Die 1755 in kleiner Auflage erschienene Schrift „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ von Johann Joachim Winckelmann markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der neuzeitlichen Geistesgeschichte, dessen wohl wichtigstes Ergebnis das Aufkommen des Klassizismus als Gegenmodell zum Barock war. Für die starke Orientierung an der griechischen Antike in der Kunstbetrachtung und das in ihrer Folge entstehende idealistische Antikenbild, das für die deutsche Klassik so kennzeichnend ist, nimmt Winckelmann eine Schlüsselrolle ein. Wenngleich sich Winckelmann in seinen „Gedancken“ in einer begeisterten, teils euphorischen, teils poetisch-sentimentalen Sprache ergeht, so ist der Einfluss, den seine Betrachtungen nicht nur auf das gebildete aufsteigende Bürgertum, sondern auch auf die akademische Welt ausübten, als überaus hoch einzustufen.
Die eigentliche Leistung der „Gedancken“ besteht jedoch in dem Versuch, ein Kunstideal zu formulieren, das – einem Paradigma ähnlich – durch seinen normativen Charakter ein Beurteilungsschema sowohl für die Rezeption, als auch für die Produktion von Kunst schaffen möchte. Ein entscheidendes Kriterium innerhalb dieses Schemas ist – neben bestimmten Verfahrensweisen im künstlerischen Schaffensprozess – die Frage nach dem Wesen der Schönheit, die sich im Kunstwerk – ob Poesie, Malerei oder Plastik – widerspiegeln soll. In diesem Zusammenhang nimmt das Altertum, genauer gesagt die griechische Antike, eine prominente Position bei Winckelmann ein und wird zugleich zum Dreh- und Angelpunkt für seinen Entwurf einer „idealischen Schönheit“.
Die Abhandlung widmet sich der Konzeption von Schönheit in Winckelmanns „Gedancken“ unter besonderer Berücksichtigung dieses von ihm unbedingt geforderten Nachahmungsgebots. Sein Entwurf einer „idealischen Schönheit“ sowie deren Kriterien, die er in bestimmten Werken griechischer Künstler verwirklicht sehen will, bilden den Schwerpunkt. Neben den „Dingen, die nicht sinnlich sind“ und dem Laokoon als „vollkommene Regel der Kunst“ werden ferner der Stellenwert der Allegorie sowie der Einfluss platonischen Denkens auf Winckelmann diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Der Vorrang der Alten
- 1.1 Corporaturae sine comparatione: Natur als Begünstigung
- 1.2 Freiheit der Sitten und Kallipädie: Kultur als Begünstigung
- 2. Winckelmanns Begriff der idealischen Schönheit
- 2.1 „Dinge, die nicht sinnlich sind“
- 2.2 Laokoon und die vollkommene Regel der Kunst
- 2.3 Kunst als Göttergeschichte: der Stellenwert der Allegorie
- 3. Minervas Werk und Platons Beitrag?
- Resümee: Nachahmung der Alten oder Nachahmung der Natur?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Winckelmanns Konzept der Schönheit in seinen „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke“, insbesondere die Bedeutung der Nachahmung der Antike. Der Fokus liegt auf der Analyse der Kriterien seiner „idealischen Schönheit“ und deren Verkörperung in ausgewählten Kunstwerken.
- Winckelmanns Konzept der idealischen Schönheit
- Die Rolle der Nachahmung der griechischen Antike
- Der Einfluss von Natur und Kultur auf die Schönheit
- Die Bedeutung der Allegorie in Winckelmanns Ästhetik
- Der Einfluss platonischen Denkens auf Winckelmanns Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung präsentiert Winckelmanns „Gedancken“ als einen Wendepunkt in der Geistesgeschichte, der den Klassizismus begründete und die starke Orientierung an der griechischen Antike in der Kunstbetrachtung prägte. Sie hebt Winckelmanns Versuch hervor, ein Kunstideal zu formulieren, das ein Beurteilungsschema für Rezeption und Produktion von Kunst bietet. Die zentrale Rolle des Altertums, insbesondere der griechischen Antike, für Winckelmanns Konzept der „idealischen Schönheit“ wird betont, und die Arbeit fokussiert auf die Analyse dieses Konzepts und der damit verbundenen Nachahmungsforderung.
