Noch heute sind die Eisenbahnlinien afrikanischer Staaten sichtbarer Ausdruck der einstigen kolonialen Wirtschaftsbedürfnisse. Häufig handelt es sich nur um Stichbahnen von den Häfen ins Landesinnere, die dem Abtransport der dort gewonnenen Bodenschätze und Agrarerzeugnisse dienten. Länderübergreifende Verbindungen und regionale Netze sind selten, dabei scheitert die Verknüpfung nicht nur an natürlichen Hindernissen, sondern trivialerweise auch an den verschiedenen Spurweiten, die jede Kolonialmacht individuell wählte. Dies gilt auch für Tansania, das heute über 3690 km Eisenbahnen verfügt. Davon entsprechen rd. 1630 km den während der deutschen Kolonialzeit gebauten Trassenführungen von Dar es Salaam nach Kigoma am Tanganjika-See sowie im Norden von Tanga nach Moshi am Fuße des Kilimandjaro, etwa 1090 km stammen aus der britischen Zeit. Die verbleibenden Kilometer entfallen auf die Tazara, eine von China gebaute Linie, die seit 1975 dem Binnenstaat Sambia über Dar es Salaam Seezugang verschafft.
Zeitgenössische Publikationen der deutschen Kolonialperiode zeugen von Interessengruppen für drei Bahnlinien, die ihre Ausgangshäfen mit jeweils einem der großen Seen im Westen verbinden sollten: die Usambarabahn (später Nordbahn) von Tanga zum Victoria-See, die Zentralbahn von Dar es Salaam zum Tanganjika-See und die Südbahn von Kilwa oder Lindi zum Njassa. Die jeweiligen Verfechter der beiden letzten Linien bekämpften sich mit einer Vielzahl von Schriften und wandten sich im Kampf um knappe Reichsmittel zum Teil auch gegen die Usambarabahn, deren Bau zwar schon 1893 begonnen worden war, aber nur langsam vorankam. In dieser Arbeit werden daher die Argumentationen der verschiedenen Bahnbefürworter vor dem Hintergrund der Bauausführung ebenso untersucht wie deren Fortgang selbst, um die Frage zu klären, inwieweit die Linien tatsächlich der wirtschaftlichen Entwicklung dienen konnten oder als Ausdruck einer innerdeutschen Kolonialdiskussion zu sehen sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Usambarabahn
2.1 Die mühsamen Anfänge bis 1902
2.2 Der zögerliche Weiterbau
3 Zentral- oder Südbahn
3.1 Die Anfänge der Agitation
3.2 Der Kampf um knappe Reiehsmittel
3.3 Die Entscheidung
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Noch heute sind die Eisenbahnlinien afrikanischer Staaten sichtbarer Ausdruck der einstigen kolonialen Wirtschaftsbedürfnisse. Häufig handelt es sieh nur um Stichbahnen von den Häfen ins Landesinnere, die dem Abtransport der dort gewonnenen Bodenschätze und Agrarerzeugnisse dienten. Länderübergreifende Verbindungen und regionale Netze sind selten, dabei scheitert die Verknüpfung nicht nur an natürlichen Hindernissen, sondern trivialerweise auch an den verschiedenen Spurweiten, die jede Kolonialmacht individuell wählte. Dies gilt auch für Tansania, das heute über 3690 km Eisenbahnen verfügt . Davon entsprechen rd. 1630 km den während der deutschen Kolonialzeit gebauten Trassenführungen von Dar es Salaam nach Kigoma am Tanganjika-See sowie im Norden von Tanga nach Moshi am Fuße des Kilimandjaro, etwa 1090 km stammen aus der britischen Zeit. Die verbleibenden Kilometer entfallen auf die Tazara, eine von China gebaute Linie, die seit 1975 dem Binnenstaat Sambia über Dar es Salaam Seezugang verschafft.
