Im vorliegenden Werk wird eine Textsammlung dargestellt. Sie lehnt sich an Kursunterlagen zum Thema „interkulturelle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ an, die der Autor über neun Jahre als Referent oder Dozent entwickelt hat.
Die Kursunterlagen entstanden in ständigem Austausch mit den verschiedenen Teilnehmergruppen, mit denen er gearbeitet hat. Die Kursteilnehmer/innen waren sowohl Deutsche als auch Zuwanderer/innen oder Personen mit Migrationshintergrund, die sich alle für den Bereich interkulturelle Jugendarbeit interessieren.
Die vorliegende Textsammlung stellt die Ergebnisse und Reflexionen dieses pädagogischen Experiments dar; ein Experiment, das andere ähnlich orientierte Projekte wohl inspirieren kann.
Inhaltsverzeichnis
Rahmen
Entstehung der Texte
Thematische Schwerpunkte
1. Das Phänomen Konflikt seine verschiedenen psychologischen Ebenen und Hintergründe; (gesunder) Menschenverstand und Gemeinsinn; das „Täter - Opfer“ – Verhältnis, seine Besonderheit und Mechanismen; Konfliktlösungsstrategien
2. Der Kulturbegriff
2.1. definitionen und wie unter ihnen eine auszuwählen, die im Zusammenhang mit dem Kurs operativ ist?, definitorische Abgrenzung von verwandten Begriffen wie Zivi- lisation, Religion, Moral, Charakter, Pattern u. s. w.; multikulturell, interkul- turell und transkulturell
2.2. Arbeitskultur verschiedener Sinn und unterschiedliche Herangehensweisen an das Vokabel „Arbeit“ in unterschiedlichen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten, Bereiche
2.3. Jugendkultur/en Definitionsebenen der Vokabel „Kindheit“, „Jugend“ und „Erwachsensein“ und Abgrenzungskriterien jeder Altersschicht; Kultur oder Kulturen?, Geschichte und Charakteristika
3. Das Thema der Identität
Begrifflichkeit, ihre Ebenen und Implikationen in der interkulturellen Arbeit
4. Gewaltfreie Kommunikation (Definitionen des Wortes „Gewalt“, Angemessenheit des Vokabels „gewaltfrei“ in Bezug auf diese Definitionen; Beziehungen zwischen Gewalt und Kulturen: gibt es Kulturen, die „gewalttä- tiger“ sind als andere?; Theorien und Techniken der gewaltfreien Kommuni- kation – kritische Analyse; „Einheimische“ und Einwanderer/innen angesichts dieser Probleme; Gewalt unter Kindern und Jugendlichen – Besonderheiten)
5. Um das Wort Pädagogik Definition in Bezug auf verwandte Begriffe wie Didaktik, Methodik; grund- legende Verbindung mit der Vorstellung des Menschen als „Untertan“ oder als „Bürger“; die Reformpädagogik: Begriff, Geschichte kurz gefasst, damit verbundene Fragen, Vorstellung einiger von ihren Richtungen; pädagogische Reformen in Frankreich
6. Beratung, Betreuung und Begleitung Begriffsklärung, Vorschlag eines Algorithmus für die Beratung/Betreuung/ Begleitung – Darstellung eines Ablaufsmodells für eine Beratung/Betreuung/ Begleitung in Sachen interkultureller Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, typische Phasen einer solchen Beratung/Betreuung/Begleitung; Beratung und Religion
7. Aufbau von sozialpädagogischen Projekten im Bereich der interkulturellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (wie geht es mit Konzeption, Darstellung, Realisierung und Auswertung solcher Projekte?); Projektangebot „UND WER NUN KÜMMERT SICH UM DIE JUNGS? - Männliche Jugendliche zwischen Vereinnahmung und Verwahrlosung“: Skizzendarstellung und Sachtexte (auf Englisch)
Fazit
Der gewählte Fokus
Danksagung
Quellenhinweise
RAHMEN
(Prolog)
Die nachfolgende Textsammlung bezieht sich im Wesentlichen auf Reflexionen über soziale, kulturelle und berufliche Integration von „Migranten“ (Zuwanderer/innen), die im Rahmen von projektgebundenen Aktivitäten des Autors entstanden sind. Diese Reflexionen wurden dann in Kursen, in denen der Autor als Dozent diente, zur Debatte gestellt. Die Kurse fanden überwiegend in Berlin statt. Es handelte sich um Kurse für Erwachsene, die im interkulturellen Bereich als Sozialpädagog/inn/en arbeiten möchten oder als Lehrer/innen in Schulen bzw. Erzieher/innen in Kindertagestätten oder Jugendeinrichtungen mit hohem Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund tätig sind. Der Autor der vorliegenden Textsammlung fungierte als Dozent nur in Berlin.
Als solche stellt also diese Textsammlung ein Essay dar:
- Essay, weil der Schwerpunkt des vorliegenden Werks auf vom Autor als innovativ betrachteten Herangehensweisen und Reflexionspfaden liegt. Deshalb (auch wegen Zeitmangels, denn die Kurse waren von kurzer Dauer – siehe weiter unten: ‘Kursreihe’) wird jedes Mal, wo es für sinnvoll gehalten wird, auf Fachliteratur und Wikipedia verwiesen, in denen sich die (erwachsenen) Kursteilnehmer/innen einen Einblick in das Fach (z.B. in den verschiedenen Methoden der Konfliktlösung oder der Beratung) verschaffen können; diese Aspekte stehen demnach in der Textsammlung nur als Anhaltspunkte.
- Essay, weil als auch „Ratgeber“ das vorliegende Werk zukünftigen Personen, die in der interkulturellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig sein wollen, Denkanstöße anbieten möchte, die ihnen helfen sollen, ihre (schulischen und außerschulischen) Tätigkeiten kreativ zu gestalten.
- Essay, weil aus dem vorhin Erläuterten, sich das vorliegende Werk als eine Sammlung pädagogisch- philosophischer Thesen versteht, nicht als eine „wissenschaftliche“ Studie.
Nun zu mehr Details über Kurse und Methode.
Die aus diesen Reflexionen entstandenen Kurse bzw. Recherchen wurden je nach Projekt durch die Agentur für Arbeit / das Jobcenter in Berlin, vom Europäischen Sozialfonds, von der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Sie fanden in mehreren Orten statt: in den Berliner Räumlichkeiten von BBQ (Baumann Bildung & Qualifizierung - http://www.bbq.de) als Teil dessen Bildungsangebots im Bereich Weiterbildung Soziales / Pädagogik, oder vom Integrationswerk Respekt e.V.; aber auch je nach Kurs bzw. Projekt in anderen Städten Deutschlands (z.B. Schwerin) oder Europas (z.B. Spanien und den Niederlanden im Rahmen des ehemaligen EU-Programms EQUAL). Die vorliegenden Texte wurden im Laufe der vorhin erwähnten Projekttätigkeiten, an der sich das Integrationswerk RESPEKT e.V. beteiligt hat, verfasst. Die stattgefundenen Kurse liefen unter der Leitung und pädagogischen Betreuung des Integrationswerks RESPEKT e.V. (http://www.respekt-berlin.com/). Das Integrationswerk RESPEKT e.V. hat seinen Sitz in Berlin. Es besteht aus einem interkulturellen pädagogischen Team und bietet als anerkanntes Bildungszentrum eine Mehrzahl an regionalen, bundesweiten und internationalen Integrations- und Qualifikationsprojekten sowie thematische Diskussionsplattformen an. Eines seiner Hauptziele ist es, dass Teilnehmer/innen an seinen Kursen zu künftigen Dozent/inn/en für künftige Kursteilnehmer/innen werden: „Lernen und Lernend Lehren“ bzw. dass Ratsuchende ihren eigenen Berufsweg finden. Die Philosophie des Integrationswerks RESPEKT e.V. lautet: didaktische Kurrikula unter Anwendung von reformpädagogischen Ansätzen entwickeln, die selbständiges Denken und Handeln fördern: vom Empowerment zur mündigen Bürgerschaft.
Das Integrationswerk RESPEKT e.V. ist Mitglied im Verband für Interkulturelle Arbeit – Regionalverband Berlin-Brandenburg e.V. (http://www.via-in-berlin.de/).
Genre: Essay, nicht Studie:
Der Autor möchte es noch einmal betonen: in seiner Endform betrachtet der Autor die dargestellte Textsammlung als einen Essay, nicht als eine Studie – wie die nachfolgenden Erläuterungen noch zeigen werden.
Zum Beispiel wird in den Texten weder von Grafiken oder Statistiken Gebrauch gemacht, noch logisch-mathematische Formeln oder Matrizen herangezogen. Das „Volumen“ der bibliografischen Verweise hält sich auch deshalb in Grenzen (siehe weiter unten: ‘Natur der nachfolgenden Schrift’).
Kursreihen:
Es handelt sich um ein didaktisches Material, das von seinem Autor im Laufe von Forschungstätigkeiten und im Rahmen von Erwachsenenbildungskursen entwickelt wurde, die in Berlin stattfanden. Der gemeinsame Nenner dieser Kurse kann in der Bezeichnung „Qualifikationskurse zur interkulturellen Integration von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familie im Bereich Soziales, Bildung und Beruf“ zusammengefasst werden.
Gestaltung und Dauer der Kurse: die Kurse verstanden sich entweder als Unterricht (inkl. selbständige Gruppenarbeit und Exkursionen) oder als Vorträge. Der Lehrplan der Kurse untergliederte sich in Modulen, die jeweils einen Monat gedauert haben und in denen der Autor als Dozent oder/und als Referent auftrat; nachfolgend werden nur die Themen aufgelistet, die der Autor im Rahmen der verschiedenen Kurse behandelt hat.
