Im Folgenden soll die Bedeutung des Rosch ha-Schana-Festes für das Judentum in Geschichte und Gegenwart sowie sein theologischer Bezug mit dem Bericht der „Bindung Isaaks“ erläutert und analysiert werden.
Neuanfänge sind Teil des menschlichen Lebens. Kein Mensch kann sich ihnen entziehen, denn jeder steht fortwährend Verlusten und Geschenken des Alltags gegenüber. Doch diese Neuanfänge sind wichtig, denn sie bringen Veränderung mit sich und ermöglichen es häufig eine unbekannte Lebensrichtung einzuschlagen.
In der jüdischen Tradition wird jährlich solch ein Neuanfang aktiv gestaltet. Das zweitägige Neujahrsfest Rosch ha-Schana, das zu Beginn des jüdischen Kalenderjahres gefeiert wird, eröffnet eine zehntägige Periode, die als Tage der Reue und Umkehr gilt. In dieser Zeit sollen sich Gläubige der Beziehung zu ihren Mitmenschen bewusst werden und die Bereitschaft entwickeln die gestörten Verhältnisse zu bereinigen. Es soll daran erinnert werden, dass Menschen mit einer Versöhnung nicht zu lange warten sollen, da sich zwischenmenschliche Türen möglicherweise verschließen können. Bis zum Jom Kippur, dem Versöhnungstag und gleichzeitig letzten Tag dieser Periode, sollen alle zwischenmenschlichen Differenzen geklärt sein, sodass dieser Tag der Versöhnung mit Gott gehört. Die zehn Tage gipfeln in einem zeremoniellen Gottesdienst und einem ausgiebigen Abendessen am Jom Kippur, welches die übergreifende Versöhnung und ein gelungenen Jahresbeginn feierlich abschließt.
Das Rosch ha-Schana-Fest bildet den Auftakt dieser Bußzeit und trägt dementsprechend eine besonders wichtige Bedeutung. Es ist ein symbolgeladenes Fest, das den Menschen Hoffnung auf ein gutes neues Jahr und Mut für die Zukunft geben soll. Unabdingbarer Bestandteil der Gottesdienste ist dafür die Toralesung, die „für den ersten Tag des Neujahrsfestes von der Geburt Isaaks und [für den] zweiten Tag[ ] von der […] ‚Bindung Isaaks‘“ handelt. Besonders die Bindung Isaaks, das Kapitel 22 der Genesis, hat die Geschichte und das Denken der Juden stark geprägt, denn in ihr finden sich Erinnerung und Identität sowie Glauben und Zuversicht wieder.
Inhalt
Einleitung
1. Der Ablauf des Rosch ha-Schana-Festes
2. Die Bedeutung der „Bindung Isaaks“ für das Rosch ha-Schana-Fest
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
Einleitung
Neuanfänge sind Teil des menschlichen Lebens. Kein Mensch kann sich ihnen entziehen, denn jeder steht fortwährend Verlusten und Geschenken des Alltags gegenüber. Doch diese Neuanfänge sind wichtig, denn sie bringen Veränderung mit sich und ermöglichen es häufig eine unbekannte Lebensrichtung einzuschlagen.
In der jüdischen Tradition wird jährlich solch ein Neuanfang aktiv gestaltet. Das zweitägige Neujahrsfest Rosch ha-Schana, das zu Beginn des jüdischen Kalenderjahres gefeiert wird, eröffnet eine zehntägige Periode, die als Tage der Reue und Umkehr gilt. In dieser Zeit sollen sich Gläubige der Beziehung zu ihren Mitmenschen bewusst werden und die Bereitschaft entwickeln die gestörten Verhältnisse zu bereinigen. Es soll daran erinnert werden, dass Menschen mit einer Versöhnung nicht zu lange warten sollen, da sich zwischenmenschliche Türen möglicherweise verschließen können. Bis zum Jom Kippur, dem Versöhnungstag und gleichzeitig letzten Tag dieser Periode, sollen alle zwischenmenschlichen Differenzen geklärt sein, sodass dieser Tag der Versöhnung mit Gott gehört. Die zehn Tage gipfeln in einem zeremoniellen Gottesdienst und einem ausgiebigen Abendessen am Jom Kippur, welches die übergreifende Versöhnung und ein gelungenen Jahresbeginn feierlich abschließt.
