Die Folgen des zweiten Weltkrieges werfen immer noch dunkle Schatten auf unsere Gegenwart. "Die Vergangenheit scheint nicht vergehen zu wollen." Doch ist es unzweifelhaft wichtig, gerade jetzt zu dem Zeitpunkt, an dem die letzte Generation, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hat, verstirbt, sich auf die vergangenen Ereignisse zu besinnen. Vergessen sollte man nicht, auch wenn man das Privileg "der späten Geburt" inne hat, dass die Kriegsfolgen nicht in den 50er Jahren getilgt wurden, sondern in vielen Familien in Verhaltens- und Reaktionsmustern tradiert wurden und somit auch heute noch präsent sind.
Unsere heutige Elterngeneration wuchs in den Nachkriegswirren auf , viele Kinder sahen ihren Vater erst viele Jahre nach ihrer Geburt zum ersten Mal, als er als Kriegsheimkehrer nach Hause kam- geprägt von den Erfahrungen des Kriegs und der Gefangenschaft. Für die Kinder war der Vater fremd, und auch die Eltern hatte sich durch die Jahre und die unterschiedlichen Erfahrungen entfremdet. Oft resultierten Entfremdung, Unverständnis für einander, Frustration über die "verlorenen" Jahre und deren psychische und physische Folgen in starke Konflikte, die für die gesamte Familien belastend waren. In vielen Fälle verschärften die herrschende Gesetzgebung und stagnierende Sozialpolitik noch die Konfliktsituationen, da sie sich an alten Gesellschaftsmustern orientierten, und "nur alte Antworten" auf neue Fragen geben konnten. Nichtsdestotrotz setzte der Staat alle Hoffnungen auf die gesellschaftliche Reintegration der Heimkehrer durch Integration in die Familien, die Kriegsfolgen wurden somit "privatisiert" ( Vera Neumann., 1999). Welche Auswirkungen diese Strategie für die Familien der Heimkehrer hatte, möchte ich in dieser Arbeit diskutieren.
Im ersten Teil soll ein Überblick gegeben werden über die offizielle Wahrnehmung der Heimkehrer und die Deutung ihrer Rückkehr. Inwieweit diese euphemistische Argumentation in der familiären Realität an ihre Grenzen stieß, soll im Hauptteil der Arbeit dargestellt werden. Dabei werden drei Konfliktfelder näher beleuchtet: die Bedeutung der Heimkehr für ( Ehe)Mann und ( Ehe)Frau, die Auswirkungen der Heimkehr auf die Kinder des Paares, und die Problematik, die sich für den Heimkehrer und seine Familie ergibt bei einer ( kriegsbedingten) psychischen Erkrankung des Heimkehrers.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Aspekte der Heimkehr
1.1 Heimat
2. Öffentliche Deutung der Heimkehr
2.1 Viktimisierung
2.2 "Überlebende des Totalitrismus"
2.2 a Moralische Integration der Überlebenden
2.2 b Praktische, soziale Integration der Überlebenden
3. Kriegsfolgen als Belastung für die Familie
3.1 Konfliktfeld: Heimkehrer- Ehefrau
3.1 a Entfremdung
3.1 b Arbeitsunfähigkeit
3.2 Konfliktfeld: Heimkehrer- Kinder
4. Der Gesundheitszustand der Heimkehrer
4.1 Dystrophie
4.2 Deutung von bleibenden psychischen Leiden
4.3 a Auswirkungen auf die Familien
5. Schlußbetrachtung
6. Abstract
7. Bibliographie
Einleitung
Die Folgen des zweiten Weltkrieges werfen immer noch dunkle Schatten auf unsere Gegenwart. "Die Vergangenheit scheint nicht vergehen zu wollen." Doch ist es unzweifelhaft wichtig, gerade jetzt zu dem Zeitpunkt, an dem die letzte Generation, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hat, verstirbt, sich auf die vergangenen Ereignisse zu besinnen.
Vergessen sollte man nicht, auch wenn man das Privileg "der späten Geburt" inne hat, dass die Kriegsfolgen nicht in den 50er Jahren getilgt wurden, sondern in vielen Familien in Verhaltens-und Reaktionsmustern tradiert wurden und somit auch heute noch präsent sind.
