Eltern und Lehrer sehen sich immer häufiger mit Kindern konfrontiert, bei denen ADHS diagnostiziert wurde. In einem Interview mit Jesper Juul unter dem Titel „ADHS ist Folge professioneller Vernachlässigung“, veröffentlicht auf derstandard.at, wird dieses Thema aufgegriffen und näher betrachtet.
Er reißt dabei ein pädagogisches und gesellschaftliches Problem auf, welches laut ihm hinter dieser Krankheit steckt. Die Diagnose ist recht schnell durch Ärzte bestätigt, doch unklar bleibt, wie man dieser Modeerscheinung pädagogisch oder gesellschaftlich begegnen kann. Interessant an diesem Interview ist in erster Linie der Aspekt der Verallgemeinerung, die Jesper Juul darin verwendet. Um seiner Argumentation zu folgen, erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig zu klären, welche Grundannahmen und Generalisierungen Jesper Juul für seine Argumentation verwendet und welche implizit mitgedacht, aber nicht ausgesprochen werden.
In dieser Arbeit wird nicht die Krankheit ADHS im Mittelpunkt stehen, sondern es soll anhand des Interviews und mithilfe einer theoretischen Methode herausgearbeitet werden, was Jesper Juul meint, wenn er Begriffe wie „Eltern“, „Erwachsenen“ und „Kinder“ verwendet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Überlegungen
2.1 Helen Verran
2.2 Schlüsselbegriffe
3. Datenmaterial
3.1 Ausschnitt 1
3.2 Ausschnitt 2
3.3 Ausschnitt 3
4. Analyse
4.1 Ausschnitt 1
4.2 Ausschnitt 2
4.3 Ausschnitt 3
5. Schlussbemerkungen
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eltern und Lehrer sehen sich immer häufiger mit Kindern konfrontiert, die ADHS diagnostiziert bekommen haben. In einem Interview von Jasper Juul mit dem Titel „ADHS ist Folge professioneller Vernachlässigung“, veröffentlicht auf derstandard.at, wird dieses Thema aufgegriffen und näher betrachtet. Er reißt dabei ein pädagogisches und gesellschaftliches Problem auf, welches laut ihm hinter dieser Krankheit steckt. Die Diagnose ist recht schnell durch Ärzte bestätigt, doch unklar bleibt wie man dieser Modeerscheinung pädagogisch oder gesellschaftlich begegnen kann. Interessant an diesem Interview ist in erster Linie der Aspekt der Verallgemeinerung die Jesper Juul darin verwendet. Um seinen Argumentationen zu folgen erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig zu klären, welche Grundannahmen und Generalisierungen Jasper Juul für seine Argumentation verwendet und welche implizit mitgedacht aber nicht ausgesprochen werden. In dieser Arbeit wird nicht die Krankheit ADHS im Mittelpunkt stehen, sondern es soll anhand des Interviews und mithilfe einer theoretischen Methode herausgearbeitet werden, was Jesper Juul meint, wenn er Begriffe wie „Eltern“, „Erwachsenen“ und „Kinder“ verwendet. Auf Basis dieser Ausganssituation lässt sich folgende Forschungsfrage formulieren:
Wie können die von Jasper Juul in seinem Interview gemachten Generalisierungen einer ordnenden/geordneten Mikrowelt anhand des Konzepts des imagninary von Helen Verran dekonstruiert und sichtbar gemacht werden?
Ein wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit ist es, das Datenmaterial mittels Konzept des imaginary, generalization und ordered/ordering microworld von Helen Verran auf mögliche Antworten für diese Fragestellung hin zu analysieren.
Im ersten Teil der Arbeit werden die theoretischen Überlegungen zu den wichtigsten Ausgangspunkten, die der Fragestellung zugrunde liegen, aufbereitet. Es werden die verwendeten theoretischen Begriffe eingeführt und näher erläutert. Im weiteren Schritt wird das Datenmaterial vorgestellt und anschließend mit Hilfe der zuvor vorgestellten Methode von Helen Verran auf die Fragestellung hin analysiert. Abschließend werden die Analyse des Datenmaterials und die sich daraus ergebenen Antworten zusammengefasst und weitere Möglichkeiten aufgezeigt.
