Im Jahre 1950 stand ein mittelständischer Automobilproduzent vor einer grundlegenden Problemstellung: Der Chef Eiji Toyoda musste mit dem Markt unterlegenen Mitteln den Versuch unternehmen, einen modernen Produktionsbetrieb einzurichten und auszubauen. Die Voraussetzungen dafür waren schwierig. Zum einen war die Massenfertigung der amerikanischen Konkurrenten unvergleichlich hoch entwickelt: Fords Rouge – Komplex in Detroit produzierte in einer Dreiviertelstunde etwa genauso viele Fahrzeuge wie die hier beschriebene handwerkliche Kraftwagen – Fabrik in einem ganzen Jahr, ca. 220 Exemplare. Auch fehlte dem vom 2. Weltkrieg gebeutelten Japan der Kapitalmarkt, der die nötigen Mittel zum Aufbau einer modernen PKW – Massenproduktion hätte bereitstellen können. Darüber hinaus war ein aufnahmefähiger Automobilmarkt - aufgrund des Fehlens von solventen Händlern und zahlungsfähigen Massenkonsumenten - in Japan zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar. Trotz dieser widrigen Umstände und nur mit der Unterstützung einer optimistischen und treuen Restbelegschaft machten sich Toyoda, der Produktionsleiter Taiichi Ohno und Marketingleiter Shotaro Kamiya an die Arbeit und schufen die Toyota Motor Sales Company (heute: Toyota Motor Corporation), im Folgenden in dieser Arbeit nur noch „Toyota“ genannt. Ohno verzichtete dabei auf eine Adaptierung der tayloristischen Arbeitsorganisation, die er bei Ford kennen lernte und analysieren konnte. Er sah in ihr eine gigantische Verschwendung von Ressourcen. Weiterhin war für Ohno die kapitalintensive Massenfertigung mit ihren riesigen Produktionslosen nicht direkt auf den japanischen Binnenmarkt übertragbar. Toyota erwirtschaftet heute einen weltweiten Jahresumsatz von 112 Milliarden US-Dollar und rangiert damit am Umsatz gemessenen unter den zehn größten Unternehmen der Welt. Das Beispiel spiegelt eine beeindruckende Erfolgsgeschichte wider und ist nur durch einen besonderen Wettbewerbsvorteil zu erklären.
In der Vergangenheit wurden viele Theorien entwickelt, die diesen Vorteil, der nicht auf Toyota beschränkt scheint, sondern mehr oder weniger stark viele Unternehmen im japanischen Kulturkreis begünstigt, zu analysieren versuchten. Beispielsweise wurde vermutet, dass eine übermäßig starke Robotisierung und Automatisierung der Grund für höhere Effizienz sei. Weiterhin wurden kulturelle Unterschiede (emsige, sich selbstlos aufopfernde japanische Mitarbeiter) für den Erfolg verantwortlich gemacht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Terminologische Grundlagen des Lean Management
2.1 Begriffsklärung und Abgrenzung
2.2 Ursprung und Entwicklung
3. Philosophie des Lean Managements
3. 1 Proaktives Denken
3.2 Sensitives Denken
3.3 Ganzheitliches Denken
3.4 Potentialdenken
3.5 Ökonomisches Denken
4. Umsetzung des Lean Managements im Industriebetrieb
4.1 Kontinuierlicher Materialfluss
4.2 Total Quality Management (TQM)
4.3 Integrierte Produktentwicklung
4.4 Proaktives Marketing
4.5 Strategischer Kapitaleinsatz
4.6 Unternehmen als Familie
5. Kritik
5.1 Gesteigertes Konfliktpotential im Lean Management
5.2 Gefahren durch Mitarbeiterfreisetzung
5.3 Risiko fördernde Outsourcing - Strategien
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Jahre 1950 stand ein mittelständischer Automobilproduzent vor einer grundlegenden Problemstellung: Der Chef Eiji Toyoda musste mit dem Markt unterlegenen Mitteln den Versuch unternehmen, einen modernen Produktionsbetrieb einzurichten und auszubauen.[1]
Die Voraussetzungen dafür waren schwierig. Zum einen war die Massenfertigung der amerikanischen Konkurrenten unvergleichlich hoch entwickelt: Fords Rouge – Komplex in Detroit produzierte in einer Dreiviertelstunde etwa genauso viele Fahrzeuge wie die hier beschriebene handwerkliche Kraftwagen – Fabrik in einem ganzen Jahr, ca. 220 Exemplare.[2] Auch fehlte dem vom 2. Weltkrieg gebeutelten Japan der Kapitalmarkt, der die nötigen Mittel zum Aufbau einer modernen PKW – Massenproduktion hätte bereitstellen können. Darüber hinaus war ein aufnahmefähiger Automobilmarkt - aufgrund des Fehlens von solventen Händlern und zahlungsfähigen Massenkonsumenten - in Japan zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar.[3]
