Der amerikanische Regisseur und Schauspieler John Cassavetes schrieb das Drehbuch und führte Regie in dem 1980 erschienenen Gangster- Drama "Gloria".
Cassavetes gilt als Vorreiter des modernen amerikanischen Independent- Kinos. Er war Verfechter des Method Acting, einer Schauspiel- und Lehrmethode nach Konstantin Stanislawski, bei der die Arbeit mit den Darstellern und deren inneres Erleben im Vordergrund steht. Der Film „Gloria“ ist im Gangster- Millieu angesiedelt, ein für Cassavetes eher untypisches Sujet, da die meisten seiner Arbeiten das kleinbürgerliche Milieu Amerikas mit tragischen Figuren und deren kaputten Beziehungen widerspiegeln.
In der Titelrolle "Gloria" sehen wir Gena Rowlands, die als ehemalige 'gangster moll' mit ihrer alten Clique in Konflikt gerät, weil sie einen Nachbarsjungen rettet. Dessen Familie wird wegen eines geheimnisvollen Buches mit begehrten Adressen brutal von den Gangstern ermordet. Kernthema des Filmes ist die Beziehung zwischen Gloria und dem traumatisierten puertoricanischen Jungen Phil Dawn. Beide weigern sich zunächst, einander zu vertrauen.
Ich werde im Folgenden formal analysieren, mit welchen visuellen und akustischen Mitteln der Zuschauer hier in die Geschichte gesogen wird. Das audiovisuelle Ereignis der gesamten ‚opening scene‘ wird getragen vom Soundtrack
Bill Contis und der Montagesequenz des Regisseurs, bestehend aus den Bildern von Kameramann Fred Schuler. Der musikalische ‚main title‘ Contis eröffnet den Film akustisch und wird gezielt mit den Bildern verbunden. Ich integriere die letzten Titeleinblendungen in meine Analyse, da sie mit den ersten Bildern des Filmes dicht verwoben sind.
Der amerikanische Regisseur und Schauspieler John Cassavetes schrieb das Drehbuch und führte Regie in dem 1980 erschienenen Gangster- Drama "Gloria".
Cassavetes gilt als Vorreiter des modernen amerikanischen Independent- Kinos.
„Typische Stilmittel sind eine für damalige Verhältnisse ungewohnt bewegliche Kameraführung, gelegentliche Unschärfen, der sparsame Einsatz von Kunstlicht, die Arbeit mit Laiendarstellern in Kombination mit ausgebildeten Schauspielern, plötzlich abbrechende Filmszenen sowie dialogorientierte Handlungen.“ *
Cassavetes war Verfechter des Method Acting, einer Schauspiel- und Lehrmethode nach Konstantin Stanislawski, bei der die Arbeit mit den Darstellern und deren inneres Erleben im Vordergrund steht. Der Film „Gloria“ ist im Gangster- Millieu angesiedelt, ein für Cassavetes eher untypisches Sujet, da die meisten seiner Arbeiten das kleinbürgerliche Milieu Amerikas mit tragischen Figuren und deren kaputten Beziehungen widerspiegeln.
In der Titelrolle „Gloria“ sehen wir Gena Rowlands, die als ehemalige ‚gangster moll‘ mit ihrer alten Clique in Konflikt gerät, weil sie einen Nachbarsjungen rettet.
Dessen Familie wird wegen eines geheimnisvollen Buches mit begehrten Adressen brutal von den Gangstern ermordet.
(Das Adressbuch ist ein typischer, hitchcockscher „Mc Guffin“ - man weiß bis zum Schluss nicht, was genau darin steht und im Grunde spielt es auch keine Rolle.)
Gloria versucht zunächst, den Jungen wieder loszuwerden, da sie Kinder nicht ausstehen kann.
So äussert sie den Eltern gegenüber unverblümt: „ I hate kids, especially yours.“
Als die Killer erneut auftauchen. um den Jungen und das Buch zu holen, stellt sie sich jedoch gegen diese und beschützt ihn.
Es beginnt eine Verfolgungsjagd, die im Hauptquartier der Gangster endet. Gloria ergreift die Initiative und schlägt den Killern einen Deal vor.
Bei der Lesart des Schlusses scheiden sich die Geister, denn es bleibt offen, ob Gloria die Schiesserei im Gangsterquartier überlebt hat.