2. Theoretische Überlegungen
2.1 Helen Verran
Obwohl Helen Verran ursprünglich Naturwissenschaften studiert hat, konnte sie sich in den postkolonialen Science and Technology Studies (STS) einen Namen machen und gilt als eine Pionierin dieser Forschungsrichtung (vgl. Raasch/Sørensen 2014, S. 257). Helen Verran hatte als Dozentin in Nigeria die Aufgabe die dortigen Lehrer in ihrer Lehrpraxis aus- und weiterzubilden. Das Ziel war den Lehrern Praktiken zu vermitteln, damit diese einen Mathematikunterricht mit ca. 50 Kindern ohne zusätzliche Materialien durchführen konnten. Im Rahmen ihrer Hospitation in den Unterrichtseinheiten ihrer Studentinnen hatte Verran eine Art Unruhe1 verspürt. Diese wurde in dem Moment ausgelöst, also sie beobachtete, dass die Zahlenlogik der Yoruba und die für sie übliche Westliche2 Differenzen aufwiesen. Mit dieser Unruhe wollte sie sich auseinandersetzen und hat darüber das 2001 erschienene Buch Science and an African Logic geschrieben. Über diese Unruhe, die Verran in ihren Beobachtungen verspürt hat, vertieft sie sich in die theoretischen Überlegungen, wie Wissen generiert wird. In diesen Überlegungen machte sie die Entdeckung, dass sich ihre kulturrelativistische Sichtweise mit der der Yoruba nicht vereinbaren lässt und stellt ihre eigene somit in Frage. Sie musste ihre Vorstellung, dass Welt, Wissen und Wissender a priori und getrennt voneinander existieren, aufgeben und erkennen, dass es eine Unabhängigkeit dieses Tripletts nicht gibt. Wenn dem so wäre, würde sich der Forscher stets als distanzierter beurteilender Beobachter und nicht als Teil des Prozesses verstehen (vgl. Verran 2001b, S. 34f).
2.2 Schlüsselbegriffe
Verran hatte erkannt, dass durch die Trennung des Ontischen und des Epistemischen ein Spannungsverhältnis aufrecht gehalten wird, welches Sie als Unruhe empfunden hat. Sie versucht diese beiden Ebenen zusammen zu denken und geht dabei davon aus, dass diese miteinander verschränkt sind. Sie sucht nach Möglichkeiten das zu untersuchen. Dabei bedient sie sich des Begriffs imaginary (vgl. Raasch/Sørensen 2014, S. 259). Bei der Beschreibung des imaginary bedient sie sich dem Kulturtheoretiker Michael Carter, der das imaginary als etwas beschreibt, dass sich im Unterschied zu imagination and fantasy nicht im Gedächtnis abspielt und auch kein Ding ist, sondern eine allumfassende und übergreifende Relation ist (vgl. Verran, 2001b, S. 37, m. Ü.). Das imaginary kann als etwas verstanden werden, dass sich aus praktizierten kollektiven Handlungen, Bildern und Geschichten entwickelt und durch Tradierung weiterlebt (vgl. Raasch/Sørensen 2014, S. 259).
Laut Verran besteht die Welt sowohl aus Material als auch aus Bildern und Geschichten. Die Wiederholung dieser Bilder und Geschichten machen aus ihnen Routinen und Rituale, die wiederum die Welt in der sie vorkommen ordnen. Dies nennt Verran Mikrowelten, diese entstehen dort wo kleine materielle Rituale oder tägliche Routinen stattfinden. Diese Routinen und Rituale laufen nach einem bestimmten Muster ab wodurch sie strukturiert sind. Die Mikrowelt ist demnach nicht nur in sich selbst geordnet, sondern ordnet auch den Akteur in ihr (vgl. Verran, 2001c, S. 160). Durch geordnete/ordnende Mikrowelt wird alles was das Ritual in diesem Moment nicht betrifft ausgeblendet und das Leben in diesem Moment sehr stark vereinfacht (vgl. ebd. S. 159). Dieser Ordnungsprozess stellt eine wesentliche Generalisierung dar, die als Praxis zu verstehen ist und erst erlernt werden muss Die Fähigkeit zu generalisieren bedeutet also die Komplexität einer ordnenden/geordneten Mikrowelt zu vereinfachen. Werden Generalisierungen wiederholt hergestellt so werden diese zu einem Ritual was Verran clotting nennt (vgl. ebd. S. 162).
3. Datenmaterial
Anhand eines Interviews von Jesper Juul mit dem Titel „ADHS ist Folge professioneller Vernachlässigung“ veröffentlich am 19. Mai 2013 auf derstandard.at, soll untersucht werden, wie der Autor welche Generalisierungen vornimmt. Jesper Juul wurde 1948 in Dänemark geboren, ist Lehrer, Gruppen- und Familientherapeut, Konfliktberater und Buchautor. Er studierte Geschichte, Religionspädagogik und europäische Geistesgeschichte. Statt die Lehrerlaufbahn einzuschlagen, nahm er eine Stelle als Heimerzieher und später als Sozialarbeiter an und ließ sich zum Familientherapeuten ausbilden. Er ist Begründer des Family Lab Österreich.
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1 Es wurden einige Zitate/Wörter in eigener Übersetzung und andere im Original übernommen, je nachdem es im Gesamtkontext besser gepasst hat.
2 Der Begriff „westlich“ soll nicht als Gegensatz zum Rest der Welt verstanden werden, sondern viel mehr als eine andere ordnende/geordnete Struktur als die der Yoruba, somit stehen sich die beide „Welten“ nicht gegensätzlich gegenüber, sondern existieren gleichzeitig und gleichwürdig (vgl. Raasch/Sørensen 2014, S. 257).
- Arbeit zitieren
- Anja Walter (Autor:in), 2015, Generalisierungen bei Jesper Juul, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346741
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