Ausgehend von der Frage, wie in Anbetracht knapper humaner Ressourcen die Qualität medizinischer Krankenhausleistungen gesteigert werden kann, beschäftigt sich diese Projektarbeit mit dem Thema der Anreizsysteme für die Innerbetriebliche Fortbildung (IbF) im Gesundheitswesen. Welchen Einfluss haben die organisationale Ausgestaltung und die mitarbeiterbezogenen Faktoren auf das Fortbildungsverhalten der Beschäftigten in der vollstationären Pflege?
Der theoretische Rahmen dieser Arbeit gibt einleitend einen Überblick über Anreizsysteme und Motivationstheorien und stellt in der Folge die Anreiz-Beitrags-Theorie (ABT) als Basistheorie dieser Arbeit näher vor.
Im Praxisteil wird wissenschaftlich-methodisch mit der Diskursanalyse gearbeitet, um die IbF von Pflegekräften am Beispiel des Referenzunternehmens tiefergehend zu analysieren. Bausteine der Analyse sind die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen, die organisationsinternen Vorgaben und deren Dokumentation, die Auswirkungen auf die Beschäftigten sowie die konkret implementierte Prozesskette zur IbF und vorliegende statistische Daten zum Mitarbeiterverhalten.
Im Schlussteil schließen sich die Befundbeschreibung und die Interpretation der Ergebnisse an sowie die Diskussion im theoretischen Rahmen. Abschließend werden Implikationen für die Theoriebildung und zugleich Handlungsempfehlungen für das Management zur Ausgestaltung von Anreizsystemen für die Praxis abgeleitet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Einordnung des Themas
1.2 Gang der Arbeit, Forschungsfrage und Hypothesenbildung
1.3 Diskursanalyse als wissenschaftliches Vorgehen
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Anreizsysteme: Definitionen, Maßnahmen und Ziele
2.1.1 Funktionen betrieblicher Anreizsysteme
2.1.2 Anreizarten in Anreizsystemen
2.2 Begriffseingrenzung
2.3 Verhalten und Motivation
2.3.1 Inhaltstheorien der Motivation
2.3.2 Prozesstheorien der Motivation
2.3.3 Zusammenfassung Motivationstheorien
2.4 Anreiz-Beitrags-Theorie
2.5 Exkurs Weiterbildungsbarrieren: Lernwiderstände und Lernbarrieren
3 Praxisteil: Die Innerbetriebliche Fortbildung (IbF) von Pflegekräften am Beispiel des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg
3.1 Analyse der externen Fortbildungs-Vorgaben gegenüber dem Referenzunternehmen
3.1.1 Eingrenzung des Fortbildungsbegriffs
3.1.2 Gesetzliche Vorgaben für Fortbildungen in der Pflege
3.1.3 Qualitätsmanagement
3.1.4 KTQ-Zertifizierung
3.1.5 Dt. Berufsverband für Pflegeberufe
3.1.6 Organisatorisches Bewusstsein über Bildungserfordernisse
3.1.7 Rahmenberufsordnung
3.2 Analyse der Beteiligten an der IbF
3.2.1 Rolle der Pflegedienstleitung
3.2.2 Rolle der pflegerischen Stationsleitung
3.2.3 Rolle der Mitarbeiter
3.3 Analyse des Themenangebotes der IbF
3.4 Analyse des An- u. Abmeldeprozesses zur IbF
3.5 Analyse der statistischen Daten zur IbF der Kalenderjahre 2014 und 2015
3.6 Analyse des implementierten Evaluierungsverfahrens der IbF
3.7 Analyse der Ergebnisse der MA-Evaluierung
3.8 Analyse der Fortbildungspunkte-Vergabe im Referenzunternehmen nach den
Vorgaben der „Registrierung beruflich Pflegender“
3.9 Analyse der Einführung einer Angebotserweiterung der IbF: Online-Portal des Thieme-Verlags „CNE.fortbildung.de“
4 Ergebnisse
4.1 Beschreibung des Befunds
4.2 Interpretation der Ergebnisse
4.3 Diskussion im theoretischen Rahmen
4.4 Implikationen für die Theoriebildung
4.5 Handlungsempfehlungen für das Referenzunternehmen
5 Kritische Würdigung / Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Verzeichnis sonstiger Quellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Vier Annahmen der Diskursanalyse, S. 4, in Anlehnung an: Hussy, W. et al. (2013), S. 251.
Abb. 2: Überblick über Anreizsystemdefinitionen, S. 5, entnommen aus: Zaunmüller, H. (2005), S. 34.
Abb. 3: Funktionen betrieblicher Anreizsysteme, S. 6, eigene Darstellung.
Abb. 4: Typisierung der Anreizarten, S. 7, eigene Darstellung.
Abb. 5: Anreizarten, S. 8, entnommen aus: Zaunmüller, H. (2005), S. 38.
Abb. 6: Kernaussagen der Anreiz-Beitrags-Theorie, S. 12, eigene Darstellung in Anlehnung an: Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 113-145.
Abb. 7: Bestimmungsfaktoren in der Anreizgestaltung, S. 13, entnommen aus: Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 116.
Abb. 8: Weiterbildungsbarrieren, S. 16, entnommen aus: Siebert, H., Jäger, C. (2006), S. 139.
Abb. 9: Kompetenzarten von Pflegekräften, S. 26, eigene Darstellung in Anlehnung an: Poser, M. et al. (2004), S. 71f.
Abb. 10: Handlungsempfehlungen für das Referenzunternehmen, S. 53, eigene Darstel- lung.
