Der Begriff der Reflexivität besitzt in der Soziologie weit mehr Bedeutungen, als eines von vielen Postulaten qualitativer Sozialforschung zu sein. Wobei das methodologische Verständnis von Reflexivität wiederum mehrere Facetten hat. Die verschiedenen Bedeutungen wie Verwendungen oder auch Verständnisse von Reflexivität waren Gegenstand des Seminars „Eine kurze Geschichte der Reflexivität in der Soziologie“ sowie der Faden, der sich durch die im Folgenden besprochene Literatur zieht.
Niklas Luhmann integrierte den Begriff der Reflexivität in sein Theoriegebäude der Systemtheorie. Ausgehend davon, dass soziale Systeme als selbstreferenzielle Objekte beobachtbar sind, weil deren Operationen unter anderem auf jene selbst bezogen sind, bezeichnet Luhmann Reflexivität als eine Form der Selbstreferenz. Reflexivität in diesem Sinne ist erforderlich, um im zeitlichen Ablauf von Prozessen dessen Elementarereignisse in einen umfassenderen Sinnzusammenhang zu setzen. Und um diese Reflexivität erreichen zu können, muss nach Luhmann beispielsweise in einem Kommunikationsprozess mit Kommunikation wieder in den Prozess eingetreten werden.
Aus Luhmanns Systemtheorie stammt auch die Idee der doppelten Kontingenz, die Offenheit der Situationsentwicklung, welche Individuen in eine Kommunikation einsteigen ließe, um jene Kontingenz zu reduzieren. Diese Offenheit von Situationen, wie auch eine unbestimmte Zukunft, wird zumeist negativ beschrieben. Elena Esposito kritisiert die Fixierung auf Vermeidungsstrategien der Kontingenzerfahrung und fordert eine weitere Ebene der Beobachtung, in der die Beobachtung von Kontingenzen selbst beobachtet werden kann. Von diesem Schritt erwartet sie nämlich eine neue Betrachtung der Kontingenz als Ressource.
Mit dem Begriff der Kontingenzkultur möchte Dirk Baecker sein Verständnis des modernen Kulturbegriffs als Vergleichsbegriff darstellen, wodurch die Kultur eine reflektierende Eigenschaft erhält, bzw. Ergebnis eines reflektierenden Prozesses ist. Reflexivität könnte hier als Kulturkritik innerhalb des kulturellen System verstanden werden, wofür Baecker den Begriff der Kulturreflexion bevorzugt, um bewusst zu machen, dass eine kulturelle Beschreibung nur im Rahmen von Kulturen stattfinden kann.
Gunter Falk und Heinz Steinert beschäftigen sich mit der Reflexivität als methodologisches Konzept und formulieren eine „reflexive Soziologie“, die im wesentlichen von Forschenden fordert, die erlernte soziale Kompetenz zu reflektiere
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
1 Reflexivität als Theoriekomponente
1.1 Elena Esposito über die Chancen von Reflexionsproblemen in der modernen Gesellschaft
1.1 Dirk Baecker über einen Kulturbegriff des Vergleichens
2 Reflexivität als methodologische Herausforderung
2.1 Gunter Falk und Heinz Steinert: Konzept einer reflexiven Soziologie
2.2 Bruno Latour: Eine Kritik bzw. Alternative zur Distanzierung von Erklärung und Realität
2.3 Pierre Bourdieu und Loic Wacquant über Reflexivität wissenschaftlicher Vorverständnisse
2.4 Heidrun Friese und Peter Wagner zu Reflexionen auf der Ebene von Relationen intellektueller Theorien
3 Reflexivität in der Zeitdiagnose
3.1 James Clifford über Reflexivität in ethnographischen Texten
3.2 Frances E. Mascia Lees, Patricia Sharpe und Colleen Ballerino Cohen: Argumentationen für einen Bezug zur Feministischen Theorie als Wegweiser zu einer reflexiven Anthropologie
3.3 Anthony Giddens, Ulrich Beck und Christoph Lau über Reflexivität in der modernen Gesellschaft
3.4 Weiterentwicklungen und Überlegungen zu Bourdieus Konzept der Reflexivität von Johan Heilbron und Tim May
4 Literatur
- Arbeit zitieren
- Carmen Weber (Autor:in), 2009, Exzerpte zur Literatur des Seminars "Eine kurze Geschichte der Reflexivität in der Soziologie", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343820
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