Die Arbeiterschicht ist ein weit gefasster Begriff und hat eine lange historische Entwicklung hinter sich. Der Arbeiter war für die ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland sehr bedeutend und viele Arbeiter haben besonders in der Niedergangsphase der Industrie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein schweres Schicksal erlitten. Über Jahre hinweg, angefangen etwa in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, hat er schwere körperliche Arbeit verrichtet. Es stellt sich die Frage, wie sehr der menschliche Geist bei einer dauernden körperlichen Beschäftigung das Bedürfnis entwickelt, sich intellektuell weiter zu bilden, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf dieses mögliche Bedürfnis Einfluss nehmen und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung auftreten können. Die vorliegende Arbeit geht diesem Gedankengang nach.
Ziel ist es, sowohl einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Arbeiterbildung zu geben, die durchgehend auch politisch beeinflusst worden ist, als auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Arbeiterschicht selbst und ihren schichtspezifischen Merkmalen, Möglichkeiten und Perspektiven zu fokussieren. Zunächst soll verständlich gemacht werden, wie die Lage der Arbeiter in der jeweiligen Phase der Weiterentwicklung aussah und welchen Handlungsspielraum sie besaßen. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich intensiv mit typischen Merkmalen der Arbeiterschicht. Ausgehend von diesen Merkmalen wird dann versucht, schichtspezifische Bildungsbedingungen für die Arbeiter und insbesondere für ihre Kinder abzuleiten bzw. vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels zu problematisieren. Im dritten Teil der Arbeit wird näher auf das heutige Arbeitermilieu eingegangen. Abschließend soll ein zusammenfassender Rückblick auf die Entwicklung der Arbeiterschicht und der Arbeiterbildung statt finden und ein Ausblick in mögliche bzw. gewünschte Zukunftsaussichten gegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Historische Entwicklung der Arbeiterbildung
2.1. Liberale Strömungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Jahrhundertwende
2.2. Politische und gewerkschaftliche Entwicklung seit der Jahrhundertwende
III. Arbeiterschichten
3.1. Problematik von Begrifflichkeiten und von der Erforschung des Arbeitertypus
3.2. Charakteristische Merkmale der Arbeiterschicht
3.3. Schichtspezifische Bildungsbedingungen
3.3.1. Bildungsexpansion
3.3.2. Entproletarisierung
3.3.3. Sozialisationsprozess – familiäre Bedingungen
IV. Welche Rolle spielt die Arbeiterschicht und die Arbeiterbildung in der heutigen Gesellschaft?
V. Literatur
I. Einleitung
Die Arbeiterschicht ist ein weitgefasster Begriff und hat eine lange historische Entwicklung hinter sich. Der Arbeiter war für die ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland sehr bedeutend und viele Arbeiter haben besonders in der Niedergangsphase der Industrie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein schweres Schicksal erlitten. Über Jahre hinweg, angefangen etwa in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, hat er schwere körperliche Arbeit verrichtet und oft gelebt um zu arbeiten. Für weitere Beschäftigungen und Aktivitäten blieb entweder keine Zeit oder keine körperliche Energie mehr übrig. Es stellt sich die Frage, wie sehr der menschliche Geist bei einer dauernden körperlichen Beschäftigung das Bedürfnis entwickelt, sich intellektuell weiter zu bilden, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf dieses mögliche Bedürfnis Einfluss nehmen, wie die Entwicklung eines solchen Bedürfnisses aussehen könnte und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung auftreten können. Die vorliegende Arbeit möchte diesem Gedankengang nachgehen.
Ziel ist es, sowohl einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Arbeiterbildung zu geben, die durchgehend auch politisch beeinflusst worden ist, als auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Arbeiterschicht selbst und ihren schichtspezifischen Merkmalen, Möglichkeiten und Perspektiven zu fokussieren. Erstgenanntes Ziel wird im ersten Teil der Arbeit ausführlich dargestellt, wobei aufgrund der teils raschen Abfolge politischer Geschehnisse oft nicht bis ins Detail vorgedrungen werden kann. Vielmehr soll verständlich gemacht werden, wie die Lage der Arbeiter in der jeweiligen Phase der Weiterentwicklung aussah und welchen Handlungsspielraum sie besaßen. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich zunächst intensiv mit typischen Merkmalen der Arbeiterschicht, die zum Teil. auch kritisch beleuchtet werden sollen. Ausgehend von diesen Merkmalen wird dann versucht, schichtspezifische Bildungsbedingungen für die Arbeiter und insbesondere für ihre Kinder abzuleiten bzw. vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels zu problematisieren. Im dritten Teil der Arbeit wird näher auf das heutige Arbeitermilieu eingegangen. Es soll gezeigt werden, dass sich die Arbeiterschicht als solche nicht aufgelöst, aber eine veränderte Struktur angenommen hat. In diesem Zusammenhang werden verschiedene neue Arten der Arbeitermilieus kurz vorgestellt und charakterisiert. Abschließend soll ein zusammenfassender Rückblick auf die Entwicklung der Arbeiterschicht und der Arbeiterbildung statt finden und ein Ausblick in mögliche bzw. gewünschte Zukunftsaussichten gegeben werden.
