Diese Studie untersucht LangstreckenläuferInnen unterschiedlicher Laufsuchtausprägung und auch, ob sich Streak Runner (LäuferInnen, die täglich laufen) von LangstreckenläuferInnen unterscheiden. Es wurden 94 Halb- und/oder MarthonläuferInnen je nach Laufsuchtausprägung (RAS-8) den Kategorien „niedrigen“ (25 Perzentil), „moderaten“ (Median) und „hohen Laufsuchtwerte“ (75 Perzentil) zugeordnet und ihre athletische Identität (AIMS), obsessive und harmonische Leidenschaft (passion scale) sowie Commitment (CR11) mittels online Fragebogen erhoben und verglichen. Zwar korrelieren alle vier Skalen positiv mit der Laufabhängigkeit, doch nach Herauspartialisieren des Einflusses der anderen drei Skalen ist nur mehr ein signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen Commitment und Laufabhängigkeit vorhanden.
Lauf-Commitment stellt außerdem den einzigen signifikanten Prädiktor der Laufsucht bei LangstreckenläuferInnen dar. LäuferInnen der Kategorie „niedrige Laufsuchtwerte“ besitzen geringere harmonische Laufleidenschaft als LäuferInnen mit „hohen Laufsuchtwerten“. Die Verbundenheit zum Laufsport ist bei LäuferInnen „niedriger Laufsuchtwerte“ geringer als bei LäuferInnen der Kategorien „moderate Laufsuchtwerte“ und „hoher Laufsuchtwerte“. Alle Skalen wurden auf Unterschiede zwischen Streak Runner (N=47) und LangstreckenläuferInnen (N=47) analysiert. Streak Runner besitzen signifikant höhere Laufsuchtwerte und laufen mehr Kilometer/Woche als LangstreckenläuferInnen. Die Eignung des RAS-8 als Laufsuchtfragebogen ist für Streak Runner fraglich. Der einzige signifikante Prädiktor der Laufsuchtentwicklung bei Streak Runnern ist die athletische Identität.
Zusammenfassung / Abstract
Einleitung
Begriffe
Laufsucht
athletische Identität
Laufleidenschaft
Commitment zum Laufsport
Unterschiede zwischen den Konstrukten...
konzeptuelle Unterschiede des Lauf-Commitments zur Laufsucht
Abgrenzung zwischen athletischer Identität, Lauf-Commitment und
Laufleidenschaft
Forschungsstand und Studienergebnisse zur Laufsuchtentwicklung
Streak Runner
Zielsetzung der Arbeit
Herleitung der Fragestellungen und Hypothesen
LangstreckenläuferInnen unterschiedlicher Laufsuchtauspräg
Unterschiede zwischen Streak Runnern und LangstreckenläuferInnen .
Versuchsplanung und Methodik
Versuchspersonen
Messinstrumente und Datenerhebung
Durchführung
Statistische Analyse
Ergebnisse
Unterscheide in den personalen Konstrukten zwischen LäuferInnen mit unterschiedlich stark ausgeprägter Laufsucht
obsessive Laufleidenschaft
harmonische Laufleidenschaft
athletische Identität
Commitment zum Laufsport
Zusammenhang der Laufsucht mit den für die Entwicklung einer Laufsucht als relevant erachteten personalen Konstrukten (athl Id., Commitment, harm./obsess Leidenschaft)
Partiallkorrelationen
obsessive Leidenschaft
harmonische Leidenschaft
athletische Leidenschaft
Commitment
Regressionsanalyse
Unterschiede zwischen LangstreckenläuferInnen und Streak Runnern
obsessive Leidenschaft
harmonische Leidenschaft
athletische Leidenschaft
Commitment
Laufabhängigkeit
Zusammenhänge der personalen Konstrukte mit der Laufsucht bei Streak Runner
Korreltationen
Regressionsanalyse
Diskussion
generelle Kritikpunkte
LangstreckenläuferInnen unterschiedlicher Laufsuchtausprägung
Laufleidenschaft
Commitment
athletische Identität
Korrelationen und Regressionen bei LangstreckenläuferInnen
Unterschiede zwischen Streak Runnern und LangstreckenläuferInnen
Korrelationen und Regressionen bei Streak Runnern
Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung
Diese Studie untersucht LangstreckenläuferInnen unterschiedlicher Laufsuchtausprägung und auch, ob sich Streak Runner (LäuferInnen, die täglich laufen) von LangstreckenläuferInnen unterscheiden. Es wurden 94 Halb- und/oder MarthonläuferInnen je nach Laufsuchtausprägung (RAS-8) den Kategorien „niedrigen“ (25 Perzentil), „moderaten“ (Median) und „hohen Laufsuchtwerte“ (75 Perzentil) zugeordnet und ihre athletische Identität (AIMS), obsessive und harmonische Leidenschaft (passion scale) sowie Commitment (CR- 11) mittels online Fragebogen erhoben und verglichen. Zwar korrelieren alle vier Skalen positiv mit der Laufabhängigkeit, doch nach Herauspartialisieren des Einflusses der anderen drei Skalen ist nur mehr ein signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen Commitment und Laufabhängigkeit vorhanden. Lauf-Commitment stellt außerdem den einzigen signifikanten Prädiktor der Laufsucht bei LangstreckenläuferInnen dar. LäuferInnen der Kategorie „niedrige Laufsuchtwerte“ besitzen geringere harmonische Laufleidenschaft als LäuferInnen mit „hohen Laufsuchtwerten“. Die Verbundenheit zum Laufsport ist bei LäuferInnen „niedriger Laufsuchtwerte“ geringer als bei LäuferInnen der Kategorien „moderate Laufsuchtwerte“ und „hoher Laufsuchtwerte“. Alle Skalen wurden auf Unterschiede zwischen Streak Runner (N=47) und LangstreckenläuferInnen (N=47) analysiert. Streak Runner besitzen signifikant höhere Laufsuchtwerte und laufen mehr Kilometer/Woche als LangstreckenläuferInnen. Die Eignung des RAS-8 als Laufsuchtfragebogen ist für Streak Runner fraglich. Der einzige signifikante Prädiktor der Laufsuchtentwicklung bei Streak Runnern ist die athletische Identität. Schlüsselwörter: athletische Identität, Commitment zum Laufsport, harmonische Leidenschaft, obsessive Leidenschaft, Laufsucht, Streak Runner
Abstract
This thesis examines long-distance runners with different running addiction and also, if there are differences between Streak runners (runners, who run every day) and long-distance runners. Depending on their scores in the running addiction scale (RAS-8) 94 half- and/or marathon runners were divided into the categories of "low", "moderate" and "high running addiction scores". These groups have been compared with regard to their athletic identity (AIMS), obsessive and harmonious passion (passion scale) and Commitment (CR-11). Commitment correlates significant positively with running addiction. Runners with "lower
Laufsucht bei Streak Runnern und LangstreckenläuferInnen running addiction scores" have less harmonious passion as runners run with "high running addiction scores". The commitment to running in "low running addiction score" runners is lower than in runners of the categories “moderate running addiction score" and" high running addiction score ". All scales were also analyzed in regard of differences between Streak runners (N = 47) and long-distance runners (N = 47). Streak runners have significantly higher running addiction and run more miles/ week. The use of RAS-8 to identify running addiction in Streak runners is questionable.