1 Einleitung
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) fordert in einer aktuellen Pres- semitteilung mehr Pflegepersonal für Klinikpatienten, um dem Pflegenotstand zu entge- hen und das Pflegeniveau in deutschen Krankenhäusern bundesweit zu steigern. Mängel und Defizite in Arbeitsprozessen und eine stetige Arbeitsverdichtung in den vergange- nen Jahren führten zu einer unzureichenden pflegerischen Versorgungssituation.1 Dem sei „mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Pflegepersonalbemessung, orientiert am Pflegebedarf der Patienten“2, und einer Mindestpersonalbesetzung pro Station zu be- gegnen. Dieser Forderung steht in der öffentlichen Diskussion eine weitere (negative) Kostensteigerung der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber: für höhere Arztho- norare und mehr Pflegekräfte in Kliniken erwartet der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem der Universität Duisburg-Essen in den Jahren 2016 und 2017 zusätzliche 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte mehr Beitrag pro Mitglied.3 Wie kann in Anbetracht knapper huma- ner Ressourcen die Qualität medizinischer Krankenhausleistungen gesteigert werden?
1.1 Einordnung des Themas
Zum Internationalen Tag der Pflegenden 2016 stellt der DBfK die sog. Resilienz in den Mittelpunkt der Diskussion: um die Belastbarkeit des Gesundheitssystems zu erhöhen, ist vorrangig qualifiziertes Pflegepersonal in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen.4 Auf der politischen Ebene wird zum Thema des Pflegefachkräftemangels durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) festgestellt, dass der demografische Wandel sich in zweierlei Hinsicht auf die Pflege auswirke: zum einen in der Bevölke- rungsalterung und zum anderen im sinkenden Arbeitskräftepotenzial, das zur Deckung des Personalbedarfs beitragen könne.5 Einschränkend wird dargelegt, dass verschiedene Forschungsinstitute zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich des zukünftigen Perso- nalbedarfs kämen.6 Unbestritten ist hingegen die Grundannahme, dass im Prozess der Dienstleistungserbringung pflegerischer Leistungen am Patienten die Mitarbeiter (MA) Träger und zugleich Treiber dieses Prozesses sind.7 In praxi stellt sich daher aus der Perspektive der Personalentwicklung vorhandener (knapper) Ressourcen in deutschen Kliniken verstärkt die Frage, mit welchen Anreizsystemen die Innerbetriebliche Fortbil- dung (IbF) für MA zu verknüpfen ist. Ziel ist dabei eine hohe Auslastung der angebote- nen Fortbildungskurse, um darüber mittelbar die Qualität8 in der Pflege zu steigern.
1.2 Gang der Arbeit, Forschungsfrage und Hypothesenbildung
In Punkt 2 wird einleitend als theoretischer Rahmen ein Überblick über Anreizsysteme und deren Ausgestaltung gegeben, um dabei die folgende Forschungslücke zu identifi- zieren:
Anreizsysteme für die Teilnahme an der IbF in der vollstationären Pflege im Gesundheitswesen.
Es schließt sich eine Begriffseingrenzung zu Anreizsystemen in Punkt 2.2 an, in der im späteren Verlauf dieser Arbeit das Referenzunternehmen gespiegelt wird. Aufgrund der engen Verzahnung von Anreizsystemen und dem Begriff der Motivation folgt ein kur- zer Überblick über Motivationstheorien, der in der Vorstellung der Anreiz-Beitrags- Theorie (ABT) mündet, die zugleich die Basistheorie dieser Projektarbeit darstellt. Ein Exkurs über Lernwiderstände und -barrieren schließt Punkt 2 ab. In Punkt 3 folgt der ausführliche Analyseteil der IbF anhand des Referenzunternehmens Bundeswehrkran- kenhaus Hamburg (BwKrhs Hamburg) hinsichtlich der Forschungsfrage:
Welchen Einfluss haben die organisationale Ausgestaltung und die mitarbeiterbezogenen Faktoren (im Kontext der gesetzlichen Rahmenbedingungen) auf das Fortbildungsverhalten?
Dazu werden die folgenden Hypothesen aufgestellt, die es zu überprüfen gilt:
1. Geringe organisationale Anreize und fehlende rechtliche Konsequenzen beein- flussen das Fortbildungsverhalten negativ.
2. Fehlende Anreize vergrößern den Effekt bestehender Lernbarrieren.
In Punkt 3 dieser Projektarbeit werden einleitend sowohl die externen Bestimmungen als auch die konkreten organisationsinternen Vorgaben und deren Auswirkungen analy- siert, um dann ab Punkt 3.3 entlang der Prozesskette der IbF die vorhandene innerbe- triebliche Dokumentation sowie die vorliegenden statistischen Daten zum MA- Verhalten tiefergehend zu analysieren und im Rahmen der Diskursanalyse nach Punkt 1.3 Kategorien zu bilden. In Punkt 4 erfolgt die Befundbeschreibung und Interpretation der Ergebnisse, sowie die Diskussion im theoretischen Rahmen und Ableitung von Im- plikationen für die Theoriebildung, woran sich die Generierung neuer Hypothesen an- schließt, um dann in Punkt 5 mit einem Fazit und Ausblick zu schließen. Als Quellen dienen Primär- und Sekundärliteratur sowie aktuelle wissenschaftliche Texte und die freigegebene unternehmensseitige Dokumentation zur IbF. Ziel dieser Projektarbeit ist es, auf der Grundlage der Datenanalyse des Referenzunternehmens zum Fortbildungsverhalten der MA Implikationen für die Ausgestaltung von Anreizsystemen und den Abbau von Weiterbildungsbarrieren für die Praxis abzuleiten.