Unsere heutige Elterngeneration wuchs in den Nachkriegswirren auf , viele Kinder sahen ihren Vater erst viele Jahre nach ihrer Geburt zum ersten Mal, als er als Kriegsheimkehrer nach Hause kam- geprägt von den Erfahrungen des Kriegs und der Gefangenschaft. Für die Kinder war der Vater fremd, und auch die Eltern hatte sich durch die Jahre und die unterschiedlichen Erfahrungen entfremdet. Oft resultierten Entfremdung, Unverständnis für einander, Frustration über die "verlorenen" Jahre und deren psychische und physische Folgen in starke Konflikte, die für die gesamte Familien belastend waren.
In vielen Fälle verschärften die herrschende Gesetzgebung und stagnierende Sozialpolitik noch die Konfliktsituationen, da sie sich an alten Gesellschaftsmustern orientierten, und "nur alte Antworten" auf neue Fragen geben konnten. Nichtsdestotrotz setzte der Staat alle Hoffnungen auf die gesellschaftliche Reintegration der Heimkehrer durch Integration in die Familien, die Kriegsfolgen wurden somit "privatisiert" ( Vera Neumann., 1999). Welche Auswirkungen diese Strategie für die Familien der Heimkehrer hatte, möchte ich in dieser Arbeit diskutieren.
Im ersten Teil soll ein Überblick gegeben werden über die offizielle Wahrnehmung der Heimkehrer und die Deutung ihrer Rückkehr. Inwieweit diese euphemistische Argumentation in der familiären Realität an ihre Grenzen stieß, soll im Hauptteil der Arbeit dargestellt werden. Dabei werden drei Konfliktfelder näher beleuchtet: die Bedeutung der Heimkehr für ( Ehe)Mann und ( Ehe)Frau, die Auswirkungen der Heimkehr auf die Kinder des Paares, und die Problematik, die sich für den Heimkehrer und seine Familie ergibt bei einer ( kriegsbedingten) psychischen Erkrankung des Heimkehrers.
1. Aspekte der Heimkehr
11 Millionen deutsche Soldaten gerieten während des Krieges und nach dem Krieg in die Gefangenschaft der Alliierten. Ein Drittel der Gefangenen wurde in Ländern festgehalten, die nach dem Krieg dem "Ostblock" zugerechnet wurden. Die anderen zwei Drittel wurden in Lagern der Briten, Franzosen und Amerikaner interniert.
Die meisten Soldaten wurden nach kurzer Zeit wieder entlassen, so waren bereits ein Drittel der Soldaten 1947 zurück in Deutschland 1948 hielten nur noch die Sowjetunion und Polen zusammen die letzten 400 000 Kriegsgefangenen fest, bis 1950 wurde jedoch ein Großteil entlassen. Die verbleibenden ca. 30 000 Männer waren von sowjetischen Gerichten als Kriegsverbrecher verurteilt worden , und konnten erst 1953, bzw. 1955 nach Deutschland zurückkehren. Die letzte Entlassungswelle war ein Resultat der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion, für die sich Bundeskanzler Konrad Adenauer bei seiner Moskaureise 1955 eingesetzt hatte.
1.1 Heimat
"Ein Mann kommt nach Deutschland . Er war lange weg, der Mann. Sehr lange. Und er kommt ganz anders wieder, als er wegging. Äußerlich ist er ein naher Verwandter jener Gebilde, die auf den Feldern stehen, um die Vögel ( und manchmal auch die Menschen) erschrecken. Innerlich -auch. Er hat tausend Tage draußen in der Kälte gewartet. Und als Eintrittsgeld mußte er mit seiner Kniescheibe bezahlen. Und nachdem er tausend Nächte draußen in der Kälte gewartet hat, kommt er endlich doch noch nach Hause.
Ein Mann kommt nach Deutschland." ( Borchert,1946, Prolog)
Wolfang Borcherts Stück " Draußen vor der Tür" war ein großer Erfolg der Nachkriegszeit, wie kein anderer Autor fingt er die Strapazen der Heimkehrer aus Krieg und Gefangenschaft ein. Sein Stück spiegelt ein Bild von einem gebrochenen Mann, ein Mann der voller Hoffnung in die Heimat zurückkehrt, und doch stark in seinen Erwartungen enttäuscht wird. So wie der Hauptfigur des Stückes, Beckmann ,erging es vielen Heimkehrern. Auf die Heimkehr und die Sinnfrage nach dem verlorenen Krieg von Tausenden ehemaligen Soldaten mußte der junge westdeutsche Staat ein Antwort geben und anhand von Deutungsmustern die Heimkehrer sozial integrieren um eine Wiederholung der Situation der Weimarer Republik zu vermeiden.