Zielgruppen: Erwachsene sowohl deutscher als auch anderer Herkunft, die aus eigener Initiative, durch ihre Firma oder durch die Agentur für Arbeit / das Jobcenter an einer Weiterbildung im Bereich der interkulturellen Arbeit teilnehmen. Niveau: Hochschulabschluss bzw. -studium empfohlen (egal aus welchem Land); theoretische oder/und praktische Vorkenntnisse in dem Bereich nicht notwendig, jedoch ratsam.
Methodik der Kurse: interaktiv (die Themen werden in Form von Fragen an die Kursteilnehmer/innen angegangen, anschließend formuliert der Dozent eine Synthese, in der er eigene Reflexionen und Erfahrungsergebnisse hinzufügt; die Anmerkungen und Fragestellungen der Kursteilnehmer/innen werden in die Texte verarbeitet, die ihnen am Schluss jeder thematischen Rubrik abgegeben werden). Auf demselben (interaktiven) Prinzip liefen die Vorträge, die im Allgemeinen kurz gefasst wurden und einen großen Raum für anschließende Fragen und Diskussionen zuließen.
Zielvorgaben der Kurse: Verleihen interkultureller Kompetenz, Hilfe zur sozialen, kulturellen und beruflichen (Wieder-)Eingliederung, Zusatzqualifikation im Bereich der Integration von Kindern, Jugendlichen mit Migrationshintergrund (inklusive Spätaussiedler) und deren Familie.
Darstellung: Kurs- bzw. Vortragsunterlagen. Die Texte werden in – nicht immer vollständig verfasster – Rohform, eher als „Stichpunkte“ dargestellt, damit den Praktiker/innen und Forscher/innen ein breiter Spielraum für lebendige Improvisation und Gestaltung gegenüber ihrem Publikum oder Forschungsgegenstand überlassen wird.[1]
Gestaltung der Texte: die Texte werden absichtlich in mehreren Schriftgraden und mit einer Vielfalt an Einzugsgrößen (gekennzeichnet durch Nummern, Striche, Sternchen oder andere Zeichen) dargestellt. Diese absichtliche Präsentation dient dem Zweck, die Modularität des Verlaufs der Kursreihen, auf die sie sich beziehen, und der hier angewandten Methode didaktisch wiederzugeben. Die hier präsentierte Textgestaltung ist zwar nicht gerade sehr „orthodox“, spielt aber eine wichtige Rolle, um die Stufen der Reflexion und der beschriebenen Prozesse oder der empfohlenen Techniken zu veranschaulichen.
Tätigkeiten des Autors in diesen Forschungen und Kursreihen (2005-2014): Projektleiter, Referent, Privatdozent, migrantenspezifischer Berater in Sachen Beruf und soziokulturelle Inklusion.
Sprache, in der die Texte verfasst wurden: deutsch.
Gebiete: interkulturelle Pädagogik, Berufsausbildung für Erwachsene, psychologische, soziale, kulturelle, schulische / außerschulische und berufliche Unterstützung bzw. Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund sowie deutscher Abstammung inkl. Spätaussiedler/innen.
Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit: diese Texte legen das Abschlussergebnis der vom Autor während seiner Forschungs- und Dozenten-/Referententätigkeit behandelten Themengebiete dar. Diese Ergebnisse, über die o. g. Tätigkeiten hinaus, können didaktische sowie praktische Projekte (Forschung, Fort- und Weiterbildungskurse, Austauschprogramme...) in den vorhin erwähnten Bereichen inspirieren. Außerdem können sie auf anderen Reflexionen und interkulturellen Begegnungen angewandt werden, und zwar sowohl in Organisationen wie das Deutsch-Französische Jugendwerk als auch im Rahmen von internationalen Jugendprogrammen wie die kulturellen Jugendaktionspläne der Europäischen Union, denn diese Texte tragen auch die Früchte, die deren Autor im Laufe seiner vergangenen Tätigkeiten in diesen Strukturen angesammelt hat.
Natur der nachfolgenden Schrift
Aus dem vorhin Erläuterten folgert, dass die Schrift, die im Anschluss dargelegt wird, keine Studie im engen „wissenschaftlichen“ Sinne ist, sondern das Ergebnis persönlicher Reflexionen vom Dozenten/Autor und Kursteilnehmer/innen. Als abschließendes didaktisches Material spiegelt sie also das Ergebnis eines lebendigen dialogischen Prozesses zwischen Lernenden und Lehrendem wider, in dem Lebenserfahrungen ausgetauscht und gemeinsam reflektiert werden.
Aufgrund dessen, anders als in den üblichen „wissenschaftlichen Studien“ wird hier auf ausführliche bibliografische Angaben absichtlich verzichtet. Dies entspricht dem interaktiven didaktischen Ansatz der Kursreihe, Kursteilnehmer/innen (welche Erwachsene sind) zu animieren, selber/selbständig weitere Recherchen zu den angebotenen Themengebieten zu betreiben. Deshalb werden erstens in den an die Teilnehmer/innen verteilten Kursunterlagen wenige bibliografische Quellen angegeben. Denn die Ergebnisse der in den Kursen entstandenen gemeinsamen Reflexionen sind original und befinden sich so gut wie nicht in der üblichen, sich auf die behandelten Themengebieten bekannten Literatur. Zweitens, da diese Kurse nicht an Universitäten stattfanden und sich an ein Erwachsenenpublikum richteten, das ein Hochschulstudium nicht immer absolviert hatte, da es sich für die meisten um einen Einstieg in ein neues Gebiet handelte und der Kurs in einem begrenzten Zeitraum ablief, wurde in erster Linie als Hilfsinstrument auf Wikipedia zurückgegriffen. Wikipedia, als didaktisches Material, sollte demnach den Kursteilnehmer/innen dazu helfen, sich mit allgemein akzeptierten Definitionen von im Unterricht angewandten Schlüsselbegriffen vertraut zu machen und als Start in den eigenen Recherchen zum behandelten Thema dienen.
Dennoch, wenn aus diesen verteilten Unterlagen ein zu veröffentlichendes Manuskript entstehen soll, sollen bestimmte Formen in Betracht gezogen werden. Eine davon ist eben die Präsentation von empfohlenen Verweisen aus Literatur und anderen Medien, die zur Entstehung der dargestellten Reflexionen beigetragen haben. Deshalb wird am Ende der nachfolgenden Textsammlung Quellenhinweise hinzugefügt. Als Hinweise beanspruchen jedoch die entsprechenden Angaben nicht, die angegangenen Themen auszuschöpfen. Dies ebenso absichtlich.
Der Autor
Jean Weinfeld ist Franzose, geb. 1950. Seit 1981 lebt er in Deutschland. Doktor der Philosophie in Deutschland, Hochschulabsolvent in Jura, Politikwissenschaft, IHK-Diplom in Wirtschaftswissenschaft, Projektleiter in mehreren kunstwissenschaftlichen Projekten, hat Jean Weinfeld in diesen Bereichen sowohl auf Französisch als auch auf Deutsch Aufsätze veröffentlicht. Seine beruflichen Tätigkeiten kreisen um interkulturelle Pädagogik. Zuletzt war er in einem Berliner Bildungszentrum Leiter internationaler sozialpädagogischer Projekte und Dozent im Rahmen von Erwachsenenbildungsprogrammen. Heute ist er glücklicher Rentner.
KAPITEL EINS
KONFLIKT IN DER INTERKUTURELLEN ARBEIT MIT JUGEND UND FAMILIE
Wesen, Fakten, Hintergründe und Lösungsansätze
TEIL I. Der Konflikt und sein Platz in der interkulturellen Kommunikation
Zunächst über das Wort Kommunikation
Ursprung des Wortes
←→ Latein: communis = gemeinsam
com [cum] = mit und munis = das, was Dienst leistet
wortwörtlich: communicare = (eine Information) zu etwas Gemeinsamem machen
communicatio(nem): ‚Gemeinsammachung’
zu Deutsch: mit-teilen, also: etwas, das gemeinsam geteilt wird
➔ Mitteilung
Stufen: Kommunikation und/mit
- seines / sich selbst
- die/den Anderen
- die/der Umwelt (Gesellschaft, Natur…)
Agenten: Emittent (Absender)/ Rezipient (Empfänger)[2]
Signale: Stimulus / Response
Art: nichtverbal / verbal
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Frage: ist die Gebärdensprache verbal oder nichtverbal?
Beim Menschen hat die sprachliche Kommunikation die Oberhand genommen. Im interkulturellen Bereich daraus entstehende Probleme: Misskommunikation, also Differenzen im Verständnis, in der Deutung dessen, was gesagt wird oder der Handlungsweise einer Person. Diese Misskommunikation hat mit zweierlei zu tun
- mit der Polysemie (Vieldeutigkeit) der Wörter, Redewendungen einer Sprache zu tun und mit den damit verbundenen Haltungen (Gestik, Mimik…) – daher die Probleme einer Übersetzung (nie 1/1) – , aber auch
- mit den verschiedenen Kulturen und den Werten, die sie beinhalten, welche einem selben Wort in einer Sprache oder einer selben Geste, einer selben Mimik in einem bestimmten Kulturkreis eine andere Bedeutung in einer anderen Sprache bzw. in einem anderen Kulturkreis verleihen.
Misskommunikation hat im Endeffekt mit der Unwissenheit über diese Faktoren zu tun.
Aus Misskommunikationen entstehen Konflikte, eine konfliktuelle Kommunikation (Misskommunikation ist also „Kommunikation“ aber im Sinne von „Mitteilung von Differenzen“, die überwunden werden sollen – nicht unbedingt, dass beide Parteien auf eine Übereinstimmung kommen, sondern, dass die Differenzen nicht mehr als unüberbrückbar betrachtet werden, eher als Meinungs- und Haltungsvielfalt, die die Menschen und die Kulturen, die Sprachen unter sich bereichern, ihr Verständnis erweitern).
Konflikt als Weg zur Erweiterung der (interkulturellen) Kommunikation oder als Einschränkung eben dieser?