Keywords: athletic identity, commitment to running, harmonious passion, obsessiv passsion, addiction to running, Streak Runner
Beitrag personaler Faktoren zur Laufsuchtentwicklung bei LangstreckenläuferInnen und Streak Runnern Aus welchen Motiven Menschen Langstrecken laufen und wie man die damit verbundenen positiven Wirkungen (erhöhte Lebenszufriedenheit, Entspannung, Stressresistenz, reduzierte negative Stimmungslagen und Ängste, spezifische Willensqualitäten,…) psychotherapeutisch nutzen kann, war das erste große Thema gesundheits- und sportpsychologischer Studien im Laufsport (Gabler & Kempf, 1987; Kostrubala, 1977; Leedy, 2000; Masters & Ogles; 1995; Stoll & Ogles, 1997; Stoll & Ziemainz, 2012). Die Motivationsforschung zeigte, dass sich
Motivstrukturen von LäuferInnen von extrinsischen Motiven der Gesundheitsorientierung und Anerkennung mit der Zeit zu Motiven wie u.a. Sinngebung und Ausgleich zum Alltag verändern (Rümmele, 1987; Weiß, 1999; Zeitfang, 2010). Diese Erkenntnisse und die Entwicklung eines regelrechten „Jogging-Booms“ mit steigenden Teilnehmerzahlen bei Laufbewerben warfen die Frage auf, was Menschen dazu bewegt, sich der anstrengenden und schweißtreibenden Aktivität des Laufens regelmäßig und oft über Jahrzehnte hinweg konstant auszusetzen. Um 1970 steigerten sich die zu bewältigenden Laufstrecken in solchem Ausmaß, dass von schädlicher Laufbetätigung gesprochen wurde (Hagenah, 2012; Sachs & Pargman, 1979). In vielen Fällen wurde in weit höherem Umfang und Intensitätsgrad trainiert, als es für positive und gesundheitsförderliche Effekte oder die nötige kardiorespiratorische Fitness zum Finishen eines Laufbewerbes nötig wäre (Hagenah, 2012). Zur Erklärung, warum Menschen regelmäßig solche enormen Distanzen laufen, wurde die Laufsucht herangezogen. Rege Debatten über suchthaftes Verhalten im Laufsport wurden entfacht. Laufsucht ist zwar Thema hohen wissenschaftlichen Interesses, löst allerdings bis heute Diskussionen aus. So gibt es noch keine eindeutige Erklärung, warum manche LäuferInnen vom Laufsport abhängig werden und andere nicht (Myers, 2000). Zudem ist nicht geklärt, ab wann man von einem pathologisch beziehungsweise suchhaften Laufverhalten sprechen sollte. Anfänglich wurde versucht, Laufsuchtentstehung rein über physiologische Erklärungsmodelle (Neurotransmitterhaypothese, Endorphin-Hypothese, flow-Zustände) zu erklären. Laufsport besitzt meditative Wirkung mit transzendenten Zuständen, in denen man sein Umfeld weniger wahrnimmt, entspannt und ein angenehmes und euphorisches Gefühl entsteht. Diese Zustände werden als „runners high“ (Buman, Brewer, Cornelius, Van Raalte & Petitpas, 2008; Sachs, 1981) oder „spin out“ (Glasser, 1976) bezeichnet. Tritt dieser veränderte Bewusstseinszustand regelmäßig auf, kann es zur Entstehung einer Laufsucht kommen (Glasser, 1976; Sachs, 1981).
Heute verzichtet man auf Erklärungsmodelle, die lediglich einzelne physiologische oder psychologische Aspekte des Phänomens beleuchten und sieht Laufsucht als biopsychosoziales Phänomen (Schack, 2000; Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010). Der generelle Konsens der Forschung geht dahin, dass Laufsucht eine Verstärkung eines normalen Verhaltens ist, welche bei manchen LäuferInnen pathologisch wird und sich entlang eines Kontinuums mit der Zeit entwickelt (Polivy, 1994; Sachs, 1981; Sachs & Pargman, 1997). Stoll und Ziermainz (2012) meinen, dass ein erhöhtes Laufsuchtrisiko für LäuferInnen besteht, die hohe Trainingsumfänge laufen, bei denen Laufsport der einzige Aspekt ihres Lebens mit positiver Rückmeldung ist und solchen, die übermäßigen Aufmerksamkeitsfokus auf den Laufsport legen. Dies tritt am meisten bei Menschen auf, die ihr Leben stark kontrollieren, sich anspruchsvolle Ziele setzen und diese dann mit Engagement verfolgen (Stoll & Ziermainz, 2012).
Entsprechend dem Erklärungsmodell von Schack (2000) integrieren LäuferInnen Informationen aus drei Ebenen: psychophysiologische Zustände, die direkt beim Laufen entstehen (Ebene 1), Selbstwahrnehmung und -bewertung, Wunsch nach Erhöhung/Stabilisierung des Selbstwerts, sowie die wahrgenommene subjektive Handlungskontrolle (Ebene 2) und Rahmenbedingungen, sowie Reaktionen aus dem sozialen Umfeld (Ebene 3). Wenn sich ein LäuferIn in einer „suchtempfänglichen Phase” (Ziemainz, Stoll, Drescher, Erath, Schipfer & Zeuler, 2013) befindet, kann sich Laufabhängigkeit durch Auslöser aus einer jeden dieser drei Ebenen entwickeln. Diese Entwicklung erfolgt über einen Zeitraum von vier bis zu zwei Jahren in drei Phasen (Schack, 2000; Sachs, 1981). Der aktuelle Forschungsstand legt nahe, dass Laufsuchterforschung auf einer biologischen, sozialen und personalen Ebene stattfinden sollte (Schack, 2000).
