Anlässlich des Todestages von Ernst Abbe, der sich am 14. Januar diesen Jahres zum 100. Mal jährte, begingen die beiden Unternehmen Zeiss und Schott in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einigen hiesigen Vereinen sowie der Stadt Jena die Ernst Abbe Festwoche, welches Integrierung im „Ernst Abbe Jahr 2005“ findet.
Neben dem Ernst Abbe Jahr weißt diese Arbeit einen weiteren aktuellen Bezug auf. Gezielt wird diesbezüglich auf die aktuelle Diskussion von Arbeitgeberseite her, im Zuge der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auch im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen Kürzungen vorzunehmen. Hat Ernst Abbe vor mehr als 100 Jahren einen erfolgreichen Siegeszug auf dem sozialpolitischen Sektor auch und gerade aus Unternehmerinteressen angetreten, so zeigen die Beispiele Opel, Siemens oder auch Daimler-Chrysler, dass die Tendenz aus der heutigen Unternehmensperspektive eine andere Richtung einnimmt.
Ziel dieser Arbeit mit dem Thema „Ernst Abbes sozialpolitisches Denken und Wirken“ soll sein, die betriebliche Sozialpolitik der von Abbe gegründeten Carl Zeiss-Stiftung näher zu beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lebenslauf und Werdegang
2.1. Schulzeit in Eisenach
2.2. Studienzeit in Jena und Göttingen
2.3. Die Frankfurter Zeit
2.4. Die Jenaer Zeit als Hochschullehrer
2.5. Politische und familiäre Hintergründe
2.6. Die erfolgreiche Verbindung mit Carl Zeiss entsteht
2.7. Vom Teilhaber zum Leiter der Zeiss-Werkstätte
2.7.1. Die Phase der Teilhaberschaft
2.7.2. Phase als Leiter der Werkstätte 15
2.8. Die letzten Lebensjahre bis zum Tod 1905
3. Die Carl Zeiss-Stiftung
3.1. Die Voraussetzungen
3.2. Die endgültige Festsetzung des Statuts
3.3. Die Stiftungsverfassung
4. Abbes betriebliche Sozialpolitik
4.1. Das allgemeine Sozial- und Rechtsverständnis Abbes
4.2. Abbes Anwendung der betrieblichen Sozialpolitik
4.2.1. Die allgemeinen Grundlagen
4.2.2. Die Lohnregelung
4.2.3. Die Lohn- und Gehaltsnachzahlung
4.2.4. Die Abgangsentschädigung
4.2.5. Die Pensionseinrichtung
4.2.6. Der Achtstundentag
4.2.7. Die Betriebskrankenkasse
4.2.8. Der Arbeiterausschuss
5. Die Betriebliche Sozialpolitik Abbes im Vergleich
5.1. Allgemein
5.2. Siemens
5.3. Krupp
5.4. Bayer
5.5. Fazit
6. Kritik
7. Die Betriebliche Sozialpolitik nach heutigem Verständnis
7.1. Grundlagen
7.2. Gründe der Gewährung aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht
8. Resümee
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Danksagung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Anlässlich des Todestages von Ernst Abbe, der sich am 14. Januar diesen Jahres zum 100. Mal jährte, begingen die beiden Unternehmen Zeiss und Schott in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einigen hiesigen Vereinen sowie der Stadt Jena die Ernst Abbe Festwoche, welches Integrierung im „Ernst Abbe Jahr 2005“ findet.
Neben dem Ernst Abbe Jahr weißt diese Arbeit einen weiteren aktuellen Bezug auf. Gezielt wird diesbezüglich auf die aktuelle Diskussion von Arbeitgeberseite her, im Zuge der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auch im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen Kürzungen vorzunehmen. Hat Ernst Abbe vor mehr als 100 Jahren einen erfolgreichen Siegeszug auf dem sozialpolitischen Sektor auch und gerade aus Unternehmerinteressen angetreten, so zeigen die Beispiele Opel, Siemens oder auch Daimler-Chrysler, dass die Tendenz aus der heutigen Unternehmensperspektive eine andere Richtung einnimmt.
Ziel dieser Arbeit mit dem Thema „Ernst Abbes sozialpolitisches Denken und Wirken“ soll sein, die betriebliche Sozialpolitik der von Abbe gegründeten Carl Zeiss-Stiftung näher zu beleuchten.
Bevor diese Sozialpolitik anhand ihrer einzelnen Facetten charakterisiert wird, soll ein Einblick in das Denken Abbes gewährt werden. Diesbezüglich wird zu Beginn ein tieferer Einblick in Abbes Lebenslauf und Werdegang durchgeführt, da beim Großen auch das Kleine interessiert[1]. Gerade Erlebnisse aus seiner frühen Kindheit und Jugend prägten und formten ihn derart, dass sie in Teilen einen Anstoß für sein sozialpolitisches Handeln bildeten. Um dies zu verdeutlichen werden im Folgenden auch einige Erfahrungen und Erlebnisse Abbes in die Diskussion der konkreten sozialpolitischen Maßnahme eingebunden, um deren Anstoßwirkung zu verdeutlichen.