Zwischenfrage: ist Krieg Misskommunikation oder Kommunikation?
Gehen wir nun der ausführlichen Problematik des KONFLIKTS und seinem Platz in der interkulturellen Kommunikation nach.
Eine der wichtigsten Quellen für Misskommunikation und daher für Konflikte liegt im Gemeinsinn, welcher wiederum vom Verstand (auch „Menschenverstand“ oder „ ‚gesunder’ Menschenverstand “ genannt) zu unterscheiden ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dennoch ist die Grenze3 zwischen Gemeinsinn und Menschenverstand fließend. Deshalb ist jederzeit Wachsamkeit gefragt. Denn der Menschenverstand bleibt subjektiv empfunden und epochen-/ortsabhängig.
Übung zum Teil I
Platz des Bewusstseins und des Gewissens in der Kommunikation.
- Definition beider Begriffe
- Was haben diese beiden Begriffe gemeinsam und was unterscheidet sie voneinander? Also wie sieht eben die „Kommunikation“ zwischen diesen beiden Begriffen aus: wie kommunizieren sie mit einander? (Gemeinsamkeiten / Unterschiede)
- Ist Kommunikation möglich nur mit einem dieser beiden Begriffe?
- Können trotzdem Misskommunikationen bei der Anwendung beider Begriffe entstehen?
TEIL II. Wesen und Ausdrucksformen
Warum ist es in diesem Kurs wichtig, sich über Konflikte zu unterhalten und dieses Phänomen zu analysieren?
Weil die meisten Menschen, die zu einem Berater / einer Beraterin kommen, gerade einen Konflikt durchleben, für den sie einen Rat brauchen. Siehe den Begriff Mediation.
Wesen des Konflikts
Definition (Merkmale)
Wikipedia: Ein Konflikt (lat.: confligere = aneinandergeraten, kämpfen; PPP: conflictum) ist die Folge von wahrgenommenen Differenzen, die gegenseitig im Widerspruch stehen und eine Lösung erfordern. Die Konfliktforschung erforscht die Ursachen und entwickelt Lösungsstrategien, um die Auswirkungen eines Konfliktes begrenzen zu können.
DIFFERENZEN von Meinungen, Herkunft, Rolle (in der Familie z.B., im beruflichen Leben ↔Hierarchiesysteme), sozialer, ethnisch-religiöser Zugehörigkeit, ökonomischem Entwicklungsstand…
Paradigmenwechsel: Widersprüche nicht mehr als „Gegensatz“ begreifen, sondern als „Komplementarität“; Gegensatz ➔ Komplementarität (= Sich Einander Ergänzen – Widerspruch / Kontrast: den Widerspruch nicht nur negativ als Defizit ansehen, sondern zugleich positiv als Weg zur Erkenntnis)
Paradigma (an Wikipedia angelehnt):
In unserem Kontext bedeutet Paradigma vor allen Dingen Grundhaltung. Unter Haltung ist hier „Denk- und Handlungsweise“ zu verstehen.
Paradigma (Plural: Paradigmen oder Paradigmata) stammt aus dem Griechischen παράδειγμα (parádeigma: von para = neben und deiknynai = zeigen, begreiflich machen). Ursprünglich steht also das Wort für ‘Beispiel’, ‘Vorbild’ oder auch ‘Muster’. Paradigma hat aber auch die Bedeutung von ‘Abgrenzung’ oder ‘Vorurteil’ (letzteres im Sinne von Axiomatik, Grundeinstellung).
In der klassischen deutschen Sprache wird dieser Begriff auch verwendet, um verschiedene Denkschulen oder wissenschaftliche Forschungsrichtungen zu bezeichnen. Seit dem späten 18. Jahrhundert wird Paradigma auch als Synonym für ‘erkenntnistheoretische Ausgangsthese’ benutzt. Der Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn hat aber diesem Begriff seine populärste Auffassung als ‘Lehrmeinung’ verliehen.
In der Linguistik bezeichnet das Wort einen Oberbegriff und dessen untergeordnete Begriffe. So verwendet auch der Autor in erster Linie das Wort ‘Paradigma’. Beispiel: zum Paradigma / Oberbegriff „Einkommen“ gehören die untergeordneten Einzelbegriffe: Gehalt, Sold, Lohn, Einnahme, Erlös, Rente, Rendite u. s. w.
Vgl. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Paradigma.
Paradigmen können selbst wiederum Teile umfangreicheren Paradigmen angehören, z.B. (in Anlehnung an Max Webers Klassifizierung): das Paradigma Herrschaft (in ihren verschiedenen Formen) gehört als ein Aspekt von Autorität dem Paradigma Autorität an, welches seinerseits (in all ihren Formen) als ein Aspekt von Macht dem Paradigma Macht angehört.
Die Triebfeder eines Konflikts liegt meistens darin, dass – sehr oft aus Angst[4] – die Konfliktparteien sich aller Faktoren nicht bewusst sind (bzw. sein wollen), die zum Konflikt geführt haben. Ziel der Beratung ist es, der Rat suchenden Person dieser anderen Faktoren bewusst zu machen, also die bereits von der Rat suchenden Person bekannten Faktoren des Konflikts durch die weniger bis nicht bekannten Faktoren zu ergänzen, so dass die Rat suchende Person sich ein vollständigeres Bild über den Konflikt verschaffen kann. Dadurch wird die Rat suchende Person in die Lage versetzt, den Konflikt aus einem anderen, neuen Blickwinkel zu betrachten; und dies wird eben den Paradigmenwechsel (einen Blickwinkelwechsel) bewirken.
Verschiedene Arten von Konflikten (von der Neurose bis zum Krieg über den Streit, die Auseinandersetzung … // innerpersönlich [psychologisch], zwischenpersönlich [zwischen Arbeitskollegen, innerhalb der Familie, eines Freundeskreises, einer Schulklasse, einer Bande etc.], kollektiv [innerhalb einer sozialen Gruppe oder Kategorie wie Betrieb, Stadtviertel, Zivilgesellschaft, zwischen Klassen, Nationen…)
Ursachen von Konflikten (verschiedene Ebenen des Konflikts: innerpersönlich, zwischenpersönlich, sozial, ethnisch, religiös, politisch-ökonomisch …)
Akteure der Konflikte
- Wie können wir Konfliktparteien nennen?
Streitende, Kontrahenten (vor allem in diesem Fall: verbal)
- Wer trägt die Verantwortung im Konflikt?
Meistens teilen sich beide die Verantwortung für den Konflikt (durch Fehlstrategien in ihren Wechselbeziehungen wie Verheimlichung von Fakten, Doppelzüngigkeit, Nachlässigkeit, Missverständnis, Konfliktscheue, Verantwortungslosigkeit, Neid, Gier…), aber sehr selten in gleichem Maße. Die Waage der Verantwortung wiegt mehr auf einer Seite. Um aber den Anteil der Verantwortung jeder Partei zu bemessen, muss man zunächst beide Parteien getrennt, dann aber auch zusammen anhören und die Stichhaltigkeit der jeweiligen Argumente bewerten sowie dabei ihre Körpersprache beobachten.
- Ein Sonderfall: das Opfer-Täter-Verhältnis
Alle Konflikte lassen sich nicht in einem Opfer-Täter-Verhältnis formulieren.
Damit das Verhältnis zwischen den Akteuren eines Konflikts als ein Opfer-Täter-Verhältnis analysiert werden kann, muss es Missbrauch bzw. Misshandlung sein.
Als Bestandteile eines Missbrauchs lassen sich u. a. diese zwei Kriterien anwenden:
- seitens der einen Partei ein ungerechtes bzw. rechtswidriges Aufzwingen ➔ Täter
- seitens der anderen Partei ein dadurch entstehender unerträglicher Druck (Unterdrückung) ➔ Opfer
Seitens des Opfers hat also dieses besondere Verhältnis mit Ohnmacht-, Ungerechtigkeitsgefühl, Wehrlosigkeit, und ferner mit Herrschaft zu tun, also mit einer Würde negierenden Lage zu tun. Sehr oft ist also hier ein unebenmäßiges Machtverhältnis im Spiel. Unter „Herrschaft“ ist hier eine Art der Machtausübung zu verstehen, die faktisch auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht.
Beispiel: Jemand, der sich z.B. wegen Insolvenz einer Zwangsversteigerung unterziehen muss, kann sich auch in seiner Würde verletzt fühlen, er kann dieses Vorgehen als ungerecht empfinden. Ist er dann als Opfer zu betrachten? Angenommen, wir befinden uns in einem Rechtsstaat. Wenn das Verfahren rechtsmäßig ist: dann nicht, weil er eine Verantwortung für das trägt, was ihm widerfährt. Wenn es sich aber herausstellt, dass dieses Verfahren rechtswidrig ist, dann kann man ihn doch als ein Opfer betrachten.
Diese Kriterien unterliegen nicht nur objektiven Merkmalen (Fakten), sondern auch subjektiven Einschätzungen (Deutungen), welche sich in der von beiden Seiten gelieferten Argumentation widerspiegeln werden.
Aufgabe des Beraters / der Beraterin ist dann, die Argumente abzuwägen und zwischen den Parteien zu schlichten (siehe unten dieses Wort).
Wer ist „schuld“ am Konflikt?
Wie mit der Verantwortung in einem „gewöhnlichen“ Konflikt ist an dieser Stelle auch meistens die „Schuld“ geteilt, ebenfalls aber nie 50/50.
„Meistens“ bedeutet aber nicht „immer“! Z.B. im Rahmen von „nicht gewöhnlichen“ Konflikten wie Verfolgungen ethnisch-religiöser Natur (bis zum Völkermord) ist es eindeutig, dass die Verfolgten die Opfer und die Verfolger die Täter sind – hier sind die Opfer eben keine „Täter“, auch nicht in geringster Weise, und die Täter genauso keine „Opfer“ auch in geringster Weise, obwohl sich die Täter oft als die tatsächlichen „Opfer“ hochstilisieren (vgl. z.B. Neonazis gegenüber von Juden, oder ferner viele Verfolger, die ihre Aktionen als „Rache“ gegen eine früher von den jetzigen Verfolgten auf sie gerichtete Verfolgung darstellen, wie in Afrika oder im ehemaligen Jugoslawien häufig gehört wurde, oder im Falle von Revolutionen argumentiert wird).