Zeitgenössische Publikationen der deutschen Kolonialperiode zeugen von Interessengruppen für drei Bahnlinien, die ihre Ausgangshäfen mit jeweils einem der großen Seen im Westen verbinden sollten: die Usambarabahn (später Nordbahn) von Tanga zum Victoria-See, die Zentralbahn von Dar es Salaam zum Tanganjika-See und die Südbahn von Kilwa oder Lindi zum Njassa. Die jeweiligen Verfechter der beiden letzten Linien bekämpften sieh mit einer Vielzahl von Schriften und wandten sieh im Kampf um knappe Eeiehsmittel zum Teil auch gegen die Usambarabahn, deren Bau zwar schon 1893 begonnen worden war, aber nur langsam vorankam. In dieser Arbeit werden daher die Argumentationen der verschiedenen Bahnbefürworter vor dem Hintergrund der Bauausführung ebenso untersucht wie deren Fortgang selbst, um die Frage zu klären, inwieweit die Linien tatsächlich der wirtschaftlichen Entwicklung dienen konnten oder als Ausdruck einer innerdeutschen Kolonialdiskussion zu sehen sind.
In der Literatur findet sieh eine Trennung der Unterstützergruppen für die drei Linien: Plantagengesellsehaften und europäische Pflanzer für die Nordbahn, Verfechter deutscher Ansiedlung für die Südbahn, Händler, Militärs und Entwicklungsinteressierte für die Zentralbahn.[1] Eine derart eindeutige Zuordnung läßt sieh aus dem herangezogenen Material - zumindest bis 1905 - nicht bestätigen. Die Diskussion wurde im wesentlichen auch nicht von Saehargumenten geprägt, sondern trug eher ideologische Züge. Das Spannungsfeld wurde zudem durch einige men-on-the-spot vor allem des Eisenbahnwesens erweitert, die realistischere Annahmen über die vielbeschworene Rentabilität der Kolonialbahnen machten, damit aber den Bahnenthusiasten widersprachen,
2 Die Usambarabahn
2.1 Die mühsamen Anfänge bis 1902
Für die Kolonialfreunde stand die Notwendigkeit des kolonialen Bahnbaus von Beginn an außer Frage, denn der gesamte Warenverkehr wurde über Trägerkarawanen abgewiekelt, die sieh auf schmalen, windungsreiehen Wegen durch das Land bewegten. Es herrschte grundsätzlich Einvernehmen darüber, die Küstenhäfen mit den Seen im Inneren zu verbinden, wobei man der mittleren Linie von Dar es Salaam zum Tanganjika-See zugute hielt, daß sie allein dem deutschen Schutzgebiet und nicht den Nachbarn nützen würde,[2] Die zunächst erforderliche Pazifizierung des Gebiets schob die konkreten Planungen allerdings bis nach dem Araberaufstand 1889/90 hinaus. Aber schon 1890 wurde die Notwendigkeit einer Bahnlinie von Tanga nach Usambara mit späteren Verlängerungen zum VictoriaSee und nach Tabora betont. Im Jahr darauf empfahlen Wilhelm Oeehelhaeuser[3] und eine Gruppe von Afrika-Forschern (darunter Carl Peters und Graf Pfeil)[4] eine Zentralbahn von Dar es Salaam aus zum Tanganjika-See mit einem Abzweig zum Victoria-See, obwohl man die Tanga—Kilimandjaro-Linie für leichter realisierbar hielt. Da man sieh in diesem Kreis keine Illusionen über die Begeisterungsfähigkeit sowohl des Reichstages wie des Großkapitals zur Finanzierung der Zentralbahn machte, stellte man die Agitation für dieses Projekt zurück und schlug sieh zunächst auf die Seite der Nordbahn-Befürworter,