Diese Studie möchte den Beitrag personaler Faktoren zur Laufsuchtentwicklung aufzeigen und verfolgt das Ziel festzustellen, ob sich LangstreckenläuferInnen mit unterschiedlicher Laufabhängigkeit in der athletischen Identität, der Laufleidenschaft und der Verbundenheit zum Laufsport unterscheiden.
Im Zuge des bereits erwähnten „Läuferbooms“ hat sich der Laufsport zur
Trendsportart etabliert. Doch trotz steigender Teilnehmerzahlen vieler Laufveranstaltungen, sank das durchschnittliche Leistungsniveau (Steffny, 2009). Eine Unterscheidung zwischen der ursprünglichen, leistungsorientierten, passionierten Subkultur an LäuferInnen und der neu entstandenen Massenkultur von „GenussläuferInnen“, die teilweise nur als Ergänzung zu anderen Sportarten laufen, wurde von vielen LäuferInnen angestrebt und es entwickelten sich Läufersubkulturen (Freedman, 2001 ;Kreitz, 1996; Steffny, 2009). Eine solche wurde 2000 in der USA von der „USRSA“ (= United States Running Streak Association; http://www.runeveryday.com/) gegründet. Die Philosophie dieses Streak Runner-Verbands „Das Laufen leben“ unterscheidet sich von der Einstellung mancher ambitionierter FreizeitläuferInnen, welche „Um’s Leben laufen“. Dies soll die Distanzierung von nur sehr unregelmäßig laufenden Gelegenheitsjoggern, aber ebenso von extrem leistungs- bzw. geschwindigkeitsorientieren LäuferInnen verdeutlichen. Im ersten Moment klingt „tägliches Laufen“ nach Selbstverpflichtung, die nicht unbedingt etwas mit Vergnügen zu tun hat. Sollte dies der Fall sein, so könnte die Motivation fürs tägliche Lauftraining zwanghaft sein und Streak Runner wären als Risikogruppe von LäuferInnen, die eine Laufsucht entwickeln, zu betrachten.
Ein weiteres Ziel dieser Studie ist die Analyse potenzieller Gruppenunterschiede zwischen LangstreckenläuferInnen und Streak Runnern.
Die unter 1.4 angeführten und in Tabelle 2 zusammengefassten Befunde des aktuellen Forschungsstandes zur Laufsucht weisen daraufhin, dass eine Auseinandersetzung mit Laufleidenschaft, Commitment zum Laufsport und Läuferidentität dazu beitragen könnte, den Entwicklungsprozess der Laufsucht zu verstehen. Es erscheint sinnvoll im Folgenden zuerst die Konstrukte „Laufsucht“ , „commitment to running“, „athletische Identität“ und „Laufleidenschaft“ kurz zu definieren, dann darauf einzugehen, worin die Unterschiede dieser Konstrukte bestehen und warum gerade für diese personalen Konstrukte ein Zusammenhang mit Laufsucht angenommen wird. In einem weiteren Schritt wird anschließend die Gruppe der „Streak Runner“ genauer vorgestellt.
1.1 Begriffe
1.1.1 Laufsucht
In seiner 1979 durchgeführten Studie debattierte Morgan als Erster suchthaftes Laufsportverhalten. Er stellte bei LangstreckenläuferInnen Entzugserscheinungen und Deprivationssymptome während verletzungsbedingter Laufpausen fest. Morgan beschrieb Laufsucht als Zustand, bei dem der Betroffene in zwanghafter Art und Weise täglich laufen „muss“ oder Entzugssymptome (vor allem psychischer Art: depressive Stimmung, Aggressivität, Unruhe, Schlafstörungen etc.) aufweist, wenn nicht gelaufen werden kann. Sachs (1981) definierte Laufsucht als "psychological and/or physiological addiction to a regular regimen of running, characterized by withdrawal symptoms after twenty-four to thirty-six hours without the activity". Diese Definition war sehr schnell als unzureichend angesehen (Rümmele, 1987; Sachs ,1981; Szabo, Frenkl & Caputo, 1997; u. a.), um Laufsucht zu charakterisieren, da die erwähnten Entzugssymptome nur eines von mehreren Merkmalen der Laufabhängigkeit darstellen.
Für Chapman und De Castro (1990) ist Laufsucht ein Prozess, indem sich LäuferInnen trotz Schwierigkeiten (Verletzungen, Konflikten mit Freunden/Familie, etc.) zum Laufen zwingen und physische sowie psychische Entzugserscheinungen erleiden, wenn sie einen Lauf ausfallen lassen. Sie betonen vor allem die Zwanghaftigkeit der Laufsportausübung. Stoll, Pfeffer und Alfermann (2010) verdeutlichen, dass nicht jeder LäuferIn, der gerne viel läuft und negative Gefühle nach ausgelassenen Läufen verspürt (z.B. ein schlechtes Gewissen) auch laufabhängig ist. Nach ihnen ist Laufabhängigkeit an sechs Verhaltenskomponenten erkennbar:
a) Laufsport wird mit einer Art von "Erledigungszwang" betrieben und ist somit stark negativ motiviert.
b) Körperliche Signale und Überlastungsanzeichen werden ignoriert, vermehrt kommt es zu (auch dauerhaften) körperlichen Folgeschädigungen, die oft nicht ausgeheilt werden
c) Kann nicht gelaufen werden, so treten starke psychophysische Entzugserscheinungen auf
d) Im Leben des(r) Sportlers/In wird Laufen zum zentralen Motiv, welches das Verhalten des Läufers/In kontrolliert
e) Ein sozialer Verfall im Sinne von Eheproblemen, Verlust des Arbeitsplatzes, sozialer Isolation, defizitärem Wahrnehmen eigener Verantwortung u.v.a. sind wahrscheinlicher
f) Höhere Laufdauer, -häufigkeit und -intensität werden laufend benötigt, erhöht und toleriert.
