Das Fallbeispiel ,,Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt“, ist von Thomas Stuckert verfasst worden und stammt aus dem Buch ,,Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt“, das im Jahre 1995 erschien. Es verdeutlicht, dass bereits frühste negative Erfahrungen in der Kindheit prägend für das spätere Aggressionspotential eines Jugendlichen sein können.
Der Textausschnitt ist in drei Teile gegliedert und beginnt damit, dass Stefan selbst von seiner Kindheit erzählt (Z.1-15). Stefan vermutet, den größten Teil seiner kindlichen Erfahrungen verdrängt zu haben. Er wisse lediglich von vielen Problemen im Kindergarten und in der Schule. In seinem Kindergartenbericht habe gestanden, dass er ein auffälliges Kind gewesen sei, das sich durch einen zerstörerischen Charakter bemerkbar gemacht hat. Aufgrund dessen habe man dort die Vermutung aufgestellt, er würde zuhause viel alleine gelassen. Stefan kann sich noch erinnern, oft Wutanfälle gehabt und viel Aufmerksamkeit gebraucht zu haben.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Autor mit seinem Buch Gewaltprävention vornehmen möchte. Der Verfasser macht mit dem Fall ,,Stefan“ deutlich, dass traumatische Erlebnisse in der Kindheit verantwortlich für den Ausbruch späterer Aggressionen sein können und dass Eltern durch ihre Handlungen solche Traumata bei ihren Kindern hervorrufen können.
Anhand des vorliegenden Fallbeispiels ,,Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt" werde ich die Sozialisationstheorie von Hurrelmann erläutern. Das Fallbeispiel lässt sich mit Hilfe von Hurrelmanns alterstypischen Entwicklungsaufgaben analysieren, da Stefan diese unzureichend bewältigt hat.
Analyse des Fallbeispiels "Stefan H. - Mein Weg aus der Gewalt" von Thomas Stuckert
Das Fallbeispiel „Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt“, ist von Thomas Stuckert verfasst worden und stammt aus dem Buch „Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt“, das im Jahre 1995 erschien. Es verdeutlicht, dass bereits frühste negative Erfahrungen in der Kindheit prägend für das spätere Aggressionspotential eines Jugendlichen sein können.
Der Textausschnitt ist in drei Teile gegliedert und beginnt, in dem Stefan selbst von seiner Kindheit erzählt (Z.1-15). Stefan vermutet, den größten Teil seiner kindlichen Erfahrungen verdrängt zu haben. Er wisse lediglich von vielen Problemen im Kindergarten und in der Schule. In seinem Kindergartenbericht habe gestanden, dass er ein auffälliges Kind gewesen sei, das sich durch einen zerstörerischen Charakter bemerkbar gemacht hat. Aufgrund dessen habe man dort die Vermutung aufgestellt, er würde Zuhause viel alleine gelassen. Stefan kann sich noch erinnern, oft Wutanfälle gehabt und viel Aufmerksamkeit gebraucht zu haben. Er erzählt, dass in weiteren Berichten zudem gestanden habe, dass er in ruhigen Situationen oft laut geschrien, einen extremen Bewegungsdrang und eine geringe Konzentrationsfähigkeit gehabt hat. Stefan vermutet, dass sein Fehlverhalten mit dem Umzug einer gewissen Frau H. und der Scheidung seiner Eltern zusammengehangen hat. Im nun folgenden zweiten Abschnitt schildert Stefans Mutter knapp ihren Lebenslauf und wie sie Stefans Kindheit erlebt hat (Z. 16-39). Sie berichtet, dass sie einem sehr strengen Elternhaus groß werden und jung eine Ehe eingehen musste. Ihre frühe Schwangerschaft sei von ihren Eltern zudem schwer verurteilt worden. Sie fügt hinzu, dass ihr Mann starker Alkoholiker gewesen ist und sich betrunken immer grob und unberechenbar verhalten habe. Nur im nüchterneren