Die Deutseh-Ostafrikanisehe Gesellschaft (DOAG) erklärte sieh im Juni 1891 in einem Memorandum an die Reiehsregierung zum Bau der Usambarabahn und deren Weiterführung über Tabora zum Tanganjika-See mit einer Zweiglinie Tabora—Victoria-See bereit. Neben dieser Zusage dürfte auch der umfangreiche Landerwerb der DOAG in Usambara und die sieh dort entwickelnde Plan- tagenwirtsehaft den Ausschlag zugunsten dieses Projektes gegeben haben,[5] Die von der DOAG für diesen Zweck gegründete Tochtergesellschaft „Eisenbahnge- sellsehaft für Deutseh-Ostafrika (Usambara-Linie)“ erhielt noch im November des gleichen Jahres die Charter für die Strecke Tanga—Korogwe, Diese sah vor, das erste Teilstüek bis Muhesa (ea, 40 km) in vier Jahren und die Gesamtstreeke bis Korogwe (knapp 90 km) binnen 20 Jahren fertigzustellen. Für den Bau erhielt die DOAG beträchtliche Landkonzessionen: einen je 3 km breiten Streifen beiderseits der Strecke sowie weitere 4,000 ha pro Linienkilometer,[6] Die Arbeiten wurden schließlich im Juni 1893 aufgenommen, aber ein Jahr später reichte die Verbindung gerade vom Hafen zum Bahnhof in Tanga,
Problematisch war vor allem die Finanzausstattung, denn mit Ausnahme der Diseonto-Gesellsehaft unter Adolph von Hansemann hielten sieh die Großbanken in der Anfangszeit der Kolonie mit tropischem Engagement zurück,[7] Gouverneur Soden hatte bereits während der Verhandlungen über die Charter im September 1891 den kurzfristigen Bankrott der Gesellschaft vorausgesagt, wenn keine unterstützenden Reiehsmittel flössen. Die Gesellschaft wies ein Kapital von 2 Mio, Mark auf, von denen allerdings 1,2 Mio, Mark im Besitz der DOAG verblieben waren, da die Anteile keine Interessenten gefunden hatten. Vor diesem finanziellen Hintergrund bewahrheitete sieh Südens Vorhersage Mitte 1895, Die Linie war zu diesem Zeitpunkt 28 km weit bis Ngomeni gediehen. Die DOAG stellte weitere Mittel zur Verfügung, um wenigstens den Bau bis Muhesa zu sichern. Der Ort wurde zum Jahresende tatsächlich erreicht und die Strecke am 1, April 1896 trotz bekannter Mängel eröffnet. Vor Baubeginn angestellte enthusiastische Schätzungen über die Kosten - ein Betrag von 10 Mio, Mark war als ausreichend für die etwa 360 km lange Strecke von Tanga zum Kilimandjaro erachtet worden[8] - hatten sieh damit als haltlos erwiesen.
Dabei ist durchaus zu berücksichtigen, daß aus Unkenntnis, Unerfahrenheit und auf Grund widriger Umstände die Bauarbeiten keinen optimalen Verlauf nahmen, so wechselten z, B, die deutschen Bauleiter wegen Malaria-Erkrankungen anfänglich besonders häufig. Auch hatten die in den Jahren 1891/92 durehgeführ- ten Landvermessungen nicht immer die beste Trasse ermittelt und die zunächst verwendeten Holzsehwellen mußten schon bald durch teurere Stahlsehwellen ersetzt werden,[9] Aber schon Zeitgenossen bemerkten auch überflüssige Verschwendung, Riehelmann, ehemaliger Stationsehef in Bagamovo, kritisierte die gesamte Ausführung als zu teuer und zu langwierig,[10] Mit dem eingesetzten Kapital hätten viel mehr Kilometer realisiert werden können, wenn die Anlage als Feldbahn ohne Unterbau in 60-em-Spur erfolgt wäre, Transportgeschwindigkeit und Ladekapazität ließen sieh auch damit schon beträchtlich steigern, zumal mangels zu transportierender Masse an Rentabilität vorerst nicht zu denken sei, Finanzierbarkeit vorausgesetzt könne bei echtem Bedarf später Ersatz vorgenommen werden. Mit seiner Einschätzung zum Baufortsehritt der Usambarabahn war er deshalb auch deutlich pessimistischer als andere, kam der Wahrheit damit aber sehr viel näher: „Bauen wir gut, aber theuer, dann brauchen wir bis zum Kilima Ndseharo wenigstens noch 12 Millionen, und noch 12-15 Jahre, vorausgesetzt, daß ein solches auf lange Zeit wahrscheinlich unverzinstes Kapital überhaupt aufzutreiben ist. Und wann kommen wir dann an einen der großen Seeen?“[11]