1.3 Diskursanalyse als wissenschaftliches Vorgehen
Ausgehend von der vorstehend genannten Forschungslücke und Forschungsfrage nutzt die vorliegende Projektarbeit in Punkt 3 und 4 das Mittel der Diskursanalyse9 als ein qualitatives Auswertungsverfahren, mit dem untersucht werden soll, wie Realität sprachlich erzeugt wird.10 Hierbei wird der Prozess der Bedeutungskonstitution berück- sichtigt.11 Ein Diskurs besteht aus einem Set aufeinander bezogener Texte, einschließ- lich der Verfahren ihrer Produktion, Verbreitung und Rezeption.12 Die Diskurstheorie basiert auf vier Annahmen13, die in der nachstehenden Abb. 1 zusammengestellt wur- den. In Diskursanalysen gibt es kein feststehendes Schema von notwendigen Analyse- und Beschreibungsschritten; diese werden an den zu betrachtenden Gegenständen des Diskursuniversums entlang entwickelt.14 Formale und inhaltliche Elemente des Diskur- ses werden benannt und ihre Struktur erarbeitet, indem die Gegenstände, Themen und Begriffe des Diskurses herausgearbeitet werden.15
- Intertextualität von Diskursen: Die Bedeutung des Diskurses ergibt sich erst aus der Beziehung zu anderen Texten.
- Kontextsensitivität von Bedeutungen: Jeder Text, der im Rahmen des Diskurses zusätzlich betrachtet wird, verändert die Bedeutung.
- Bedeutungskontext: Die Bedeutung wird zudem von sozialen Gegebenheiten (z.B. Verbreitung) beeinflusst.
- Realitätskonstitutive Funktion von Diskursen: Sprache bildet soziale Realität nicht ab, sondern konstituiert sie.
Abb. 1: Vier Annahmen der Diskursanalyse16
Für diese Projektarbeit wurde in Anlehnung an Mayring17 ein deduktives Vorgehen ge- wählt, wobei im Zuge der Auswertung der gesammelten Medien weitere induktiv er- schlossene Kategorien ergänzt werden konnten. Dazu wurde in einem ersten Arbeits- schritt der Korpus18 gebildet (Anhang 6), der alle Dokumente der Diskursanalyse über- sichtlich zusammenfasst und klassifiziert. Die letzte Spalte des Korpus-Dokumentes nennt dabei die thematische Zuordnung und Bearbeitung bezüglich der Punkte des In- haltsverzeichnisses dieser Arbeit. In Punkt 3 und 4 wird ein konzeptioneller Diskurs anhand des umfangreichen Datenmaterials des Referenzunternehmens geführt, um dabei hinsichtlich der Forschungsfrage und unter Berücksichtigung der aufgestellten Hypo- thesen Implikationen für die Praxis abzuleiten. Im Anhang 7 ist die Klassifizierung und Kategorisierung zusammengefasst, die durch die Autoren dieser Seminararbeit anhand der wissenschaftlichen Kriterien und Vorgaben der Abb. 1 entwickelt wurde. Dabei zielen die Autoren auch darauf ab, sog. „blinde Flecken“ innerhalb des theoretischen Rahmens herauszuarbeiten und im Verlauf des Punktes 4 darzustellen.
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Anreizsysteme: Definitionen, Maßnahmen und Ziele
Im folgenden Abschnitt wird die Forschungslücke aus Punkt 1.2 näher ergründet. Dazu werden auf der Theorieebene Anreizsysteme und ihre Verknüpfung mit intrinsischen und extrinsischen Aspekten sowie ihre Auswirkung auf das Verhalten und die Motivati- on der Organisationsmitglieder im Zeitverlauf, beginnend in den 1970er Jahren, vorge- stellt. Die im Rahmen der Definierung der Forschungslücke durchgeführte Literatur- recherche zum aktuellen wissenschaftlichen Stand ergab im zeitlichen Bezug auf die zurückliegende Dekade den thematischen Wandel hin zu einer oftmals engen Verknüp- fung von Anreizsystemen mit den konkreten Unternehmenszielen und -vorgaben19, wie die Abb. 2 näher zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Überblick über Anreizsystemdefinitionen20
Die von Wild (1973) eingehend definierte Zielsetzung der Anreizsysteme als Verstär- kung erwünschter Verhaltensweisen und Minderung unerwünschter wird von Rieger (2000) dahin gehend spezifiziert, dass die Handlungssteuerung der MA im Sinne der Zielsetzung der Eigentümer erfolgen sollte. Dabei wird die sog. Zielerreichung der MA mit der Zielsetzung der Eigentümer verknüpft, um daran orientiert die organisationale Ausgestaltung der Anreize für das Personal vorzunehmen. Eine daran anschließende Neuaufstellung von Anreiztheorien konnte in der wissenschaftlichen Diskussion nicht belegt werden. Die im Zuge der Literaturrecherche ausgewertete Dissertation von Brin- kel21 beschäftigt sich zwar mit der ABT, allerdings im Kontext des Franchise-System- Managements, sodass ein Bezug zur IbF und speziell zum Fachbereich des Gesund- heitswesens fehlt. Diese Lücke konnte ebenfalls nicht durch das Standardwerk zur Mo- tivation von Rosenstiel22 aufgefüllt werden. Insgesamt kann bezogen auf den Rahmen der Anreizsysteme festgehalten werden, dass Unternehmen in der Regel verschiedenar- tige Instrumente einsetzen, da Mitarbeiter naturgemäß auf unternehmerische Anreize zum Zwecke einer Zielerreichung unterschiedlich ansprechen. Daher ist es Aufgabe des Managements, die Anreize so auszugestalten und zu platzieren, dass die MA darüber ihre jeweilige Arbeitskraft der Organisation bestmöglich zur Verfügung stellen.23 Die Grundlage für die Gestaltung und Wirkung dieser Anreize bilden die Erkenntnisse der Motivationsforschung, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit in stark komprimierter Form eingegangen wird, um in der Folge in Punkt 2.4 die ABT ausführlich vorzustellen und sie thematisch im Sinne der Forschungsfrage dieser Projektarbeit zu analysieren.