Trotz dieser widrigen Umstände und nur mit der Unterstützung einer optimistischen und treuen Restbelegschaft machten sich Toyoda, der Produktionsleiter Taiichi Ohno und Marketingleiter Shotaro Kamiya an die Arbeit und schufen die Toyota Motor Sales Company (heute: Toyota Motor Corporation), im Folgenden in dieser Arbeit nur noch „Toyota“ genannt. Ohno verzichtete dabei auf eine Adaptierung der tayloristischen Arbeitsorganisation, die er bei Ford kennen lernte und analysieren konnte. Er sah in ihr eine gigantische Verschwendung von Ressourcen. Weiterhin war für Ohno die kapitalintensive Massenfertigung mit ihren riesigen Produktionslosen nicht direkt auf den japanischen Binnenmarkt übertragbar.[4]
Toyota erwirtschaftet heute einen weltweiten Jahresumsatz von 112 Milliarden US-Dollar und rangiert damit am Umsatz gemessenen unter den zehn größten Unternehmen der Welt.[5]
Das Beispiel spiegelt eine beeindruckende Erfolgsgeschichte wider und ist nur durch einen besonderen Wettbewerbsvorteil zu erklären.
In der Vergangenheit wurden viele Theorien entwickelt, die diesen Vorteil, der nicht auf Toyota beschränkt scheint, sondern mehr oder weniger stark viele Unternehmen im japanischen Kulturkreis begünstigt, zu analysieren versuchten.
Beispielsweise wurde vermutet, dass eine übermäßig starke Robotisierung und Automatisierung der Grund für höhere Effizienz sei. Weiterhin wurden kulturelle Unterschiede (emsige, sich selbstlos aufopfernde japanische Mitarbeiter) für den Erfolg verantwortlich gemacht.[6]
Im Jahre 1990 wurden Ergebnisse eines vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführten Industrieforschungsprojekts IMVP (International Motor Vehicle Program) veröffentlicht. Die Aufgabe bestand darin, die oben erwähnte Standortschwäche westlicher Konzerne anhand der Schlüsselindustrie Automobilproduktion zu analysieren. Die Vergleichsstudie umfasste ca. 50% der weltweiten Automobil-Montagekapazitäten.[7] Ihre Ergebnisse zeigten, dass japanische Automobilhersteller, allen voran Toyota, trotz eines wesentlich komplexeren Produktmixes hervorragende Performancezahlen vorweisen konnten.[8]
Zusammengefasst verdeutlichte die Studie erhebliche Differenzen der Leistungsfähigkeit von vornehmlich japanischen Produzenten gegenüber ihren westlichen Konkurrenten. Die Wissenschaftler führten diese Überlegenheit auf die dort vorgefundene Arbeitsorganisation zurück. Die MIT-Studie kommt zu dem Schluss, dass mit Hilfe dieser neuen Organisationsform ein Leistungsvorsprung gegenüber der traditionellen Fließbandmassenfertigung - von 2 zu 1 - erreicht wird. Das bedeutet, dass nur ca. die Hälfte an Aufwand von der Entwicklung bis zum Verkauf der Produkte anfällt. Dabei betitelt die Studie dieses Führungskonzept als „Lean Production“, welches später zum Begriff „Lean Management“ erweitert wurde.[9]
Die Arbeitsorganisationsform des Lean Managements im Industriebetrieb näher zu beleuchten und kritisch zu würdigen soll Ziel dieser Arbeit sein. Es soll im weiteren die These: „Lean Management ist der „Stein der Weisen“ im Bereich der Arbeitsorganisation und für ein langfristiges Fortbestehen von Industriebetrieben unerlässlich.“, überprüft werden. Dazu wird zunächst der Begriff „Lean Management“ genauer abgegrenzt und dessen Entwicklung dargelegt. Daraufhin geht der Autor näher auf die leane Philosophie und deren Umsetzung im Industriebetrieb ein. Zuletzt wird das Lean Management Führungskonzept einer kritischen Betrachtung unterzogen indem mögliche Probleme aufgezeigt werden.