Eine Kostensehätzung für Reparaturen an der Strecke Tanga—Muhesa ergab im Oktober 1897 einen notwendigen Betrag von 300,000 Mark, verbunden mit einer Empfehlung für schwerere Schienen, Bei Fortführung in der begonnenen Meterspur wurden für den Weiterbau bis Korogwe 2,2 Mio, Mark veranschlagt. Die Empfehlung - unterstützt auch durch Gouverneur Liebert - lautete aber, auf die billigere 60-em-Spur zu wechseln, Liebert sprach sieh für eine Verlängerung bis mindestens Mombo aus, finanziert von und gebaut unter Aufsicht des Reiches, Er war der Ansicht, daß unter staatlicher Direktive weniger Verschwendung Vorkommen würde und bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen seien. Eine wichtige Rolle in seiner Argumentation spielte der auch andernorts immer wieder aufkommende Vergleich mit Großbritannien: Deutschland dürfe sieh nicht lächerlich machen,[12] Noch ohne gesicherte Finanzierung begannen im Mai 1898 die Vorbereitungen für den Weiterbau der Bahn, Es wurde nicht ernsthaft bezweifelt, daß diese Stichbahn nach Muhesa nicht rentabel sein oder werden könne. Die Fortsetzung bis Korogwe würde immerhin das bestehende Plantagengebiet an die Bahn ansehließen. Auch für Holzwirtsehaft in Usambara wurden gute Entwieklungsmögliehkeiten gesehen, Bernhard, der als Mitglied des technischen Stabes bei der Usambarabahn guten Einblick hatte, schätzte den Finanzbedarf für diese Fortführung auf 3 Mio, Mark, gab sieh aber keinen Illusionen darüber hin, daß die innerdeutsche Stimmung nicht zur Stützung von Kolonialbahnen neigte. Trotzdem plädierte er nachdrücklich für eine Übernahme der Linie durch das Deutsche Reich, eine Hoffnung, die die DOAG schon 1895 gehegt hatte,[13]
1899 stimmte der Reichstag einer Übernahme des Bahntorsos mit allen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten durch das Deutsche Reich zu. Außerdem verpflichtete sieh das Reich zum Unterhalt und Weiterbau der Linie und zahlte 1,3 Mio, Mark für die bankrotte Bahn, Dieser Betrag wurde angesichts des Zustandes der Bahnanlagen und des rollenden Gutes vielfach als zu hoch bemängelt,[14] Zwar bewilligte der Reichstag grundsätzlich die Reparaturen und den Weiterbau, hielt die Mittel aber zunächst noch zurück. In zwei Tranchen von 2,3 Mio, und 950,000 Mark in den beiden Folgejahren erfolgte die Freigabe, Die DOAG mußte die meisten Landansprüehe aufgeben, da diese an den Eisenbahnbau gekoppelt waren; es verblieben ihr allerdings 11,000 ha, eine weitaus größere Fläche als sie zu kultivieren in der Lage war,[15]
Bestimmende Faktoren für die Fehlentwicklungen der ersten Bauphase werden in Korruption, Ineffizienz und Mißmanagement sowie Arbeitskräftemangel gesehen,[16] Erst mit dem Erweiterungsbau von Muhesa nach Korogwe erhöhte sieh die Arbeiterzahl von 400/450 auf 800 im Januar 1900 und 2000 im Juli 1900, allerdings v, a, durch Zwangsrekrutierungen erzielt. Der deutsche Generalkonsul auf Sansibar führte mit britischen Vertretern in Mombasa sogar vertrauliche Gespräche über die Anwerbung indischer Arbeiter, Mit der Erweiterung beauftragte man eine Reihe von Kleinunternehmern, da man sieh von deren gegenseitiger Konkurrenz eine günstigere Ausführung erhoffte. Diese mußten keine Befähigung für ihre Tätigkeit naehweisen, sie verfügten über kein geeignetes Baugerät, keine ausreichende Eigenfinanzierung und kein qualifiziertes Führungspersonal,[17] Trotz dieser Bedingungen wurde am 15, März 1902 die Strecke bis Korogwe eröffnet, eine Weiterführung bis Mombo hatte der Reichstag - obwohl mit der Vermessung bereits begonnen worden war - jedoch abgelehnt,