Zustand soll er nett und liebenswürdig mit ihr umgegangen sein. Während ihrer Schwangerschaft habe sie alles versucht, um die Geburt ihres Kindes zu verhindern, was sich am Ende jedoch als zu schwierig dargestellt hat. Als Stefan dann ein Jahr alt war, habe sie sich aufgrund der ständigen Seitensprünge ihres Mannes, scheiden lassen. Sie berichtet, dass Stefan mehr mitbekommen haben muss, als sie zunächst annahm, da er trotz voller Gesundheit, Probleme bei der Sprachentwicklung hatte und Schlafstörungen entwickelte. Im Schlaf soll er panisch nach ihr gerufen haben, ohne dass ein Wachrütteln geholfen hätte, weshalb sie Beruhigungsmittel für ihn besorgt hat. Nach der Scheidung sei ihr Ehemann nicht zu den vereinbarten Treffen mit den Kindern erschienen, worüber sie sich jedoch freute. Sie hebt hervor, als Stefans Bezugsperson auszureichen. Im dritten Abschnitt spricht Stefan über die Probleme, die ihn während seiner Jugend stark belastet und zum erneuten Ausbrechen seiner Aggressionen geführt haben (Z. 40-70). Stefan berichtet, dass seine innere Last mit 16 Jahren so extrem geworden sei, dass er es nicht mehr geschafft habe, sie zu bewältigen. Er erzählt von seinen Eltern, die sich nach 15 Jahre Ehe aufgrund ihrer Eheprobleme trennten und von seinen Lernschwierigkeiten, die nach dem Schulwechsel auf das Gymnasium hinzukamen. Obwohl Stefan stark auf seine Mutter fixiert sei und nur bei ihr Halt finden könne, so habe er seinen Stiefvater dennoch als Vaterfigur betrachtet, der er jahrelang Achtung und Respekt entgegengebracht hat. Stefan betont, dass sein Vater sehr streng gewesen sei und den Kindern kaum Freiräume gelassen hat. Erst nach dem vorübergehenden Auszug des Vaters, habe sich Stefan endlich stark und frei fühlen können, da er in seinem Tun von niemandem mehr eingeschränkt worden ist. Stefan fügt hinzu, dass seine Mutter mit der Situation jedoch überfordert gewesen sei und sich nicht ausreichend um ihn kümmern konnte. Er betont, dass er sehr unter der Trennung seiner Eltern gelitten habe. Er vermutet, dass er durch die Trennung seiner Eltern unterbewusst an den frühen Rückzug seines leiblichen Vaters aus der Familie erinnert wurde. Bei ihm habe dies dazu geführt, dass er seinen Verdrängungen nicht mehr standhalten konnte und seine traumatischen Erlebnisse aus der Vergangenheit an die Oberfläche gekommen sind. Stefan fügt hinzu, dass seine Mutter der wichtigste Mensch in seinem Leben sei und dass der Schmerz, der ihr vom Stiefvater zugefügt worden ist, zu einem erneuten Ausbruch seiner Aggressivität geführt habe. Die spätere Rückkehr seines Vaters in die Familie habe er darauf hin nicht mehr akzeptiert und seinen Vater vehement ignoriert. Stefan gibt zu verstehen, dass es er ihn zusammengeschlagen hätte, wenn er mit ihm aneinander geraten wäre.
Nun werde ich kurz die Argumentationsstruktur des Textes wiedergeben. Im ersten Abschnitt des Textes wird der Leser mit dem „Fall Stefan“ vertraut gemacht, in dem Stefan selbst von seiner schwierigen Kindheit berichtet, die bei ihm mit kindlichen Traumata und Verhaltensstörungen einherging (Z.1-15). Im zweiten Abschnitt berichtet Stefans Mutter von Schwierigkeiten, mit denen sie im Leben konfrontiert wurde und wie sie Stefans Kindheit erlebt hat. Dabei schildert sie ebenfalls, die schwierigen Entwicklungsbedingungen und daraus resultierenden Verhaltensstörungen ihres Sohnes (Z. 16-39). Im dritten Abschnitt erzählt Stefan von den Problemen in seiner Jugend, die gepaart mit den verdrängten Erlebnissen seiner Kindheit, zu seinen Aggressionen geführt haben (Z. 40-70).
