In Europa fanden schon immer Migrationsbewegungen statt. Ohne Migration wären manche Gegenden noch heute von Wald und Sumpfgebieten bedeckt, so zum Beispiel unsere Hauptstadt Berlin. In den letzten Jahrzehnten konnte jedoch eine auffällige Veränderung des Wanderungsmusters festgestellt werden, denn sie verläuft meist von Osteuropa nach Westeuropa. Diese Wanderungsform, die auch als Ost-West-Migration bezeichnet wird, bildet den Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Dabei sollen zu Beginn zentrale Begriffe und Konzepte erklärt werden, die für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel relevant sind. Im Anschluss widmet sich die Arbeit der Betrachtung der Migrationsbewegungen seit dem Ende der realsozialistischen Staaten Osteuropas unter Berücksichtigung ethnischer Minderheiten, wie zum Beispiel den deutschen Aussiedlern. Es folgt ein Einblick in den Bürgerkrieg Jugoslawiens, sowie eine Analyse der Auswirkungen der EU-Osterweiterungen der Jahre 2004 und 2007. Das Augenmerk wird dabei nicht nur auf die Analyse quantitativer Daten, sondern auch auf die Untersuchung qualitativer Daten, wie Interviews gelegt, um auch etwas über die Lage der Menschen aussagen zu können. Eine Untersuchung der Ost-West-Migration ist in der Hinsicht sinnvoll, als dass sie uns Erkenntnisse zur Bewältigung der momentanen Flüchtlingskrise aus dem Nahen Osten liefern kann, um aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und den Menschen wirklich helfen zu können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Für den Kontext der Ost-West-Migration relevante Migrationsbegriffe und das Modell der Dimensionen von Staatlichkeit
2.1 Relevante Migrationsbegriffe
2.2 Die Dimensionen der Staatlichkeit
3. Migration aus Staaten des Warschauer Paktes und der ehemaligen UdSSR nach Deutschland
4. Zerfall und Bürgerkrieg: Der „failed state“ Jugoslawien und die Auswirkungen auf das Migrationsgeschehen
5. Die EU-Osterweiterungen 2004 und 2007 und ihre Folgen für die Ost-West-Migration
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Europa fanden während seiner Geschichte schon immer Migrationsbewegungen statt. Ohne Migration wären manche Gegenden noch heute von Wald und Sumpfgebie-ten bedeckt, so z.B. unsere Hauptstadt Berlin. In den letzten Jahrzehnten konnte jedoch eine auffällige Veränderung des Wanderungsmusters festgestellt werden, denn sie ver-läuft meist von Osteuropa nach Westeuropa. Diese Wanderungsform, die auch als Ost-West-Migration bezeichnet wird, bildet den Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dabei sollen zu Beginn zentrale Begriffe und Konzepte erklärt werden, die für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel relevant sind. Im Anschluss widmet sich die Arbeit der Betrachtung der Migrationsbewegungen seit dem Ende der realsozialistischen Staaten Osteuropas unter Berücksichtigung ethnischer Minderheiten, wie z.B. den deutschen Aussiedlern. Es folgt ein Einblick in den Bürgerkrieg Jugoslawiens, sowie eine Analyse der Auswirkungen der EU-Osterweiterungen der Jahre 2004 und 2007. Das Augenmerk wird dabei nicht nur auf die Analyse quantitativer Daten, sondern auch auf die Untersu-chung qualitativer Daten, wie z.B. Interviews gelegt, um auch etwas über die Lage der Menschen aussagen zu können. Eine Untersuchung der Ost-West-Migration ist in der Hinsicht sinnvoll, als dass sie uns Erkenntnisse zur Bewältigung der momentanen Flüchtlingskrise aus dem Nahen Osten liefern kann, um aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und den Menschen wirklich helfen zu können.
2. Für den Kontext der Ost-West-Migration relevante Migrationsbegriffe und das Modell der Dimensionen von Staatlichkeit
In diesem Kapitel werden für die Ost-West-Wanderung relevante Migrationsbegriffe kurz dargestellt und anhand der in späteren Kapiteln näher erläuterten Beispiele erklärt, um eine Verständnisbasis für die nachfolgenden Kapitel zu schaffen. Abschließend wird das Modell der Dimensionen von Staatlichkeit erklärt, welches neben den gängigen Modellen, wie z.B. das Push-Pull-Modell der Migration nach Everett, die Erklärung einzelner Migrationsmotivationen ermöglicht. Zentrale Begriffe werden dabei besonders hervorgehoben.