Andererseits können vormalige Opfer einer Verfolgung später doch selbst zu Tätern werden, wenn sie z.B. dann „den Spieß umdrehen“ wollen. Darüber hinaus, wer Opfer in Bezug auf eine bestimmte Gruppe von Tätern gewesen ist, kann in einem anderen Zusammenhang in Bezug auf eine andere Gruppe von Menschen zu Tätern werden. Also Täter gewesen zu sein, bedeutet nicht, dass man je selbst nicht zu Opfer werden könne; und Opfer gewesen zu sein, „impft“ nicht dagegen, dass man selbst zu Täter werden kann.
In „gewöhnlichen“ Konflikten ist demnach sehr oft die Verantwortung geteilt. Im Sonderfall eines Opfer-Täter-Verhältnisses sind aber die Grenzen zwischen Opfer und Täter schärfer zu ziehen, um nicht in die Versuchung zu geraten, die Rollen zu relativieren und damit den Missbrauch zu bagatellisieren.
In der Tat in Sachen Opfer-Täter-Verhältnis ist ein Unterschied zwischen zwischenpersönlichen Opfer-Täter-Verhältnissen (z.B. zwischen zwei oder mehr „Privatpersonen“) und kollektiven Opfer-Täter-Verhältnissen (zwischen ethnisch-religiösen Gemeinschaften – wie vorhin – oder nach Geschlechts- oder sexueller Orientierungszugehörigkeit…) zu machen. Denn bei kollektiven Opfer-Täter-Verhältnissen werden Menschen, egal wer, alle gebrandmarkt, nur deshalb, weil sie zu einer gewissen Gruppe gehören. Bei zwischenpersönlichen Opfer-Täter-Verhältnissen sind dagegen eher besondere Begebenheiten zu betrachten, die nicht unbedingt mit einer Gruppenzugehörigkeit zu tun haben. Aber in nicht wenigen Fällen von zwischenpersönlichen Opfer-Täter-Verhältnissen überlagern sich eigentlich persönlich und kollektiv bezogene Gründe, und dann werden mit einer Gemeinschaftszugehörigkeit verbundene Klischees und Stereotype nicht selten als Vorwände, Rechtfertigung für unterdrückende, Würde negierende Gewalt angewandt.
Dies bedeutet schon, dass wenn in Sachen Opfer-Täter-Verhältnis zwar schärfere Grenzen zwischen dem Status Opfer und dem Status Täter gezogen werden müssen, ist es dennoch wichtig, sich zu erinnern, dass die Rollen von Opfer und Täter nicht immer absolut scharf getrennt werden können.
Aufgabe des Beraters / der Beraterin – welche/r sich primär mit zwischenpersönlichen Konflikten befasst – ist also, sehr genau die Vorgeschichte des Konflikts zu untersuchen, so wie diese von beiden Parteien vorgetragen wird (also beide Versionen über den Ursprung des Konflikts zu berücksichtigen), Gründe und Argumente der beiden Parteien abzuwägen und den jetzigen Zustand zwischen ihnen einzuschätzen, um eben in ihrer Beziehung den benötigten Paradigmenwechsel zu bewerkstelligen, der der Spiral deren Opfer-Täter-Verhältnisses zu brechen verhelfen wird.
** Wer hat begonnen?
Diese Frage ähnelt der vorigen. Nicht immer eindeutig zu beantworten. Jeder Mensch empfindet Bedürfnisse und sendet Signale, um sie zu formulieren. Diese Bedürfnisse können aber widersprüchlich sein und zu Konflikten führen. Darüber hinaus können die Signale, durch die diese Bedürfnisse formuliert werden, von der anderen Seite missverstanden, falsch interpretiert werden (siehe oben).
Beispiel: eine junge Frau, die in Minirock läuft, wird von einem jungen Mann grob angebaggert, also belästigt. Der Mann verstand das Minirock-Signal als Einladung, die Frau dagegen kann wohl das Minirock-Signal als Emanzipationszeichen tragen. Das bedeutet also nicht, dass sie sich als „Frischfleisch“ für Männer anbietet… Typische Misskommunikation, also.
So senden sich potentielle Täter und Opfer ebenfalls gegenseitig Signale, durch die sie sich sozusagen in ihrer Rolle wieder erkennen. Aber allzu oft werden die Signale missinterpretiert.
Im vorigen Beispiel der jungen Frau im Minirock musste sich die junge Frau nicht unbedingt von vornherein als potentielles Opfer begriffen haben. Sie hat nicht in solchen Denkkategorien gedacht. Das Problem ist dennoch, dass in dem Fall der belästigende junge Mann sich auch nicht unbedingt als Täter wahrnimmt.
Ziel der Beratung ist es dann, sowohl die unterschiedlichen Meinungen, Wertmaßstäbe und den kulturellen Hintergrund der Konfliktparteien zu berücksichtigen als auch nach den eigenen Fachkenntnissen und Überzeugungen den / die benötigten Paradigmenwechsel zu bewerkstelligen, damit eine auf Respekt basierte Aufklärung beider Konfliktparteien über die Konfliktsituation stattfindet. Nur so kann dieses Opfer-Täter-Verhältnis in ein würdiges Verhältnis umgewandelt werden und es kann erreicht werden, dass beide Konfliktparteien in Zukunft wissender und bewusster denken und handeln.
Für den Berater / die Beraterin ist es also wichtig, sich an zweierlei zu erinnern,
- verstehen bedeutet nicht rechtfertigen (seinen „Verstand“ zu nutzen – um die Situation aufzuklären und in Zukunft in einer solchen Situation auch besser beraten zu können –, bedeutet also nicht „Verständnis haben“ zu müssen)
- Empathie muss jedoch immer geübt werden (denn diese Eigenschaft bleibt Voraussetzung für einen erfolgreichen Beratungsprozess).
Nun, wenn der Berater / die Beraterin wirklich nach mehreren Versuchen doch nicht in der Lage ist, in einem besonderen Fall Empathie zu entwickeln, dann muss er / sie die Konfliktparteien weiterleiten (entweder an andere, z.B. mehr spezialisierten Beratungsstellen oder an andere Fachleute – wie je nachdem an einen Rechtsanwalt, an einen Therapeuten oder an ein Gericht).
Fazit: „Wer ist ‚schuld’ dran?“ – Ohne nun die Konfliktparteien zu »ent-schuldigen« (d.h. sie aus ihrer Verantwortung zu ziehen), wäre es besser bei Begleitung von Kindern und Jugendlichen (insbesondere in einem interkulturellen Kontext), den Konflikt selbst so zu behandeln, dass der Begriff „Schuld“ (Schuldzuweisung) vermieden wird. Empfehlenswert ist es also, an dieser Stelle einen Paradigmenwechsel (vom Paradigma „Schuld“ zu einem anderen Paradigma) zu bewerkstelligen – z.B. zum Paradigma „Verantwortung“ (aber in diesem Zusammenhang nicht eben in Verbindung mit „Schuld“, sondern in Verbindung mit „Bewusstsein / Gewissen“, also im Sinne von Respekt [Beachten, Achtung]). Methodisch gesehen, seine Argumentation allein auf „Schuld“ zu bauen, droht bei jungen Konfliktparteien, zu einer Verhärtung der Fronten (Sturheit, Verbitterung) zu führen. Vielmehr muss der/die Begleiter/in bei Opfer wie Täter einen Rückblick in die eigene Seele, Entwicklungsgeschichte herbeiführen, um die tiefen Ursachen des Konflikts (unbewusst transportierte Klischees, Vorurteile, Ängste, Denken im Sinne von Schicksal, Überlegenheit…) zu enthüllen. Zweck dieser „Anamnese“ ist es, den Konfliktparteien zu einer Bewusstwerdung zu verhelfen, welche dazu führen soll, dass sich jede Person (Opfer wie Täter) wieder aktiv verhält, um den Konflikt zu beenden, indem jede Selbstverantwortung aufweist, also sich wieder selbst bestimmt (und nicht mehr von passiv angenommenen Denk- und Handlungsmustern fremd bestimmt wird). Äußerst wichtig ist es hier für den /die Begleiter/in, darauf hinzuarbeiten, dass jede Konfliktpartei ihr Gegenüber und sich selbst nicht mehr „pauschal“ betrachtet bzw. wertet (durch eine faktische oder zugewiesene Zugehörigkeit – Ethnie, Religion, Philosophie, Nationalität, Geschlecht, soziale Herkunft, Kleidung…), sondern persönlich (die erlebbare Person) erkennt.
** Wieso denn dauert das Täter-Opfer-Verhältnis an bzw. das Phänomen der Unterdrückung, der Herrschaft, obwohl es auf Ungerechtigkeit basiert und im Prinzip unerträglich für das Opfer ist?
Durch ein Phänomen, das der humanistische französische Philosoph aus dem 16. Jahrhundert Etienne de La Boëtie[5] die „freiwillige Knechtschaft“ genannt hat (siehe gleichnamiges Werk des Autors). Kurz: jeder akzeptiert die Keule von oben, weil er jemand unter sich hat, auf den er treten kann. So kann sich jeder „austoben“ und damit erträgt die Unterdrückung weiter – nach dem Prinzip: nach oben buckeln und nach unten treten.
Beispiel in der Familie: der Vater wird z.B. von seinem Arbeitgeber angeschrien, zu Hause wird er dann seine Frau anschreien, welche wiederum das Kind anschreit, das wiederum das Haustier oder die Puppe… anschreit… und das Leben geht so weiter.