Der Film endet mit einer märchenartigen Zeitlupensequenz des glücklichen Wiedersehens der beiden Protagonisten, Gloria und Phil, auf einem Friedhof.
Kernthema des Filmes ist die Beziehung zwischen Gloria und dem traumatisierten puertoricanischen Jungen Phil Dawn. Beide weigern sich zunächst, einander zu vertrauen. Cassavetes gab dazu zu Protokoll:
„Gloria celebrates the coming together of a woman who neither likes nor understands children and a boy who believes he's man enough to stand on his own." **
Trotz Gena Rowlands eindringlicher Darstellung der Gloria Swenson, die zweifelsohne das Zentrum des Filmes bildet, habe ich mich für die Analyse der
Einstiegssequenz entschieden. Sie zeigt meisterhaft, wie bereits die ersten Sekunden und die ersten Bilder entscheiden können, wie stark wir uns in das Geschehen eines Filmes involvieren lassen.
Ich werde im Folgenden formal analysieren, mit welchen visuellen und akustischen Mitteln der Zuschauer hier in die Geschichte gesogen wird.
Das audiovisuelle Ereignis der gesamten ‚opening scene‘ wird getragen vom Soundtrack
Bill Contis und der Montagesequenz des Regisseurs, bestehend aus den Bildern von Kameramann Fred Schuler.
Der musikalische ‚main title‘ Contis eröffnet den Film akustisch und wird gezielt mit den Bildern verbunden.
Ich integriere die letzten Titeleinblendungen in meine Analyse, da sie mit den ersten Bildern des Filmes dicht verwoben sind.
Der Film beginnt mit Einblendungen farbiger Tuschezeichnungen des Künstlers Romare Bearden, über die die Titel platziert werden.
Die Kamera fährt zunächst in vertikalen ‚close ups‘ von oben nach unten über die Details der Bilder, während eine Solo- Gitarre ein Flamenco- Thema anspielt.
Diese wird abgelöst von einer männlichen Stimme, die einen Klagegesang im spanischen Stil beginnt. Die Gitarre webt sich immer wieder fein unter die Singstimme, die ihren finalen Ton in zerbrechlicher Höhe intoniert.
Die beiden letzten Zeichnungen zeigen Hochhäuser einer typisch amerikanischen Großstadt - New York - mit hell erleuchteten Fenstern.
Hier fährt die Kamera in der Horizontalen von links nach rechts über die Bilder. Die letzte Zeichnung wird überblendet von einem ‚aerial shot‘ bzw. ‚panning shot‘ - die Kamera fliegt von links nach rechts über die „wirkliche“ nächtliche Skyline der Stadt.
Die Stadtimpressionen wirken im ersten Moment noch abstrakt; nachtblau, bedeckt von kleinen Lichtquadraten.
Nun übernimmt ein jazzig- sehnsuchtsvolles Saxophon die Melodie, unterstützt von einem
Streichorchester. Der Soundtrack und die Bilder werden hier ‚larger than life‘:
Wir sehen Lower Manhattan, fliegen unter der Manhattan- und der Brooklyn Bridge hindurch über den East River. Dann weiter über das vollbesetzte, erleuchtete Yankees Stadium, in dem ein Baseballspiel stattfindet.
An dieser Stelle wird ein ‚ambient sound‘ über den Soundtrack eingeblendet. Zu hören sind die Pfiffe und Rufe der Zuschauer im Stadion.
Es folgt ein Schnitt auf die Freiheitsstatue bei Nacht mit den Twin Towers im Hintergrund, wir fliegen in einem Halbkreis um die Statue herum, Krone und Fackel sind erleuchtet.
Das Saxophon improvisiert an dieser Stelle über das Titelthema, während die Streicher die Melodie übernehmen.
Schliesslich fliegt die Kamera unter den Brücken hindurch zurück zum Ausgangsort, während die Morgendämmerung anbricht.
Diese Bewegung wird musikalisch von Trompeten begleitet. die nun das Thema übernehmen.
Wir sehen erneut das Yankees Stadium, voll besetzt, dieses Mal bei Tageslicht. Die Pfiffe und Rufe der Zuschauer werden jetzt lauter und präsenter.
Während die Kamera über das Stadion hinweg gleitet spielt das Saxophon einen stakkatoartigen, abgehackten Lauf. Die dahinter liegende Macombs Dam Bridge erscheint im Bild. Gerade in diesem Moment fährt ein Bus über die Brücke, während dramatisch rollende Pauken erklingen.