Neuerdings beschäftigt man sich vermehrt mit der These, dass Sportsucht Ähnlichkeit mit substanzabhängigen Verhaltensstörungen und Süchten besitzt, da auch diese vergleichbare kognitive, verhaltensverändernde und physiologische Symptome aufweisen (Ziemainz et al.., 2013). Daher ergänzte Szabo (2000) die Laufsuchtdefinition mit allgemeinen Sportsuchtkritierien. Laufsucht ist demnach gekennzeichnet durch:
a) Salienz: Es kommt zu einer obsessiven Beschäftigung mit dem Laufsport, welche mehrmals täglich, auch während anderer Tätigkeiten erfolgt. Außerdem übernimmt das Laufen die primäre Rolle im Leben.
b) Euphorie / Befriedigung: Während und in Folge des Laufens kommt es zu positiven psychischen und/oder physischen Erlebnissen. Diese zu Erlangen wird zum Hauptmotiv der Laufsportausübung.
c) Toleranz: Es kommt zu einer progressiven Erhöhung der Dauer, Häufigkeit und Intensität der Laufbeanspruchung, um weiterhin die gleiche Befriedigung zu erlangen.
d) Entzugssymptome: Wenn nicht gelaufen werden kann, kommt es zu schweren negativen psychische und physische Erlebnissen
e) Konflikte: Durch die Laufsportausübung kommt es zu interpersonalen (wegen Überaktivität) oder intrapersonalen Problemen (Schuldgefühle, Unzufriedenheit - wegen Vernachlässigung anderer Aspekte des Lebens)
f) relapse/ Rückfall: Nach kurzzeitiger Unterbrechung oder „Normalisierung“ des Trainingsverhaltens verfällt man rasch in alte Verhaltensmuster
g) Verlust der Kontrolle über life-activities: Der Drang zu laufen ist so stark, dass ihm meist unverzüglich nachgegeben werden muss, was zu Konflikten in anderen Lebensbereichen führt.
h) Verlust der Kontrolle über Trainingsverhalten: Es ist kaum möglich dem Drang zu laufen zu widerstehen. Trotz selbst gesetzter Einschränkungen des Laufverhaltens besteht eine Unfähigkeit „ein moderates“ Training einzuhalten.
i) negative Konsequenzen: Es kommt zu direkten Folgen wegen der Überaktivität im Laufsport (Arbeitsverlust/ Verlust von Freunden/ Scheidungen/…).
1.1.2 athletische Identität
Bereits aus den Definitionsvorschlägen und Verhaltenskriterien der Laufsucht geht hervor, dass Laufsport bei den betroffenen AthletInnen einen enormen Stellenwert in ihrem Leben erhält und es deswegen in anderen Lebensbereichen zu Konflikten kommt. Die eigne Rolle als LäuferIn ist bei betroffenen SportlerInnen ein, wenn nicht sogar der zentrale Aspekt ihres Lebens.
Athletische Identität ist der auf Sport bezogene Bestandteil eines mehrdimensionalen Selbstkonzepts (Brewer, Van Raalte & Linder, 1993), welcher das generelle Selbstbild maßgeblich mitbestimmt. Athletische Identität beschreibt das Ausmaß, mit dem AthletiInnen sich mit ihrer athletischen Rolle identifizieren. Denn, wenn man sich für den Laufsport begeistert, entsteht ein Gefühl der Verbundenheit mit der Aktivität des Laufens. Als wichtige soziale Dimension des Selbstkonzepts beschreibt die athletische Identität aber auch, sich über seiner Rolle als LäuferIn mittels Gleichheiten mit anderen LäuferInnen zu definieren. In Ausdauersportarten wettkampfmäßig erfolgreich zu sein und hohe Platzierungen zu erreichen, doch auch nur das bloße „Finishen“ bedeuten neben zeitintensivem und engagiertem Training eine intensive Auseinandersetzung mit Trainingslehre, Ernährungsweise, Lebensstil und mentalen Komponenten. Dies kann zu einem Zustand führen, indem der Laufsport zur primären Quelle der Identität wird (Kreitz, 1996; Zeifang, 2010). Eine solche Reduktion der eigenen Identität auf einen einzigen Aspekt - wie in diesem Fall den Laufsport - wird als“ identity foreclosure“ bezeichnet (Brown, Glastetter-Fender & Shelton, 2000). Andere Aspekte des Lebens, sowie soziale und berufliche Aktivitäten werden vernachlässigt und alternative Freizeitbeschäftigungen aufgegeben, um sich seiner Rolle als AthletIn zu widmen (Rümmele, 1987).
Schmid und Seiler (2003) fanden heraus, dass sich SportlerInnen mit hoher Athletenidentität über eine geringere Anzahl an Selbstaspekten definieren, als dies für Sportlerinnen mit geringer athletischer Identität der Fall ist. Es zeigte sich eine signifikante negative Korrelation zwischen der Anzahl an Selbstaspekten, über die man sein Selbst definiert und der Höhe der Athletenidentität. Schmid und Seiler folgerten, dass eine hohe Identifikation mit der athletischen Rolle zu einer geringen Selbstkomplexität führt.
Einen weiteren Befund liefert die Studie von Brewer et al.. (1993) in der LäuferInnen die Wichtigkeit von Nicht-Läuferfreunden und nicht-läuferischen Aktivitäten als sehr unwichtig bewerten. LäuferInnen mit hoher athletischer Identität schreiben dem Laufsport eine hohe Wichtigkeit im Selbstkonzept zu, wohingegen sie ihren nicht-athletischen Rollen (in Familie, Freundschaft, Partnerschaft,…) geringere Relevanz zugeschrieben. Aspekte, und Aktivitäten, die nicht mit dem Laufsport in Zusammenhang stehen, werden abgewertet.
In der Studie von Horton und Mack (2000) wurde gezeigt, dass MarathonläuferInnen mit hoher athletischer Identität häufigere und intensivere negative Konsequenzen auf Grund ihrer Laufsportaktivitäten erleben als LäuferInnen niedriger athletischer Identität. Diese AthletInnen hoher athletischer Identität neigen dazu, andere Aspekte des Lebens zu vernachlässige und ein erhöhtes Risikopotenzial für soziale Probleme zu besitzen.
Zusammenfassend sprechen diese Befunde dafür, dass negative Einflüsse der athletischen Identität auf das Laufverhalten und die Begünstigung einer Laufsuchtentwicklung dann zu erwarten sind, wenn sich die AthletIn zu stark über ihre athletische Identität definiert (=identity foreclousure) beziehungsweise zu stark für ihre AthletInnenrolle engagiert (= Overcommitment).