**Anomalien[6] im Rahmen des Opfer-Täter-Verhältnisses
1. Stockholm-Syndrom (ursprünglich im Falle von Entführungen): Identifikation des Opfers mit seinem Täter – eher als mit den rettenden Kräften (z.B. Polizei), die ihm aus seiner schmerzhaften Situation heraushelfen sollten; kleinste Zugeständnisse von den Tätern führen zu „Dankbarkeit“, während es sich von Polizei allein gelassen oder bedroht fühlt [mehr als von seinem Täter] / für den Täter stellt das Opfer ein „Kapital“ [Macht, Verhandlung…] dar; er weiß, dass Panik oder Ähnliches die Situation für ihn noch schwieriger machen würde; ähnlich bei Kindern oder Jugendlichen geschiedener Familien für den einen Elternteil… ↔psychologische Mechanismen in Verbindung mit lange dauernden extrem stressigen Situationen + manchmal Schuldgefühl seitens des Opfers ➔).
Hier ist gegenüber der Beraterin / dem Berater der tiefpsychologische Mechanismus des Transfers zu beachten (dieser Mechanismus ist eben oft beim Stockholm-Syndrom im Spiel).
2. Das Opferrollenkult (Hochstilisierung des Opfers in seiner Opferrolle
durch es selbst als sozusagen „Märtyrer“, evtl. aber auch durch den von ihm als [vermeintlichen] Täter Bezeichneten [z.B. in Bereich Rassismus, in Bezug auf Kolonialgeschichte): damit will das „Opfer“ sich gegenüber einem Anderen einen Vorteil verschaffen, indem er ihm Schuldgefühl bzw. schlechtes Gewissen einflößt. Dies kann auch mit der Beraterin / dem Berater passieren, wenn die / der Ratsuchende sucht, dass diese/r von vornherein ihr/ihm Recht gibt, ihre/seine Sicht- oder Verhaltensweise billigt.
3. Umkehrung der Rollen (Täter, der sich als Opfer darstellt –Rechtsradikale, Sektenmitglieder, Fundamentalisten... aber einfach auch paranoid veranlagte Menschen…; z.B. Neonazis, die sich als Opfer der Propaganda der Juden – Ausschwitzlüge... – darstellen; die Juden werden von ihnen dabei als Täter stigmatisiert; bei paranoid veranlagten Menschen: der „Böse“ sei immer „der Andere“, man habe halt sich gegen ihn wehren wollen - Racheakt).
Dieses Phänomen kann sich auch im Rahmen einer Beratung ereignen: der Schlagende z.B. beschuldigt den Geschlagenen, er habe ihn geschlagen, weil er ihn als den eigentlichen Täter und sich selbst als eigentlich dessen Opfer darstellt… oder der gerade wegen grob fahrlässigem Verhalten gekündigte Angestellte gegenüber seinem von ihm angegriffenen Vorgesetzten.
In jedem Fall muss die Erzählung kritisch analysiert, die Widersprüche offenbart und mit der / dem Ratsuchenden diskutiert werden. Evtl. in so einem Fall, ist vielleicht, wenn es möglich ist, die „Gegenpartei“ auch anzuhören (wenn sie sich bereit erklärt, es zu tun und noch auffindbar ist).
2. Konflikte im interkulturellen Kinder- und Jugendbereich – Typologie
- in Betrachtung der Geschlechtszugehörigkeit (Junge / Mädchen)
- im Kind selbst (innerpersönlich)
- im Jugendlichen selbst (innerpersönlich)
- zwischen Kind und Kind
- zwischen Kind und Jugendlichem
- zwischen Jugendlichem und Jugendlichem
- zwischen Kind und Erwachsenem
- zwischen Jugendlichem und Erwachsenem
- Mischformen (Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen)
- zwischen Subjekten aus dem gleichen Migrationshintergrund und Deutschen
- zwischen Subjekten aus verschiedenen Migrationshintergründen
- Mischformen (aus verschiedenen Migrationshintergründen und Deutschen)
Fakten
Übung: »Beschreiben Sie einen Konflikt, wovon Sie Zeuge/in gewesen sind«
Die große Gruppe wird in Dreiergruppen verteilt
- der/die Erzählende (hat fünf Minuten, um von seinem Konflikt zu erzählen)
- der/die Befragende (er/sie stellt Verständnisfragen oder Fragen zu Details, die seiner Meinung nach bei der Erzählung fehlt, damit der Konflikt verständlich ist)
- der/die Beobachtende (er/sie fasst die durch die Antworten auf die Fragen ergänzte Erzählung zusammen und gibt seine Meinung über die Art – nicht den Inhalt – der Erzählung)
Warum diese Übung – was ist wichtig in der Mediation eines Konflikts?
Zuhören – hinterfragen – Emotionalität, Körpersprache in Betracht ziehen.
TEIL III. Konfliktlösungsansätze (Konfliktmanagement)
Übergang zur Problemstellung:
Der Dozent erzählt selbst 7 von einem Konflikt in einem internationalen Jugendaustausch (deutsch-französisch-tunesischer Austausch in Tunesien; zwischen jungen Franzosen maghrebinischer Herkunft und in Tunesien ansässigen jungen Tunesier/innen)
Befragung der Teilnehmer/innen: wie hätten sie versucht, den Konflikt dort zu schlichten / beschwichtigen?
Wie hat der Dozent selbst als Gruppenleiter der deutschen Gruppe in einer möglichen Lösung des Konflikts eingewirkt?
Fazit: Komplexität der Realität des Konflikts im interkulturellen Bereich. Unterbelichtete Aspekte des Interkulturellen.
Konfliktmanagement
Definition: Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Eskalation (Verschärfung) oder einer Ausbreitung eines bestehenden Konfliktes
(in Anlehnung an Wikipedia).
Konfliktlösungsstrategien
Es gibt im Grunde genommen drei personenbezogene Typen von Konfliktlösungs-strategien:
1. Selbst lösungsstrategien: im Falle innerpersönlicher Konflikte (die Person sucht in sich selbst eine Lösung) – eher seltener Fall bei Kindern und Jugendlichen
2. Zweier lösungsstrategien:
- jemand, der einen innerpersönlichen Konflikt, mit dem er allein nicht klarkommt, besucht eine Beraterin / einen Berater (zum Beispiel)
- zwischen zwei streitenden Personen (Lösungsstrategie ohne Mittler)
Rahmen der Möglichkeiten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Konfliktlösungsstrategien (zweidimensionales Modell nach Rubles und Thomas - T.L. Ruble, K. Thomas, 1976: Support for a two-dimensional model of conflict behaviour, Organizational Behaviour and Human Performance, Ch. 16, S. 145 in Rosemary Thomson and Eion Farmer, 1999: Managing Relationships, Open University, Milton Keynes, ISBN 0-7492-9548-1, S. 36/37) – cf. https://de.wikipedia.org/wiki/Konflikt.
Einige wichtige Eigenschaften bei Zweierlösungsstrategien sind:
* Ruhe bewahren
* rational argumentieren (kritisch sein)
* empathisch (wenn es möglich ist!) und (in jedem Fall) selbstkritisch sein (nicht nur der Andere hätte sich etwas hier vorzuwerfen bzw. hätte etwas falsch gemacht)
* schlagfertig sein (die gegenüber stehende Person evtl. in ihre Schranken wieder verweisen).
Diese Eigenschaften sind bei sich zu entwickeln und auszuüben und für eine/n Jugendbegleiter/in bzw. Berater/in ohnehin grundlegend.
Bei Eingreifen einer Beraterin bzw. eines Beraters befinden wir uns aber in einem anderen Rahmen von Konfliktlösungsstrategien:
3. Dreier lösungsstrategien:
(Lösungsstrategien mit Mittler)
Wir können diese Strategien so einordnen:
- privat / öffentlich
- formell bzw. institutionell / informell
- Rechtsberatung (privat, formell: z.B. Einschalten eines Rechtsanwalts)
- Vermittlung (privat, informell): z.B. Mediation – bei einer Beratungsstelle) – die Mediatorin / der Mediator trifft keine Entscheidung, sondern ebnet für ihre Kunden (Ratsuchenden) den Weg zur Selbstentscheidung.
- Schlichtung (öffentlich, informell): außergerichtlich / formell-institutionell, z.B. durch einen Schiedsrichter, der entscheiden wird oder zumindest im Entscheidungsprozess maßgeblich einwirken wird
- Gerichten (öffentlich, formell – gerichtlich, Gerichte, Gerichtshöfe, Richter). Die Jugendberaterin / der Jugendberater muss manchmal die Angelegenheit an einen Rechtsanwalt, Richter etc. weiterleiten.
ÜBUNGEN ZUM THEMA „KONFLIKT“
1. Gruppenarbeit zur Pädagogik des Konflikts
Gruppenarbeit zur konfliktuellen Kommunikation
Thema:
Die Auswirkungen der verschiedenen, zur Zeit geschehenden Nahostkonflikte auf interkulturelle Konflikte zwischen Berliner Kindern und Jugendlichen.
Die Konflikte, die schon lange oder jüngst den Nahosten erschüttern (Israel-Palästina, Syrien-Libanon, Ägypten, Irak-Iran-Türkei und die Kurden, Schiiten-Sunniten, Muslime-Juden-Christen, …), sind bestimmt die brisantesten internationalen Konflikte heutzutage und als solchekönnen BerlinerKinder und Jugendliche mehr oder minder schwer belasten,ob nun mit deutscher Herkunft oder mit Migrationshintergrund.
Gemäß Ihren Erfahrungen aus dem Berliner Alltag mit Kindern und Jugendlichen (auch mit Ihren eigenen):
1. wie drücken sich die aktuellen Situationen im Nahosten im Verhalten der Kinder und Jugendlichen aus, welche Bemerkungen haben Sie von ihnen gehört?