Im Anschluss erfolgt die Charakterisierung der von ihm ins Leben gerufenen Carl Zeiss-Stiftung, in deren Statut bereits eine Vielzahl sozialpolitischer Rechte seiner Mitarbeiter verankert waren.
Im vierten Kapitel, welches gleichzeitig den Schwerpunkt der Arbeit bildet, wird die Sozialpolitik Abbes anhand der entsprechenden Einzelmaßnahmen beschrieben. Abgesehen von der Betrachtung der Abgangsentschädigung bis in das Geschäftsjahr 1908/09, ist die Darstellung des sozialpolitischen Wirken Abbes auf seine Lebenszeit beschränkt.
Daran anschließend erfolgt im fünften Kapitel die Charakterisierung der Sozialpolitik der Unternehmen Siemens, Krupp und Bayer, um einen Vergleich mit den Jenaer Stiftungsbetrieben zu ermöglichen. Diese Unternehmen wurden als Vergleich herangezogen, da sie sowohl Gemeinsamkeiten als auch prägnante Unterschiede in ihrer Entwicklung auf sozialpolitischem Niveau jener Zeit aufweisen.
Da auch die Abbesche Sozialpolitik sowohl bezüglich ihrer Intention als auch in ihrer Umsetzung einige, wenn auch marginale Probleme aufwirft, sollen im sechsten Kapitel einige Kritikpunkte ihre Erwähnung finden.
Dem Brückenschlag von der Abbeschen Sicht zum heutigen Verständnis betrieblicher Sozialpolitik soll das siebte Kapitel dienen. Darin wird sowohl ein diesbezüglicher Definitions- und Einteilungsversuch unternommen als auch die Nennung der Gründe, warum diese Sozialleistungen aus Arbeitgeber- und auch aus Arbeitnehmersicht gewährt werden.
Schluss
2.Lebenslauf und Werdegang
2.1. Schulzeit in Eisenach
Ernst Carl Abbe wurde als erstes von zwei Kindern des Fabrikaufsehers Georg Adam Abbe und dessen Frau Elisabeth Christina am 23. Januar 1840[2] in der heutigen Sophienstraße 1[3] in Eisenach geboren. Bis zu seiner Eheschließung 1838 war der Vater in einer Buchdruckerei beschäftigt[4], wechselte jedoch später in die Kammgarnspinnerei von Eichel-Streiber, der zu dieser Zeit der größte Industrielle rund um die Wartburgstadt war. Schon bald zog die Familie in die „Burgmühle“ am Rande der Stadt, welche der Fabrikant Eichel-Streiber zuvor als Wohnhaus gekauft hatte.
Allgemein war das Einkommen der Eltern sehr dürftig, so dass sich die Lebenshaltung der Familie nah an der Armutsgrenze bewegte. Der kleine Abbe war bereits in der Bürgerschule ein guter, ja sogar ausgezeichneter, wenn auch stiller Schüler. Bei der Wahl seiner wenigen Freunde legte der junge Abbe vor allem Wert darauf, etwas hinzu zu lernen. So verkehrte er beispielsweise „mit einigen Gymnasiasten, die sich zu einem naturwissenschaftlichen Kränzchen“[5] zusammengeschlossen hatten. Ebenfalls in dieser Phase der Kindheit Abbes sind die Ereignisse rundum die Revolution 1848/49 zu nennen. Im Zuge der Revolution nahm der alte Abbe, „ein Freidenker, aber kein Revolutionär“[6], Flüchtlinge vom Dresdner Mai-Aufstand in der Mühle auf. Aufgrund der strengen preußischen Polizeiregeln und im Zuge der Unruhen durchgeführten Hausdurchsuchungen, war auch im Hause Abbes unbedingte Vorsicht geboten. Dies bedeutete für die zwei Kinder schon in jungen Jahren Wachsamkeit und Bedacht an den Tag zu legen. In späteren Jahren wird Abbe von diesen Erlebnissen berichten, dass er „früh den Ernst des Lebens kennen gelernt“[7] habe.
So ist durchaus denkbar, dass bereits in dieser Zeit Abbes Wertschätzung für demokratische und liberale Rechte sowie dessen Abneigung gegenüber Preußen und dessen totalitären Charakter entstand.