2.2 Der zögerliche Weiterbau
Diese Fortführung war durchaus umstritten, auch wenn Gouverneur Götzen sie für zwingend notwendig hielt und das Kolonialamt davon überzeugen konnte. In einem Artikel für die „Koloniale Zeitschrift“ stellte Gustav Seil, ein in Tanga für die Usambarabahn tätiger Eisenbahningenieur, 1902 fest, daß angesichts der gewählten Meterspur Korogwe die letzte halbwegs wirtschaftliche Station sei, auch wenn die Entstehung von Plantagen im weiter westlich gelegenen Pare wahrscheinlich sei. Selbst mit der auch von ihm für denkbar gehaltenen positiven Entwicklung einer Holzwirtsehaft in Usambara, stand für ihn fest, daß die Usambarabahn „auf absehbare Zeit eine Einnahmequelle für die Kolonie nicht werden (wird)“,[18] Hermann formulierte wenige Jahre später sehnörkellos, daß die Bedeutung der Usambarabahn für den Export zumindest bis 1902 „gleich Null“ gewesen sei,[19] Die Rentabilität der Bahnlinie war ein ständiger Diskussionspunkt, Auf Seiten der Unterstützer wurde gerne argumentiert, daß es die Aufgabe einer Pionierbahn sei, für eine Entwicklung der von ihr durchschnittenen Gebiete zu sorgen, eine Rentabilitätsbetraehtung mithin die falsche Entseheidungsgrundlage sei. Das hinderte die Verfechter aber nicht daran, schon vor dem Beginn jeder Bauetappe mit geschätzten Baukosten und angenommenen Transportmengen zu jonglieren, um das Projekt zu rechtfertigen. Nach Betriebsaufnahme der Bahn klagten die Siedler immer wieder über zu hohe Transportkosten auf der Usambarabahn, die ihre Plantagenprodukte verteuerten. Es wurde aber auch festgestellt, daß die Probleme der Pflanzer mit der Tarifierung angesichts der Weltmarktlage für Kaffee das geringste Problem seien,[20] Seil ging ebenfalls nicht von einer positiven Entwicklung der Pflanzungen aus: „Bei der Beurteilung der Frage über die Notwendigkeit und Rentabilität einer Bahnanlage wird die Plantagenwirtsehaft den Ausschlag wohl kaum geben können,“[21]
Andere Stimmen stützten zwar die Fortsetzung bis Mombo, eine Weiterführung von dort aber höchstens in westlicher Richtung nach Irangi, sofern sieh die dortigen Goldvorkommen als abbauwürdig erweisen sollten,[22] Auch Ziegler wollte die Massai-Steppe zwischen Mombo und Irangi durchqueren lassen, um die Bahn bis in die bevölkerungsreichen Regionen Unvamwezi und Usukuma im Nordwesten vorzustrecken. Wie er selbst zugab, ist diese Steppe sehr wasserarm, ein Argument, das er gegen die vorgeschlagene Südbahn-Trasse zur Anwendung brachte,[23] Alternativ wurde statt der Linie Korogwe—Mombo eine gewundene Trasse durch Usambara und längs des Pangani zum Pare-Gebirge vorgeschlagen. Dahinter steckten die Interessen der noch zu entwickelnden Holz Wirtschaft, wenngleich die Forderung mit einer Anbindung von mehreren Plantagen, einer Missionssta- tion sowie der Kulturstation Kwai verbrämt wurde,[24] Ob ein solcher Abzweig rentabel werden könne, wo er genau von der Bahn zum Usambara-Hoehplateau zu führen sei und welche Technik zum Einsatz kommen müsse, war Gegenstand intensiv geführter Auseinandersetzungen,[25]