2. Terminologische Grundlagen des Lean Management
2.1 Begriffsklärung und Abgrenzung
Pfeiffer/ Weiss und andere[10] definieren Lean Management als die permanente, konsequente und integrierte Anwendung mehrerer Methoden, Prinzipien und Maßnahmen (vgl. hierzu auch Kapitel 4.) zur effektiven und effizienten Planung, Gestaltung und Kontrolle der Wertschöpfungskette einer Unternehmung. Hierbei werden sowohl strategische als auch taktische und operative Aspekte tangiert. Es werden neben der Unternehmung auch Systeme der Zulieferer und Kunden in die Betrachtung mit einbezogen. Ziel dabei ist es, vordergründig Verschwendung zu vermeiden und somit die Wirtschaftlichkeit zu optimieren, also eine „schlanke“ Unternehmensführung umzusetzen.[11]
Über den Begriff „Lean Management“ hinaus sind viele Wortschöpfungen entstanden und in Konkurrenz zu Lean Management getreten: „Virtuelle Unternehmung“, „Business Reengineering“, „Focused Factory“ und viele mehr. All diesen ist gemein, dass sie auf Veränderungen bezüglich konventionellen Managementverständnissen verweisen. Sie grenzen sich lediglich durch Umfang und Qualität voneinander ab.[12] Letztendlich betrachten und vermitteln diese Konzepte alle nur Teilaspekte der integrierten Lean Management Philosophie. Lean Management bleibt durch seinen ganzheitlichen Ansatz nach wie vor der umfassendste und treffendste Begriff, die neuen Konzeptionen zu vereinen und zu integrieren.[13] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird der Begriff „lean“ im Sinne von „schlank und fit“ und damit in direktem Bezug zu „Lean Management“ verwendet.
2.2 Ursprung und Entwicklung
1988 bezeichnete Krafcik erstmals das Toyota-Produktionssystem als „lean“ und wollte damit den Verzicht auf Pufferbestände bei Toyota hervorheben.[14] In diesem Zusammenhang formte er den Begriff „Lean Production“ welcher auch in der MIT – Studie aufgegriffen und daraufhin zum „Lean Management“ erweitert wurde.[15] Das theoretische Konzept dieses neuen Organisationsansatzes ist also nicht ursprünglich japanisch, sondern geht auf das IMVP Forschungsprogramm zurück.
Die Entwicklung des Toyota Produktionssystems selbst vollzog sich seit 1950 evolutionär und ohne theoretisches Grundgerüst.[16] Auch die beinhalteten Methoden, Prinzipien und Instrumente entstammten meist den Köpfen westlicher Wissenschaftler bzw. Techniker.[17]
Somit ist es falsch, Lean Management als japanisches Organisationskonzept zu bezeichnen. Die Leistung der Japaner ist vielmehr in der erfolgreichen Adaptierung, Verknüpfung und konsequenten Umsetzung althergebrachter Einzelkomponenten zu sehen.[18]
Obwohl das Lean Management tief in der Automobilindustrie verwurzelt ist, bleibt es dennoch nicht auf diese Branche beschränkt, sondern findet sich mittlerweile in Industriebetrieben in allen Sparten und auf allen Kontinenten dieser Welt wieder.[19]
3. Philosophie des Lean Managements
Die Philosophie des Lean Managements ist als Fundament der leanen Unternehmensführung zu verstehen. Sie beschreibt einen Weg der schlanken Denkweise und vereint die fünf folgenden Leitgedanken in sich.[20]
3. 1 Proaktives Denken
Der Leitgedanke des Proaktiven Denkens beinhaltet die Annahme, dass es erfolgversprechender ist zu agieren, denn zu reagieren. Ein daraus abgeleiteter Aspekt ist der Anspruch: Krisenvermeidung ist besser als Krisenmanagement. Um dies umzusetzen, ist es notwendig mögliche Probleme und Konflikte zu antizipieren, sowie Handlungen vorausblickend zu durchdenken und vorzubereiten. Auf diese Weise gelingt es, sich durch Prozessbeherrschung vor Überraschungen der Unternehmensumwelt zu schützen und stabilen, unternehmerischen Erfolg zu generieren.[21]
