Mit der Wahl Konrad Adenauers zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik begann der Anfang einer Ära. Im von den Westmächten besetzten Deutschland musste sich eine neue Staatsform durchsetzen – und dies besser als die vorangehende Demokratie der Weimarer Republik. Bei dieser Entwicklung nahm Adenauer die zentrale Rolle ein. Als Bundeskanzler gab er sowohl die innenpolitischen wie auch außenpolitischen Richtlinien der Bundesrepublik vor und sollte damit sein Land in eine freie Demokratie führen.
„Die Ära Adenauer – Aufbruch in die Moderne, oder Epoche autoritärer Restauration?“
Mit der Wahl Konrad Adenauers zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik begann der Anfang einer Ära. In dem von Westmächten besetzten Deutschland musste sich eine neue Staatsform durchsetzen; und dies besser als die vorangehende Demokratie der Weimarer Republik. Bei dieser Entwicklung nahm Adenauer die zentrale Rolle ein. Als Bundeskanzler gab er sowohl die innenpolitischen wie auch außenpolitischen Richtlinien der Bundesrepublik vor und sollte damit sein Land in eine freie Demokratie führen.
Um die Kanzlerschaft Adenauers näher beleuchten zu können, muss erst auf die Verfassung der Bundesrepublik eingegangen werden, die einen deutlichen Bruch mit der deutschen Verfassungsgeschichte bedeutete, vor allem in Bezug auf die Weimarer Republik. In Beratung um das Grundgesetz nahm man gewiss auch Bezug auf die Weimarer Verfassung, jedoch mussten entscheidende Punkte geändert oder hinzugefügt werden, um in Zukunft eine solch beispiellose Machtergreifung wie die der Nationalsozialisten während der Weimarer Republik verhindern zu können. Das neu konstituierte Grundgesetz teilt dem Regierungschef eine starke Position zu, wobei der Bundespräsident an Macht verliert und meist nur noch „repräsentativ“ erscheint; ihm obliegt jedoch das Vorschlagsrecht für den Bundeskanzler. Des Weiteren wurde das konstruktive Misstrauensvotum eingeführt, wodurch der Sturz der Regierung durch das Parlament nur dann zulässig ist, wenn gleichzeitig ein neuer Kanzler gewählt wird. Auch die 5%-Hürde offenbart einen deutlichen Schritt in die Moderne, da sie die Koalitions- bzw. Regierungsbildung erleichtert, ohne die Grundzüge der Demokratie auszuhebeln.
In der Realität nutzte Adenauer seine vom Grundgesetz ausgelegte starke Stellung. Er gab die Richtlinienkompetenz vor und verwarnte Minister, die auf eigene Faust Politik betreiben wollten. Das entscheidendste Instrument seiner Regierungsführung war das Bundeskanzleramt. Umstritten war hierbei unter anderem die Einbeziehung Hans Globkes. Er war Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und war durch seine nationalsozialistische Vergangenheit den Alliierten ein Dorn im Auge. Globke wurde mehrmals von den Alliierten überprüft, wobei jedoch nie etwas in seinen Akten auftauchte, was ihn nach dem Gesetz von einem öffentlichen Amt ausgeschlossen hätte. Sinnbildlich steht Globke jedoch für das Millionenheer aus ehemaligen NS-Tätern, also aus Soldaten, entlassenen Beamten, ehemaligen Parteigenossen usw., die für das demokratische System gewonnen und in den neuen Staat integriert werden sollten, um die gesellschaftliche Ordnung zu stabilisieren. Dabei spielte der Antikommunismus als Integrationsideologie für ehemalige NS-Täter eine wichtige Rolle. Außerdem gab es schlicht zu wenig unbelastete Fachleute für den Aufbau des neuen Staates oder wie Adenauer sagte: „Man schüttet kein dreckiges Wasser weg, solang man kein sauberes hat“, weshalb es auch zur Einbindung Hans Globkes in das Bundeskanzleramt kam. Hinsichtlich des Amtes an sich konnte Adenauer es in seiner Funktion und Gliederung nach seinen Vorstellungen aufbauen und auf seinen Führungsstil zuschneiden. Der sehr autoritär durchgeführte Regierungsaufbau kann jedoch kritisch gesehen werden. Dem Bundeskanzleramt oblag die Koordination des Regierungshandelns, sowie der Austausch mit den einzelnen Ministerien. In einer Zeit solch schwieriger politischer Verhältnisse, wie sie in der Nachkriegszeit herrschten, gab also ein Mann die politische Marschrichtung Deutschlands vor, wenn auch unter Beaufsichtigung durch die alliierten Besatzungsmächte. Die privilegierte Beziehung Adenauers zu