Zur Steigerung ihrer Effizienz und Erhöhung ihrer Produktivität müssen Organisationen Kosten sparen. Nach allgemeinem Verständnis sind die einschlägigen Methoden dafür Rationalisierungsinvestitionen und Personalabbau, gefolgt von, wie in der jüngsten Zeit häufig diskutiert, Verlängerung der Arbeitszeiten.
Einen weniger beachteten Aspekt für Produktivitätsverluste hebt die kürzlich veröffentlichte Studie von Proudfoot Consulting mit dem Titel „Managing for mediocrity“ hervor, nämlich uneffiziente Führung. Basierend auf 1668 Beobachtungsstudien in Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Automobilindustrie, Einzelhandel, natürliche Ressourcen und Telekommunikation aus neun Industrieländern werden in dieser Globalstudie Defizite bei Planung und Steuerung zusammen mit Führung mit 72% für Produktivitätsverluste verantwortlich gemacht. Kommunikation und Arbeitsmoral tragen mit weiteren 9% bzw. 8% dazu bei. Als konfliktrelevante Faktoren werden unter anderem fehlende, schlechte oder unzureichende Bewertungsverfahren, das Ignorieren von Problemen, zu wenig Zeit für das Vorhersehen und Verhindern von Problemen sowie das fehlende Verständnis des Managers für seine Rolle als Vermittler genannt.
Konflikte und deren mangelnde Bewältigung sind also, neben den harten Kostenfaktoren, eine nicht zu vernachlässigende Einflussgröße auf den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen, Profit- oder Nonprofit-, auf dem Markt. Reibungsverluste durch andauernde Konflikte oder Nachwirkungen von vergangenen Konflikten vermindern die Effizienz im täglichen Arbeitsablauf der Mitarbeiter und können auf längere Sicht sogar zu einem völligen Erlahmen der Arbeitsleistung führen, beides mit hohen indirekten Personalkosten verbunden. Zunehmender Wettbewerb und damit einhergehend die fortschreitende Globalisierung, das Auflösen von bekannten Strukturen zu flexiblen, auch länderübergreifenden Arbeitsgruppen sowie der wachsende Zeitdruck und der Wettbewerb der Mitarbeiter untereinander verschärfen das Potenzial für das Entstehen von Konflikten in Organisationen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Begriff, Definitionen und Abgrenzungen
2.1. Begriff
2.2. Definitionen
2.3. Abgrenzungen
3. Konfliktanalyse
3.1. Konfliktentstehung
3.1.1. Streitgegenstand
3.1.1.1. Objekt- und Subjektsphäre nach Glasl
3.1.1.2. Allgemeine Voraussetzungen und spezielle Ursachen nach Rüttinger
3.1.1.3. Organisationspsychologischer Ansatz nach Berkel
3.1.2. Konfliktparteien und deren Eigenschaften
3.1.3. Konfliktentstehung in Organisationen
3.1.3.1. Unterschiede in Zielen, Werten und Normen
3.1.3.2. Organisationsaufbau und -struktur
3.1.3.3. Sachzwänge
3.1.3.4. Kommunikation und Wahrnehmung
3.1.3.5. Empirische Ergebnisse
3.2. Erscheinungsform des Konflikts
3.2.1. Latente und offene Konflikte
3.2.2. Verschobene und echte Konflikte
3.2.3. Heiße und kalte Konflikte
3.2.4. Formgebundene und formlose Konfliktaustragung
3.3. Konfliktverlauf
3.3.1. Konfliktepisode
3.3.2. Eskalationsmodell von Glasl
4. Bewertung
4.1. Funktionale Konflikte
4.2. Dysfunktionale Konflikte
5. Interventionsmöglichkeiten
5.1. Konfliktprophylaxe
5.1.1. Strukturelle Maßnahmen
5.1.2. Personenorientierte Maßnahmen
5.2. Konfliktbewältigung
5.2.1. Kompromiss
5.2.2. Konfliktunterdrückung
5.2.3. Kooperative Konfliktlösung
5.2.4. Empirische Ergebnisse
5.3. Formelle Konfliktbewältigung durch Eingreifen einer dritten Partei
5.3.1. Der Vorgesetzte in der Rolle des Konfliktmanagers
5.3.2. Konfliktmanagement durch externe Experten
6. Resümee
Literaturverzeichnis
Erklärung
1. Einleitung
Zur Steigerung ihrer Effizienz und Erhöhung ihrer Produktivität müssen Organisationen Kosten sparen. Nach allgemeinem Verständnis sind die einschlägigen Methoden dafür Rationalisierungsinvestitionen und Personalabbau, gefolgt von, wie in der jüngsten Zeit häufig diskutiert, Verlängerung der Arbeitszeiten.