2.1 Relevante Migrationsbegriffe
Schon vor der Gründung der Sowjetunion migrierten viele Deutsche in das damalige und heutige Russland. Durch Deportation , der staatlich erzwungenen Umsiedlung von Menschen in ein anderes Siedlungsgebiet (Bartram et al. 2014:44), gelangten viele Mit-glieder der deutschstämmigen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs in andere Teile der Sowjetunion, insbesondere nach Kasachstan. Zu Beginn der 1990er Jahre, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, kehrten viele deutschstämmige als Aussiedler bzw. Spätaussiedler (die genaue Bezeichnung hängt vom Jahr der Rückkehr ab, vor 1992 fand der Begriff Aussiedler Verwendung, danach der Begriff Spätaussiedler) nach Deutschland zurück. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten konnte regelte das Grundgesetz im Artikel 116 (Deutscher Bundestag 2014:117). Auch heute lebt noch eine deutschstämmige Minderheit in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der UdSSR in diffus verteilten Territorien, und teilen ihre gemeinsame Kultur und Sprache. Der diffuse Lebensraum einer Ethnie jenseits der Heimat und das Teilen gemeinsamer Werte wird unter dem Begriff Diaspora zusammengefasst (Bartram et al. 2014:48).
Mit zunehmender Dauer des Jugoslawienkriegs verließen immer mehr Menschen, auf Grund zunehmender Verfolgung und Sicherheitsrisiken ihr Land, um in anderen Län-dern, vor allem in Westeuropa, Schutz zu suchen. Die Wanderungsbewegung als sol-che wird in diesen Fällen als Flucht bezeichnet, die Fliehenden und Schutzsuchenden als solche werden als Asylsuchende bezeichnet (Bartram et al. 2014:106).
Ein weiterer wichtiger Faktor, der Migrationsbewegungen begünstigt, stellt die Arbeits-migration dar. Die Motivation der Migration liegt hier vor allem darin begründet, dass Menschen in einem anderen Land, aus unterschiedlichen Gründen, eine Arbeitsstelle antreten wollen (Bartram et al. 2014:91). Vergleichbar damit ist die Bildungsmigration , bei der Menschen am Bildungssystem eines anderen Landes teilhaben wollen, da diese z.B. qualitativ hochwertiger, als in ihrem Heimatland ist (Freytag et al. 2015:94f.).
Ein weiteres wichtiges Phänomen stellt die Transnationale Migration bzw. der Trans-nationalismus dar. Der Transnationalismus stellt eine Form der Migration dar, bei der die Migranten sich in das Einwanderungsland integrieren und gleichzeitig im engen Bezug zu ihrem Heimatland stehen (Bartram et al. 2014:140). Das Modell des Transna - tionalismus umfasst dabei verschiedene Indikatoren, z.B. die Transmobilität (z.B. hochfrequentes hin-und herreisen zwischen dem Herkunfts- und dem Einwanderungs-land), die Transkulturalität (z.B. Mehrsprachigkeit) und die Transidentität (Verbunden-heit sowohl mit dem Herkunfts- als auch dem Einwanderungsland (Glorius 2007:64).
Des weiteren spielen Migrationsnetzwerke eine wichtige Rolle in der Ost-West-Migrati-on. Migrationsnetzwerke stellen soziale Netzwerke dar (meist von Menschen aus dem selben Herkunftsgebiet), die Neuankömmlingen bei der Suche nach einer Wohnung und einer Arbeitsstelle, sprich, bei der Systemintegration, helfen (Bartram et al. 2014:94f.).
2.2 Die Dimensionen der Staatlichkeit
Staaten sollen in erster Linie ihrer Bevölkerung dienen, sowie die Rahmenbedingungen für ein geordnetes und friedliches Leben aufstellen, sodass jeder Mensch individuell und in Freiheit sicher mit den anderen Teilnehmern der Gesellschaft zusammenleben kann. Kann der Staat diese Rahmenbedingungen teilweise oder gar nicht erfüllen, so führt dies zu einer politischen und damit zu einer gesellschaftlichen Krise (Universität Bremen 2006:42), die letztlich zu einem sogenannten „failed state“ und damit zu Migration führen kann. Das Modell der Dimensionen der Staatlichkeit zeigt auf, welche Dimensionen eines Staates funktionieren müssen, damit dieser als funktionierend betrachtet werden kann.