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Autor mit seinem Buch Gewaltprävention vornehmen möchte. Der Verfasser macht mit dem Fall „Stefan“ deutlich, dass traumatische Erlebnisse in der Kindheit verantwortlich für den Ausbruch späterer Aggressionen sein können und dass Eltern durch ihre Handlungen solche Traumata bei ihren Kindern hervorrufen können.
Anhand des vorliegenden Fallbeispiels „Stefan H.-Mein Weg aus der Gewalt" werde ich die Sozialisationstheorie von Hurrelmann erläutern. Das Fallbeispiel lässt sich mit Hilfe von Hurrlemanns alterstypischen Entwicklungsaufgaben analysieren, da Stefan diese unzureichend bewältigt hat.
Auf der Grundlage seiner Sozialisationstheorie analysiert Hurrelmann den Prozess der Entwicklung der Persönlichkeit bei Jugendlichen in produktiver Auseinandersetzung mit der Psyche, der sogenannten „inneren Realität“ und der sozialen und physikalischen Umwelt, der sogenannten „äußeren Realität“.
Hurrelmann entwickelte ein Belastungs-Bewältigungsmodell, welches sich auf die Bedingungen und Folgen gelungener oder nicht gelungener „Bewältigungen von Entwicklungsaufgaben im Lebenslauf“ konzentriert. Nach diesem Modell befindet sich der Mensch in einer ständigen Phase der Anpassung zwischen innerer und äußerer Lebenswelt. Somit ist die Persönlichkeitsentwicklung die ständige Abstimmung zwischen den eigenen körperlichen und psychischen Bedürfnissen und Möglichkeiten und den Vorgaben und Angeboten der sozialen und materiellen Umwelt. Sozialisation wird verstanden als Prozess permanenter Bewältigung, welche wiederum als Voraussetzung für eine produktive Verarbeitung von Belastungen und Anforderungen angesehen wird.
Um die nachfolgende Bearbeitung der Fallanalyse noch verständlicher zu machen, gebe ich zunächst einen kurzen Einblick in die vier wichtigen Entwicklungsaufgaben, die es nach Hurrelmann im Verlauf der Jugend zu bewältigen gilt und von deren Bewältigung der gesamte weitere Lebenslauf abhängt.
Das ist zum ersten die Aufgabe des Qualifizierens, der Jugendliche muss intellektuelle und soziale Kompetenz ausbilden, um den Anforderungen des Bildungssystems sowie des Berufslebens nachkommen zu können, um auf diese Weise wiederum die Voraussetzung für eine zukünftige Existenz zu schaffen. Zum zweiten gibt es die Aufgabe des Bindens, sie erfordert, dass der Jugendliche sich einerseits von den Eltern ablöst und andererseits eine Partnerbeziehung und eine Geschlechtsidentität aufbaut, um später die Familienrolle erfüllen zu können. Die dritte Aufgabe, die des Konsumierens, besagt, dass der Jugendliche eigene Handlungsmuster zur verantwortlichen Nutzung des Freizeit-, Medien und Konsumwarenmarktes entwickeln muss, um den eigenen Lebensstil zu finden. Die vierte Aufgabe, die des Partizipierens, setzt voraus, dass ein Jugendlicher ein Werte -und Normensystem, sowie ein ethisches und politisches Bewusstsein entwickelt, so dass ein gesellschaftliches Mitwirken im kulturellen und politischen Bereich möglich wird.
Werden die vier Entwicklungsaufgaben erfolgreich bewältigt, so kann sich eine Identität entwickeln, die das Spannungsverhältnis von Integration in die Gesellschaft und Individuation verarbeiten kann. Ursachen für Störungen der Identitätsbildung sieht Hurrelmann in einer mangelnden Übereinstimmung zwischen den personalen und sozialen Komponenten der Identität.