Einen weniger beachteten Aspekt für Produktivitätsverluste hebt die kürzlich veröffentlichte Studie von Proudfoot Consulting mit dem Titel „Managing for mediocrity“ hervor, nämlich uneffiziente Führung. Basierend auf 1668 Beobachtungsstudien in Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Automobilindustrie, Einzelhandel, natürliche Ressourcen und Telekommunikation aus neun Industrieländern werden in dieser Globalstudie Defizite bei Planung und Steuerung zusammen mit Führung mit 72% für Produktivitätsverluste verantwortlich gemacht. Kommunikation und Arbeitsmoral tragen mit weiteren 9% bzw. 8% dazu bei. Als konfliktrelevante Faktoren werden unter anderem fehlende, schlechte oder unzureichende Bewertungsverfahren, das Ignorieren von Problemen, zu wenig Zeit für das Vorhersehen und Verhindern von Problemen sowie das fehlende Verständnis des Managers für seine Rolle als Vermittler genannt.
Konflikte und deren mangelnde Bewältigung sind also, neben den harten Kostenfaktoren, eine nicht zu vernachlässigende Einflussgröße auf den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen, Profit- oder Nonprofit-, auf dem Markt.
Reibungsverluste durch andauernde Konflikte oder Nachwirkungen von vergangenen Konflikten vermindern die Effizienz im täglichen Arbeitsablauf der Mitarbeiter und können auf längere Sicht sogar zu einem völligen Erlahmen der Arbeitsleistung führen, beides mit hohen indirekten Personalkosten verbunden. Zunehmender Wettbewerb und damit einhergehend die fortschreitende Globalisierung, das Auflösen von bekannten Strukturen zu flexiblen, auch länderübergreifenden Arbeitsgruppen sowie der wachsende Zeitdruck und der Wettbewerb der Mitarbeiter untereinander verschärfen das Potenzial für das Entstehen von Konflikten in Organisationen.
Umso mehr müssen sich Unternehmen den Herausforderungen stellen und das Konfliktbewusstsein und die Konfliktfähigkeit ihrer Mitarbeiter, vornehmlich der Führungskräfte, fördern.
Aus dieser Aktualität wurde das Thema für die vorliegende Hausarbeit gewählt. Nach der Erläuterung und Abgrenzung des Begriffs Konflikt werden, unterschieden nach Struktur- und Prozessaspekten, die Entstehung und der Verlauf von Konflikten aufgezeigt, denen sich die Bewertung anschließt. Zusammen mit dem Verhalten in Konflikten bilden diese Aspekte schließlich die Grundlage für die Interventionsmöglichkeiten.
2. Begriff, Definitionen und Abgrenzungen
2.1. Begriff
Etymologisch stammt der Begriff Konflikt aus dem Lateinischen, wobei das Substantiv conflictus mit der Übersetzung „Zusammenstoß, Kampf“ ein Partizip des Verbs confligere ist. Nach Pertsch (2001) hat das Verb confligere in intransitiver Verwendung die Bedeutung „zusammenstoßen, aneinandergeraten“, während es bei Lukrez als transitives Verb auch mit „vereinigen“ übersetzt werden kann.
Der Begriff Konflikt erhält meist negative Konnotationen wie Streit, Ärger, Krieg. Das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen und gegensätzlichen Motiven, Interessen und Einstellungen impliziert eine spannungsgeladene Auseinandersetzung und assoziiert häufig aggressives Verhalten.
Wissenschaftlich sind Konflikte und Konfliktverhalten Forschungsgegenstand verschiedener Disziplinen wie Politologie, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie oder Psychologie. Entsprechend der Vielfalt der wissenschaftlichen Fachrichtungen gibt es auch eine Vielfalt von Ansätzen zur Beschreibung, Erklärung und Bewältigung von Konflikten. Eine einheitliche, disziplinübergreifende theoretische Grundlage liegt nicht vor (Regnet, 2001, S. 7).
Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Sichtweise in den Disziplinen verweist Rosenstiel (2003, S. 300f) auf die Konnotationen, die der Begriff in den Disziplinen Psychologie und Soziologie erhält: in soziologischen Studien wird Konflikt gelegentlich positiv gedeutet, während aus psychologischer Sicht Konflikt eher mit negativen Folgen assoziiert wird. Als ursächlich dafür sieht er den den Disziplinen innewohnenden Forschungsgegenstand, d.h. Individuum versus soziale Systeme und Strukturen.
Innerhalb der psychologischen Sichtweise lassen sich Konflikte unterteilen in innere, d.h. seelische, intraindividuelle und äußere, d.h. interindividuelle, soziale Konflikte. Die Organisationspsychologie als angewandte Wissenschaft widmet sich speziell dem Verhältnis Organisation und Person. Einige Autoren sehen darin ein grundlegendes Spannungsverhältnis (vgl. Berkel, 1984). Anhand des Hegelschen Bildes von Herr und Knecht macht Rosenstiel (2003, S. 302) auf den im Herrschaftsverhältnis immanenten strukturellen Konflikt aufmerksam. Somit beinhalten Organisationen, dem soziologischen, strukturzentrierten Ansatz von Dahrendorf folgend, latent soziale Konflikte: die Struktur der Situation macht ein Auftreten von Konflikten wahrscheinlich bzw. die Parteien stehen objektiv in Gegnerschaft zueinander (Rosenstiel, ebd.). Aus organisationspsychologischer Perspektive sind aber nicht die strukturellen Rahmenbedingungen, sondern das Organisationsmitglied mit seinem individuellen Erleben und Verhalten Gegenstand des Interesses.
2.2. Definitionen
Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf Konflikte in Organisationen; daher werden im Fol-genden Definitionen zu den in Organisationen auftretenden sozialen Konflikten vorgestellt.
Rüttinger definiert soziale Konflikte als „Spannungssituationen, in denen zwei oder mehr Parteien, die voneinander abhängig sind, mit Nachdruck versuchen, scheinbar oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen und sich dabei ihrer Gegnerschaft bewusst sind“ (2000, S. 7).
Für Berkel liegt ein Konflikt dann vor, „wenn eine Partei oder beide Parteien zum gleichen Zeitpunkt Handlungen beabsichtigen oder durchführen, die zur Folge haben könnten oder haben, dass sich die andere Partei behindert, blockiert oder verletzt fühlt“ (2003, S. 398).
Glasl wiederum bezeichnet seine Definition als Synthese aus diversen Definitionen, u.a. von Rüttinger, und grenzt soziale Konflikte ein als
Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeit im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge (2004, S. 17).
Gemeinsam ist diesen Definitionen das Zusammentreffen von mindestens zwei Elementen unter Betonung der Gleichzeitigkeit ihrer Gegensätzlichkeit bzw. ihrer Unvereinbarkeit. Die Elemente können Kognitionen oder Subjekte sein. Wichtig ist, dass die Möglichkeit einer wechselseitigen Einflussnahme vorliegt (Berkel, 2003, S. 399). Ohne Abhängigkeit der Parteien in Bezug auf die in Gegensatz zueinander stehenden Elemente kann kein Konflikt entstehen. Wesentlich ist das Wahrnehmen und subjektive Erleben eines Konflikts. Verschiedene Autoren machen deutlich, dass die objektiven Potenziale für sich selbst genommen noch keinen Konflikt bedingen, aber auch, dass sie für das Erleben eine Konflikts nicht unbedingt faktisch vorliegen müssen (vgl. Rüttinger, 2000, S. 9).
2.3. Abgrenzungen
Glasl (2004, S. 14) kritisiert die zunehmend inflationäre Verwendung des Begriffs Konflikt. Anhand der Definitionen wird der Begriff „sozialer Konflikt“ hinlänglich eingegrenzt. Dennoch ist die Abgrenzung zu verwandten Begriffen nützlich.