„Vom siebentem Lebensjahr an besuchte der junge Abbe die Volksschule in Eisenach“[8], wobei sein großer Lerneifer und die überdurchschnittlichen Leistungen bald hervortraten. So ist es nicht verwunderlich, dass ihn die Lehrer am Ende des vierten Schuljahres für eine höhere Schulbildung an der Realschule I. Ordnung, dem späteren Realgymnasium, empfohlen hatte. Hier wurden vermehrt die mathematisch-naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Fächer unterrichtet.
Ein weiteres Indiz dafür, dass sich Abbe bereits früh zu einem leistungsstarken Schüler des Realgymnasiums entwickelt hatte, stellte die Tatsache dar, dass er ab Herbst 1854[9] eine so genannte landesherrliche Freistelle erhielt. Dies bedeutete wiederum für Adam Abbe eine enorme finanzielle Erleichterung, weil damit ein Erlass des Schulgeldes von jährlich 15 Talern verbunden war. Das seine Leistungen den Anforderungen der Schule nicht nur vollauf genügten, sondern gerade in seinen Lieblingsfächern[10] Mathematik und Naturwissenschaft darüber hinausgingen, zeigt die Tatsache, dass Ernst Abbe das Realgymnasium vorzeitig in sieben statt in acht Jahren absolvierte. Dabei legte er, wie schon sein Vater, unermüdliche Strebsamkeit und eisernen Fleiß an den Tag. Dies äußerte sich beispielsweise im letzten Schuljahr darin, dass er sich außerschulisch zusätzlich an Sonn- und Feiertagen sowie in den Ferien mit naturwissenschaftlicher Literatur beschäftigte. Das Selbststudium sollte ein fester Bestandteil seiner Wissensaneignung werden, die er konsequent und hartnäckig beinahe täglich betrieb. Ab April 1856[11] vertiefte Abbe sein Engagement im Naturwissenschaftlichen Verein, in dem die Mitglieder diverse Probleme diskutierten und Vorträge hielten. Im Rahmen dieser Treffen lernte er auch seinen späteren Freund Carl Martin kennen.
Aufgrund seiner Fähigkeiten wurde Abbe mit Beginn der Prima zielstrebig von seinen Lehrern auf eine vorzeitige Beendigung des Realgymnasiums vorbereitet, so dass er am 03. April 1857[12] sein Abiturzeugnis im Empfang nehmen durfte. Dabei erhielt er in sieben Fächern das Prädikat „Recht gut“ („Sehr gut“) und in nur drei Fächern (Französisch, Zeichnen und Religion) ein „Gut“.[13] Die Prüfungskommission entließ ihn mit den Worten, „daß er bei seinem Ernste in dem von ihm gewählten Fache dereinst recht Tüchtiges leisten werde“[14].
Einzig unregelmäßig auftretende starke Kopfschmerzen und heftige Krämpfe konnten ihn bei der Erlangung weiteren Wissens einbremsen. Mit dem 15ten Lebensjahr hatten sich die Krämpfe gelegt, unter dem anderen Übel sollte er bis zu seinem Lebensende leiden.[15] Da sich Adam Abbe mit seinem Fabrikherrn bereits vor der Anmeldung seines Sohnes zum Abiturexamen im Januar 1857 darauf einigte, dass dieser nicht nach Beendigung der Schule in dessen Fabrik eintreten müsse, ging für Ernst Abbe mit der Möglichkeit der Aufnahme eines Studiums ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.
2.2. Studienzeit in Jena und Göttingen
Trotz der Berechnungen von Adam Abbe, nach denen er ein Studium für finanziell unmöglich hielt, konnte ihn sein Sohn von seinem Wunsch überzeugen. Viel zu stolz war der Vater auf die Fähigkeiten seines Sohnes, als sich dessen Vorhaben zu widersetzen. „Am 21. April 1857 traf Ernst Abbe mit 18 Talern und 7 Silbergroschen in der Tasche in Jena ein“[16], jener Stadt, der er, wie kein zweiter, in späteren Jahren seinen Stempel aufdrücken sollte. Die Bedeutung des Tages wird ersichtlich, wenn man sich die Worte Abbes diesbezüglich in seinem Tage- und Notizbuch vor Augen hält: „Des neuen Lebens erster Tag bricht an!“[17]
Die Stadt Jena, in der er ein Studium der Mathematik und Physik aufnahm, war zu dieser Zeit eine Kleinstadt mit ca. 7000 Einwohnern und 470 Studenten[18]. Wie schon zu Kindeszeiten erfahren, konnte ihm nur dann das Studium gelingen, wenn er neben seiner Strebsamkeit weiterhin äußerste Sparsamkeit an den Tag legte. Um selbst zu seinem Unterhalt beizutragen, nutzte er jede sich bietende Gelegenheiten einige Taler hinzu zu verdienen. Trotz teilweiser Befreiung von Vorlesungshonoraren, anderen Vergünstigungen und der bescheidenen Unterstützung des Elternhauses war seine Studienzeit kontinuierlich von einer Geldknappheit geprägt. Umso verwunderlicher ist es, dass er sich trotz dieser finanziell angespannten Lage einige Fachbücher anschaffte, die er sich wohl Wort wörtlich „vom Munde absparte“. Als 17jähriger Student besuchte er u.a. die Vorlesungen für Mathematik und Physik der zuständigen Professoren Karl Snell, seinem späteren Schwiegervater, und Hermann Schaeffer. An dieser Stelle lässt sich wohl mit Recht behaupten, dass gerade Carl Snell, als Lehrstuhlinhaber für beide Fächer, die wissenschaftliche Arbeit des jungen Abbe in besonderem Maße prägte.