II. Historische Entwicklung der Arbeiterbildung
2.1. Liberale Strömungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Jahrhundertwende
Die historische Entwicklung der Bildungsarbeit wird in diesem Teil der Arbeit vom dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts an schrittweise nachgezeichnet. Die Geschichte der Arbeiterbildung setzte zwar schon früher ein; auf die Industriepädagogik des 18. Jahrhunderts von Pestalozzi und auf die Handwerkerbildung, die zeitlich in die Epoche der liberalen Strömungen einzuordnen ist, soll an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden.
Nach Emil Blum kann man einen ersten Zeitabschnitt für die ersten freien Handwerkervereine des Vormärz[1]. bestimmen. Inhalte wie die Religion, die Bürgerrechte und die Organisation der staatlichen Institutionen waren in dieser Zeit von Bedeutung. Die regelmäßigen Treffen der Vereinsmitglieder hatten darüber hinaus den Sinn, gemeinsam beisammen zu sitzen und sich auszutauschen, zu singen und Kontakte zu pflegen. Auf diese Art und Weise erfüllten die Handwerkervereine zwei Ziele. Zum einen sind durch die gemeinsame Kommunikation auch gemeinschaftliche Werte und Sitten geprägt worden, zum anderen hatte diese Kommunikation durchaus positiven Einfluss auf die ökonomischen Beziehungen unter den Handwerkern und die mit dem Markt verbundenen Ordnungen und Systeme der Arbeiterschaft. Mit anderen Worten wurde der Erhalt der Arbeiterschicht grundlegend durch die gemeinsame Bildung mit den oben genannten Inhalten einerseits und dem kommunikativen Moment andererseits unterstützt.
Hinzu kam ein weiterer wichtiger Aspekt. In Zeiten wirtschaftlicher und politischer Unbeständigkeit der Nation war es von enormer Bedeutung, die wirtschaftlich Unterprivilegierten und Schwächeren zu unterstützen, um mögliche Aufstände und große Notlagen unter diesen Menschen zu vermeiden. Dies war nur durch bestimmte Kenntnisse möglich, die durch die Vereine zumindest einen Teil der Bevölkerung erreichte. Problematisch war, dass die Handwerkervereine zum Teil sogar für propagandistische Zwecke der revolutionären Arbeiterschichten missbraucht wurden, indem diese ihre politischen Vorstellungen in die Vereinssitzungen einfließen ließen. Das veranlasste wiederum die Gegenseite, die christlich-konservativ Orientierten, zu dem Versuch, durch vermehrte Bildungsangebote einen anziehenden Gegenpol zu bieten, was größtenteils auch gelang.
Diese Phase dauerte nur bis zum Jahre 1853, in welchem der Deutsche Bundestag die bundesweite Schließung nahezu aller Vereine aufgrund ihrer politischen Orientierungen beschloss. Der zuvor schon bedeutende Hamburger Bildungsverein blieb mit einigen wenigen anderen bestehen, da er beschloss, sich infolge der staatlichen Auflagen zu entpolitisieren.
Mit dem im Jahr 1859 gegründeten „Deutschen Nationalverein“ wurde aber bereits eine neue Ära gekennzeichnet. Die Industrialisierung schritt rasch voran, die Arbeiterschaft begann erneut, ihre politische Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun und sich gegen die Oberklasse aufzulehnen, indem sie sich in Arbeiterbildungsvereinen zusammen schloss. In dieser Phase vereinigten sich die liberalen Ströme mit den Arbeiterschichten aus zwei Gründen: Man wollte gemeinsam die kommunistischen Bewegungen zurück drängen, um liberale Zielsetzungen, z.B. eine freie Entwicklung der Wirtschaft, und demokratische Grundlagen zu verteidigen. Darüber hinaus wurde allgemeine Gewerbefreiheit und die Einführung des allgemeinen Wahlrechts erstrebt. Erstere wurde im Jahre 1869 im Norddeutschen Bund durchgesetzt. Neben diesen wichtigen politischen Zielsetzungen verfolgten die Arbeiterbildungsvereine selbstverständlich auch die arbeitsspezifische Bildung der einzelnen Arbeiter zur Förderung ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit und zur Unterstützung ihres Selbstbewusstseins gegenüber den kapitalorientierten Oberschichten. Trotz der Bemühungen seitens der liberalen Arbeiterbildungsvereine konnte aufgrund der gravierenden und folgeschweren industriellen Umwälzungen nicht die gewünschte Entproletarisierung erreicht werden.