2. Wie würden Sie versuchen, Konflikte zu entschärfen, die zwischen Kindern und Jugendlichen auf der Basis dieser Konflikte entstehen können?
Wie würden Sie also einen Paradigmenwechsel bei ihnen bewerkstelligen?
Die Gesamtgruppe soll in drei Kleingruppen geteilt werden und jede Kleingruppe soll diese zwei Fragen für sich bearbeiten.Das Ergebnis soll schriftlich zusammengefasst werden (maximale Zeit: dreiviertel Stunden Diskussion, ein viertel Stunde für die Verfassung eines kurzen Berichts).
Dann sollen sich alle dreiKleingruppen wieder treffen und die Ergebnisse ihrer Reflexion austauschen (eine halbe Stunde).
Die Berichte jeder Kleingruppe und die Ergebnisse der Abschlussdiskussion sollen der Dozentin / dem Dozenten dann am Anfang seines Unterrichts vorgetragen und mit ihm kommentiert werden.
Fazit verschiedener Antworten der Kursteilnehmer/innen
Antworten auf Frage 1
Wie drückt sich der Nahostkonflikt im Verhalten der Kinder und Jugendlichen in Berlin aus, welche Bemerkungen haben Sie von ihnen gehört?
ANTWORTEN DER GRUPPE
- in Umgebungen mit vielen Kindern/Jugendlichen mit Migrationshintergrund spielt der NOK keine große Rolle, in Umgebungen mit vorwiegend deutschen K/J schon mehr; in den Orten, wo es Integrationsprobleme gibt, spielt der NOK eine größere Rolle als in den Orten, wo die Leute friedlich mit einander leben
- Der NOK verursacht mehr Konflikte bei K/J mit Migrationshintergrund als bei deutschen K/J; entweder zwischen Pros und Contras (Israel/Palästina) oder zwischen politischen Flügeln aus der Gegend (Hamas/Fatah, Likud/Rechtsradikale)
- Fall eines israelischen/jüdischen Schülers in der 10. Klasse, der eine Auseinandersetzung mit einem palästinensischen Jugendlichen einer anderen 10. Klasse suchte, um seine Meinung zu erfahren und sich mit seiner Argumentation zu konfrontieren,; der paläst. Jugendliche hatte aber kein Interesse an einer solchen Konfrontation
- In der Schulumgebung, die mir bekannt ist, beschäftigen sich die K/J mit anderen Problemen als mit dem NOK
- Obwohl die Meinung vertreten ist, dass K/J von der „schlechten“ Seite der Welt verschont werden sollten, wissen K/J durch Medien, Nachrichten, Bilder viel über dieses „Böse“ in der Welt, jedenfalls mehr als man denkt; sie wissen auch dann, dass diese Bilder die Realität widerspiegeln, keine Computerspiele sind
- Das interkulturelle Leben wird von der Politik des Staates, in dem man lebt, beeinflusst und diese in Deutschland ist ambivalent (gegenüber von Israel wegen der Vergangenheit und gegenüber den Palästinensern, weil Deutschland von den arabischen Ländern energetisch abhängig ist); dieses schlägt sich in der Darstellung des NOK hierzulande nieder, welche Vorurteile und Rassismus (Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus) nähren.
- [indirekte Antworten] Häufige Konflikte zwischen jungen Arabern und Türken in Neukölln sowie Steigerung der Schuldelikte und Schulgewalt vor dem Hintergrund von Arbeits- und Perspektivlosigkeit, überforderter Lehrern, Integrationsproblemen (Identitätsprobleme), sozialen Problemen (Drogen, Rassismus, Konsumhaltung…) und Medien
- In meinem Land (Lateinamerika) wissen wir wenig über diesen Konflikt, ich kenne eine Palästinenserin (Nachbarin) aber habe mich mit ihr über diesen Konflikt nicht unterhalten; werde mich nun über den NOK informieren
- Allgemeine Abneigung von Kindern und Jugendlichen gegenüber dem Islam (Verbindung mit Terrorismus); ein Glaubenskrieg in Berlin findet jedoch nicht deswegen statt
ANTWORTEN VORIGER GRUPPEN
- bei den Jugendlichen, die ich kenne, keine ausgesprochenen negativen Äußerungen bezogen auf Nahostkonflikt, eher alltagsbezogene Probleme (Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Schule, Gesundheit – Drogen…)
- sehr wenig Toleranz, Gespräche über Kultur oder Religion enden zu 90% in Streit; der habe weitgehend mit mangelndem Wissen über das „Andere“ zu tun
- es gibt in Berlin viel mehr K/J arabischer oder muslimischer als jüdischer Herkunft; Mode „Palästinensertuch (Kufija)“ – sind sich die J bewusst dessen, was sie tragen? Diese K/J äußern sich abfällig über Israel oder Juden (Einfluss der Medien zu tun, nicht aus eigenen Erfahrungen); diese K/J sind ohnehin oft allgemein verbal gewalttätig (siehe Battles am Beispiel der Rap-Gruppe „ Massiv“)
- mein Sohn kennt sowohl jüdische als auch palästinensische Jugendliche, die in seinen Viertel friedlich zusammenleben; was die K/J hier beeinflusst, ist weniger der Nahostkonflikt als Integrationsfragen; Problem: Übertragung internationaler Konflikte auf Jugendliche ➔ anti-israelische Haltung ➔ Antisemitismus oft nicht weit; mit fehlendem Hintergrundwissen zu tun + Problem der Neonazis, obwohl die Rolle des Nahostkonflikt bei ihnen schwer einzuschätzen ist
- keine Erfahrung ➔ keine Antwort
- meine Erfahrungen sind nicht beruflich, sondern privat, sie haben mit dem Alltag mit Berliner K/J zu tun; großer Einfluss der Medien ➔ den Hintergrund des Konflikts wissen, hinterfragen; sehr niedrige Toleranzgrenze bei K/J, die mit Unwissenheit zu tun hat… aber auch mit Entwurzelung, welche die K/J in unserer Gesellschaft leicht manipulierbar macht
- Übergriffe von jungen Muslimen auf Juden steigen; hat mit Integrationsproblemen zu tun; häufige Allianz zwischen pro- palästinensischen Jugendlichen und Neonazis bei Demos oder Kundgebungen; auch Konflikt zwischen jungen Arabern und Türken, weil – so sagen die ersten, die Türkei pro-israelisch sei; Einfluss der Satellitenfernsehprogramme
- Noch keine Erfahrung aber „Du Jude“ ist als eine negativ Bezeichnung betrachtet + K/J, die Verwandte in Gefahr im Nahen Osten haben…
- K/J unterhalten sich sehr selten über ihre eigene Kultur ➔ niedrige Toleranzgrenze; Einfluss der Medien und mangelndes Wissen
- …aber gegensätzliche Beispiele gibt es auch: Austausch durch gemeinsame Tätigkeiten (Kochen, Tanzen, Sport…); also das Bild sei nicht einseitig negativ
- Unterschied der Verhaltensweisen von Berliner K/J je nach Bezirken: in den Ostbezirken gebe es kaum Migranten ➔ kaum Einfluss dieses Konflikts
- „Poncius-Pilatus-Syndrom“: dem Druck der „Mehrheit“ (einer Gesellschaft, einer Schulklasse…) nachgeben [Beispiel eines frisch eingewanderten israelischen Schülers in einer mehrheitlich von arabischen Schülern besuchten Klasse. Bei Streiten griff eine Lehrerin nicht ein. Die Sozialstelle der Schule wollte nicht schlichten, beschuldigte den Schüler für seine Situation und bat ihn, Schule zu wechseln]
FAZIT: zwei Lager:
1. der NOK spiele keine große Rolle, die K/J haben andere Sorgen, friedliches Zusammenleben (nach privaten Erf.), positiver Einfluss gemeinsamer Aktivitäten
2. niedrige Toleranzgrenze bezogen auf Kultur und Religion allgemein, Vorurteile und KlischeesßMedien, Familie, Umgebung/Bezirk, mangelndes Wissen + kommuni-taristische Reflexe: jede/r ziehe sich in ihre/seine ethnisch-religiöse oder nationale Gemeinschaft zurück (Araber/Türken... aber nicht nur diese Gruppen!)
Antworten auf Frage 2.
Wie würden Sie versuchen, Konflikte zu entschärfen, die zwischen Kindern und Jugendlichen auf der Basis dieses internationalen Konflikts entstehen können?
Wie würden Sie also einen Paradigmenwechsel bei ihnen bewerkstelligen?