2.1.1 Funktionen betrieblicher Anreizsysteme
Im Kontext der vorstehenden Definitionen zu Anreizsystemen werden in der Literatur drei Funktionen von betrieblichen Anreizsystemen24 unterschieden, die Abb. 3 näher zeigt:
Abb. 3: Funktionen betrieblicher Anreizsysteme25
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unternehmen (UN) versuchen, die Motivation und Arbeitszufriedenheit ihrer MA durch gezielte Umstrukturierungen bisheriger Arbeitsorganisationen zu verbessern. Hierbei werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: der MA soll vom Individualisten zum Teammitglied geschult werden, und zugleich soll der Aufgaben- und Kompetenzbereich eine Erweiterung erfahren, auf die sich das UN bei seiner Zielerreichung stützen kann.26 Mit einem zielgerichteten Kompetenzaufbau ist i.d.R. auch eine Schärfung des Verant- wortungsbewusstseins auf der MA-Ebene verbunden. Durch eine anreizgestützte Anhe- bung der Motivation der MA versprechen sich UN zudem eine höhere Identifikation der MA mit den Normen und Werten der Organisation, die in sog. Leitbilder27 gekleidet sind und als Orientierungsrahmen das Handeln bestimmen sollen. Dies soll zudem die Zugehörigkeit zum UN stärken und einen Verbleib der Beschäftigten gewährleisten. Der Aspekt der Koordinationsfunktion bezieht sich auf die Lenkung und Abstimmung der MA im Leistungserstellungsprozess, um die bestmögliche Leistungserstellung unter dem Anspruch der Wahrung von Qualität und definierten Standards zu erreichen. Eine Selektionsfunktion ergibt sich wiederum dann, wenn implementierte Anreizsysteme dabei unterstützen, die richtigen Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen und in der Folge zu binden.28
2.1.2 Anreizarten in Anreizsystemen
Entsprechend den Anreizsystemfunktionen nach Punkt 2.1.1 werden die Anreizarten in drei verschiedene Typen29 differenziert, wie die Abb. 4 zusammenfasst:
Abb. 4: Typisierung der Anreizarten30
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben Anreizempfängern, auf die in Punkt 2.3.1 im Rahmen motivationaler Aspekte noch vertiefend eingegangen wird, kommt den Anreizquellen und -objekten besondere Bedeutung zu.31 Diese gliedern sich in intrinsische und extrinsische Anreize. Die intrin- sischen Anreize sind eng mit der Arbeit oder Aufgabe und ihrer Ausgestaltung selbst verbunden und haben in der Regel immateriellen Charakter.32 Die Arbeit an sich und die direkt damit erzielten Ergebnisse sind ein Anreiz und bieten eigenständige Befrie- dung.33 Die konkrete Entlohnung für eine Tätigkeit ist bei der intrinsischen Motivation unterrepräsentiert.34 Vielmehr wird unter intrinsischen Anreizen auf der Ebene der MA die Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung als stabiles Element verstanden. Somit sind die Verteilung von Aufgaben und die Formulierung von Verhaltensnormen für die Gewährung von intrinsischen Anreizen relevant.35 Extrinsische Anreize dienen einer mittelbaren oder instrumentellen Bedürfnisbefriedigung36, die sowohl immaterieller als auch materieller Natur sein kann, wie die nachfolgende Abb. 5 zeigt:
Abb. 5: Anreizarten37
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Immaterielle extrinsische Anreize sind vielfach von sozialen Normen geprägt, wie z.B. einem Aufstiegs- und Ausbildungsanreiz.38 Zu den immateriellen Anreizen zählen die Aufgabeninhalte, die Übertragung von Verantwortung, Statussymbole wie Titel oder die Arbeitsbedingungen. Organisational ist daher der Fokus auf die Ausgestaltung der An- reizarten zu richten, z.B. durch die operational ausgestalteten Anerkennungs- und Aus- zeichnungsmöglichkeiten oder die Hinwirkung des Managements auf einen modernen Führungsstil als Grundlage eines als gut empfundenen Betriebsklimas im UN.39 Die materiell extrinsischen Anreize hingegen werden in monetäre Anreize und nicht- monetäre Anreize unterschieden.40 Extrinsische materiell-monetäre Anreize können mit der Erreichung gewisser Arbeits- oder Aufgabenziele verbunden sein.41 Über die Ge- währung von variablen Gehaltsbestandteilen können MA gesteuert werden, die mit den monetären Gegenleistungen bestimmte Anschaffungen oder Wünsche finanzieren wol- len.42 Die extrinsischen materiellen nicht-monetären Anreize umfassen indirekte finan- zielle Entlohnungen, wie z.B. die Stellung eines Dienstwagens oder das Versprechen einer betrieblichen Altersversorgungsleistung.43 Vor dem Hintergrund der demografi- schen Entwicklung und ihrer Auswirkungen auf die gesetzlichen Sozialsysteme sind extrinsische materielle nicht-monetäre Anreize in Form von indirekten finanziellen Ent- lohnungen personalpolitisch bedeutsam.44 Sie werden deshalb sowohl als Eintritts- als auch als Bleibeanreiz in UN verstärkt eingesetzt.45 Bezogen auf die in Punkt 1.2 defi- nierte Forschungslücke der Anreizsysteme für die Teilnahme an der IbF in der vollstati- onären Pflege im Gesundheitswesen konnte diese durch die eingehende Literaturrecher- che nicht verworfen werden.
2.2 Begriffseingrenzung
Da gem. Punkt 2.1 in der Fachliteratur der Begriff der Anreizsysteme vielfältig definiert ist46, wird im Rahmen dieser Projektarbeit die Definition wie folgt eingegrenzt:
Anreizsysteme umfassen alle bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen, die direkt o- der indirekt auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter einwirken (Arbeitsleis- tung) bzw. die gewünschten Verhaltensweisen verstärken oder die Wahrscheinlich- keit des Auftretens anderer durch negative Anreize (Sanktionen) mindern. Dabei wird in Anreizobjekt (materiell, immateriell), Anreizempfänger (Individual-, Grup- pen-, organisationsweite Anreize) und Anreizquellen (extrinsisch, intrinsisch) unter- schieden. Maßnahmen, die verhaltensbeeinflussend wirken bzw. einwirken können, betreffen die Arbeit selbst, Karrieremöglichkeiten, sowie Weiterbildungsmöglichkei- ten. Funktionsvoraussetzung ist, dass die Motivationsstrukturen der Beschäftigten angesprochen werden.47
Damit verfolgen die Autoren dieser Projektarbeit das Ziel einer Eingrenzung und zu- gleich einer Bündelung von unterschiedlichen Ansatzpunkten, die es im weiteren Ver- lauf dieser Arbeit anhand der Forschungsfrage und der gebildeten Hypothese in Bezug auf das zu untersuchende Datenmaterial des Referenzunternehmens zu überprüfen gilt.
