die Europäische Gemeinschaft von der Macmillan Regierung getätigt wurde (1961) und zudem im Jahr 1975 ein Referendum zur Position Großbritanniens abgehalten wurde; jene von 1979 bis 1990 in der vor allem die Bruges Rede, sowie Premierministerin Margaret Thatcher's Wandel zur EU-Debatte die Höhepunkte im britischen EU-Diskurs darstellten; und jene, welche speziell durch die Inhalte des Vertrages von Maastricht, die sowohl eine politische Union, als auch eine Währungsunion promovierten, geprägt wurde. Euroskeptische Argumentationen, die den einzelnen Perioden zugrunde lagen, werden dabei eingehend erläutert.
Inhaltsübersicht
Einleitung
Die Wurzeln des Euroskeptizismus in Großbritannien
Konklusion
Literatur
Einleitung
Die europäische Gesellschaft in ihrer Form und Gestalt, so wie wir sie heute kennen, steht in engem Zusammenhang mit ihren historischen Ursprüngen und Entwicklungstendenzen, die sie eingehend geprägt und zu jener gemacht haben, die sie heute ist. Speziell die Gründung einer europäischen Gemeinschaft, welche sich durch kontinuierliche Transformationsprozesse zur Europäischen Union (EU) weiterentwickelte, scheint gravierende Spuren innerhalb des europäischen Gesellschaftswesens hinterlassen zu haben. Das Augenmerk ist hierbei auf die Auseinandersetzung mit der eigenen nationalen Identität im Vergleich zu einer einheitlichen, kontinentalen, europäischen zu legen. Es ist somit zu bemerken, dass solch ein Diskurs mitunter ein Spannungsverhältnis innerhalb der einzelnen Gesellschaften hervorruft. Speziell in Großbritannien scheint das gesellschaftliche Verständnis bezüglich Großbritanniens Verhältnis zur Europäischen Union stark von Skeptizismus geprägt zu sein.
Der Zweck dieser Arbeit soll es daher sein die Wurzeln des Euroskeptizismus in Großbritannien zu erforschen, um das Bild, dass wir von der Gegenwartsgesellschaft in Großbritannien haben, die ja Teil der europäischen Gesellschaft ist, auch historisch nachvollziehen und somit verstehen lernen. Denn es kommt nicht von ungefähr, dass eine Mehrheit der Briten die Frage "Do you feel European?" mit "No, no.", "British, British", "Definitely not a European, no" oder "I'm a patriot, I'm English, I'm English through and through" beantworten.[1] An diesen Aussagemustern wird ersichtlich, dass die Definition des Oxford English Dictionary, das einen Skeptiker als "a person who doubts truth of, or is inclined to question truth of facts, statements or claims" hier ganz gut zutrifft[2]. Generell wird der Begriff "Euroskeptizismus" als "generic label", das eine negative Ansicht gegenüber der Europäischen Union vertritt, definiert.[3] Doch was sind nun die Gründe für solche eine negative Haltung gegenüber dieser Institution und wo genau in der Geschichte nehmen sie ihren Ausgangspunkt?