3.2 Sensitives Denken
Da sich aber künftige Ereignisse oft nur schwer und ungenau an harten Fakten vorhersagen lassen, ist ein gewisses Fingerspitzengefühl von Nöten, welches zusätzlich Deutungen von Gefühlen und Stimmungen einbezieht. Hier setzt die Forderung nach sensitivem Denken an.[22]
Interne wie externe Anregungen und Informationen sind immer mit allen Sinnen aufzunehmen und zu verarbeiten. Diese Informationsoffenheit in Verbindung mit Veränderungsbereitschaft sichert eine umgehende Anpassungsreaktion. Als Konsequenz ergibt sich, dass in „lean“ denkenden Unternehmungen die Belegschaft ohne Angst vor Sanktionen Kritik üben kann und soll. Denn Kritik wird hier nicht als Bedrohung, sondern als Anregung zur Verbesserung gewürdigt.[23]
3.3 Ganzheitliches Denken
Ganzheitliches Denken fordert die Ausrichtung einzelner betrieblicher Aktivitäten unter Ausnutzung von Synergien auf die oberste Unternehmenszielsetzung. Damit ist eine Betrachtung sämtlicher Bereiche entlang der Wertschöpfungskette impliziert. Einzelne Handlungen werden dabei immer an ihrem Nutzen für das Gesamtsystem gemessen, was Bereichsegoismen vorbeugt und zur Systemoptimierung beiträgt.[24] So können beispielsweise nicht bereichsoptimale Lösungen durch Multiplikatoreffekte zur Gesamtsystem-Optimierung führen. Solche Chancen sind nur mit Hilfe von vernetztem, ganzheitlichem Denken zu erkennen und zu realisieren.[25]
3.4 Potentialdenken
Potentialdenken verlangt die kompromisslose Erschließung und Nutzung sämtlicher verfügbarer Ressourcen. Zu diesen Ressourcen zählen - auch im Sinne des ganzheitlichen Denkansatzes - neben bislang ungenutzten Mitarbeiterfähigkeiten auch die Fähigkeiten der Lieferanten, Kunden und Wettbewerber. Das Potentialdenken hat sowohl strategische als auch operative Dimensionen.[26] Nach der strategischen Analyse der erkannten Potentiale bezüglich ihres Nutzens für die oberste Unternehmenszielsetzung, sind die positiv bewerteten Potentiale zu erschließen und ggf. zu pflegen. Operativ gilt es dann die so erschlossenen Ressourcen ökonomisch zu nutzen.[27]
[...]
[1] Vgl. Womack, J.P. et al. (1992), S. 53 ff.
[2] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S. 27 f.
[3] Vgl. Ebenda, S. 28.
[4] Vgl. Kern, M. (2003), S. 93 f.
[5] Vgl. o.V. (2004), siehe Internetverzeichnis
http://www.finanzen.net/hintergrundwissen/groesste_unternehmen/groesste_unternehmen_toyotamotor.asp.
[6] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S. 17 ff.
[7] Vgl. Graf, G. (1996), S. 78.
[8] Vgl. Ebenda, S. 78 f.
[9] Vgl. Hentze, J./ Kammel, A. (1992), S.631 und Unterweger, P. (1992), S.49.
[10] Vgl. Pfeiffer, W./ Weiss, E. (1994), S. 53 und Graf, G. (1996), S. 86.
[11] Vgl. Pfeiffer, W./ Weiss, E. (1994), S. 53.
[12] Vgl. Meffert, H./ Siefke, A. (1994), S. 5.
[13] Vgl. Ebenda, S. V.
[14] Vgl. Krafcik, J.F. (1988), S. 44 f.
[15] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S. 9 und S. 30 f.
[16] Vgl. Macharzina, K. (1993), S.752.
[17] Vgl. Rollberg, R. (1996), S. 70.
[18] Vgl. Meffert, H. (1994), S. 42.
[19] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S.14.
[20] Vgl. Ebenda, S.40.
[21] Vgl. Kern, M. (2003), S. 106.
[22] Vg. Keidel, S. (1995), S. 95.
[23] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S.45 ff.
[24] Vgl. Adam, D. (1993), S.147 ff.
[25] Vgl. Bösenberg, D./ Metzen, M. (1993), S.50 ff.
[26] Vgl. Adam, D. (1993), S.17 ff.
[27] Vgl. Kern, M. (2003), S.107.
- Citar trabajo
- Michael Klee (Autor), 2005, Lean Management im Industriebetrieb, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34619
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