1. Der Vorrang der Alten: Dieses Kapitel untersucht die Faktoren, die nach Winckelmann den griechischen Künstlern den Zugang zu idealer Schönheit ermöglichten. Er betont die Rolle der Natur, die den Griechen einen vorteilhaften Körperbau bescherte, und kulturelle Faktoren wie Erziehung und Athletik, die zur Entfaltung dieser Schönheit beitrugen. Winckelmann sieht keinen Widerspruch zwischen Natur und Kultur, sondern betrachtet Kultur als einen Faktor, der die menschliche Natur entweder fördert oder hemmt. Die griechischen Künstler konnten gemäß Winckelmann, die natürliche Schönheit ihrer Modelle nutzen, um eine noch „übernatürliche“ Schönheit in ihren Werken zu erschaffen. Die These von der besonderen Begünstigung der alten Griechen durch die Zusammenwirkung von Natur und Kultur wird im Kapitel präsentiert, wenngleich Winckelmann keine expliziten Beweise hierfür liefert.
Schlüsselwörter
Winckelmann, Nachahmung, Griechische Antike, Ideale Schönheit, Klassizismus, Kunst, Natur, Kultur, Allegorie, Platon.
Häufig gestellte Fragen zu Winckelmanns "Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Johann Joachim Winckelmanns Konzept der idealischen Schönheit, wie es in seinen „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke“ dargelegt wird. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Kriterien dieser Schönheit und ihrer Darstellung in ausgewählten Kunstwerken. Ein zentrales Thema ist die Rolle der Nachahmung der griechischen Antike in Winckelmanns Ästhetik.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Winckelmanns Konzept der idealischen Schönheit, die Bedeutung der Nachahmung der griechischen Antike, den Einfluss von Natur und Kultur auf die Schönheit, die Rolle der Allegorie in Winckelmanns Ästhetik und den möglichen Einfluss platonischen Denkens auf sein Werk. Insbesondere wird untersucht, wie Winckelmann die Überlegenheit der griechischen Kunst erklärt und welche Rolle dabei die "Begünstigung" der Alten durch Natur und Kultur spielt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den historischen Kontext und die Bedeutung von Winckelmanns Werk hervorhebt. Es folgt ein Kapitel über den Vorrang der Alten, welches die Faktoren untersucht, die nach Winckelmann den griechischen Künstlern den Zugang zu idealer Schönheit ermöglichten (Natur und Kultur). Ein weiteres Kapitel widmet sich Winckelmanns Begriff der idealischen Schönheit, einschließlich der Rolle der Allegorie und der "vollkommenen Regel der Kunst". Ein Kapitel behandelt den möglichen Einfluss Platons. Die Arbeit schließt mit einem Resümee, das die Frage nach der Nachahmung der Alten oder der Natur aufgreift.
Welche Rolle spielt die Nachahmung der griechischen Antike?
Die Nachahmung der griechischen Antike ist ein zentrales Thema. Winckelmann sieht in der griechischen Kunst ein Ideal, das durch die Nachahmung erreicht und verstanden werden kann. Die Arbeit untersucht, wie Winckelmann dieses Ideal definiert und welche Rolle dabei die angebliche "Begünstigung" der alten Griechen durch Natur und Kultur spielt.
Welche Rolle spielen Natur und Kultur in Winckelmanns Ästhetik?
Winckelmann sieht sowohl Natur als auch Kultur als Faktoren, die zur Schönheit beitragen. Die Griechen werden als besonders begünstigt dargestellt, da sie sowohl über vorteilhafte körperliche Anlagen verfügten (Natur) als auch eine Kultur besaßen, die diese Anlagen förderte (Kallipädie, Erziehung). Die Arbeit untersucht, wie Winckelmann diese beiden Faktoren verbindet und wie sie zur Entstehung der "idealischen Schönheit" beitragen.
Wie wird die Allegorie in Winckelmanns Werk behandelt?
Die Arbeit untersucht die Bedeutung der Allegorie in Winckelmanns Ästhetik. Sie analysiert, wie Winckelmann allegorische Elemente in der griechischen Kunst interpretiert und wie diese zur Vermittlung seines Konzepts der idealischen Schönheit beitragen.
Welchen Einfluss hatte Platon auf Winckelmann?
Die Arbeit untersucht den möglichen Einfluss des platonischen Denkens auf Winckelmanns Werk. Es wird erörtert, inwieweit Winckelmanns Konzept der idealischen Schönheit von platonischen Ideen beeinflusst wurde.
Was ist das Fazit der Arbeit?
Das Resümee der Arbeit diskutiert die zentrale Frage, ob Winckelmann die Nachahmung der Alten oder die Nachahmung der Natur betont. Es fasst die zentralen Ergebnisse der Analyse von Winckelmanns Konzept der idealischen Schönheit zusammen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Winckelmann, Nachahmung, Griechische Antike, Ideale Schönheit, Klassizismus, Kunst, Natur, Kultur, Allegorie, Platon.
- Citation du texte
- Martin Scheiber (Auteur), 2014, Die Nachahmung der Alten. Antike griechische Kunst und ihr Stellenwert bei der Konzeption von Schönheit in Winckelmanns "Gedancken", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345542