Konflikte und Unvereinbarkeiten
Glasl (ebd., S. 18f.) unterscheidet zwischen sozialen Konflikten gemäß seiner o.g. Definition und Interaktionen, bei denen es zu logischem Widerspruch, Meinungsdifferenz, Missverständnis, Fehlperzeption, Gefühlsgegensätzen, Ambivalenz, Antagonismus, Spannung oder Krise kommt, die aber nicht gleichzeitig alle genannten Gefühls- und Willensdimensionen ansprechen. Diese bezeichnet er als Unvereinbarkeiten.
Meinungsverschiedenheit
Eine Meinungsverschiedenheit ruft zwar das Erleben einer Unvereinbarkeit im Denken hervor, muss jedoch keine Handlungen oder Handlungspläne behindern. Sobald die Meinungsverschiedenheit jedoch auf Handlungspläne wirksam wird, wird sie Teil oder Anlass für einen sozialen Konflikt (Rüttinger, 2000, S.15).
Verhandlung
Eine Verhandlung findet statt, wenn die Verhandlungspartner ihre unterschiedlichen Interessen wahren wollen, aber auch das gemeinsame Ziel haben, die Beziehung weiterzuführen. Die Gegensätzlichkeit weitet sich dann zum Konflikt aus, wenn die Verhandlung scheitert oder eine Partei sich übervorteilt fühlt (Regnet, 1996, S. 15).
Wettbewerb
Wettbewerbssituationen und Konflikte überschneiden sich teilweise. Wettbewerb kann Ursache für einen Konflikt sein (Verteilungskonflikt) oder sich als typisches Erleben und Verhalten im Konflikt äußern. Davon zu unterscheiden ist konfliktverursachendes Wettbewerbsverhalten als grundsätzliche Einstellung einer Person (vgl. Rüttinger, 2000).
Macht
Macht kann eine Ursache von Konflikten sein, besonders wenn sie in der Form von Sanktionsmacht auftritt, um Interessen einseitig durchzusetzen und somit Reaktanz hervorruft. Die legitimierte Positionsmacht kann auch eingesetzt werden, um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen oder zu ihrer Bewältigung, wobei die Gefahr gegeben ist, dass die Konflikte latent weiter existieren und zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufbrechen.
Aggression
Lück definiert Aggression als „Sammelbegriff für jene menschlichen Verhaltensweisen, denen die mehr oder weniger bewusste Intention der Schädigung eines anderen Menschen zugrunde liegt. Aggression ist sozial motiviert und sehr häufig interaktives Verhalten“ (1994, S. 14). Rüttinger (2000, S. 14) macht darauf aufmerksam, dass Aggressionen auch ohne die Merkmale eines Konflikts, nämlich Interdependenz und Versuch, gegensätzliche Handlungspläne zu verwirklichen, auftreten können. Den Zusammenhang zwischen Aggressionen und Konflikten sieht er dennoch gegeben, da sie als Ursache, Austragungsform oder Folge von Konflikten auftreten können. Gerade in der Verhinderung einer aggressiven Konfliktaustragung liegt für ihn das primäre Ziel der Konfliktforschung.
3. Konfliktanalyse
Für Konflikte und deren Analyse sind nach Berkel (2003) zwei Aspekte wesentlich:
- das Konfliktpotenzial als Gesamtheit der Bedingungen für ihr Entstehen und
- die Konfliktdynamik, mit der die Form der Austragung und der weiteren Entwicklung des Konflikts bestimmt werden.
Demzufolge lassen sich die diversen psychologischen Ansätze untergliedern in Modelle, die sich mit der Struktur von Konflikten, d.h. deren Bedingungen auseinandersetzen, und in prozessuale Modelle, mit denen der zeitliche Verlauf von Konflikten analysiert wird (vgl. Berkel, 1987).