Den gebrochenen Männern mußte ihre Männlichkeit zurückgegeben werden, eine Männlichkeit, die sie befähigen sollte die Gesellschaft als Bürger wiederaufzubauen. In wieweit die öffentliche Darstellung der Heimkehrer dieses Ziel verfolgte soll im folgenden Kapitel dargestellt werden.
2. Öffentliche Deutung der Heimkehr und die "Remaskulinisierung" Deutschlands
2.1 Viktimisierung
Die westdeutsche Öffentlichkeit reagierte in zwei unterschiedlichen, doch chronologisch aufeinander bezogenen Mustern auf die Heimkehr der Soldaten . Zunächst wurden die Heimkehrer einheitlich als Opfer des Totalitarismus angesehen. Dieser Viktimisierungsprozeß leistete einer Argumentation Vorschub, die darauf abzielte das Leid der Opfer der Deutschen zu relativieren, indem deutsche Opfer( hier die Heimkehrer die aus der Gefangenschaft zurückkehrten) mit den Opfern der Deutschen gleichgesetzt wurden. Die medizinische Diskussion über Dystrophie, der sogenannten "Stacheldrahtkrankheit", die ein großes Repertoire an Symptomen aufwies und als Folgeerscheinung der Mangelernährung in Lagern deklariert wurde, stellte die naturwissenschaftliche Legitimation für die beschriebene Gleichsetzung der Opfer. Besonders die Betonung der Lagererfahrung als Auslöser für die Krankheit, und nicht etwa das entbehrungsreiche Leben an der Front, erleichterte die Argumentation.
" Anders als shell shock war Dystrophie auch nicht das Produkt unerträglicher Zustände an der Front , sondern war ein Trauma, das nicht nur ehemalige Soldaten, sondern auch zivile Insassen der verschiedenen Formen von Lagern während des und nach dem zweiten Weltkrieg betraf (...) Gerade diese Eigenschaft erleichterte aber auch die Gleichsetzung der Erfahrung der heimkehrenden Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion mit der der Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager."( Biess,1999,S. 368)
Alle Opfer wurden als Opfer des Totalitarismus deklariert. Doch im Gegensatz zum Nationalsozialismus war der sowjetische Totalitarismus noch virulent und hatte die durch die Lagererfahrung deformierten deutschen Soldaten "auf dem Gewissen". Somit wurde nachträglich das nationalsozialistische Feindbild der Bolschewisten bestätigt.
Die Rechtfertigung für die Verfestigung dieses Vorurteils wurde wiederum durch die Wissenschaft manifestiert, so hatten Mediziner eine Zerstörung der ethnischen Identität ( " Russifizierung der Physiognomie, vgl. Biess,1999, S. 369) und eine Zerstörung der sexuellen Identität als Männer in vielen Fällen bei Heimkehrern diagnostiziert. Die Schuld für die Deformation der Männer wurde aus der Fronterfahrung herausgelöst und ausschließlich der Lagererfahrung zugeordnet. Somit erfolgte bereits in dieser Zeit eine klare Distanzierung vom vergangenen Totalitarismus im eigenen Land( dessen Niederlage die Gefangenschaft vieler Soldaten zur Folge gehabt hatte) und der Motor für die Übernahme von individueller Verantwortung wurde "wissentlich" lahmgelegt. Die Verantwortung wurde einer kleinen Führungsschicht des Nationalsozialismus zugeschoben
Dieses Deutungsmuster der Heimkehrer als Opfer des Totalitarismus, insbesondere des sowjetischen, kann nur in Hinblick auf die Tradierung des bolschewistischen Feindbildes, welches eine Konstante zwischen Kriegs- und Nachkriegszeit bildete, und die sich verhärtenden Fronten des kalten Krieges erklärt werden. Gerade in dieser Hinsicht ist die Umdeutung der Opfer in "Überlebende" des Totalitarismus, welche Ende der 40er Jahre in der Öffentlichkeit einsetzte, von entscheidender Bedeutung.