Das Rosch ha-Schana-Fest bildet den Auftakt dieser Bußzeit und trägt dementsprechend eine besonders wichtige Bedeutung. Es ist ein symbolgeladenes Fest, das den Menschen Hoffnung auf ein gutes neues Jahr und Mut für die Zukunft geben soll. Unabdingbarer Bestandteil der Gottesdienste ist dafür die Toralesung, die „für den ersten Tag des Neujahrsfestes von der Geburt Isaaks und [für den] zweiten Tag[ ] von der […] ‚Bindung Isaaks‘“[1] handelt. Besonders die Bindung Isaaks, das Kapitel 22 der Genesis, hat die Geschichte und das Denken der Juden stark geprägt, denn in ihr finden sich Erinnerung und Identität sowie Glauben und Zuversicht wieder.
Im Folgenden soll die Bedeutung des Rosch ha-Schana-Festes für das Judentum in Geschichte und Gegenwart sowie sein theologischer Bezug mit dem Bericht der „Bindung Isaaks“ erläutert und analysiert werden.
1. Der Ablauf des Rosch ha-Schana-Festes
Das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana findet am 1. und 2. Tischri, dem ersten Monat des babylonischen Kalenders, statt und ist zeitlich äquivalent zum siebten Monat des römischen Kalenders. „Rosch ha-Schana heißt übersetzt „Haupt des Jahres“, [doch] diese Bezeichnung findet sich in der Tora nicht.“[2] Dennoch eröffnet der Name die Wichtigkeit des Festes, sodass es den Hohen Feiertagen des Judentums zugeordnet wird. Nach Num 29,1 wird dieser Tag als „Tag des Posaunenblasens“ bezeichnet und verweist damit gleich auf eine wesentliche Tradition des Rosch ha-Schanas. Diese Posaune ist ein „geschliffene[s] Widder[horn] [und] gehör[t] zu den ältesten Instrumenten der Welt“[3]. Sie trägt den hebräischen Namen Schofar und ihr schriller Klang kündet in der jüdischen Geschichte immer wieder „entscheidende Stationen auf dem Weg des Volkes Israel an. Und solch eine entscheidende Situation ist eben jedes Jahr neu Rosch ha-Schana“[4] – das Fest, an dem das vergangene Jahr reflektiert wird, um abgeschlossen werden zu können, damit mit einer reinen Seele in das neue Jahr gegangen werden kann. Mit dem Klang der Schofar wird der Jahresbeginn lautstark angekündigt – erstmalig sogar schon im Elul, dem letzten Montas des jüdischen Jahres, damit die Menschen sich darauf einstimmen können, dass das Rosch ha-Schana-Fest in unmittelbare Nähe rückt – und dann in maßgeblicher Häufigkeit am Festtag selbst.
Zudem soll nach Num 29,1 dieser Tag arbeitsfrei sein, sodass alle Menschen an der „heilige[n] Versammlung“[5] teilnehmen können. Der Abendgottesdienst an Rosch ha-Schana wird sehr feierlich abgehalten. Das Hauptgebet beinhaltet zusätzliche Charakteristika des Neujahrstages und verdeutlicht die Besonderheit dieses Festes. Der Gläubige wird angehalten sich auf Gott und auf sich selbst zu besinnen. Auf dem abendlichen Heimweg vom Gottesdienst grüßen sich die Menschen mit einem „Leschana towa tikatewu!“, das übersetzt „Möget ihr eingeschrieben werden (ins Buch des Lebens) für ein gutes Jahr!“[6] bedeutet. Das Buch des Lebens trägt nämlich in den Tagen der Buße, die dem Rosch ha-Schana folgen, eine entscheidende Bedeutung, da Gott in diesen Tagen über den Menschen richtet und erst am Jom Kippur, dem Versöhnungstag, seine endgültige Entscheidung fällt. Die Menschen haben dementsprechend in dieser Bußperiode die letzte Chance, die Entscheidung von Gott in Bezug auf das eigene Schicksal im kommenden Jahr positiv zu beeinflussen, um letztendlich einen guten Eintrag zu erfahren. In diesem Sinne sind die Gläubigen dazu angehalten Kleidung in vornehmlich weißer Farbe zu tragen. Die Synagoge ist ebenfalls in weiß geschmückt, die Farbe, die Unschuld und Reinheit symbolisiert.