Diese Diskussionen sind vor allem vor dem Hintergrund einer Entwicklung zu sehen, die beim Baubeginn Anfang der 1890er Jahre noch nicht erkennbar gewesen war, 1896 hatten die Briten in Mombasa mit dem Bau der sog, Ugandabahn begonnen, 1898 waren die ersten 200 km bereits betriebsfertig und es wurde vermutet, daß der Bau maximal noch zwei weitere Jahre bis zum Kilimandjaro benötigen würde,[26] Selbst diese Schätzung erwies sieh als falsch, denn am 1, März 1902 wurde die gesamte Linie von Mombasa bis Port Florence (Kisumu) am Victoria-See in Betrieb genommen. Die Briten hatten binnen sechseinhalb Jahren eine etwa 920 km lange Trasse verlegt, während die deutsche Usambarabahn in zehn Jahren keine 100 km weit gediehen war. Die Ugandabahn hatte eine Reihe von Auswirkungen auf den Norden des deutschen Schutzgebietes:[27]
- Die wirtschaftliche Entwicklung besonders des Nordwestens und der deutschen Häfen am Victoria-See nahm einen sichtbaren Aufschwung, der sieh in den Ein- und Ausfuhrzahlen ebenso widerspiegelte wie in der gestiegenen Einnahme durch die Hüttensteuer,
- Gleichzeitig orientierten sich die Warenströme auch des Kilimandjarogebie- tes nach Norden und über Voi zur Bahn, so daß Mombasa das gut 130 km südlich gelegene Tanga als Haupthafen der Region abzulösen begann,
- In Deutschland selbst wurde der politische Entseheidungsprozeß beeinflußt, denn angesichts der bis dahin kläglichen Ergebnisse beim Bau der Usambarabahn bedeutete die britische Linie einen Angriff auf das nationale Selbstwertgefühl und eine Anstaehelung der Wettbewerbsstimmung,
[...]
[1] Koponen, Juhani: Development for exploitation. German colonial policies in mainland Tanzania 1914, 2., verbess. Aufl., Helsinki 1995 (Studia histórica 49), S. 302; ähnlich auch Tetzlaff, Rainer: Koloniale Entwicklung und Ausbeutung. Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutsch-Ostafrikas 1914, Berlin 1970 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 17), S. 69
[2] Bernhard: Der Eisenbahnbau in Deutsch-Ostafrika mit besonderer Berücksichtigung des Baues der Linie Tanga-Muhesa, Berlin 1898, S. 309
[3] Wilhelm Oeehelhaeuser, 1820-1902, Gründer und Generaldirektor der Deutschen Continental-Gas- Gesellschaft (Conti) in Dessau, Direktor der DOAG
[4] Komitee für die Deutsch-Ost-Afrikanische Zentralbahn (Hg.): Deutsch-Ost-Afrikanische Zentralbahn, Berlin 1896, Anlage В
[5] Bernhard: Eisenbahnbau, S. 312 sowie Hill, Mervyn F.: Permanent Way II. The Story of the Tanganyika Railways, Nairobi 1957, S. 60 ff.
[6] Koponen: Development, S. 189
[7] Peter, Chris Maina: Imperialism and Export of Capital: A Survey of Foreign Private Investments in Tanzania During the German Colonial Period, in: Journal of Asian and African Studies 25 (3-4), 1990, S. 197-212, hier S. 205
[8] Weiß, Kurt: Über Verkehrswege in Ostafrika, Sonderabdruck aus der Deutschen Kolonialzeitung, Berlin 1890, S. 7
[9] Gillman, Clement: A Short History of the Tanganyika Railways, in: Tanganyika Notes and Records 13, 1942, S. 14-56, hier S. 17
[10] Zum folgenden Riehelmann, Georg: Die Nutzbarmachung Deutsch-Ost-Afrikas. Betrachtungen und Erwägungen, Magdeburg 1894, S. 70 ff.