2.3 Verhalten und Motivation
Da gem. der Begriffseingrenzung in Punkt 2.2 verhaltensbeeinflussende Anreize in Zu- sammenhang mit den Motivationsstrukturen der MA zu sehen sind, folgt in diesem Punkt ein kurzer Überblick über inhalts- und prozesstheoretische Ansätze48 der Motiva- tion. Nach Heckhausen ist die Motivation eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass eine Person ihr Ver- halten um der erwarteten Folge willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energie- aufwand steuert.49 Andere Autoren50 definieren Motivation als ein prozesshaftes Ge- schehen, in dem Handlungsziele herausgebildet und das Verhalten und Erleben auf die- se Ziele ausgerichtet werden.
2.3.1 Inhaltstheorien der Motivation
Die Inhaltstheorien der Motivation beschäftigen sich mit der Art, dem Inhalt und der Wirkung der Bedürfnisse und Motive des Menschen und stellen Gesetzmäßigkeiten auf, nach denen der Mensch dieses Ziel anstrebt.51 Die Motivationstheorie von McClelland differenziert in die drei Motive des Leistungsstrebens, der Macht und der Zugehörigkeit.52 Dabei kann sich das Vorgesetztenverhalten positiv auf den MA auswirken, indem die Führungskraft dem MA das Gefühl eigener Macht im Sinne von Zielbildungsprozessen und der Beteiligung an Entscheidungen vermittelt und dieser die ihm zugewiesenen Kompetenzen zu selbstständigem Handeln nutzt.53
2.3.2 Prozesstheorien der Motivation
Die Prozesstheorien der Motivation liefern Erklärungsansätze, wie Motivation formal und losgelöst von Bedürfnisinhalten entsteht und sich auf das Verhalten auswirkt.54 We- sentlich ist, dass diese Theorielinie die individuellen Bedürfnisse, die hinter den Prozes- sen stehen, außer Acht lässt. Die Erwartungswerttheorie55 von Vroom knüpft an Erwar- tungen zur Belohnung eines erwünschten Verhaltens an. Danach hängt die Motivation davon ab, welches Ergebnis als Folge des Handelns erwartet wird.56 Kritisiert wird je- doch, dass ein rational-ökonomisches mechanistisches Kalkül als praxisfremd zu sehen sei und die Handlungsergebnisse von intrinsischen Valenzen beeinflusst sein könnten.57
2.3.3 Zusammenfassung Motivationstheorien
Aus der wissenschaftlichen Perspektive wird mit Motivationstheorien versucht, eine gültige Erklärung für menschliches Verhalten zu liefern und in Form von Studien empi- risch nachzuweisen. In der Praxisperspektive ergibt sich aus der Ableitung von Maß- nahmen zur Ausgestaltung der Organisation ein Nutzen für das Personalmanagement. Bezogen auf die definierte Forschungslücke konnte keine Theorie identifiziert werden, die sich explizit auf die IbF im Gesundheitswesen bezieht. Um die in Punkt 1.2 aufge- stellte Forschungsfrage theoriegestützt tiefer zu ergründen, haben die Autoren dieser Projektarbeit die Anreiz-Beitrags-Theorie ausgewählt, da diese sowohl motivationale als auch organisationale Ansätze bündelt, die geeignet erscheinen, die in Punkt 1.2 auf- gestellten Hypothesen zu überprüfen.
2.4 Anreiz-Beitrags-Theorie
Die ABT, die auf den soziologischen Management-Theoretiker Barnard (1938), den Sozialwissenschaftler Simon (1947) und den Organisationtheoretiker March (1958) zu- rückgeht58, ist eine Theorie über das Verhalten von Personen in Organisationen und stellt eine Mischung aus Motivations- und Organisationstheorie dar, die in der deutsch- sprachigen Literatur von Reber/Kirsch 1971 und Schanz 1993 zu praktischer Anwend- barkeit gelangte.59 Die Abb. 6 fasst eine Auswahl an Kernaussagen der ABT übersicht- lich zusammen, die nachfolgend thematisch aufgegriffen und weiter erläutert werden:
- Die Anreizgestaltung determiniert die Leistungserbringung der MA,
- der Leistungsprozess u. die Erfordernisse der Leistungserbringung definieren spezifische Anforderungen an die MA,
- die Erfordernisse der Leistungserbringung definieren soziale Beziehungen zwischen Organisation u. MA,
- wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Organisation u. MA ergeben sich aus den Charakteristika der MA u. der Art der Leistungserbringung,
- Konstellationen der Beziehungsmerkmale Attraktivität, Abhängigkeit u. Gerechtigkeit bestimmen das MA-Verhalten,
- Determinanten der Beitragserbringung sind: Eigenschaften der Aufgabe, Schwierigkeit, Neuartigkeit, Ansehen, Qualifikation zur Bewältigung, Grad der Professionalisierung,
- Qualität u. Quantität der notwendigen Anreize sind abhängig von der Qualität u. der Quantität der notwendigen Beiträge,
- Organisationen sind Zweck- u. zugleich Sozialgebilde: ohne Kooperation gibt es keine Organisation. Folgerung: MA müssen ein Interesse an der Organisation entwickeln,
- Bedürfnisse sind darauf angelegt, Mangelzustände aufzuheben u. Defizite zu reduzieren,
- Unzufriedenheit hat eine verhaltensstimulierende aktivierende Wirkung, die auf Aktivitäten zur Beseitigung der Unzufriedenheit ausgerichtet sind, bis hin zur Suche nach einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit,
- Unzufriedenheit kann motivationale Energie absorbieren u. zu Abwehrhaltungen führen,
- Anreiz-Beitrags-Verhältnis: MA vergleichen das erzielte Verhältnis mit Personen ähnlichen Ranges, die ähnliche Aufgaben haben,
- MA, die einen Anreiz erhalten, der über ihrem Anspruchsniveau liegt, sind zufrieden,
- Verantwortung und Mitgestaltung führen zur Identifikation der MA mit der Organisation.