ANTWORTEN DER GRUPPE
- NOK als Thema im Geschichtsunterricht, damit die K/J das, was sie zu Hause hören, kritischer betrachten können (in Form von Vorträgen, Austausch mit K/J aus dem Nahen Osten)
- Von den anderen K/J getrennte Gespräche mit den betroffenen K/J mit Fragen, wie: woher haben sie ihr Wissen über diesen Konflikt? Dann versuchen, gegen Vorurteile zu kämpfen und ihnen verständlich machen, dass sie diesen Konflikt selbst nicht begonnen haben (ihre Familie sei hierher gezogen, um eben in Frieden leben zu können); dazu auch andere Aktivitäten wie Sport etc. unter fachlicher Betreuung…
- Den K/J verständlich machen, dass der Konflikt schon länger bestehe und Gewalt ihn nicht gelöst habe, also dass Gewalt auch unter ihnen keine Lösung sei – friedlicher Dialog und positive Einstellung über die Zukunft seien zu bevorzugen
- Den K/J klar machen, dass sie nun in einer Gesellschaft (Deutschland) leben, in der ihre Herkunft in Bezug auf diesen Konflikt keine Rolle (oder sagen wir: eine verminderte Rolle) spiele, dass alle Menschen grundsätzlich gleich seien; die Gründe für die Konflikte hier seien mehr in den Familien und der Erziehung zu suchen
- Begegnungen, Abbau von Hass und Vorurteilen, mehr über Nationen, Völkern und Religionen erfahren, Konfliktmanagement, Respekt und demokratisches Denken, multikulturelle Seminare
- Konflikt = Interessenunterschiede ➔ lernen, aufeinander mehr einzugehen, dem anderen zuzuhören, den Druck, der auf K/J wiegt, mindern
- Integration fördern (z.B. durch das Erlernen der Sprache des Anderen aber auch durch die Verbesserung seiner Kontakte zu Deutschen)
- Sich als Erwachsener seiner Verantwortung gegenüber von K/J bewusst werden, mehr Verständnis für sie entwickeln und mit ihnen auf gleicher Augenhöhe umgehen, Unterschiede kultureller Art als Vorteil sehen, ihnen nicht ihre Defizite sondern ihr Potential zeigen, Gespräche auch mit den Eltern führen, K/J motivieren (Sport, Musik…), ihnen in ihrem Selbstfindungsprozess helfen, ihnen den Wert eines jeden Menschen bewusst machen
- Geschichte des Konflikts lernen, Analysefähigkeit fördern, Thematisieren, Positionierung, Repression als ambivalentes Instrument, Trennung von Kadern und Mitläufern, Opferperspektive als wichtigster Aspekt der Arbeit
ANTWORTEN VORIGER GRUPPEN
- keine umfassende Lösung, aber Aufklärungsbedarf in den Schulen, Jugendclubs…; auch Treffen durch z.B. Sport
- ein interkultureller Paradigmenwechsel sei sehr schwer zu bewerkstelligen, es sei also eine schwierige, aber notwendige Aufgabe
- auf Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen aufmerksam machen (ohne die Unterschiede auszuradieren), Eltern mit einbeziehen; gemeinsame Tätigkeiten
- Rollenspiele, also spielerisch Kindern den NOK verständlich machen; jede Position berücksichtigen und Lösung gemeinsam suchen; Familie mit einbeziehen
- Antisemitismus: Gesellschaftsproblem nicht nur bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund; kritische Betrachtung der Medienberichterstattung, aber auch der eigenen Geschichtswahrnehmung
- Komplexität des NOK für K/J schwer zu nachvollziehen; ➔ Empathie des / der Beraters / Beraterin sehr wichtig: er / sie soll eine geeignete Sprache wählen, um zu versuchen, den K/J diesen Konflikt trotzdem verständlich zu machen
- Versuchen, sachlich in seiner Argumentation zu bleiben; nicht verletzend argumentieren; daran erinnern, dass beide Parteien (über ihre Zugehörigkeitsgruppe hinaus) ebenso Menschen seien (also keine Pauschaldämonisierung des „Anderen“); dialogische Pädagogik fördern (auf das Erneuerungspotential der Jugendlichen als neuer Generation aufbauen); die Jugendlichen seien keine Gefangenen von Konflikten, die sie selbst nicht geschaffen haben ➔ kein Grund , gegen Feinde zu kämpfen, die sie eigentlich nicht kennen; aber wenn beide Konfliktparteien (z.B. religiöse) Fanatiker sind, sei es dann äußerst schwer, den Streit zu lösen
- Sensibilisierung: Gewalt sei keine Lösung
- Arbeit auf Begriffen wie Islam, Jude, Antisemitismus…; gucken in den Geschichtsschulbüchern
- Sich dem Konflikt stellen, mit ihm auseinandersetzen, nicht dem Konflikt meiden bzw. von ihm weglaufen
FAZIT
- Aufklärungsarbeit
- in Schulen, Jugendclubs
- AG mit K/J bilden [z.B. Geschichtswerkstätte, auch in Anbetracht der Geschichtsschreibung in den Schulbüchern], Besichtigung von Kultureinrichtungen
- Seitens der Berater / Erzieher: Tandemarbeit (z.B. durch gut inhaltlich und psychologisch vorbereitete, dialogbereite Vertreter der beiden Seiten zusammen mit einem genauso gut vorbereiteten, sachlich moderieren wissenden Moderator
- Empathie für die K/J zeigen: Selbstwertgefühl fördern (Gründe des Frustes bei diesen K/J zusammen mit ihnen erforschen), Anerkennung zeigen (im Gespräch mit ihnen – sich nicht als „Überlegen“ aufgrund Erwachsensein gegenüber dem K/J verhalten); auf Probleme, Bedürfnisse der K/J eingehen, die mit gesellschaftlicher Integration verbunden sind, diese fördern; mit ihnen in einer Sprache sprechen, die sie verstehen können
- Familie, vielleicht Freundeskreis auch mit einbeziehen
- Pädagogik der neuen Medien
- Arbeit auf Begrifflichkeiten (so wie Islam, Jude, Antisemitismus, aber auch Widerstand / Terrorismus)
- Mit den K/J auf eine Ethik der Würde, des Respekts (und auf Lösungen, die auf diesen Prinzipien gründen) hinarbeiten, … und damit sich gegen das Übel des Nationalismus, des Rassismus, der Ideologie des Nationalstaates (welche aus dem 19. Jahrhundert stammt), des Kommunitarismus wenden
**Genauere Bezeichnung der Fronten (vom ethnisch-religiösen Standpunkt abkehren): keine Pauschaldämonisierung, hin auf eine Koalition der Gutwilligen (gegen Krieg, Unterdrückung und Hass, für ein Zusammenleben in Würde) mit Multiplikatoreneffekt (unter den K/J), was von ihrer Seite Mut verlangt (Mut, gegen den Strom der Vorurteile ihrer Familie oder ihres Freundeskreises und ferner der Fanatiker, der Engstirnigen, der Kriegstreiber, der „Ewiggestrigen“… zu schwimmen), Empathie für das Leiden des Anderen, das Narrative des Anderen zur Kenntnis nehmen und in beiden Narrativen den gemeinsamen Nenner für ein friedliches Zusammenleben in Würde suchen (Paradigmenwechsel von "sich allein als Opfer und in seinem guten Recht betrachten" auf gegenseitiges Verständnis, gegenseitige Anerkennung eines gleichen Rechts auf Existenz).
2. Gruppenarbeit zur Konfliktproblematik (Beratungsübung)
Thema:
Die Auswirkungen der verschiedenen, zur Zeit geschehenden Nahostkonflikte auf interkulturelle Konflikte zwischen Berliner Kindern und Jugendlichen.
FALLBEISPIEL:
Sie sind interkulturelle/r Berater/in für Kinder, Jugendliche und deren Familie. Eines Tages kommt ein Elternteil (Mutter oder Vater) mit ihrem jugendlichen Kind (Tochter oder Sohn) zu Ihnen. In der Schulklasse der/des Jugendlichen brach ein Konflikt zwischen mehreren Jugendlichen über Aussagen der einen und anderen bezogen auf die jetzige Lage im Nahosten aus. Der/die Rat suchende Jugendliche wurde in diesem Konflikt hineingerissen. Wie würden Sie Elternteil und Kind beraten, damit sich das Kind aus diesem Konflikt wieder herauszieht?
In der Konstruktion Ihres Beratungsgesprächs bitte die folgende Darstellung des Problems berücksichtigen!
Siehe die Präsentation der vorigen Übung (Ausgangslage, Fragestellungen, Gruppenarbeitsvorgang).
----------------------
Texte und bibliografische Quellen zum Thema können in Wikipedia gefunden werden.
KAPITEL ZWEI
KULTUR
Kapitel zwei-eins
KULTUR – BEGRIFFSDEFINITIONEN UND -AUSWIRKUNGEN
TEIL I. Definieren und Kulturdefinition(en)
* Die meisten Definitionen, die hier angeboten werden, sind über Google aus dem Web heruntergeladen worden (Define: ---). Sie sind auch in Wikipedia zu vertiefen.
Was ist Definition und wie macht man das?
Bevor wir KULTUR und andere verwandte Begriffe zu definieren versuchen, sollen wir uns klarmachen, was definieren bedeutet und wie eine Definition zu erfassen sei.
Das aus dem Latein stammende Wort Definition kommt von finis, das „Grenze“ bedeutet.
Definieren besteht also darin, ab zugrenzen. Nun da wir aber dabei mit Sprache, demnach mit Kommunikation zu tun haben, bedeutet ABgrenzen nicht AUSgrenzen[8] !
Dass man einen Begriff wie Kultur gegenüber von einem ihm verwandten Begriff wie Zivilisation definiert, heißt nicht, dass die Definition des Begriffs Kultur den Begriff Zivilisation in sich ausgrenzt, dass Kultur und Zivilisation nichts mit einander zu tun hätten. Dass der Begriff Kultur definiert wird, grenzt ihn vom Begriff Zivilisation ab, d.h. beide Begriffe werden von einander unterschieden. Dies bedeutet wiederum folgendes: da es zwei verschiedene Worte gibt (Kultur und Zivilisation), stellt jedes eine verschiedene Realität dar, hat einen verschiedenen Inhalt… aber sie sind voneinander nicht getrennt; die Realität, die sie darstellen, ihr Inhalt sind miteinander verwandt, beide Begriffe kommunizieren mit einander in einem sie beide umfassenden höheren Begriff, und dieser höhere Begriff heißt „menschliche GESELLSCHAFT“. Der Oberbegriff GESELLSCHAFT, der die Begriffe Kultur und Zivilisation umfasst, stellt für diese Begriffe (und alle anderen, denen wir weiter unten begegnen werden) ein PARADIGMA (= Oberbegriff) dar.
Deshalb soll der Begriff KULTUR (oder Zivilisation…) so definiert werden, dass er sich über die Vielfalt existierender menschlicher Kulturen hinaus an ALLE menschlichen Kulturen anwenden lässt, um eben Menschen und menschliche Gesellschaft nicht auszugrenzen.
Solche Begriffe wie Kultur, Zivilisation etc. sind aber komplexe Gebilde, sie beziehen sich auf komplexe Sachverhalte. Deshalb gibt es so viele verschiedenen Definitionen dieser Begriffe wie Denkschulen.