[11] Richelmann: Nutzbarmachung , S. 75
[12] Hill: Way, S. 65
[13] Bernhard: Eisenbahnbau, S. 312 f.
[14] Seil, Gustav: Ueber die Rentabilität und den Bau der Usambarabahn und der Centralbahn in Deutsch-Ostafrika, in: Koloniale Zeitschrift 3, 1902, S. 189-190, 207-209, 226-228, hier S. 188; Meyer, Hans: Die Eisenbahnen im tropischen Afrika. Eine kolonialwirtschaftliche Studie, Leipzig 1902, S. 135
[15] Koponen: Development, S. 195
[16] Hill: Way, S. 62 ft; Biermann, Werner: Tanganyika Railways - Carrier of Colonialism. An Account of Economic Indicators and Social Fragments, Münster 1995 (Afrikanische Studien 9), S. 24
[17] Rogge, Christian: Die wirtschaftliche Entwicklung des Deutschen Schutzgebietes Ostafrika (18901914) - Versuch einer „spätkolonialen“ Ausbeutung, Paderborn 2000 (Paderborner Beiträge zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Weiterbildung 22), S. 54
[18] Seil: Rentabilität, S. 209
[19] Hermann, R.: Die Ugandabahn und ihr Einfluß auf Deutsch-Ostafrika, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft 8, 1906, S. 580-593, hier S. 588
[20] Meyer: Eisenbahnen, S. 137
[21] Seil: Rentabilität, S. 189
[22] Meyer: Eisenbahnen, S. 139; Hesse, Hermann: Die ostafrikanische Bahnfrage, Berlin 1903, S. 28; Wiese, E.: Zum Deutsch-Ostafrikanischen Eisenbahn-Projekt, in: Koloniale Zeitschrift 4, 1903, S. 400 f. Wiese sah diese Variante vor allem in Abgrenzung zu einer Linie von Dar es Salaam aus, gegen die er anführte, daß die Tangalinie dorthin kürzer und der Anfang bereits gebaut sei. Er vermutete Prestigegründe hinter der Wahl Dar es Salaams, da der Regierungssitz wohl eine Bahnlinie haben müsse.
[23] Ziegler, Gustav: Das Eisenbahnprojekt Dar-es-Salam - Mrogoro und die damit zusammenhängenden verkehrspolitischen und wirtschaftlichen Zeitfragen für Deutsch-Ostafrika, Eichstätt 1904, S. 37 f. und S. 34
[24] Mismahl, F.: Zur Erschließung West-Usambaras, in: Koloniale Zeitschrift 3, 1902, S. 376-380, hier S. 379. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels war Kwai, 1t. Anmerkung bei Seil: Rentabilität, S. 190, längst geschlossen.
[25] Dazu v. a. Seil, Gustav: Zur Frage des Anschlusses des Hochplateaus von Ost-Usambara an die Usambaraeisenbahn mit einigen allgemeinen Gesichtspunkten über die Anlage von Eisenbahnen in Deutsch-Ostafrika, in: Koloniale Zeitschrift 4, 1903, S. 72-74, 110-112, hier S. 73 f. und 110 ff.; Mismahl, F.: Zur Erschliessung Ost-Usambaras, in: Koloniale Zeitschrift 4, 1903, S. 222-224, hier S. 222 f.
[26] Bernhard: Eisenbahnbau, S. 318
[27] Rogge: Entwicklung, S. 53 ff.
- Arbeit zitieren
- Susanne Menzel (Autor:in), 2004, Dampf für Deutsch-Ostafrika - Eisenbahnen als Mittel der Wirtschaftsentwicklung oder nur ein koloniales Steckenpferd?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34237
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