2.2 Überlebende des Totalitarismus
Ende der 40er Jahre/ Anfang der 50er Jahre setzte eine neue offizielle Deutung der Heimkehr ein. Nun wurden die Heimkehrer nicht nur als passive Opfer des Totalitarismus angesehen, sondern wurden vielmehr als "Helden", die die Gefangenschaft überlebt hatten, in der Heimat gefeiert. Es galt neue männliche Staatsbürger für die Bundesrepublik zu "erschaffen", die nicht als Belastung für die junge Republik angesehen werden sollten, sondern vielmehr als Prototypen für den Wiederaufbau Deutschlands proklamiert wurden, deren Integration in die Gesellschaft durch ihre Vorbildfunktion als erstrebenswert dargestellt wurde. Denn der Krieg der Heimkehrer" habe noch mehr als zehn Jahre hinter Stacheldraht angedauert. "Sie konnte ( die Wehrmacht) den Krieg zwar nachträglich nicht mehr militärisch gewinnen, aber ihr wurde im Ost-West Konflikt der fünfziger Jahre die Rechtfertigung zuteil, auf der richtigen Seite gekämpft und sich am richtigen Feindbild orientiert zu haben."( Reichel,2000, S. 168)
Ihre Attraktivität für die Gesellschaft wurde enorm erhöht, insbesondere da sie eine Relativierung des Vernichtungskrieges zuließ, durch die Betonung der Kontinuität des sowjetischen Feindes.
2.2 a Moralische Integration der Überlebenden
Die Integration speziell der Heimkehrer in den 50 iger Jahren, wurde sowohl durch religiöse, als auch durch publizistische Deutungen ihres Überlebens erleichtert und stärkte ihre Vorbildfunktion für die Gesellschaft.
Die Kirche deutete das Überleben als einen Sühne- Buße Prozeß, und porträtierte die Heimkehrer als moderne Christus Figuren, die der Glaube die Gefangenschaft habe überstehen lassen. Selten entsprach jedoch diese Deutung der Realität, und Frank Biess stellt in diesem Zusammenhang fest :
" Diese religiöse Interpretation war allerdings mehr ein kirchliches Projekt denn eine Widerspiegelung der tatsächlichen Religiosität der Heimkehrer.(..) dennoch sahen die Kirchen die religiöse Deutung der Gefangenschaft als eine Möglichkeit , ihren Einfluß auf die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft auszuweiten" ( Biess ,1999, S.372)
Im Gegensatz dazu betonten die Medien die herausragende Bedeutung der unveränderlichen deutschen Werten im Überlebenskampf der ehemaligen Gefangenen. Diese Werte und Normen wären angeblich vom Krieg unberührt geblieben, und befähigten ihre Träger im besonderen Maße die Bundesrepublik neu aufzubauen.
" Die von den deutschen Kriegsgefangenen angeblich kultivierten Verhaltensweisen sollten demnach einen Baustein zum moralischen Fundament der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft bilden" ( Biess,1999,S.374).
Ihr Status als Zeitreisende in das Deutschland der Nachkriegszeit verlieh ihnen auch die außerordentlich Autorität um die Veränderungen der Gesellschaft, im Zuge von zunehmender Amerikanisierung, kritisch hinterfragen zu können. Auf der anderen Seite hatten sie auch am eigenen Leib das gegnerische, gesellschaftliche Extrem - den Kommunismus -in der Gefangenschaft erfahren, und hatten dessen Auswüchse bei der Fahrt durch die DDR betrachten können. Sie wußten um die praktischen Gefahren des Kommunismus. Die Erfahrung mit beiden Systemen prädestinierte die Heimkehrer zu idealen westdeutschen Staatsbürgern ,da sie einerseits antikommunistisch waren, aber andererseits auch die kritische Distanz zu der neuen amerikanisierten Konsumgesellschaft waren konnten, da sie deren Transformation nicht selbst miterlebt hatten.
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- Christina Langerbein (Author), 2004, Ein Mann kommt nach Deutschland, Heimkehr der Kriegsgefangenen und ihre Folgen für den privaten Bereich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34553
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