1.1.3 Laufleidenschaft
Gerade weil Laufsport als Hobby und Freizeitaktivität freiwillig betrieben wird, ist die Frage der selbstbestimmten Verpflichtung umso interessanter (Tripathi, Venngopal & Srivastava, 2011). Leidenschaft bezeichnet eine starke Neigung und den Wunsch, in eine hoch geschätzte und subjektiv bedeutsame Aktivität Zeit und Energie zu investieren (Vallerand, Blanchard, Mageau, Koestner, Ratelle, Léonard, Gagné & Marsolais, 2003). Laufleidenschaft ist eine Art Volition zur Weiterführung beziehungsweise motivationale Kraft der bereitwilligen Beschäftigung mit Laufsport, die bewirkt, über Jahre hart zu trainieren und seine Leistung zu verbessern (Jowett & Lavallee; 1969; Macpherson, 1998). Damit die Möglichkeit einer Laufsuchtentwicklung überhaupt besteht, muss zuerst eine Sportzuwendung und später eine regelmäßige Sportteilnahme erfolgen (Schack, 2000). Eine Aktivität, für die Leidenschaft besteht, wird als etwas Stabiles, das längerfristig und regelmäßig ausgeübt wird (Vallerand et al.., 1993), verstanden. Dass Laufsport langfristig ausgeübt wird, kann also unter anderem durch Leidenschaft für diese Aktivität erklärt werden, womit Laufleidenschaft eine Bedeutung zur Laufsuchtentwicklung zugesprochen werden kann.
Ein weiteres Indiz, dass Laufleidenschaft zur Laufsuchtentwicklung beitragen könnte, liefert das „dualistische Modell von Passion“ (von Vallerand et al, 1993), welches zwischen „harmonischer Leidenschaft“ und „obsessiver Leidenschaft“ unterscheidet (Jowett & Lavallee; 1969; Lafreniere et al. ,2008; Vallerand et al., 2003; Vallerand, Fortier & Guay, 12 1997). Die Unterscheidungspunkte dieser beiden Leidenschaftsarten sind in Tabelle 1 aufgelistet und verdeutlichen die Parallelen zur Abgrenzung zwischen Lauf-Commitment und Laufsucht. Diese lässt vermuten, dass obsessive Leidenschaft dazu bewegt, laufsuchthafte Verhaltensweisen zu entwickeln und sich dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Laufsuchtentwicklung erhöht.
Tabelle 1
Gegenüberstellung der harmonischen und obsessiven Leidenschaft nach Vallerand et al. (2003)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.1.4. Lauf - Commitment
Der Zustand des Wunsches nach kontinuierlicher Fortführung einer Aktivität und der Entschlossenheit dies auch wirklich umzusetzen, wird als „Commitment“ bezeichnet (Scanlan, Simons, Carpenter, Schmidt, & Keeler,1993; Scanlan, Stein, & Ravizza,1989). Im sportlichen Kontext ist Commitment als der Wunsch und Wille einer kontinuierlichen Sportausübung anzusehen (Scanlan, et al., 1993). Aus diesen Überlegungen heraus entwickelten Scanlan et al. (1993) das „sport commitment Modell“, in welchem das Ausmaß des Commitments in Realtion zu fünf Faktoren gesetzt wird: a) intrinsischer Freude an der Aktivität selbst b) persönliche Investition c) Vorteile durch die sportliche Aktivität d) sozialer Druck durch Eltern, Trainer, Peers,.. und e) Anreiz alternativer Aktivitäten. Demnach steigt Lauf-Commitment mit zunehmendem Laufvergnügen (als intrinsische Freude an der Aktivität selbst) und wenn bereits sehr viel Geld/Zeit/Energie in den Laufsport investiert wurde. Lauf-Commitment steigt außerdem mit zunehmenden positiven Erlebnissen und Erfahrungen im Zuge des Laufsportes, welche mit Beendigung des Laufens verloren wären (Gefühl der Macht, soziale Kontakte, entstandene Vorteile) und mit dem steigenden Gefühl der Verpflichtung zu Laufen durch Erwartungen und Anforderungen des sozialen Umfeldes. Weiters steigt das Lauf-Commitment, wenn der Anreiz alternativer Aktivitäten und Beschäftigungen abnimmt. Lauf-Commitment kann also auch als Maßstab, wie sehr man am begonnen Laufsportprogramm festhält, gesehen werden und stellt eine besondere Art der Motivation dar (Sachs, 1981).
Lauf-Commitment wird seit 1979, dem Beginn der Laufsuchtforschung, als bedeutsamer Prädikator suchthaften Laufverhaltens analysiert. Viel mehr als die Frage, ob zwischen Laufsucht und Lauf-Commitment eine bedeutsame Beziehung besteht, wird debattiert, ob es sich überhaupt um konzeptuell verschiedene Konstrukte handelt (zum Beispiel: Szabo, 2000). Nicht jeder, der gerne, regelmäßig und viel läuft, ist laufsüchtig. Doch bis heute ist nicht geklärt, ab welchem Punkt Laufsport-Bindung pathologisch und zwanghaft wird. Aus diesem Grund liegt besonderes Augenmerk auf den Unterschieden zwischen Laufsucht und Lauf-Commitment. Diese sind in 1.3.1 ausführlich beschrieben. Lauf- Commitment wird öfters synonym zur “positiven Sucht” verwendet (Carmack und Martins, 1979; Leedy ,2000; Myers, 2000). Durch eine solche Interpretation der Gleichsetzung des „Lauf-Commitment“ mit „positiver Laufsucht“ werden Charakteristiken des Lauf- Commitments deutlich. "Addiction to running" als Laufsucht steht dem "Commitment to running" als positive Laufsucht gegenüber. Im Konzept der „positiv addiction“ von Glasser
(1976) wird Laufsucht als starke und gesunde Gewohnheit verstanden. Das Konzept betont die physischen sowie psychischen Effekte der regelmäßigen Laufsportausübung als vorteilhafte „Nebenwirkungen“: Laufsport verhilft zu mehr mentaler Stärke und erhöht somit Belastungsfähigkeit und Stressresistenz. Das Erreichen von selbst gesetzten Laufzielen steigert Glücksgefühl und Lebenszufriedenheit. Diese vorteilhaften mentalen Effekte des Laufsports werden als positive Laufsucht, welche mit anderen Aspekten des Lebens (wie Familie und Beruf) in Einklang steht, den negativen, gesundheitsschädlichen Folgen von „negativen addictions“ (ähnlich Drogenabhängigkeit, Kaufsucht), welche das Leben dominieren und einen impulsiven und zwanghaften Charakter besitzen, gegenüber gestellt.