Am Abend findet der erste Festtag daheim in den Familien mit dem Kiddusch, der Heiligung, seinen Ausklang. Das oberste Familienoberhaupt spricht den traditionellen Segen über Wein und Brot. Dabei wird das Brot an diesem Tag in Honig anstatt Salz getaucht und im Anschluss isst jede Person ein Stück Apfel mit Honig oder Zucker. Der Apfel gilt als Symbol der Fruchtbarkeit des jüdischen Volkes und Honig bzw. Zucker bringen in übertragenem Sinn die Süße des Lebens: Erfolg, Gesundheit und Glück. Diese Tradition setzt das Zeichen der Hoffnung auf ein gutes neues Jahr. Das Brot, die Challa, ist an diesem Tag rund, denn im neuen Jahr soll alles gelingen und nichts soll fehlen. Es werden alle symbolischen Vorkehrungen getroffen, damit allen Menschen im folgenden Jahr nur Gutes wiederfährt.
Weitere traditionelle Speisen zu Rosch ha-Schana sind Fisch (als Symbol der Fruchtbarkeit) sowie der Kopf eines Widders oder Lammes, da Rosch anfang und Kopf bedeutet und man damit die Bitte an Gott verbindet, sich „am Kopf“ (oben) und nicht „am Schwanz“ (unten) wiederzufinden.[7]
Der folgende Tag beginnt mit einem frühen Morgengottesdienst, der mit einer umfassenden Liturgie gefeiert wird, sodass er außergewöhnlich lang ist. Die Toralesung erfolgt aus zwei nacheinander gelesenen Rollen, von denen eine Lesung die Erzählungen von Isaaks Bindung auf dem Berg Morija (Gen 22) enthält. Sie ist für den Neubeginn, den das Rosch ha-Schana-Fest verkündet und für die allgemeine jüdische Geschichte von hoher Wichtigkeit. Auch an diesem Tag wird mehrfach der Schofar als Willkommensgruß für das neue Jahr geblasen und im Gottesdienst wird wortgewaltig die Bedeutung des Neujahrtages dargestellt.[8] Am Nachmittag ist es in einigen Kreisen Tradition ein Gewässer mit Fischen aufzusuchen, um dort die Taschlikh-Zeremonie abzuhalten. Die Gläubigen werfen Steine oder Brotkrümel ins Wasser und sprechen dabei den Bibelvers Taschlikh. Im übertragenen Sinne sollen auf diese Weise die Sünden fortgeworfen und von Gott weggetragen werden. Diese Tradition wurde lange kritisch betrachtet, da Gegner argumentieren, dass Sünden nicht fortgeworfen werden könnten, doch die „Kritik konnte […] der Beliebtheit dieses Brauchs keinen Abbruch tun“[9].[10]
Dennoch geht es bei diesem Fest neben den traditionellen Feierlichkeiten sehr um eine persönliche Reflexion des vergangenen Jahres, um eine Besinnung auf Gut und Schlecht und ein Hineinversetzen in seine Mitmenschen. Jeder Mensch soll individuelle Handlungen durchdenken und beurteilen, um in einem nächsten Schritt in einem Dialog Missetaten zu kommunizieren und abzulegen.
2. Die Bedeutung der „Bindung Isaaks“ für das Rosch ha-Schana-Fest
Die Bindung Isaaks (Gen 22) erzählt die Geschichte des Treuebeweises Abrahams, den er Gott liefert, indem er seinen Sohn Isaak zuliebe Gottes opfern würde.
In der Erzählung wird Abraham von Gott aufgerufen seinen Sohn Isaak auf einem Berg in Morija als Brandopfer zu opfern. Abraham trifft unverzüglich die nötigen Vorkehrungen und bricht schon am nächsten Tag auf. Nachdem er von Gott den Ort der Opfergabe zugewiesen bekommen hat, geht er gemeinsam mit Isaak auf den Berg. Isaak ist zunächst skeptisch, da sie kein Brandopfer mitnehmen, doch Abraham beruhigt ihn mit einem Verweis auf die Allmacht Gottes, die die Opferproblematik lösen werde. Doch dann baut Abraham einen Altar und bindet seinen Sohn darauf fest. In dem Moment, in dem er das Messer zur Schlachtung in die Höhe reißt, wird Abraham von einem Engel Gottes dazu angehalten seinen Sohn nicht zu töten. Hinter Abraham erscheint ein Widder, den er nun anstelle seines Sohnes opfert. Als Dank für dieses große Vertrauen spricht Gott Abraham den Segen aus und verspricht ihm seine Nachkommen zu mehren und zu schützen.