Nun werde ich noch das psychosoziale Entwicklungsmodell von Erik Erikson mit einbeziehen. Nach Eriksons Theorie muss jedes Individuum auf jeder Entwicklungsstufe bestimmte Konflikte bewältigen, die sich aus der Spannung von individuellen Bedürfnissen und den Anforderungen der sozialen Umwelt ergeben. Wichtig für Erikson ist, dass das Individuum die Entwicklungsaufgaben einer Stufe erfolgreich bewältigt haben muss, um sich zu nächst höheren weiterentwickeln zu können. Die vorangegangenen Phasen bilden somit das Fundament für die kommenden Phasen und angesammelte Erfahrungen werden verwendet, um neue Identitätskrisen zu verarbeiten. Insgesamt unterscheidet Erikson acht solcher Stufen.
Die erste Phase (Urvertrauen vs. Urmisstrauen) umfasst etwa das erste Lebensjahr. Es sollte in dieser Phase eine Balance zwischen Vertrauen und Misstrauen aufgebaut werden. Dies geschieht durch Zuneigung und sich kümmern (Vertrauen) und dem allein lassen des Kindes (Misstrauen).
Überwiegt das Misstrauen, kann es im weiteren Entwicklungsverlauf dazu führen, dass das Kind seinen Kummer und Frust eher für sich behält anstatt sich anderen Personen anzuvertrauen. Dies könnte auf Dauer dazu führen, dass man seinen Frust durch Gewalt versucht zu lindern, wie es bei Stefan der Fall gewesen ist (zerstört Spielzeug).
In der zweiten Phase (Autonomie vs. Scham und Zweifel, 2 bis 3 Jahre) lernt das Kind Dinge festzuhalten und los zulassen und dadurch eine Autonomie, sowie ein Schamgefühl und Zweifel zu entwickeln. In dieser Zeit entwickelt das Kind eine Vorstellung von „Ich“ und „Du“. Überwiegen Scham und Zweifel fühlt sich der Mensch in der späteren Entwicklung vielleicht minderwertig und versucht dieses Gefühl zu kompensieren, indem er andere Personen durch Gewalt erniedrigt.
In der dritten Phase (Initiative vs. Schuldgefühl, 4-5 Jahre) versucht das Kind die Realität mit Hilfe von Rollenspielen zu erkunden und lernt Dinge ohne fremde Hilfe anzugehen. Dadurch lernt es die Initiative zu ergreifen oder entwickelt Schuldgefühle. Bildet sich in dieser Phase das Gewissen unzureichend oder gar nicht aus, kann es in der weiteren Entwicklung dazu führen, dass man seine Gewalttaten nicht als falsch ansieht und sie somit als legitimes Mittel zur Problembewältigung ansieht.
In der vierten Phase (Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl, 6-12 Jahre) beginnt das Kind einen Werksinn zu entwickeln, mit dem es eigene Dinge erstellen kann und seine kognitiven Fähigkeiten erweitert. Es ist wichtig, dass es dafür Anerkennung erfährt damit sich kein Minderwertigkeitsgefühl entwickelt. Bleiben Erfolgserlebnisse aus, entwickelt sich ein Minderwertigkeitsgefühl, welches auf die Dauer Frust auslösen kann. Dieser Frust könnte dann mit Gewalt versucht werden zu kompensieren.