Die teilweise sehr unklare Unterscheidung zwischen Lauf-Commitment und Laufsucht wird dadurch verschärft, dass bereits zwischen „Laufsucht“ beziehungsweise „Laufsuchtgefährdung“ und „Laufsuchttendenz“ kaum unterschieden wird. Diese Abstufungen sind definitorisch sehr unscharf und werden von Studie zu Studie unterschiedlich verwendet. Aus diesem Grund möchte ich im folgenden Kapitel auf die Unterschiede zwischen Lauf-Commitment und Laufsucht ausführlicher eingehen. Außerdem wird die Abgrenzung zwischen den verwendeten personalen Konstrukten aufgezeigt.
1.2 Unterschiede zwischen den Konstrukten
1.2.1 konzeptuelle Unterschiede des Lauf-Commitments zur Laufsucht
Zarauz Sancho und Ruiz-Juan (2011) unterschieden Lauf-Commitment und Laufsucht, indem sie Laufsucht als nicht erstrebenswerte Konsequenz des gesunden und wünschenswerten Lauf-Commitment sehen. Diese Ansicht vertritt auch Sachs (1981), der Laufsport bei commiteten AthletInnen als gesunde, bei laufabhängigen LäuferInnen hingegen als ungesunde und riskante Aktivität sieht. Bei Laufabhängigkeit lässt sich der AthletIn dermaßen auf den Laufsport ein, dass sein Lebensstil nachteilig verändert wird und physische, medizinische, finanzielle und soziale Probleme mit sich bringt.
Lauf-Commitment beschreibt eine „gesunde Gewohnheit“, die mit allen anderen Lebensbereichen in Balance steht (Peeler, 1981). Beim Vorliegen einer Laufabhängigkeit besteht ein Fixierungscharakter auf den Laufsport, welcher auf Grund eines gewissen Erledigungszwanges die Wahrscheinlichkeit eines sozialen Verfalls (zerrüttelte Ehe, unzureichende Wahrnehmung der Verantwortung für Familie, Beruf, soziales Umfeld) erhöht. 15
Bei einer Laufabhängigkeit dominiert Laufsport über alle anderen Lebensbereiche, für AthletInnen mit hohem Lauf-Commitment hingegen ist regelmäßiges Training ein wichtiges, aber mit anderen Aspekten des Lebens abgestimmtes, nicht zentrales Motiv im Leben (Stoll, Pfeffer & Alferman, 2010; Stoll & Ziemainz, 2012).
Nach Sachs (1981) kann zwischen Lauf-Commitment und Laufabhängigkeit über die intellektuelle Analyse der Vor- und Nachteile differenziert werden. LäuferInnen mit hohem Commitment (ohne Laufabhängigkeit) zum Laufsport treffen ihre Entscheidungen bezüglich der Laufsportausübung rationaler und sind in ihrem Laufverhalten mehr von ihrer Vernunft gesteuert. (lassen Läufe aus, wenn sie gesundheitliche Schäden damit riskieren oder andere Lebensbereiche - wie zum Beispiel berufliche Anforderungen - mehr Aufmerksamkeit benötigen).Laufsüchtige halten auch dann an ihrer Aktivität fest, wenn diese eindeutig negative Konsequenzen auslöst (Vallerand, 2010). LäuferInnen mit Laufabhängigkeit wissen zwar, dass sie nicht laufen sollten, treffen die Entscheidung der Laufsportausübung allerdings nicht mehr aktiv, sondern werden von der Aktivität kontrolliert. Ein solcher Kontrollverlust stellt nicht nur ein Verhaltensindiz einer Sucht dar, sondern entspricht gleichzeitig einer zwanghaften Leidenschaft (Vallerand, 2010).
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Laufsucht und Lauf-Commitment sind die Motive, warum gelaufen wird. Laufsüchtige LäuferInnen sind stark negativ motiviert (z.B. Vermeiden von Entzugssymptome) oder laufen, um positive Verstärkung zu erlangen (z.B. erleben des „runners high“ oder Befriedigung). Hingegen ist bei commiteten LäuferInnen Vermeidungsverhalten oder negative Verstärkung als Laufmotivation nicht vorzufinden (Sachs, 1981; Schack, 2000). Stattdessen wird Laufsport aus Vergnügen während der Laufaktivität an sich betrieben.
Im Modell der „running participation“ (1979) interpretieren Sachs und Pragman Lauf- Commitment und Laufabhängigkeit als konzeptuell getrennte Prozesse mit unterschiedlichen Beweggründen der Laufsportausübung. Commitete LäuferInnen laufen aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen, laufsüchtige LäuferInnen betreiben Laufsport hingegen zur Bewusstseinsveränderung oder zur Stress- oder Depressionsreduktion. Bei Laufabhängigkeit wird Laufsport nicht seiner selbst Willen betrieben, sondern um sekundäre Ziele (Gewichtsreduktion, Verbesserung des Selbstvertrauens, Stärkung der Identität) zu erreichen. Hingegen ist das Laufen bei Lauf-Commitment eine selbstregulierte sportliche Tätigkeit.
Entzugssymptome bei verpassten oder verhinderten Läufen treten bei Laufsüchtigen unkontrollierbarer, häufiger und stärker auf, als es bei LäuferInnen mit hohem Commitment der Fall ist (Szabo, Frenkl, & Caputo, 1997).
Einige Autoren meinen, dass gerade in der Kontrollierbarkeit der Laufaktivität der Unterschied zwischen „Lauf-Commitment“ und „Laufabhängigkeit“ besteht (Peeler, 1981; Sachs, 1998). Für Peeler (1981) ist der entscheidende Punkt, ob der LäuferIn entscheidet zu laufen oder sich dazu gezwungen bzw. verpflichtet fühlt. Laufabhängige LäuferInnen besitzen keine Kontrolle über ihr Laufverhalten.
1.2.2 Abgrenzung zwischen athletischer Identität, Lauf-Commitment und Laufleidenschaft
Sowohl Lauf-Commitment als auch Laufleidenschaft können als besondere Art der Motivation gesehen werden (Macpherso, 1998; Myres, 2000; Sachs, 1981). Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass Laufleidenschaft zur Selbstdefinition beiträgt, weil die leidenschaftliche Aktivität internalisiert und somit Teil der Identität wird (Deci & Ryan, 1985,2000). Für Lauf-Commitment trifft dies hingegen nicht zu. Lauf-Commitment gilt als Maßstab, wie sehr man an begonnen Laufsportprogrammen festhält (Sachs, 1981), wie sehr man sich dem Laufsport widmet und sich dafür engagiert.