Diese Überlieferung ist sinngebend für das Rosch ha-Schana-Fest und macht es somit nicht zu einem historischen, sondern zu einem rein religiösen Fest. So finden sich während der Feierlichkeiten mehrere symbolgeladene Handlungen wieder, die allesamt Bezug zu der „Bindung Isaaks“ nehmen. Schon das Blasen des Schofars erinnert unmittelbar an den Widder, der statt Isaak geopfert wurde. Der Widder kann als Zeichen des Neuanfangs gesehen werden, da er im jährlichen Durchlauf der Tierkreiszeichen an erster Stelle steht und das Wiedererwachen der Natur durch den Frühlingsanfang symbolisiert, doch der Klang aus dem Widderhorn ist im Geschehen des Rosch ha-Schana noch substantieller. Es soll den Menschen daran erinnern, dass Abraham aus der Liebe zu Gott bereit war, seinen Sohn zu opfern.
Insgesamt 72 Mal wird das Schofar in der hebräischen Bibel erwähnt, erstmals im Buch Genesis, als Abraham einen Widder an Isaaks statt opfert. Seither gilt der Klang des Widderhorns als Symbol für das Bündnis mit Gott.[11]
Dieses Bündnis zu Gott ist das, was die Gläubigen aus der „Bindung Isaaks“ ziehen. So gibt diese Erzählung nicht nur eine Darstellung und Verarbeitungsansicht der Vergangenheit, sondern sie trägt auch eine grundlegende Bedeutung für die Gegenwart und die Zukunft. Sie rechtfertigt in allen Lebenslagen die Liebe zu Gott, denn
Abraham wurde zum Glaubenszeugen, der in der Not seinen Sohn Gott nicht vorenthielt, und Isaak wurde zum ersten Märtyrer, der bereit war, sein Schicksal in freudiger Aufopferung Gott hinzugeben[12].
Isaak repräsentiert jeden einzelnen Gläubigen – diejenigen, die mit Gott leben und diejenigen, die für Gott starben oder streben. „Immer, wenn man Juden verfolgte, weil sie Juden waren, verlor Abraham seine Kinder. Und immer dann erkannten sich die Menschen wieder in Abraham und Isaak und Sara“[13]. Schon immer gab diese Erzählung Zuversicht und Vertrauen in ihre Handlungen und gerade deswegen kann aus dieser Erzählung Mut und Kraft für alles Kommende geschöpft werden. Das Rosch ha-Schana bietet einen gut situierten Anlass, sich die Bindung Isaaks fortwährend ins Gedächtnis zu rufen.
[...]
[1] Zuidena, Willem (Hg.): Isaak wird wieder geopfert. S. 13.
[2] Rink, Marion: Was habt ihr für einen Brauch? Jüdische Riten und Feste. Eine Arbeitshilfe für Schule und Gemeinde, Evang. AK Kirche u. Israel in Hessen und Nassau, 2000. S. 74.
[3] Yaron, Gil: Das Shofar – Chronik des unbeachteten Symbols des Judentums. In: AudiaturOnline. Informationen, Analysen und Kommentare zu Israel und dem Nahen Osten. 28.09.2011. URL: http://www.audiatur-online.ch/2011/09/28/das-shofar-chronik-des-unbeachteten-symbols-des-judentums/ [Stand: 28.10.2013].
[4] Rink, Marion: Was habt ihr für einen Brauch? Jüdische Riten und Feste. Eine Arbeitshilfe für Schule und Gemeinde, 2000. S. 74.
[5] Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. 1999, Stuttgart. S. 169.
[6] Galley, Susanne: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage. München, 2003. S. 53.
[7] Galley, Susanne: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage, 2003. S. 54.
[8] Vgl.: Rink, Marion: Was habt ihr für einen Brauch? Jüdische Riten und Feste. Eine Arbeitshilfe für Schule und Gemeinde, 2000. S. 75f.
[9] Galley, Susanne: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage, 2003. S. 62.
[10] Vgl.: ebd.
[11] Yaron, Gil: Das Shofar – Chronik des unbeachteten Symbols des Judentums. In: AudiaturOnline. Informationen, Analysen und Kommentare zu Israel und dem Nahen Osten. 28.09.2011. URL: http://www.audiatur-online.ch/2011/09/28/das-shofar-chronik-des-unbeachteten-symbols-des-judentums/ [Stand: 28.10.2013].
[12] Krupp, Michael: Den Sohn opfern? S. 14.
[13] Zuidema, Willem (Hg.): Isaak wird wieder geopfert. S. 15.
- Citation du texte
- Ute Corell (Auteur), 2013, Sinngehalt des Rosch ha-Schana-Festes und sein theologischer Zusammenhang mit dem Bericht von der „Bindung Isaaks“ (Gen 22), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345600
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