Aus wissenschaftlicher Sicht bemängelt Berkel (1984, S. 46) nicht nur den disziplinübergreifenden Mangel einer einheitlichen theoretischen Grundlage und Konfliktkonzeption, sondern, als Voraussetzung dafür, auch ihr Fehlen innerhalb der Einzelwissenschaften. Die Modelle innerhalb der Organisationspsychologie bezeichnet er als „heuristische Versuche, die sich darauf beschränken, Entstehung, Verlauf und Auswirkungen interpersonaler Konflikte zu beschreiben“ (Berkel, 1987, S. 154). Aus seinem anthroposophischen Ansatz heraus bemerkt Glasl (2004, S. 97) zu der Vielfalt von Modellen und Klassifikationen, dass mit diesen Unterscheidungen logisch dasjenige getrennt wird, was praktisch vielfältig miteinander verknüpft ist.
Für den weiteren Verlauf der Arbeit werde ich die Unterteilung in Struktur und Verlauf aufnehmen und anhand der strukturalen Analyse eines Konflikts zunächst die Ursachen für seine Entstehung betrachten.
3.1. Konfliktentstehung
Für eine Konfliktanalyse nennt Berkel (2002) ein Diagnoseschema bestehend aus fünf Strukturelementen: Streitpunkte, Parteien, Form des Konflikts, Verlauf und Ergebnis. Glasl (2004) sieht Issues¸ Konfliktverlauf, Konfliktparteien, deren Beziehung zueinander und ihre Grundeinstellungen zum Konflikt als wesentliche Elemente für die Diagnose. Übereinstimmend sind Streitgegenstand und Parteien wesentliche Determinanten für die Konfliktentstehung und als Elemente einer Diagnose gleichzeitig Ansatzpunkte für die Bewältigungsstrategien (Glasl, 2004, S. 24).
3.1.1. Streitgegenstand
Betrachtet man die Struktur von Konflikten lassen sich für die Diagnose der Streitgegen-stände verschiedene Ansätze und Modelle differenzieren.
3.1.1.1. Objekt- und Subjektsphäre nach Glasl
Glasl (2004) unterscheidet die Konfliktgegenstände und –quellen in ihrer Eigenschaft als Elemente der Konfliktdiagnose nach Objekt- und Subjektsphäre. Zur Hervorhebung ihres subjektiven Charakters bezeichnet Glasl (ebd., S. 106) die Streitpunkte als „issues“.
Objektive Streitpunkte sind situative Merkmale, die außerhalb der Person liegen und von denen sie abhängig ist. In Organisationen handelt es sich um Sachfragen und ideelle, normative Gegebenheiten wie Organisationsaufbau und -struktur, Aufgaben und Arbeitsabläufe, Prozeduren, generelle Vorschriften, Ressourcen, Werte, Visionen und Ziele.
Bei Streitpunkten aus der Subjektsphäre dreht es sich um störende dispositive Merkmale, Denk- und Verhaltensweisen oder Einstellungen der Konfliktparteien.
Auch die Unterscheidungen in echte vs. unechte bei Krysmanski und substantielle vs. effektive Konflikte von Guetzkow und Gyr basieren auf diesen Merkmalen (vgl. Glasl, 2004).
3.1.1.2. Allgemeine Voraussetzungen und spezielle Ursachen nach Rüttinger
Rüttinger (2000) unterscheidet die möglichen Streitgegenstände und Konfliktquellen in allgemeine Voraussetzungen und spezielle Ursachen. Zu den allgemeinen Voraussetzungen zählen die Notwendigkeit koordinierten Handelns im Betrieb und die relative Selbstständigkeit der Parteien. Betriebliches Handeln umfasst das Setzen oder Vereinbaren von Zielen, das Streben, sie auf bestimmten Wegen zu erreichen, und die Mittelbeschaffung sowie Beeinflussung oder Nutzung von sozialen Beziehungen dafür.
Diesen Handlungsweisen ordnet er als Funktion von situativen Bedingungen und Persönlichkeitsmerkmalen die speziellen Ursachen und damit auch Konfliktarten zu:
- Bewertungskonflikte: die Kontrahenten wollen unvereinbare Handlungspläne realisieren, weil sie die möglichen Konsequenzen bzw. Ziele einer Handlung unterschiedlich bewerten.
- Beurteilungskonflikte: unvereinbare Handlungspläne liegen vor, wenn die Kontrahenten das Ergebnis einer Handlung gleich bewerten, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Handlungskonsequenz aber unterschiedlich beurteilen. Die Entscheidungen werden durch verschiedene Erfahrungen, Informationen oder deren Quellen beeinflusst.