Prinzipiell lassen sich die Wurzeln des britischen Euroskeptizismus in drei verschiedenen Perioden, in welche die britische Post-Kriegszeit eingeteilt werden kann, vorfinden: Jene, in welcher der Antrag zum Eintritt Großbritanniens in die Europäische Gemeinschaft von der Macmillan Regierung getätigt wurde (1961) und zudem im Jahr 1975 ein Referendum zur Position Großbritanniens abgehalten wurde; jene von 1979 bis 1990 in der vor allem die Bruges Rede, sowie Premierministerin Maragaret Thatcher's Wandel zur EU-Debatte die Höhepunkte im britischen EU-Diskurs darstellten; und jene, welche speziell durch die Inhalte des Vertrages von Maastricht, die sowohl eine politische Union, als auch eine Währungsunion promovierten, geprägt wurde. Euroskeptische Argumentationen, die den einzelnen Perioden zugrunde lagen, sollen nun in den nachfolgenden Paragraphen eingehend erläutert werden.[4]
Die Wurzeln des Euroskeptizismus in Großbritannien
Zu Beginn muss Bezug auf das Ende des zweiten Weltkrieges und die sich herausgebildeten Machtzentren, in die Großbritannien verstrickt war, genommen werden: "The Atlantic world, the Empire and Commonwealth, and the West European world"[5] Hier gilt zu sagen, dass sich Großbritannien mehr der USA verbunden sah, als Westeuropa und sich die euroskeptischen Argumentationen hauptsächlich auf Souveränitätseinbußen stützen, sollte sich Großbritannien Westeuropa annähern, was absolut unverträglich mit der Erhaltung des britischen Einflusses im Commonwealth schien – "The sovereignty is in the Crown and cannot be delegated".[6]
Genauso wurde die Ansicht vertreten, dass mit Eintritt in die European Coal and Steel Community (ECSC) der britischen Kohl- und Stahlindustrie erheblich geschadet würde, sowie dem bereits gut etablierten Konzept des Wohlfahrtsstaates, als auch der nationalen Beschäftigungssituation. Sprich, die Briten betrachteten die Institutionen des Kontinents als instabil.[7] Die euroskeptische Stimme richtete sich vor allem gegen eine supranationale Integration aus Gründen der Erhaltung des "British exceptionalism"[8]. Es wurde die Ansicht vertreten, dass die Völker Europas in bezug auf ihre Geschichte, Kultur und Wertvorstellungen zu verschieden seien, als dass man sie zu einem einzigen europäischen Staat zusammenfassen könnte.[9] Mitunter waren in diesem Zusammenhang auch Rassismus und eine Anti-Deutschland Haltung beliebte Inhalte im euroskeptischen Diskurs, dem sich speziell Anthony Eden im politischen Lager verbunden sah.[10]
Trotz aller Bemühungen der euroskeptischen Stimmen war es nicht ihr Einfluss, der die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft nach Antrag Mcmillans im Jahr 1961 und 1967 verhinderte, sondern in beiden Versuchen das Veto von Charles de Gaulle.[11]
In den darauffolgenden Jahren verlagerte sich die Argumentation der Euroskeptiker ein wenig, die fortan zu einem Großteil von den "anti-marketeers" bestimmt und geführt wurde. Grund dafür war die Fragilität der britischen Wirtschaft zu Beginn der 1970er, die geprägt war von Inflation und Zahlungsbilanzschwierigkeiten. Im Vordergrund standen von nun an Debatten über die Agrikultur, den Handel, die internationale politische Ökonomie, das Staatseinkommen, udgl. Powell, ein führendes Mitglied der Conservative Party zu jener Zeit argumentierte speziell, dass ein gemeinsamer Markt, der auf dem Konzept des freien Handels basiert, das Ende der britischen Selbst-Regierung und den Verlust der parlamentarischen Demokratie bedeuten würde. Seiner Meinung nach bedürfe ein gemeinsamer Markt keiner politischen Institutionen. Somit würde die "European Community" (EC) mit Einrichtung einer zentralen politischen Macht die Souveränität Großbritanniens unterminieren. Auch fürchtete man Anstiege von Preisen, insbesondere der Preise für Butter, Tee, Zucker, Kaffee, Lamm- & Rindfleisch und für Bekleidung, welche zu Deflationsmaßnahmen führen würden.[12]
Trotz all der Gegenstimmen zu einem Beitritt zur EC wurde Großbritannien zusammen mit Irland und Dänemark am 1. Jänner 1973 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Es wurde jedoch explizit Argumentiert, dass Großbritannien ausschließlich Mitglied einer Handelsorganisation wurde und nicht unbedingt Teil einer politischen Gemeinschaft.[13]
Kurz nach dem Beitritt zur EC wurden Debatten bezüglich des Euroskeptizismus innerhalb der Gesellschaft eines der Hauptprobleme in der politischen Arena. So befand die Labour Party im Jahr 1974, dass ein Referendum zur Mitgliedschaft Großbritanniens in der "European Community" unerlässlich sei für zukünftige Schritte. Zur Erleichterung der Labour Party und großen Enttäuschung der euroskeptischen Opposition befand eine Mehrheit von 64,5 Prozent der Bevölkerung die Mitgliedschaft als absolut notwendig, sodass Großbritannien seine Teilnahme an der EC aufrechterhielt.[14]