In der fünften Phase (Identitätsfindung versus Rollendiffusion/Identitätsdiffusion, 12-20 Jahre), treffen die zuvor gelösten Probleme, also Vertrauen, Autonomie, Initiative und Fleiß, auf eine körperliche Veränderung und neuartige Ansprüche der Umwelt. Die Frage nach dem „Wer bin ich?“ führt, auf der Grundlage von Auseinandersetzungen wie, die Rolle unter Gleichaltrigen, mit dem anderen Geschlecht, die Rolle im Beruf und das In-Frage-Stellen der Bezugsperson und den Erfahrungen, welche die Jugendlichen in den früheren Phasen schon gemacht haben zu einer Entwicklung einer Ich-Identität und Selbstbewusstsein. Findet diese positive Entwicklung nicht statt, da man in den früheren Phasen mehr schlechte Erfahrungen gemacht hat und so die Krisen nicht lösen konnte, findet eine Identitätsdiffusion statt und eine Ich-Identität ohne stabilen Kern ensteht. Dies kann dazu führen, dass der Jugendliche Gewalt als Mittel der Problembewältigung für sich annimmt.
Die anschließende sechste, siebte und achte Phase des psychosozialen Entwicklungsmodells ist für die vorliegende Fallanalyse nicht von Bedeutung.
Nun werde ich den „Fall Stefan H.“ anhand der zuvor geschilderten Theorien analysieren. Nach E. Erikson Stufenmodell ist anzunehmen, dass Stefans Mutter ihm bereits als Säugling keine Stabilität und Kontinuität vermitteln konnte, da ihre Eheprobleme vermutlich dazu geführt haben, dass sie sich teilweise von seinen Bedürfnissen abwenden musste (Z. 26-29). Die Instabilität Stefans primärer Bezugsperson hat in ihm vermutlich bereits als Säugling ein Gefühl von Misstrauen und Unsicherheit verankert. Hinzukommt, dass Stefan kein Wunschkind gewesen ist und sich die Mutter erst einmal an ihn gewöhnen musste (24-25). Die Vernachlässigungen der Elternteile in seinem weiteren Entwicklungsverlauf ( Z. 7-8 „... dass man ihn zu Hause viel alleine lassen würde“) haben mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass sich Stefan abgelehnt und ungeliebt gefühlt hat, was wiederum dazu beigetragen hat, dass er kein Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und keine Leistungsbereitschaft entwickelt hat ( Z. 6-7 „... Stefan sprach auch lange Zeit nicht “), (Z.29 „Stefan sprach erst sehr spät...“). Da Stefans Eltern Eheprobleme hatten, konnten sie sie sich vermutlich nicht genügend mit ihm beschäftigen, was dazu geführt hat, dass Stefan ihre Handlungen nicht imitieren und nicht ausreichend von ihnen lernen konnte. Stattdessen musste er bereits als Kleinkind ihre Streitereien mitbekommen (Z.28-29). Sein leiblicher Vater gab seinem Frust betrunken freien Lauf, was Stefan zusätzlich stark verunsichert haben muss (Z.21). Stefan gelingt es im Kindergartenalter nur mit auffälligen Verhaltensweisen (Z. 11 „….stetes Bedürfnis, bei Ruhe laut zu schreien..“) Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Reaktionen der Erzieherinnen in seiner Tagesstätte werden von ihm als Zeichen von Anteilnahme und Interesse gedeutet. Da es ihm zuvor nicht gelungen ist, von den Elternteilen die nötige Anerkennung zu bekommen, versucht er unbewusst auf diese Weise seine fehlendes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Stefan hat zudem nicht nur seine Eltern, sondern auch eine gewisse Frau H. als Bindungsperson. Sein Misstrauen hat sich, durch den Umzug von Frau H. (Z. 13-14) und den Rückzug seines leiblichen Vaters aus der Familie während seiner frühen Kindheit, vermutlich noch gesteigert und bei ihm Bindungsängste entstehen lassen, die in seiner weiteren Entwicklung ewig unterschwellig mitschwingen werden. Gerade in den ersten Lebensjahren hätte Stefan seinen Vater als verlässlichen und verständnisvollen Partner für seine Willensausbildung, Autonomieentwicklung und Etablierung seiner „Selbst“ benötigt. Leider hat es auch nicht der