Abb. 6: Kernaussagen der Anreiz-Beitrags-Theorie60
Die ABT beschäftigt sich mit grundsätzlichen organisationalen Wirkkräften und macht dazu organisationstheoretische Aussagen. Bartscher-Finzer/Martin kommen zu der Be- wertung, dass es sich um eine vielschichtige und am häufigsten zitierte Organisations- theorie handle, die auf sehr unterschiedlichen Analyseebenen argumentiere, wobei für die Autoren der motivationstheoretische Teil der ABT im Fokus liege.61 Die Grundan- nahme der ABT ist ein rational-kalkuliertes Agieren von Organisationen bzw. von UN und MA.62 Aus der Grundaussage, dass Organisationen darauf angewiesen sind MA in ausreichendem Maße Anreize bereitzustellen damit diese über die Erbringung eigener Beiträge das Fortbestehen der Organisation sicherstellen, lässt sich ableiten, dass Stö- rungen des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses Anpassungsbedarf erkennen lassen, dem die Organisationen mit Anpassungsreaktionen begegnen. Die Abb. 7 stellt die Faktoren dar, die auf die Anreizgestaltung einwirken.
Abb. 7: Bestimmungsfaktoren in der Anreizgestaltung63
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei kommt die ABT einer Entscheidungstheorie und zugleich einer Tauschtheorie nahe, weil Beiträge gegen Anreize unter kooperativem Zusammenwirken64 der MA in- nerhalb der Organisation erbracht werden. 65 Nach Bartschneider-Finzer/Martin umfasst Kooperation „Eigenständigkeit, nicht abwartendes, sondern proaktives Handeln, Erken- nen von Handlungsbedarf und nicht reglementierte Vorausleistungen“66, damit Organi- sationen funktionsfähig sind. Als problematisch wird die in der Praxis vorliegende In- homogenität der MA-Gruppe gesehen: es stellt sich daher die Frage nach der Verteilung von Beitragslasen auf verschiedene MA-Gruppen innerhalb der Organisation und nach einer entsprechenden Anreizausgestaltung.67 Anhand der ABT können Aussagen dar- über getroffen werden, „unter welchen Umständen die Anreizgestaltung mit den ge- wünschten Beitragsleistungen korrespondiert (…) [sie] läßt aber offen, welches die zweckmäßigsten Anreize [sind], d.h. welche inhaltlichen Merkmale ihnen Effektivität verleihen“68. Es wird also im theoretischen Rahmen „nicht die Wirksamkeit bestimmter Anreize, sondern (..) [der] Mechanismus der Anreiz-Beitrags-Transformation“69 be- schrieben. Bezogen auf die Organisationsmitglieder auf der MA-Ebene kann festgestellt werden, dass ihnen bei Herstellung der betrieblichen Leistungen auch „die zur Leis- tungserstellung notwendigen Fähigkeiten in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen“ müssen und sie „eine bestimmte Arbeitshaltung mitbringen (…) [und] in unterschied- lich starkem Ausmaße belastbar“70 sein sollten. Dabei ist das Management gefordert, eine simultane Förderung von Selbstständigkeit und Pflichtbewusstsein zu initiieren, indem Autonomie unter Zuweisung von Verantwortlichkeit gewährt wird.71 Die zielfüh- rende Ausgestaltung der Anreize muss so vorgenommen werden, dass „die notwendigen Beitragsleistungen von den einzelnen Arbeitnehmern in der erforderlichen Qualität auch erbracht werden“72. Dabei ist es zweckmäßig, wenn die MA ihre Aufgaben als ihre ei- gene Sache begreifen. Für die notwendige Identifikation mit den Aufgaben im Leis- tungserstellungsprozess sind daher intrinsische Anreize erforderlich: durch Partizipation und die Möglichkeit das Geschehen beeinflussen zu können, sowie Aufstiegschancen innerhalb der Organisation und ein berufliches Selbstverständnis, als Experten ihrer Arbeit akzeptiert zu sein. MA sollten daher gem. der ABT von Vorgesetzten als Partner behandelt werden.73 Wesentlich ist dabei das Begreifen der UN-Geschicke als gemein- same Aufgabe, weil dann die Übereinstimmung in den grundsätzlichen Vorstellungen über Ziele und das Funktionieren der Organisation bei den MA sehr ausgeprägt sei.74 Dem Management obliegt als übergeordneter Führung, die mit dominierenden Mitteln ausgestattet ist, die Aufgabe, nicht Verhandlung oder Konsensfindung zu führen, son- dern Information ggü. den MA bereitzustellen und symbolische Kommunikation vorzu- nehmen.75 Als indirekte Kontrollinstrumente werden z.B. Personalbeurteilungen ge- nannt, die die Leistungserbringung der MA erfassen sollen und damit die Passung von Anreizen und Beiträgen aufdecken bzw. in der Folge Anpassungspotenzial offenlegen. Kritisch ist anzumerken, dass die „Abhängigkeit (..) gewissermaßen die Wertigkeit des Beitragspotenzials der Arbeitnehmer“76 entwertet; hierauf sollte das Management bei der Auswahl und Implementierung von Anreizen besonders achten. An den durch die ABT definierten Standards eines AN-Verhaltens sollte sich ein rationales AG-Verhalten ausrichten77, da sich die Mitglieder einer Sozialordnung78 als Teilglieder einer sinnvol- len Ordnung verstehen. Die Anreizpolitik muss auf diesen sozialen Kredit Rücksicht nehmen, um keine soziale Distanz in Richtung einer rein ökonomischen Tauschbezie- hung zu verstärken.79
2.5 Exkurs Weiterbildungsbarrieren: Lernwiderstände und Lernbarrieren