Im nächsten Bild befindet sich die Kamera auf der rechten Seite der Brücke.
Ein ‚medium long shot‘ zeigt uns den nahenden Bus, der die Brücke von rechts nach links überquert.
Die Kamera, diesmal ‚straight on angle‘ positioniert, folgt der Bewegung des Busses mit einem Schwenk von rechts nach links.
Wir folgen ihm ein Stück und sehen ein paar Jugendliche, die - am hinteren Trittbrett des Busses festgekrallt - mitfahren.
Ein weiterer ‚territory sound‘ ist an dieser Stelle zu hören.
Die Jugendlichen tragen einen Ghettoblaster bei sich, aus dem eine aufgeregte männliche Radiostimme erklingt, vermutlich eine Sportberichterstattung direkt aus dem Stadion. Der Bus hält an einer Ampel, die Jungen springen ab und laufen davon. Die Musik klingt jetzt turbulent und beunruhigend, teilweise gar dissonant. Temporeiche Pauken entwickeln eine dramatische Sogwirkung.
Es folgt ein weiterer Schnitt, die Kamera befindet sich im Inneren des Busses und zeigt die davonlaufenden Jugendlichen durch die Fensterscheibe. Nach einem horizontalen Schwenk nach links nimmt die Kamera eine dort sitzende, junge, puertoricanische Frau ins Visier. In dem Moment, in dem die Kamera sie ins ‚close up‘ nimmt, erklingt ein elegisches Solo- Saxophon. Sie schreckt, wie aus einem Tagtraum erwacht, auf.
Wir scheinen sie erschreckt zu haben. Ihr Blick ist ernst.
Im nächsten Bild sehen wir zwei Frauen eine Strasse überqueren, in die der Bus von links einbiegt. Darauf folgt erneut ein Schnitt in das Innere des Busses.
Ein ‚medium shot‘ auf die linksseitig sitzende Frau: ihr Name ist Jeri Dawn. Mit besorgtem, suchenden Blick, erhebt sie sich, um auszusteigen. Abermals sehen wir den Bus von aussen, diesmal von links nach rechts fahrend, die Kamera macht einen vertikalen Schwenk in selbige Richtung.
Wieder ein Schnitt in das Innere des Busses, wir schauen vom hinteren Teil des Fahrzeugs aus nach vorne auf die Fahrerkabine, davor steht die junge Jeri Dawn.
Der Bus bremst abrupt, das Saxophon erklingt hier dissonant, Jeri stürzt. Es folgen erschrockene Rufe seitens der anderen Fahrgäste. Sie helfen ihr aufzustehen. Die Räder ihres Einkaufswagens rollen durch den Bus. Hektisch nimmt sie den beschädigten Wagen auf und geht links auf den Ausgang zu. Sie wirft den Wagen vor sich aus der Tür hinaus, tritt ihn wütend vor sich her. Dies findet unter einer Kameraposition in der Vogelperspektive ausserhalb des Busses statt. Während der Bus davon fährt, sehen wir, wie Jeri im ‚full shot‘ auf der Strasse hockend ihre Einkäufe zusammenklaubt.
Hier endet die Musik gänzlich.
Den Wagen hinter sich herziehend, geht sie im ‚full shot‘ frontal auf uns zu, während ihre Hand bedrückt auf ihrem Brustkorb liegt.
Danach befindet sich die Kamera im Inneren eines Gebäudes. Wir sehen durch verschmutze Glasscheiben hindurch, wie sie das Gebäude - auf uns zukommend- betritt.
Die nächste Einstellung ist erneut aus der Vogelperspektive, ihr Blick fokussiert etwas, das sich oben, scheinbar links neben der Kamera stehend, befindet.
Zögerlich, mit angsterfülltem Blick, betritt sie die Eingangshalle.
Die Kamera bewegt sich gemeinsam mit Jeri vertikal nach links und wir sehen einen Mann, der oberhalb der Treppe steht und sie anblickt.
Sie geht weiter und zieht ihren Einkaufswagen geräuschvoll die Treppe hinauf. Der Mann folgt ihr eine Weile. Die Blicke der beiden fixieren einander, bis er sich von ihr abdreht. Sie wendet sich noch einmal nach ihm um.
[...]
- Quote paper
- Katrin Jacob (Author), 2016, Filmanalyse der Einstiegs-Sequenz in "Gloria" (1980), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344614
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