später in die Familie hinzukommende Stiefvater geschafft, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Auch er hat Stefan nicht die nötige Unterstützung bei der Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben geboten. Stefan hat von ihm keine emotionale Wärme und Zuneigung erhalten (Z.45-46). Stattdessen hat er sich immer mehr auf seine Mutter fixiert, die dies durch ihr Verhalten unterstützt hat (Z.36-37 „Ich war froh, dass er nicht hin musste. Stefan ist immer auf mich bezogen gewesen“). Auch Stefans Stiefvater verlässt während Stefans Pubertät vorübergehend die Familie und Stefan steht wieder einmal einer veränderten Familienkonstellation gegenüber (Z.49). Da Stefan zu diesem Zeitpunkt das Gefühl hat, seine Mutter beschützen zu müssen, entgeht ihm die Möglichkeit, sein Verhältnis zu seiner Mutter neu zu ordnen und unabhängig von seiner Mutter zu werden. Zudem wurde in Stefan erneut das Gefühl des Verlassenseins hervorgerufen, das bei ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer immer stärker werdenden inneren Entwertung geführt hat, die sein Selbstbewusstsein weiter geschwächt und seine Ich-Verunsicherung weiter geschürt hat (Z.60). Gleichzeitig ist der Auszug des Stiefvaters für Stefan jedoch ein Autonomiegewinn, da Stefan „als Herr im Haus“ endlich die Möglichkeit bekommt seine Männlichkeit zu demonstrieren. Es fehlen auf einmal Regeln und Strukturen, die ganz plötzlich eine Selbstständigkeit notwendig machen und gewisse Freiheiten ermöglichen (Z.51-52). Hinzu kommt, dass Stefan nun auch aufgrund seiner schlechten Leistung in der Schule verunsichert ist, was die Stabilität seines Umfelds betrifft. Stefan ist wegen der Eheprobleme seiner Eltern so beeinträchtigt, dass er es nicht mehr schafft, den Anforderungen auf dem Gymnasium gerecht zu werden (Z.42). Es ist wahrscheinlich, dass er deswegen zusätzliche Versagens- und Verlustsängste entwickelt hat, die bei ihm einen zusätzlichen inneren Druck zur Folge haben. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass er es durch sein auffälliges Verhalten schwer hatte, sich in die neue Klasse zu integrieren und Freunde zu finden. Das hat wiederum dazu geführt, dass ihm notwendige Erlebniswerte im Kreise der peergroup zum größten Teil verwehrt blieben, weshalb er wichtige soziale und emotionale Bedürfnisse nicht zufriedenstellen erfahren konnte. Stefan scheint es schwer zu fallen, die Enttäuschungen seiner Umwelt und seine Misserfolge in der Schule zu verarbeiten. Hinzukommt, dass sich die durch die Sozialisationsbedingungen verursachten Individuationsprobleme in seiner Pubertät aufgrund hinzukommender körperlicher und psychischer Veränderungen noch verstärkt haben. Mit Stefans innerer Verzweiflung, sank schließlich auch seine Hemmschwelle für eine extreme Gewaltbereitschaft. Er hat versucht die Dauerbelastung, die bei ihm durch den starken Entwicklungsdruck entstanden ist, durch Aggressionen abzubauen (externalisierende Variante) (Z. „66-67“). Um sich Erleichterung von seiner beklemmenden Situation zu verschaffen, hat er seinen inneren Druck schließlich durch Aggressionen nach Außen getragen (Z.63 ..den ganzen Scheiß abgeben“). Dies ist seine Art gewesen, die Realität produktiv zu verarbeiten. Obwohl Stefan schon als Kleinkind durch sein Problemverhalten signalisiert hat, dass seine Bewältigungskapazitäten ausgeschöpft und überfordert sind, hat seine Mutter keine professionelle Hilfe zur Rate gezogen.
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- Jacqueline van Straelen (Autor), 2016, Analyse des Fallbeispiels "Stefan H. - Mein Weg aus der Gewalt" von Thomas Stuckert mit der Sozialisationstheorie von Hurrelmann, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346476
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