Wie einleitend in Punkt 1.1 benannt, ist die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesund- heitswesen von hoher Bedeutung, um bei knappen Ressourcen eine von Qualität geleite- te Leistungserstellung ggü. den Patienten erbringen zu können. Entlang der Forschungs- frage nach Punkt 1.2 und der aufgestellten Hypothesen wird in diesem Punkt ein kurzer Überblick über Lern- und Weiterbildungsbarrieren gegeben, die das Fortbildungsverhal- ten der MA beeinflussen können und daher seitens der Organisation bei ihrer Ausgestal- tung der Anreizstrukturen berücksichtigt werden sollen. Schiersmann hat 2006 in einer Untersuchung (n=2.421) zu Weiterbildungsbarrieren die nachfolgenden Ergebnisse em- pirisch ermittelt, die Abb. 7 zeigt. Weiterbildungsaktive Gruppen führen verstärkt den individuellen Zeitmangel an, wohingegen weiterbildungsabstinente Gruppen einen nach eigener Einschätzung fehlenden beruflichen Nutzen betonen. Eine größere Lernbarriere stellt die Demotivation dar, die durch schlechte Erfahrungen verursacht sein kann. „Lernwiderstände entstehen, wenn aversive Faktoren gegenüber attraktiven überwiegen, wenn also Vermeidungstendenzen stärker sind als Annäherungstendenzen“80 und der MA daraufhin persönliche Abwehrmechanismen entwickelt. Im Ergebnis stellt Schiersmann fest, dass die Begründung für Lernbarrieren zwar vielfältig sei, sich aber auf vier Faktoren eingrenzen ließe: Biografie, Lerninhalte, Kurse/Kursleitung und Um- welt.81 Anknüpfend an die Ergebnisse der Abb. 8 und die Ausführungen in Punkt 2.3 zu Motivation und Verhalten kann geschlussfolgert werden, dass im Prozess der Motivati- on Lernprozesse integriert sind, die Anreiz, Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung mitei- nander verknüpfen.82
Abb. 8: Weiterbildungsbarrieren83
Dabei sind Lernfähigkeit, Lernbereitschaft und die Lernmotivation miteinander ver- zahnt84 und sollten organisationale Beachtung finden. Lerninhalte wirken motivierend, wenn sie biografisch anschlussfähig sind, zugleich an die persönlichen Erfahrungen und Vorkenntnisse der MA anknüpfen und in vorhandene Muster integriert werden können. Die Lernmotive wiederum entstehen aus Person-Umwelt-Beziehungen, wobei Motive kognitive und emotionale Komponenten beinhalten.85 Der MA-bezogen wahrgenom- mene subjektive Neuigkeitswert wird neuronal nicht nur auf Anschlussfähigkeit, son- dern auch hinsichtlich seiner Relevanz bewertet. Lebensdienliche Lerninhalte, die eng mit Emotionalität verbunden sind und in konkrete Handlungssituationen überführt wer- den, können im Rahmen eines gemeinschaftlichen Lernens effektiver gelernt und erin- nert werden.86
3 Praxisteil: Die Innerbetriebliche Fortbildung (IbF) von Pflegekräften am
Beispiel des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg Die Organisation BwKrhs Hamburg zählt zu einem öffentlichen Klinikverbund von 5 Häusern in ganz Deutschland und ist fester Baustein im medizinischen Versorgungsnetz der Freien und Hansestadt Hamburg. Es sind derzeit ca. 900 MA beschäftigt, davon ca. 400 Pflegekräfte und 270 Ärzte. Pro Jahr werden rund 12.000 Patienten stationär in 15 diagnostischen und klinischen Fachabteilungen behandelt.87 Wie in Punkt 1.2 vorge- stellt, folgt nun der ausführliche Analyseteil der IbF des ausgewählten Referenzunter- nehmens. In Punkt 3.1 werden als Erstes die externen gesetzlichen Vorgaben zur Fort- bildung untersucht, in denen sich die IbF bewegt und die sowohl den Handlungsrahmen der Organisation determinieren als auch die Anreizausgestaltung nach Punkt 2.2. Er- gänzend dazu werden im Rahmen der Diskursanalyse Kategorien aus dem Datenmateri- al abgeleitet, um darauf bezogen einen konzeptionellen Diskurs anhand des Referenzun- ternehmens zu führen. Ziel der Diskursanalyse ist dabei die Herausarbeitung der organi- sationalen Ausgestaltung und der mitarbeiterbezogenen Faktoren (im Kontext der ge- setzlichen Rahmenbedingungen) im Hinblick auf das Fortbildungsverhalten der MA des Referenzunternehmens. Nach Mayring88 ist basierend auf dieser Fragestellung und in Anbetracht des vorliegenden Datenmaterials die Zusammenfassung als Interpretations- technik, also die Kategorisierung mithilfe induktiver Kategorienbildung, zu empfehlen. Die zu analysierenden fünf deduktiven Oberkategorien (Externe Einflüsse, Organisatio- nale Rahmenbedingungen, Fortbildungsrelevanz, Eigenverantwortlichkeit der Mitarbei- ter, Statistische Daten) sind in Anhang 7 zusammengestellt und werden die im Verlauf der Datenauswertung mit induktiv entwickelten Unterkategorien aufgefüllt. Dabei sind Mehrfachnennungen der Unterkategorien zu mehreren Oberkategorien erfolgt. Als Auswertungseinheit gilt ein Einzeldokument (siehe Korpus Anhang 6). Kontexteinheit und Codiereinheit lassen sich im Rahmen dieser Projektarbeit nicht klar voneinander abgrenzen, sodass diese ganze Sätze, aber auch Phrasen und einzelne Satzbestandteile umfassen. Die Auszählung von Kategorie-Häufigkeiten ist aufgrund der Beschaffenheit des Datenmaterials und seiner großen Unterschiedlichkeit von den Autoren verworfen worden.