Laufleidenschaft wird als starke Hingabe zu einer selbst gewählten Aktivität verstanden. Lauf-Commitment bedeutet nicht unbedingt, dass auch ein hoher Laufgenuss besteht Ein LäuferIn, der jeden Morgen läuft um abzunehmen, besitzt zwar ein hohes Lauf- Commitment, hat aber an der Aktivität des Laufens vielleicht kein Vergnügen und Interesse. Für das Lauf-Commitment stehen befriedigende und erfreuliche Wirkungen und Erfolg, die durch Laufsport erfahren werden im Vordergrund und sind ausschlaggebend, warum Laufsport weiterhin betrieben wird (Chapman & De Chastro, 1990). Sachs (1981) sieht Lauf- Commitment als Resultat einer intellektuellen Analyse der Vorteile, die mit der Laufsportausübung auftreten (Gesundheitssteigerung, Sozialbeziehungen, Status, Prestige). Bei Laufleidenschaft hingegen ist Laufsport eine für die Person bedeutungsvolle Aktivität, die ihr sehr wichtig ist, die sie sehr schätzt und ihr während der Ausführung sehr viel Spaß bereitet.d
Wie athletische Identität als LäuferIn von den anderen Konstrukten abzugrenzen ist, verdeutlicht der Definitionsversuch von Brewer, van Raalte und Linder (1993): athletische Identität ist die Komponente des Selbst, die die Beziehung zwischen Identität und „sport involvment“ beschreibt. Leidenschaft für den Laufsport bewirkt, dass zwischen Laufsport und der eigenen Identität eine enge Verbindung entsteht, wodurch sich ein Commitment an den Laufsport entwickelt (Vallerand, 2010).
1.3 Forschungsstand und Studienergebnisse zur Laufsuchtentwicklung
1997 entwickelten Sachs und Pragman das Modell der „ running particitpation“, ein dynamisches Modell zur Erklärung des Prozesses der Laufsuchtentwicklung. Dazu wird das Ausmaß psychobiologischer Laufabhängigkeit (horizontale Achse) in Beziehung zum Ausmaß kognitiv-intellektuellen commitments to running (vertikale Achse) gesetzt. Das Modell geht davon aus, dass ein hohes Maß an „commitment to running“ vorhanden sein muss, bevor eine Laufsuchtentwicklung überhaupt möglich ist und Laufsucht wird somit als Folge eines hohen Lauf-Commitments gesehen. Ohne ein hohes Niveau an Lauf-Commitment kommt es zu keiner dauerhaften „running participation“. Und diese ist Grundvoraussetzung, dass sich eine „running addiction“ überhaupt entwicklen könnte.
Im Modell startet jeder LäuferIn als „GelegenheitsläuferIn“ mit geringem Lauf-Commitment und geringer Laufabhängigkeit („C“). Durch regelmäßiges Laufen steigert sich das Lauf- Commitment und man wird zu einem LäuferIn hohen Lauf-Commitments, aber ohne Laufabhängigkeit („D“). Mit der Zeit verliert entweder die Verbundenheit zum Laufsport wieder an Bedeutung und man wird wieder zum „GelegenheitsläuferIn“ („C“) oder die Laufabhängigkeit steigt und man wird zu einem „truly addicted runner“ (Sachs & Pragman, 1979) mit hohem Lauf-Commitment und hohen Laufabhängigkeitswerten („A“). Ein „truly addicted runner” kann sich nur zu einem LäuferIn mit hoher Laufabhängigkeit aber geringem Commitment entwickeln („B“). Diese LäuferInnen laufen aus socio-environmental Pressure (Fam/Arbeits- commitments). Sie verbleiben nur kurz in dieser Phase („B“) bevor sie entweder zu „truly addicted runner” („A“) oder „GelegenheitsläuferIn“ („C“) werden. Die Autoren interpretieren Lauf-Commitment und Laufabhängigkeit als zwei konzeptuell getrennte Prozesse mit unterschiedlichen Beweggründen zur Laufsportausübung. Verbundene LäuferInnen laufen aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen, laufsüchtige LäuferInnen betreiben Laufsport hingegen zur Bewusstseinsveränderung oder zur Stress- oder Depressionsreduktion (Sachs & Pargman, 1979).
Chapman und De Castro (1990) überprüften die Validität und Reliabilität des „Running Addiction Scale“ (RAS) zur Erfassung von Laufsucht. In ihrer Studie wurden die Daten von 32 männlichen und 15 weiblichen LäuferInnen in der Symptom-Checkliste, Locus of Control-Skala, Commitment to running scale (CR) und einem Fragebogen zu individuellen Laufgewohnheiten sowie einer subjektiven Laufsuchtselbsteinschätzung erhoben und mit dem RAS korreliert. Die CR-Werte korrelierten nur für Männer mit der subjektiven Laufsuchtselbsteinschätzung, aber nicht für Frauen. Die „RAS“ korreliert mit der subjektiven Laufsuchtselbsteinschätzung sowie dem Unwohlsein bei einem verpassten Lauf. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass laufsüchtige LäuferInnen signifikant öfter und länger laufen als nicht laufsüchtige LäuferInnen und dass diejenigen LäuferInnen, die sich selbst als laufsüchtig bezeichnen, höhere Werte auf der RAS, aber nicht in der CR, erreichen. Bei männlichen Läufern zeigen RAS und CR beinahe gleiche Korrelationsmuster mit den anderen Variablen. Bei weiblichen Läuferinnen tritt ein differenziertes Bild auf. Chapman und De Castro ziehen die Schlüsse, dass 1) RAS ein valides und reliables Laufsuchtmessinstrument ist, 2) CR und RAS unterschiedliche
Eigenschaften/Charakteristiken messen und 3) für männliche Läufer Lauf-Commitment und Laufsucht eng zusammenhängende Phänomene sind, wohingegen weiblichen Läuferinnen hohe Laufverbundenheit ohne einer Laufsuchtgefährdung besitzen können.
Myers (2000) untersuchte an 79 VereinsläuferInnen die Beziehung zwischen Laufabhängigkeit (gemessen mittels „Negative Addiction Scale“ von Hailey & Bailey, 1982) und Commitment zum Laufsport über das Konstrukt der Lauffreude („Running Enjoyment Questionnaire“ von Basson & Macpherson, 1998). Dabei analysierten sie Korrelationen zwischen Laufabhängigkeit und 4 Quellen des Laufvergnügens (intrinsische, extrinsische, achievement und nonachievement Laufgründe). Hohe Laufabhängigkeit geht mit hohem Laufvergnügen einher. Laufabhängigkeit korreliert hoch signifikant mit der subjektiven Wichtigkeit des Laufsportes, der nicht leistungsbezogen - intrinsischen sowie leistungsbezogenen - intrinsischen Lauffreude. In Abhängigkeit ihrer Laufsuchtwerte bildete er eine hohe (n = 23), moderate (n= 35) und niedrige Laufsuchtgruppe (n= 21).LäuferInnen mit geringer Laufsucht besitzen signifikant geringere subjektive Fitnesslevels, kürzere Lauferfahrung (Jahren), weniger befreundete MarathonläuferInnen und messen dem Laufsport eine geringere persönliche Bedeutung bei. Myers Studie lässt schließen, dass „running commitment“ (und athletische Identität) für die Laufsuchtentwicklung eine Rolle spielt.