Die erste Dimension, die Ressourcendimension , ist die grundlegendste aller Dimen-sionen, denn sie ist die Grundlage dafür, dass ein Staat die Kontrolle über sein Territori-um halten kann. Ein Staat muss in der Lage sein, das Gewalt- und Steuermonopol zu übernehmen (Universität Bremen 2006:42f.). Die zweite Dimension stellt die Rechtsdi-mension dar. Ein funktionierender Staat benötigt eine Verfassung und eine gerechtes und menschenwürdiges Rechtssystem, das keinen Menschen auf Grund seiner Her-kunft o.ä. benachteiligt (Universität Bremen 2006:43f.). Die Legitimationsdimension stellt die dritte Dimension dar. Ein Staat ist dann legitim, wenn er demokratisch ist und seine Bürger ihm loyal gegenüber sind (Universität Bremen 2006:46). Die vierte und letzte Dimension stellt die Wohlfahrtsdimension dar. Ein Staat muss in der Lage sein, für seine Bevölkerung zu sorgen und dafür in gewissen Fällen intervenieren, indem er z.B. in das Kräfteverhältnis innerhalb der freien Marktwirtschaft eingreift, um die Aus-beutung von Arbeitnehmern zu verhindern (Universität Bremen 2006:49f.).
3. Migration aus Staaten des Warschauer Paktes und der ehemaligen UdSSR nach Deutschland
Die ideologische und physische Trennung Europas in zwei Teile hatte Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen. Bis 1990 war eine Auswanderung von Bürgern aus den realsozialistischen Ländern Osteuropas nur schwer möglich (Gebhardt et al. 2013:360). Dies änderte sich erst mit dem Niedergang der DDR 1989 und der Sowjetunion 1991, da nun die restriktiven Ausreiseregelungen gelockert wurden.
Anhand von Abbildung 1 lassen sich die darauf folgenden Entwicklungen analysieren, dabei bleiben die Fortzüge erst einmal unberücksichtigt, da nur der reine Bruttowande-rungsstrom untersucht werden soll. 1991 wanderten 1,2 Mio. Menschen nach Deutsch-land ein, im Jahr 1992, als die Sowjetunion formal aufgelöst war, über 1,4 Millionen. Dieser Wert stellt zugleich im Diagramm den Höchstwert dar. In den darauf folgenden Jahren 1993-1996 sind die Werte ebenfalls hoch, fallen aber dann wieder ab und pen - deln sich um ein Niveau von 800000 Zuzügen ein. Betrachtet man die Zuzugswerte getrennt nach ausgewählten ehemaligen realsozialistischen Staaten für die Jahre 1990 und 1991 (siehe Abbildungen 2 und 3), so stellt man fest, dass die meisten Einwande-rer, wenn man die jeweiligen beiden Jahreswerte addiert, aus Polen (471165 Einwande-rer), der Sowjetunion (390633 Einwanderer) und Rumänien (258775 Einwanderer) stammen. Es wird deutlich, dass für die hohen Zuzugsraten zu Beginn der 1990er Jahre Menschen aus diesen drei Ländern verantwortlich waren, unter denen sich viele deutschstämmige Aussiedler befanden.
Abbildung 4 zeigt, wie sich die Einwanderungszahlen der Aus- und Spätaussiedler ent-wickelten. Konnten zwischen 1985 und 1988 auf Grund der trotz der zunehmenden Politik der Öffnung im gesamten Ostblock immer noch bestehenden politischen Restrik-tionen nur wenige Aussiedler nach Deutschland auswandern, stieg die Zahl der Aus-siedler im Jahr 1989 auf über 350000 an und erreichte im Jahr 1990 mit annähernd 400000 ihren Höchstwert. Auch in den Folgejahren blieb die Anzahl mit ungefähr 200000 Aus- und Spätaussiedlern konstant hoch, bis sie ab 1997 langsam abfiel. Auffäl-lig ist, dass die meisten Aussiedler im Jahr 1989 aus Polen stammen (ca. 250000) und die Anzahl der Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion mit ca. 90000 zunächst eine untergeordnetere Rolle spielt, wohingegen sich in den Folgejahren das Kräfteverhältnis umdreht. Dies ist dadurch zu erklären, dass sich die Sowjetunion erst zum Ende des Jahres 1991 auflöste und damit die strikten Ausreiseregelungen passé wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zu- und Fortzüge nach und von Deutschland 1991-2006 (Schimany 2007:60)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zuzüge in das Gebiet der heutigen BRD im Jahr 1990 nach ausgewählten Ländern. Dabei wurden die Werte für die Zuzüge in die BRD und die DDR zum einfacheren Vergleich addiert. Eigene Darstellung. Datengrundlage: (Statistisches Bundesamt 1992:90f.).
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- Stefan Strauß (Autor), 2016, Ost-West-Migration in Europa. Umbrüche und Entwicklungen seit den 1980er Jahren, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346716
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