[...]
1 Vgl. DBfK (2016a), Abruf am 16.04.2016.
2 Ebd.
3 Vgl. Tutt, C. (2015), Abruf am 16.04.2016.
4 Vgl. DBfK et al. (2016b), S. 17.
5 Vgl. BMG (2015), Abruf am 16.04.2016.
6 Vgl. ebd.
7 Vgl. Kastning, J.-U. (2013), S. 4.
8 Vgl. Donabedian, A. (1966), Abruf am 16.06.2016.
9 Vgl. Mayring, P., Fenzl, T. (2014), S. 543ff.
10 Vgl. Hussy, W. et al. (2013), S. 252.
11 Vgl. ebd., S. 251.
12 Vgl. Phillips, N. (2002), S. 3.
13 Vgl. Hussy, W. et al. (2013), S. 251.
14 Vgl. Keller, R. (2004), S. 99ff.
15 Vgl. Keller, R. (2004), S. 99ff.
16 Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Hussy, W. et al. (2013), S. 251.
17 Vgl. Mayring, P., Fenzl, T. (2014), S. 543ff.; Vgl. Mayring, P. (2010), S. 59.
18 Vgl. Traue, B. et al. (2014), S. 500f.
19 Vgl. Zaunmüller, H. (2005), S. 34.
20 Entnommen aus: ebd., S. 34.
21 Vgl. Brinkel, G. (2016), S. 1ff.
22 Vgl. Rosenstiel von, L. (2015), S. 1ff.
23 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 384ff.
24 Vgl. Lindert, K. (2001), S. 100ff.
25 Eigene Darstellung.
26 Vgl. Jung, H. (2008), S. 615.
27 Vgl. Kastning, J.-U., (2016), S. 5 u. 8.
28 Vgl. Lindert, K. (2001), S. 100ff.
29 Vgl. Selke, M. (2012), S. 231ff.
30 Eigene Darstellung.
31 Vgl. Jung, H. (2008), S. 562; Vgl. WPGS (o.J.), Abruf am 21.06.2016.
32 Vgl. Selke, M. (2012), S. 231ff.
33 Vgl. ebd., S. 232.
34 Vgl. Grewe, A. (2012), S. 9ff.
35 Vgl. ebd., S. 8ff.
36 Vgl. Selke, M. (2012), S. 231.
37 Entnommen aus: Zaunmüller, H. (2005), S. 38.
38 Vgl Jung, H. (2008), S. 562ff.
39 Vgl. Selke, M. (2012), S. 232.
40 Vgl. Grewe, A. (2012), S. 8ff.
41 Vgl. Bröckermann, R. (2009), S. 278ff.
42 Vgl. Selke, M. (2012), S. 231.
43 Vgl. Jung, H. (2008), S. 563ff.
44 Vgl. Selke, M. (2012), S. 232ff.
45 Vgl. ebd., S. 232ff.
46 Vgl. Grewe, A. (2012). S. 8ff.
47 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2016), Abruf am 16.04.2016; Vgl. Steiner, E., Baake, K. (2013), S. 613ff.; Vgl. Selke, M. (2012), S. 232.
48 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 391ff.
49 Vgl. Beckmann, J., Heckhausen, H. (2010), S. 105ff.
50 Vgl. Schneider, K., Schmalt, H.-D. (2000), S. 34.
51 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 391ff.
52 Vgl. McClelland, D. C. (1985), S. 221ff.
53 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 397ff.
54 Vgl. ebd., S. 391ff.
55 Vgl. Vroom, V. H. (1995), S. 223ff.
56 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 400ff.
57 Vgl. ebd., S 401ff.; Vgl. Zaunmüller, H. (2005), S. 57f.
58 Vgl. March, J. G., Simon, H. A. (1958), S. 84ff.; Vgl. March, J. G., Simon, H. A. (1993), S. 104-108.
59 Vgl. Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 113.
60 Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Ebd., S. 113-145.
61 Vgl. Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 113f.
62 Vgl. ebd., S. 113.
63 Entnommen aus: Ebd., S. 116.
64 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 384ff.
65 Vgl. March, J. G., Simon, H. A. (1958), S. 84.
66 Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 121.
67 Vgl. ebd., S. 120.
68 Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 116.
69 Ebd., S. 117.
70 Ebd., S. 114.
71 Vgl. ebd., S. 116.
72 Ebd., S. 129.
73 Vgl. ebd., S. 130.
74 Vgl. ebd., S. 132.
75 Vgl. Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 140.
76 Ebd., S. 143.
77 Vgl. ebd., S. 145.
78 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 290ff.
79 Vgl. Bartscher-Finzer, S., Martin, A. (1998), S. 140.
80 Siebert, H., Jäger, C. (2006), S. 133ff.
81 Vgl. Siebert, H., Jäger, C. (2006), S. 143ff.
82 Vgl. Drumm, H. J. (2008), S. 388.
83 Entnommen aus: Siebert, H., Jäger, C. (2006), S. 139.
84 Vgl. ebd., S. 14.
85 Vgl. ebd., S. 60ff.
86 Vgl. ebd., S. 142ff.
87 Vgl. BwKrhs Hamburg (o.J.c), Abruf am 15.05.2016.
88 Vgl. Mayring, P. (2010), S. 59ff.
- Citar trabajo
- Jan-Uwe Kastning (Autor), Katharina Michael (Autor), Marie-Theres Schleef (Autor), Elvin Boyali (Autor), 2016, Anreizsysteme für die Innerbetriebliche Fortbildung im Gesundheitswesen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342898
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