- Verteilungskonflikte: die Kontrahenten schätzen Nutzen und Wahrscheinlichkeit gleich ein, aber nur eine Partei kann in den Genuss des Nutzens kommen. Der Gewinn des einen Partners ist gleich groß wie der Verlust des anderen, der Gesamtnutzen ist Null (Nullsummenspiel).
- Beziehungskonflikte: eine Partei hat ein Bedürfnis nach Akzeptanz und Anerkennung durch andere, die andere Partei verletzt dieses Bedürfnis. Die Folge ist das Erleben von Inkompetenz und Machtlosigkeit; ein sozialer Konflikt kann entstehen mit dem Ziel, eine bessere Beziehung zu erhalten.
3.1.1.3. Organisationspsychologischer Ansatz nach Berkel
In Organisationen sieht Berkel (2002, S. 18) drei Subsysteme verbunden:
- den Sachbereich, in dem es um Aufgaben und Ziele geht,
- den organisatorisch-strukturellen Bereich mit den Inhalten Zweck, Vision, Kultur,
- den zwischenmenschlichen Bereich mit Rollen und Beziehungen.
Verbunden sind diese Bereiche über das Organisationsmitglied als zentrales Element, das inneren Konflikten ausgesetzt sein kann.
Analog dieser verschiedenen Ansätze unterteilt er ähnlich Rüttinger in:
- Sachkonflikte: Diese Konfliktart ist damit dem Beurteilungskonflikt von Rüttinger gleichzusetzen.
- Beziehungskonflikte
- Wertkonflikte: bei ihnen sind Ziele, Prinzipien, Grundsätze sind unvereinbar
- Verteilungskonflikte: auch wenn Berkel selbst darauf hinweist, dass sie nicht in das obige Schema passen, so sind sie doch in Organisationen allgegenwärtig.
- innere Konflikte: sie treten in Form von Entscheidungs- bzw. Rollenkonflikten auf.
Verschiedene Autoren sehen Beziehungskonflikte fast immer im Wechselverhältnis zu den anderen Konfliktarten, da die Aspekte einer Beziehung die Konfliktaustragung determinieren, ohne dass sie konfliktverursachend war (vgl. Rüttinger, 2000). Jede Mitteilung enthält einen Beziehungsaspekt und verdeutlicht das Rollenverständnis, dass dem Gesprächspartner vom Sender zugewiesen wird (Watzlawick, 2000). Durch die Veränderung der Kommunikation im Konfliktverlauf kann dieser Aspekt bei der Konfliktbetrachtung daher nicht vernachlässigt werden. Die für Organisationen typische sachlich-rationale Betrachtung der Konflikte verdeckt allerdings den darunter liegenden und ausgetragenen Beziehungskonflikt, der als nicht professionell gilt (vgl. Regnet, 2001).
3.1.2. Konfliktparteien und deren Eigenschaften
Konfliktparteien können Personen oder organisierte Einheiten als Kollektivsubjekte sein.
Persönlichkeitsmerkmale sind ein Kriterium für die Konfliktissues und determinieren die Konfliktbereitschaft, die Konfliktfähigkeit und die Konfliktaustragung.
Unter Konfliktfähigkeit versteht Berkel (2003) die Fähigkeit, Konflikte frühzeitig wahrzunehmen, den eigenen Beitrag am Konflikt zu erkennen und zu prüfen, welcher Konflikt durch die Person intraindividuell zu regulieren ist und welchen sie interindividuell austragen muss. Zur Unterscheidung zwischen konfliktfähigen und konfliktträchtigen Personen nennt er Merkmale wie Kontaktfähigkeit, Flexibilität, Geltungsstreben, Konformitätsstreben, Pessimismus und Frustrations- und Ambiguitätstoleranz (Berkel, 2002, S. 44).
Regnet sieht darin die Fähigkeit, Ambiguitäten zu ertragen (vgl. 2001), Konflikte überhaupt wahrzunehmen und auszutragen (vgl. 1996a, S. 3). Voraussetzung sind eine realistische Fremdwahrnehmung, Sensibilität für die Beweggründe der anderen Partei und ein gewisses Maß an Selbstbehauptung.