Äußerte sich der Euroskeptizismus in der ersten Periode hauptsächlich in der politischen Arena der beiden Großparteien mit einer erstmaligen direkten Einbeziehung der gemeinen Bürger in den Diskurs durch das Referendum, war die zweite Periode von einem merklichen Anstieg des öffentlichen Interesses bezüglich Großbritanniens Verhältnis zum "Common Market" geprägt. Speziell die Medien spielten dabei eine entscheidende Rolle den Euroskeptizismus innerhalb der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen und kritischen Stimmen Gehör zu verschaffen. Mit Einzug Margaret Thatchers in 10, Downing Street im Jahr 1979 wurde die zweite Periode des britischen Euroskeptizismus eingeleitet, die zunächst – speziell wegen der "European policy of engagement", welche die Premierministerin zu führen versuchte - eine abgeschwächte Form annahm, aber mit Miss Thatchers Bruges Rede 1988 eine radikale Wende nahm und fortan einen starken skeptischen Kurs gegenüber der Europäischen Gemeinschaft verfolgte. Es ist anzumerken, dass sich mit ein oder zwei Ausnahmen die skeptische Seite bis zur Bruges Reede auf eine "anti-market" Position fixierte. Danach fand ein allgemeiner Umschwung in Richtung Powell's Argumentation statt, die sich gegen eine Politische Union und einen folglichen Verlust der britischen Selbstregierungsfähigkeit aussprach. Die zweite Hälfte der zweiten Periode markierte somit den "starting point" einer neuen Ära des Euroskeptizismus in Großbritannien.[15]
Drei Kritikpunkte, welche die Premierministerin in ihrer Rede adressierte waren ausschlaggebend für ein neues intensiviertes skeptisches Bewusstsein. "First, she argued that the EC had overstepped the mark in terms of what it was; second, that something pernicious had developed in the process through which European integrations was advanced; and finally, that what the EC aspired to do was inappropriate."[16] Miss Thatchers Worten nach befand sie den Charakter der Europäischen Gemeinschaft keineswegs als einzigartig oder exklusiv, denn schließlich sei die EC nur eine Manifestation europäischer Identität nicht aber die einzige – man bedenke all jene Länder, die nicht Mitglied der EC waren/sind! Weiters, stellte sie die Legitimität der Mehrheitswahlregelung der European Community in bestimmten Belangen in Frage, da diese offensichtlich speziell dann eingesetzt wurde, um die britische Opposition zu umgehen. Weitergehend übte sie auch Kritik an dem rechtlichen Rahmen, der offensichtlich das nationale britische Recht unter das Gemeinschaftsrecht ordnet. In ihrem dritten Kritikpunkt bezieht sie sich auf die Intention der EC ein "United States of Europe" werden zu wollen, was sie aufgrund der verschiedenen Identitäten innerhalb Europas, die sich nicht einfach verschmelzen ließen, als unmögliches Unterfangen artikuliert.[17]
[...]
[1] BBC News, "In Search of Europe: UK", http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8045178.stm, 14.05.2009
[2] Forster Anthony, "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London, 2002, S. 1
[3] Ebd., S. 2
[4] Forster Anthony, "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London, 2002, S. 3
[5] Ebd., S. 11
[6] Teubert, Wolfgang. "Der britische Anit-Europa-Diskurs und seine Schlüsselwörter", Sprachreport, 2/2002, S. 11
[7] Ziwica, Kristine. "Die Bedeutung des 8. Mai 1945 – Großbritannien", http://www6.dw-world.de/de/1955.php
[8] Forster, Anthony. "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London 2002, S. 17-18
[9] Teubert, Wolfgang. "Der britische Anit-Europa-Diskurs und seine Schlüsselwörter, Sprachreport, 2/2002, S. 8
[10] Forster, Anthony. "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London 2002, S.20
[11] Ebd., S. 11
[12] Forster, Anthony. "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London 2002, S. 33-40
[13] Ebd., S. 33
[14] Puleikyte, Kristina. "Euroskepticism in Western Europe: the British EU-skepticism", GeoPolitika, 22.02.2007
[15] Forster, Anthony. "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London 2002, S. 63-81
[16] Ebd., S. 76
[17] Forster, Anthony. "Euroscepticism in contemporary British Politics", Routledge/London 2002, S. 76-77
- Arbeit zitieren
- Anna Scheithauer (Autor:in), 2010, Welche gesellschaftlichen und historischen Wurzeln hat der Euroskeptizismus in Großbritannien?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350708
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