den Hohen Kommissaren, deren Interventionsrecht auf auswärtige und innenpolitische Fragen allgegenwärtig war, begünstigte seine Stellung und war mitentscheidender Faktor für die Ausprägung der „Kanzlerdemokratie“. So konnte Adenauer als zentraler Verhandlungspartner die entscheidenden Punkte in Bezug auf seine Politik der Westintegration vorbei an Kabinett und Öffentlichkeit mit den drei Hochkommissaren beraten und in Zusammenarbeit mit ihnen durchsetzen. Hierbei sahen sich die Abgeordneten seiner eigenen Partei meist vor vollendete Tatsachen gestellt. Durch stetes und klares Bekennen zu westlichen Werten und entsprechenden politischen Handlungen, wollte der Kanzler Schritt für Schritt das Vertrauen der Westmächte zu den Deutschen wieder gewinnen. Nach dieser Auffassung gestaltete Adenauer seine Außenpolitik klar, folgerichtig und offen, um Deutschland den Weg in die Westintegration zu bereiten. So wurde bereits 1955 der Besatzungsstatut der Bundesrepublik aufgehoben und ihr somit ein Eintritt in die NATO ermöglicht. Später kam es zu den Römischen Verträgen, die allgemein als Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft gelten. Auch hier erkennt man erneut den autoritären Führungsstil des ersten Bundeskanzlers, der seiner Fraktion bei außenpolitischen Angelegenheiten wenig Mitspracherecht und Entscheidungsraum ließ. Dennoch sind die Errungenschaften die er erzielte von enormer Bedeutung bis in die Gegenwart, vor allem in Bezug auf die wirtschaftlichen Beziehungen Europas. Bei innenpolitische Angelegenheiten gewährte er der CDU-Fraktion mehr Handlungsspielraum, wobei er auch dort in kritischen Punkten seinen Willen durchzusetzen wusste. Abgesehen von seiner erfolgreichen Politik der Westintegration hatte Adenauer auch innenpolitische Erfolge. Das neue Wirtschaftssystem der Bundesrepublik, die von Ludwig Erhard konzipierte soziale Marktwirtschaft, verband Profitstreben mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein und war rückblickend ein weitreichender Schritt in die Moderne. Des Weiteren kam es zu wichtigen sozialpolitischen Reformen, die zum Beispiel die Alterssicherung betrafen. Die „dynamische Rente“, die sich an den Bruttolöhnen orientierte und somit den Leuten einen „Lohnersatz“ im Alter versprach ermöglichte es, einen einmal erreichten Lebensstandard zu halten. Außerdem wurden Maßnahmen verabschiedet, die gesetzliches Krankengeld für Arbeiter sowie Altershilfen für Landwirte versprachen. All diese Punkte konnten unter Federführung der sozialen Marktwirtschaft den Aufbau eines westdeutschen Wohlfahrtstaates ermöglichen. Dieser sollte nicht zuletzt durch eine ökonomisch und sozialpolitisch attraktive Bundesrepublik in der Systemkonkurrenz vor der DDR liegen und somit eine Magnetwirkung auf deren Bewohner auslösen. Der Aufschwung unter Adenauers Wirtschaftspolitik zum „Wirtschaftswunder“ , sowie die sozialpolitische Gesetzgebung ermöglichte vor dem Mauerbau die Eingliederung eines zunehmenden Stromes an Flüchtlingen aus der DDR, sowie von Heimatvertriebenen. Die soziale Marktwirtschaft sorgt auch heute noch für die Stellung Deutschlands als wirtschaftlich führenden Staat Europas.
Unter all diesen Gesichtspunkten lässt sich zusammenfassen, dass die Deutschen Adenauer die Einsicht verdanken, dass Demokratie und Autorität sich nicht gegenseitig ausschließen. Sein durchaus kritikbehafteter patriarchalischer Führungsstil wurde von dem nach Autoritäten lechzenden politischen Meinungsfeld der Deutschen gut auf- und angenommen. Ohne seine richtungsweisende Politik und sein energisches Auftreten wäre der Aufbau der neuen Staatsform so kaum möglich gewesen. Er bot den Deutschen Standfestigkeit in einer heranwachsenden Demokratie, die sich während politisch schwieriger Zeiten etablieren musste (Ost-Westkonflikt). In seiner Amtszeit konnte sich Deutschland politisch stabilisieren und wirtschaftlich weiterentwickeln. Damit leistete er den entscheidenden Beitrag zur Verwurzelung einer modernen Demokratie in Deutschland.
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- Tom Schmelzer (Autor), 2016, Die Ära Adenauer. Aufbruch in die Moderne oder Epoche autoritärer Restauration?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345274