Dennoch müssen wir uns im Kurs auf eine gemeinsame Definition dieser Begriffe einigen, um nicht aneinander vorbeizureden.
Nachfolgend werde ich eine Methode des Definierens anbieten, die sowohl den Anspruch der Genauigkeit als auch die der Einfachheit zufrieden zu stellen versucht.
Nach dieser Methode möchte ich zunächst das Wort Definition selbst definieren:
DENIFITION: sachliche Abgrenzung eines Begriffs gegenüber von anderen Begriffen innerhalb eines höheren Begriffs, der ihn und diese anderen miteinander verbindet.
„Sachlich“ bedeutet: Fakt. Wenn ich ein Substantiv definieren möchte, sollte also der Fakt durch ein Substantiv dargestellt werden (Definition = Abgrenzung); wenn ich ein Verb definieren möchte, sollte der Fakt hinter dem Verb durch ein Verb dargestellt werden (definieren = abgrenzen), u.s.w.
Weil Definition hier primär als Fakt bezeichnet wird, heißt es folgendes: die Abstammung des Wortes (Latein, Griechisch, Germanisch…), die historische Entwicklung des Wortes seit seinem Ursprung (die Wandlungen seiner Bedeutung durch die Zeitalter), die Anwendungsgebiete des Wortes, die analytische Untergliederung des Wortes und die sich aus ihr ergebende Auflistung von Eigenschaften, die mit diesem Wort verbunden werden, die (positiven oder negativen) Wertungen bzw. Konnotationen, die dem Wort zugeschrieben werden, Kommentare bzw. Erläuterungen um dieses Wort gehören NICHT zur Definition dieses Wortes.
Die Definition eines Begriffs nach dieser Methode verbietet sich also das Verb HABEN (Inhalt, Eigenschaften…). Vielmehr orientiert sie sich nach dem SEIN dieses Begriffs. Deshalb wird der Fakt, der eine Definition ausmacht, sich in den meisten Fällen
- entweder als umfassendes Substantiv evtl. mit einem ihn innewohnenden Attribut (wie hier „sachliche Abgrenzung“)
- oder als Gesamtheit von Elementen/Bestandteilen (siehe unten die Definition von Kultur oder Zivilisation nach dieser Methode)
darstellen.
Zur Definition eines Wortes kann zwar seine Abstammung behilflich sein, sie ist aber dieser Definition nicht (automatisch) gleichzusetzen. Als Ausgangspunkt der Definition eines Wortes wird die aktuelle Bedeutung dieses Wortes (durch den Wandel seiner Bedeutungen über die Jahrhunderte hinaus) gewählt; diese aktuelle Bedeutung bzw. Anwendung muss aber nicht zur Definition erhoben werden, sie stellt lediglich wie die Abstammung des Wortes und mit ihr ein Hilfsmittel zum Definieren dar.
Der Akt des Definierens, so wie er hier als kommunikative Definition beschrieben wird, soll also im Prinzip nach folgendem Schema gegliedert werden: FAKT - GERICHTET AN/WESSEN - GEGENÜBER VON - INNERHALB VON.
Fakt: sachliche Abgrenzung/abgrenzen – gerichtet an/wessen: eines Begriffs – gegenüber von: anderen Begriffen – innerhalb: eines höheren Begriffs, der ihn und diese anderen mit einander verbindet.
Dieses Schema ist nicht immer 1 zu 1 auf alle Begriffe anwendbar. Es sollte aber als Richtwert betrachtet werden. Das „Gegenüber“ bezeichnet die Abgrenzung, das „Innerhalb“ die kommunikative Eigenschaft dieser verschiedenen Begriffe.
Eine kommunikative Definition muss also nüchtern, auf Faktischem basierend, zum Kern der Sache gehend, genügend ab- aber nicht ausgrenzend, kurz und bündig sein. Ich halte eine Definition, die länger als drei Zeilen ist, als noch nicht vollendet.
Als sich auf menschliche Gesellschaft beziehend, soll also ein Begriff wie KULTUR, der dem Begriff GESELLSCHAFT untergeordnet ist, so definiert werden, dass er sich über die faktische Vielfalt aller menschlichen Kulturen hinaus an alle menschlichen Gesellschaften anwenden lässt. Er soll in sich Platz für kulturelle Vielfalt machen, die eine Kultur von einer anderen abgrenzen zu können, ohne aber bestimmte menschliche Gesellschaften auszugrenzen (indem die ausgewählte Definition von Kultur betrachten würde, dass es Gesellschaften ohne Kultur gebe – so wie es in der Vergangenheit in der Bezeichnung „Naturvölker“ implizit war, als Natur und Kultur für Gegenpole gehalten wurden).
KULTUR: Definitionen
– Es ist wichtig, den Sinn eines Schlüsselwortes zu prüfen und sich der Vielfalt der Bedeutungen/Deutungen eines Begriffes bewusst zu sein Dieses ist für eine Person, die Andere beraten will, von großer Bedeutung (Offenheit zur Vielfalt, zum Dialog und zur Tatsache, dass niemand allein „weiß“, dass die Suche nach Sinn immer gemeinsame Suche ist und Anerkennung seines Gegenübers - als Berater und als Rat Suchender – voraussetzt).
[...]
[1] Ich verwende zum Beispiel:
- Zeichen wie ➔ = daher, deshalb oder ergibt;ß= stammend aus bzw. abgeleitet/abzuleiten von; ↔= steht in Zusammenhang mit, entspricht... oder
- Kürzel wie BS für Rat Suchende/r (Beratungssuchende/r) und BR für Berater/in.
[2] Die Kommunikation mit sich selbst hat auch zwei Agenten: sich Subjekt und sich Objekt. Es geht an dieser Stelle nicht um eine Entzweiung seiner selbst, sondern um eine Widerspiegelung (Reflektion) seiner selbst, mit der ich dialogisiere. Die Kommunikation mit sich selbst ist demnach eine Du/Ich – Beziehung (ich gucke mich, rede mit mir, beobachte mich selbst wie auf einem Spiegel [genauso wie es die Ballett-Tänzer/innen beim Training tun].
[3] Der Nonkonformismus hat sich bewusst vom Konformismus der „Massen“ distanziert; der Antikonformismus dagegen schlägt die entgegengesetzte Richtung des Konformismus ein und damit stellt er lediglich dessen Negativbild dar; aber wenn man ein Negativ entwickelt, befindet man sich wieder vor dem Bild, denn der Antikonformismus hat die Logik und die Inhalte des Konformismus übernommen, nur diese umgekehrt.
[4] Angst davor, sein Gesicht zu verlieren bzw. erkennen zu müssen, dass man/frau an der Verantwortung für den Konflikt teilhaben könnte…
[5] Über den französischen Philosophen La Boëtie und sein Hauptwerk »Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen« siehe z.B. http://www.steinbergrecherche.com/frlaboetie.htm
[6] Anomalie: Fremdwort aus dem Griechischen, das "Unregelmäßigkeit" bedeutet. Das zugehörige Adjektiv heißt im Deutschen anomal, das aus der Negation (αν-) von homalós (' ομαλός, "gleich, eben, glatt"), abgeleitet ist. Das Wort ist folglich lautlich nicht verwandt mit altgriechisch nómos (νόμος, "Brauch, Sitte, Gesetz"), wurde aber früh darauf bezogen. Etymologisch besteht auch keine Verwandtschaft mit dem lateinischen Wort norma ("Richtschnur, Regel") und lateinisch abnormis ("von der Regel abweichend"), dessen über das Französische vermittelte deutsche Entlehnung abnorm eigentlich die stärkere Bedeutung "unnatürlich, auffällig (bzw. infolge einer Störung) von der Norm abweichend" hat. Im Deutschen haben sich jedoch anomal und abnorm vermischt: die unterschiedliche Nuancierung der Bedeutungen von anomal und abnorm wurde durch häufige austauschbare Verwendung weitgehend eingeebnet, und es entstanden die Mischwörter anormal und abnormal, die eher der Umgangssprache als der Hoch- oder Fachsprache zuzurechnen sind. (Wikipedia). Eine Anomalie stellt also keine Ausnahme einer Regel dar, sondern einen Grenzfall, eine Randerscheinung innerhalb der Regel. Ein Synonym bzw. das Schlüsselwort zur Definition von „Anomalie“ in unserem Kontext heißt somit: Grenzfall bzw. Grenzsituation, Randerscheinung.
[7] Beim Opfer: unerträglicher bzw. nicht ertragener Zwang (es geht also hier nicht nur um einen „Sachzwang“). Beim Täter: unterdrückender (ungerechter, unbegründeter) Zwang. Deshalb spreche ich eher in diesem Sonderfall des Täter-Opfer-Verhältnisses von Aufzwingen.
„Sachzwang“: z.B. ein Kind hat einfach heute keine Lust aufzustehen und zur Schule zu gehen; die Mutter oder der Vater zwingt ihm, aufzustehen und sich für die Schule fertig zu machen. Vorausgesetzt, dass hinter diesem Verhalten des Kindes kein gravierendes Problem liegt (mit dem Studium [Misserfolgserlebnis] oder mit den Mitschülern oder Lehrern [Mobbing usw.], dass es sich also an dieser Stelle bloß um eine Laune handelt, kann man das Kind dann als „Opfer“ betrachten, weil auf es Zwang geübt wird? Ich würde sagen: nein, denn es geht hier um einen Sachzwang (Schulpflicht).
[8] Da zwischen zwei „artverwandten“ Begriffen die Grenzen fließend sind, zwischen AB- und AUSgrenzen schlage ich vor, das a priori abwertend Ablehnen (eine auf Vorurteilen basierende abwertende Ablehnungshaltung) als Grenzkriterium zwischen diesen beiden Begriffen zu wählen.
- Citation du texte
- Jean Weinfeld (Auteur), 2016, Grundsatzfragen der interkulturellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342267
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