Eine Ausnahme bildete der im Jahr 1863 von Lassalle gegründete ‚Allgemeine deutsche Arbeiterverein’, der den geringen Teil der Arbeiterbildungsvereine, die sich ihm anschlossen, unabhängig von der bürgerlichen Oberschicht machte. Kurz darauf wurde unter Sonnemann der Verband deutscher Arbeitervereine gegründet, mit dem sozialpolitische Ansätze ihren Ursprung fanden und ein erneutes reges Vereinsleben begann. Der kurz darauf folgenden Krise der Arbeitervereine liegt der historische Hintergrund der sogenannten deutschen Frage zugrunde. Sie führte letztendlich zu einem Bruch im gemeinsamen Willen der Arbeiterschaft und zur Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisenach am 7. August 1869. Der Verband deutscher Arbeitervereine löste sich auf und die Vereine schlossen sich der neugegründeten Partei an. Von diesem Zeitpunkt an war das politische Engagement der Arbeiterschaft und vor allem der von ihr geäußerte Wunsch nach adäquaten Bildungsmöglichkeiten noch bedeutender als zuvor, zumal neben den politischen Parteien auch andere Institutionen in stärkerem Maß versuchten, Arbeitnehmer durch verschiedene Parteiprogramme und Bildungsinitiativen für sich zu gewinnen. Auf diese Entwicklung soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden.
2.2. Politische und gewerkschaftliche Entwicklung seit der Jahrhundertwende
Die intensive Verflechtung der Vereine mit der im Jahr 1875 vereinigten Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands führte nach dem Parteitag im Jahre 1905 zu einer verstärkten Förderung der Bildungsarbeit durch regionale und zentrale institutionelle Einrichtungen. Interessant ist der Aspekt, dass es durchaus Diskrepanzen zwischen den Interessen der Arbeiter und den Interessen der Partei hinsichtlich der Bildungsinhalte gab. Während es für die Partei wichtig war, politische und historische Inhalte zu vermitteln, wollten die Arbeiter praxisorientierte Themenbereiche wie z.B. Inhalte der Buchführung und betriebswirtschaftliche Grundlagen erlernen. Erschwerend für die Durchsetzung der Interessen der SPD kam hinzu, dass auch die Kirchen und Arbeitgeber unterschiedliche Wissens- und Theorieansätze vermitteln wollten.
Der erste Weltkrieg bedeutete für die Arbeiterbildung und die Auseinandersetzungen zwischen den Anbietern der Bildung einen kurzzeitigen Bruch. Sie ging in dieser Zeit völlig unter, doch bereits kurz nach dem Krieg wurden die zuvor herrschenden „Gegensätze zwischen konservativer, liberaler, konfessioneller und sozialistischer Bildungsarbeit“[2] erneut deutlich. „Die politische Arbeiterbildung der Weimarer Republik war durch vier Hauptströmungen gekennzeichnet: 1. die sozialdemokratische, 2. die gewerkschaftliche, 3. die kommunistische Arbeiterbildung und 4. die Volkshochschulbewegung.“[3] Die SPD überließ in dieser Phase die Arbeiterbildung weitgehend dem Staat und der einsetzenden gewerkschaftlichen Entwicklung.
In den Jahren zwischen 1919 und 1923 war die Funktionärbildung vorherrschend, danach traten politische Interessen innerhalb der Arbeiterbildung in stärkerem Maße in den Vordergrund. Die im Jahre 1920 gegründete Akademie der Arbeit kann als Zeichen für eine inhaltliche Ausdehnung der Arbeiterbildung und das Aufkommen eines neuen Denkansatzes verstanden werden. Sie verhalf vielen Arbeitern zu einer qualifizierten Ausbildung und zu beruflichem Aufstieg und wurde daher von vielen „Gewerkschaftler(n) und Sozialdemokraten (als) die Krönung der deutschen Arbeiterbildung“[4] betrachtet.
[...]
[1] Blum, Emil: Arbeiterbildung als existenzielle Bildung. Bern und Leipzig, 1935. S.26ff.
[2] Hilmer, Johannes/ Zaib, Volker: Arbeiterbildung und Arbeiterkultur im östlichen Ruhrgebiet. Beiträge zur Arbeiterbildung, zur Maifeier und zum Leseverhalten. Dortmund, 1997. S.14
[3] Ebd.
[4] Hilmer, Johannes/ Zaib, Volker: Arbeiterbildung und Arbeiterkultur im östlichen Ruhrgebiet. Beiträge zur Arbeiterbildung, zur Maifeier und zum Leseverhalten. Dortmund, 1997. S.18
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- Yvonne Metzger (Author), 2004, Arbeiterbildung - Entwicklung, Probleme und Bedeutung innerhalb der Arbeiterfamilie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34726
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