Horton und Mack (2000) untersuchten an 176 männlichen und 60 weiblichen MarathonläuferInnen Effekte von athletischer Läuferidentität. Dazu verglichen sie LäuferInnen mit niedriger athletischer Identität (AIMS) mit LäuferInnen hoher athletischer Identität bezüglich der Wichtigkeit anderer Rollen im Leben, Trainingseffekte, Commitment to running und Laufleistung. LäuferInnen hoher athletischer Identität bewerten Laufsport wichtiger als LäuferInnen mit niedriger athletischen Identität, in der Wertigkeit der anderen Lebensbereiche unterscheiden sich die Bewertungen allerdings nicht. Im Vergleich zu MarathonläuferInnen mit niedriger athletischer Identität zeigten AhtletInnen mit hoher athletischer Identität höheres „enjoyment of running”, ein stärkeres “commitment to running“; bessere Laufleistungen (Laufzeiten) und ihr soziales Netzwerk besteht aus mehr LäuferInnen. Aber auch negative Konsequenzen des Laufsportes (Isolation von Nicht-Läufer-Freunden, verminderte Zeit mit Familie, reduzierte soziale Aktivitäten) sind bei LäuferInnen hoher athletischer Identität signifikant häufiger und intensiver.
Zarauz Sancho und Ruiz-Juan (2011) bezeichnen Laufsucht als Konsequenz des Commitments zum Laufsport. In ihrer Studie an 1226 spanischen Marathonläufern kamen sie zum Schluss, dass es sich dabei um zwei getrennte Konzepte handelt, welche durch verschiedene soziodemografische Daten, Trainings- und Leistungsdaten vorhersagbar sind. Die Laufsucht und Lauf-Commitment weisen eine hohe, positive Korrelation auf. Geschlechtsunterschiede sind nicht in den negativen Laufsuchtwerten (erhoben mittels RAS- 8) vorzufinden, allerdings besitzen weibliche Läuferinnen signifikant höhere Commitmentwerte als Läufer (erhoben mittels CR-11). Und auch in der Vorhersagbarkeit der Commitment - bzw. Laufabhängigkeitswerte zeigten sich Geschlechtsunterschiede. Läuferinnen entwickeln eher eine Laufsucht, wenn sie erst seit kurzer Zeit laufen und höhere Commitmentwerte aufweisen. Ein hohes Commitment, mehr Trainingstage pro Woche, eine größere Anzahl an Kindern und Berufstätigkeit erhöhen bei männlichen Läufern die Wahrscheinlichkeit eine Laufsucht zu entwickeln. Laufsucht wird als Möglichkeit zur Ablenkung von Sorgen über Kinder bzw. Arbeit und als Konsequenz von Commitment interpretiert (Zarauz Sancho & Ruiz-Juan, 2011).
Macpherson orientierte sich am Modell der Laufsuchtentwicklung von Sachs und Pargman (1997), als sie 1998 den Zusammenhang zwischen Laufvergnügen (welche einen spezifischen Aspekt des Lauf-Commitments darstellt) und Laufabhängigkeit an 80 MarathonläuferInnen untersuchte. Es wurde der „Running Enjoyment Questionnaire”, welcher aus den bipolaren Dimensionen “ intrinsische - extrinsische“ sowie „achievement - nonachievement“ besteht, verwendetet. Es wurde festgestellt, dass LäuferInnen mit höherer Laufabhängigkeit stärker von intrinsisch - achievement und intrinsisch - nonachievement Faktoren motiviert sind als LäuferInnen mit geringer Laufabhängigkeit. Macapherson (1998) schließt daraus, dass erhöhte Laufleidenschaft im Sinne einer intrinsischen Laufmotivation ein Risikofaktor zur Laufsuchtentwicklung sein könnte.
Szabo et al. (19997) untersuchten an 100 LangstreckenläuferInnen die Zusammenhänge von Laufsucht mit Laufengagment (commitment to running scale) und Laufentzug. Ein positiver Zusammenhang zwischen Commitment-Werten und Entzugserscheinungen wurde festgestellt, wenn das Lauftraining unterbrochen werden musste. Diese Zusammenhänge sind nicht über Lauferfahrung und Laufdistanz zu erklären, da diese bei allen LäuferInnen gleich waren. Daraus zog Szarbo den Schluss, dass zwischen Lauf-Commitment und Laufabhängigkeit kein konzeptueller Unterschied besteht. Des Weiteren berichten Läuferinnen stärkere Entzugserscheinungen als Läufer. Carmack und Martins (1979) entwickelten in ihrer Studie, die „commitment to running scale“(CR), welche Lauf-Commitment quantifizierbar macht. An 250 männlichen und 65 weiblichen LäuferInnen unterschiedlichen Leistungsrades und Lauferfahrung wiesen sie nach, dass die Länge der Läufe, ein Gefühl des Unbehagens bei verpassten Läufen sowie die subjektiv wahrgenommene Sucht zu laufen, die Verbundenheit zum Laufsport (als commitment to running) vorhersagen konnten. Höhere Commitment -Werte, die einer starken Verbundenheit zum Laufsport entsprechen, zeigten LäuferInnen, die längere Läufe absolvieren (über 40 min.) oder angaben, laufsüchtig zu sein. Es wurden hohe positive Korrelationen zwischen „Commitment to running“ und dem Gefühl des Unbehagens bei verpassten Läufen sowie der subjektiv wahrgenommenen Sucht zu laufen nachgewiesen. Carmack und Martins gehen von zwei getrennten Konzepten aus: einem, der „positive Laufsucht“ (Glasser, 1976) entsprechenden „Commitment“ (Leedy, 2000) und einer negativ besetzten „Laufabhängigkeit“.
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- Arbeit zitieren
- Miriam Aigner (Autor:in), 2013, Laufsuchtentwicklung bei LangstreckenläuferInnen und Streak Runnern. Einfluss personaler Faktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342083
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