Der Essay hat die Entwicklung der modernen Flotten während des Krimkrieges zum Gegenstand. Er analysiert den technischen wie taktischen Wandel und kommt auch auf den heute tobenden so genannten „asymmetrischen“ Krieg, zur See die Piraterie, zu sprechen, die sich als stärkste Waffe in der durch den modernen Krieg hervorgerufenen Pattsituation herausstellt.
Vorbemerkung
Der vorliegende Essay ist eine Überarbeitung und Erweiterung meines im Jahre 2011 verfassten wissenschaftlichen Artikels, der seine Anregung Konteradmiral a.D. Dr. Sigurd Hess verdankt. Der Artikel ist erschienen unter dem Titel „Krimkrieg und Seemacht – Die Entwicklung der modernen Flotten“ in Heft Nr. 73 von „Schiff & Zeit“, einer von 1973 bis 2012 herausgegebenen Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e. V. (DGSM).
Björn Rosenstiel, M.A.
Augsburg, Oktober 2016
Seit dem Beginn der Neuzeit war das Segelkriegsschiff das wichtigste für den Kampf ausgerüstete Wasserfahrzeug und befand sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung, bereits auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Die Schlacht von Navarino 1827 schien noch einmal bewiesen zu haben, dass das Kernstück jeder Flotte das hölzerne Linienschiff war, dessen Bewaffnung sich in den letzten Jahrhunderten kaum verändert hatte. Immer noch fanden die an den Breitseiten angeordneten, glattrohrigen Vorderladerkanonen Verwendung, deren effektive Reichweite im Gefecht oftmals bei unter 50 Metern lag. Um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen, wurden sie seit dem 16. Jahrhundert in Stückpforten, relativ dicht über der Wasseroberfläche positioniert, was die Aufstellung einer großen Anzahl an besonders schweren Geschützen erlaubte, ohne zugleich die Stabilität des Schiffes zu gefährden.[1]
Aufgrund der Aufstellung und dem engen Richtbereich der Geschütze war dann auch die Kiellinie die bevorzugte Schlachtordnung im Gefecht, wobei allerdings ein Schiff selten allein aufgrund des Geschützfeuers sank. Die aus 1,50m starken Eichen- oder Mahagoniholz bestehenden Bordwände hielten nämlich den gegnerischen, eisernen Vollkugeln oftmals stand, so dass die bei Einschlägen umher fliegenden Holzsplitter eine viel größere Gefahr darstellten.[2] Darauf spekulierten vor allem die Engländer, die – dank ihrer besser ausgebildeten Besatzungen, höheren Feuergeschwindigkeit und fähigeren Admirälen – gegenüber Frankreich und Spanien die Vorherrschaft zur See errangen. Sie zielten stets auf die Schiffsrümpfe, um schwere Verluste unter den gegnerischen Besatzungen zu verursachen, so dass sich die Schiffe nachher in gewohnter Manier entern ließen.
Mit anderen Worten: sowohl die Seekriegsführung als auch der Schiffbau hatten sich in den letzten 200 Jahren kaum verändert. Und es sollte noch einige Zeit vergehen, bis ein wirklicher Technologiesprung einsetzte, der dazu führte, dass Strategien, Waffen und Taktiken, die jahrhundertelang gegolten hatten, schnell veralteten und durch neue ersetzt werden mussten. Zwar war bereits 1765 die Dampfmaschine erfunden worden, doch, wie der Historiker Michael Salewski in „Die Deutschen und die See“ darlegte, hemmte die zwischen Traditionalisten und Modernisten zu Beginn des 19. Jahrhunderts geführte „Segel- gegen Dampfschiff“-Kontroverse zunächst weitere Entwicklungen.[3]
Hinzu kam das große Gewicht der Maschinen, der hohe Brennstoffverbrauch und die technische Unzuverlässigkeit, die dazu führten, dass sich der Dampfantrieb noch nicht durchsetzen konnte. Und nicht zuletzt, da die ersten gebauten Dampfschiffe noch Raddampfer waren, bei denen die Leistung auf an beiden Seiten angebrachte Schaufelräder übertragen wurde, waren sie für eine militärische Verwendung zunächst unbrauchbar. Aus diesem Grund wollte man der „ausgereiften“ Segelfregatte gegenüber den technischen Problemen anfälligen Dampfschiffen den Vorzug geben.
Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, ehe ernsthaft an eine Verwendung von Dampfschiffen im Seekrieg gedacht wurde. Nach wie vor bestimmten die vom Brennstoff unabhängigen Segelschiffe das Bild der Kriegsflotten. Ja, selbst nach Einführung der Schraube, die sich wegen ihrer geringeren Verwundbarkeit und der die Schiffsbewegungen begünstigenden Mechanik gegenüber dem Rad als überlegen erwies, glaubte man noch 1852, dass alle großen Schiffe in den nächsten zehn Jahren lediglich Segelschiffe mit Hilfsmaschinen sein würden.[4]
Ein großer technischer Wandel fand dagegen in einem anderen Bereich statt: im Jahre 1819 entwickelte der französische Artillerieoffizier und Marinetheoretiker Henri-Joseph Paixhans (1783-1854) ein sprengstoffgefülltes Geschoss, das per Treibladung verschossen wurde und beim Aufschlag explodierte. Im Gegensatz zu den eisernen Vollkugeln erhöhte diese so genannte Sprenggranate die Feuerkraft der Geschütze erheblich, zumal das gezogenen Hinterladergeschütz aufkam, das Treffsicherheit und Reichweite ganz wesentlich verbesserte. Die Folge war, dass erstmals Kriegsschiffe einer ernsthaften Gefahr durch Beschuss ausgesetzt waren, wie es während des Deutsch-Dänischen Krieges im April 1849 die Versenkung des dänischen Holzlinienschiffes Christian VIII. durch eine preußische Küstenbatterie vor Eckernförde bewies.[5]
[...]
[1] Neukirch, Heinz, Krieg zur See, Berlin 1967, S.58.
[2] Ebd. S. 63f.
[3] Salewski, Michael, Die Deutschen und die See. Teil I, S.46f.
[4] Treue, Wilhelm, Der Krimkrieg und seine Bedeutung für die Entstehung der modernen Flotten, S.30 und S.123.
[5] Salewski, Michael, Die Deutschen und die See. Teil II, S.33f.
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- Magister Artium Björn Rosenstiel (Autor), 2016, Krimkrieg und Seemacht. Die Bedeutung des Krimkrieges für die Entwicklung der modernen Flotten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343131
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