Die Konfliktbereitschaft wird bestimmt durch die Konfliktfähigkeit und die Bereitschaft, in Konflikten tatsächlich aktiv zu werden (Regnet, 2001, S. 26). Ausschlaggebend sind die grundsätzliche Wettbewerbshaltung, die Motivationsstruktur und Einstellungen der Parteien. Rüttinger (2000, S. 11) differenziert nach McClintock (1972) in individualistische (Maximierung des absoluten individuellen Nutzens), soziale (fairen Nomen verpflichtet), kompetitive (Maximierung des relativen Nutzens) und kooperative (Maximierung des gemeinsamen Nutzens) Einstellung.
In seinem organisationspsychologischen Ansatz betont Berkel (1984), dass intrapersonale Konflikte ebenso zum Entstehen von Konflikten in Organisationen beitragen. Besonders Rollenkonflikte tendieren dazu, sich teils in interpersonale Beziehungs-, teils in Verteilungskonflikte umzuwandeln (Berkel, 2002, S. 21).
3.1.3. Konfliktentstehung in Organisationen
Durch ihre Mitglieder sind Organisationen soziale Systeme. Die Arbeitsteilung und daraus resultierende Interdependenz der Organisationsmitglieder, sowohl vertikal als auch horizontal, führt zu Interaktionen, in denen sich bezüglich der betrieblichen Ziele als auch auf der zwischenmenschlichen Ebene durch Dispositionen, Einstellungen, kognitive Kapazität und soziales Verhalten Konflikte ergeben können. Wesentlich für das Entstehen von Konflikten ist das Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Faktoren, indem zum Beispiel Sachverhalte als widersprüchlich erlebt oder Handlungen ausgeführt werden, die andere beeinträchtigen. Wie aus den Definitionen hervorgeht, macht erst die subjektive Wahrnehmung aus einem objektiven Konfliktpotenzial einen existenten Konflikt. Die Person ist aktiv an der Konfliktgenese beteiligt (Berkel, 1984, S. 222).
Unter Konfliktpotenzial versteht Berkel (2003) die Gesamtheit aller Bedingungen für das Entstehen eines Konflikts, sowohl auf der Objekt- als auch auf der Subjektseite mit den genannten Persönlichkeitsmerkmalen. Regnet (2001, S. 26) definiert Konfliktpotenzial als systemimmanente Bedingungen, wie Streitpunkte aus der Objektsphäre und Persönlichkeitsunterschiede. Davon grenzt sie die individuelle Konfliktbereitschaft ab.
3.1.3.1. Unterschiede in Zielen, Werten und Normen
Strukturell bedingt haben verschiedene Fachabteilungen heterogene Aufgaben und Ziele. Als typisches Beispiel gilt das Zusammenwirken der Bereiche Entwicklung, Fertigung und Vertrieb in Produktionsbetrieben. Regnet (2001, S. 27) verweist auf den Begriff der harmonischen Konflikte, die in Organisationen angewandt werden mit dem Zweck, durch gezielte unterschiedliche Aufgabenstellung und folglich erzwungene Kooperation sowie Notwendigkeit zur Einigung das optimale Ergebnis zu erreichen. Dieses Konzept rückt in die Nähe der stimulierten Konflikte und erfordert für die Zielerreichung die Fähigkeit der – gleichrangigen – Organisationsmitglieder, rational und fair zu agieren.
Hinzu kommen hierarchische Konflikte. Zum einen kann der als grundsätzlich geltende Interessensgegensatz zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber sich als Konflikt mit den unmittelbaren Vorgesetzten manifestieren. Als Beispiel sei genannt die Erwartung des Vorgesetzten, bei erhöhtem Arbeitsanfall zu Überstunden bereit zu sein, während die Mitarbeiter die Wahrung ihrer Freizeit zum Ziel haben. Zum anderen können Konflikte auch zwischen den diversen Hierarchieebenen entstehen, aufgrund unterschiedlicher Zielvorgaben oder als Folge von mangelnder Durchgängigkeit bei der Übermittlung der strategischen Unternehmensziele (vgl. Regnet, 2001).
[...]
- Quote paper
- Susanne Angler (Author), 2004, Konflikte in Organisationen. Entstehung, Bewertung und Interventionsmöglichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34508
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.