Schaeffer leitete die „Mathematische Gesellschaft“ in Jena, an der sich auch Abbe mit insgesamt vier Vorträgen beteiligte. Zwei der vier Vorträge basierten im Wesentlichen auf den Ergebnissen einer physikalischen Preisaufgabe im Rahmen der Herzoglich Sachsen-Altenburgischen Josephinischen Stiftung, die von ihm bereits im ersten Studienjahr bearbeitet worden war. Abbe wurde für seine Lösung der Aufgabe mit dem ersten Preis gekrönt, welcher aus „40 Talern und einer silbernen Medaille“[19] bestand. Für die Jenaer Zeit lässt sich festhalten, dass ihn hauptsächlich das mathematische, theoretisch-physikalische und philosophische Gebiet formte. Die eigenen überdurchschnittlichen Leistungen bestätigten ihn in seiner Gewissheit, dass er sein Studium trotz aller finanziellen Engpässe erfolgreich beenden würde.
Wie zur damaligen Zeit üblich, nahm Abbe zu Ostern 1859[20] einen Universitätswechsel an die Georgia Augusta zu Göttingen vor. Der primäre Grund für diesen Schritt lag im guten Ruf der Universität, der sich über die Landesgrenzen hinweg bis nach England entwickelt hatte. Darüber hinaus war der junge Student der Universität Jena und dem, was ihm die Gelehrten dort bieten konnten, wohl entwachsen. Er musste dorthin, wo „die Meister seiner Wissenschaft lehrten“[21]. Carl Friedrich Gauß und auch Wilhelm Eduard Weber hatten Göttingen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum für Physik, Astronomie, Erdmagnetismus, Elektrizität und Mathematik werden lassen. Dazu haben im Weiteren der Physiker Johann Benedikt Listing, die Mathematiker Karl Justus Ulrich, Moritz Abraham Stern, Bernhard Friedrich Riemann und Ernst Christian Julius Schering sowie der Astronom Ernst Friedrich Wilhelm Klinkerfues beigetragen. Diese Aufzählung der Gelehrten soll verdeutlichen, dass im Gegensatz zu Jena in Göttingen mehr Mathematiker und Physiker lehrten, die vor allem auf ihrem Gebiet der Forschung häufig die führenden waren. Sein Studienalltag war geprägt durch die Vorlesungen im Bereich Mathematik und Physik, wobei er auch jene im Bereich Geschichte der Chemie und Psychologie hörte.
In der Göttinger Zeit schloss er eine enge Freundschaft mit einem Studiengenossen namens Harald Schütz[22], die sein Leben lang anhalten sollte. Neben dem gemeinsamen Fachstudium schweißten vor allem gemeinsame Interessen die Freundschaft zusammen. Beide interessierten sich für „die Philosophie Kants, die Gedanken Alexander von Humboldts“[23] und die Freiheitskämpfe des Italieners Giuseppe Garibaldi. Auch lasen sie gemeinsam Werke von Schopenhauer, wobei dieser Abbe schon damals nicht recht zusagte.[24]
Wie schon in Jenaer Studentenzeiten blieb Abbe auch in Göttingen dem Verbindungsleben fern. In einem Brief äußerte sich Abbe diesbezüglich so, dass er ein ausgewiesener „Feind von gewissen Geselligkeitsschnikschnak in feinen Cirkeln u. dergl.“[25] sei. Einmal abgesehen vom starken Pfeiferauchen, dass er sich in den jungen Studentenjahren angewöhnt hatte und Zeit seines Lebens nicht mehr aufgeben konnte, blieb Ernst Abbe in seinen Ansprüchen und Gewohnheiten auch in seiner Göttinger Zeit stets sehr bescheiden und enthaltsam. Nach vierjährigem Studium erlangte Abbe, kaum 21 Jahre alt, am 23. März 1861[26] die Doktorwürde „summa cum laude“ mit einer Arbeit bei Weber und Riemann über das Thema „Erfahrungsgemäße Begründung des Satzes von der Equivalenz zwischen Wärme und mechanischer Arbeit“[27]. Abbe blieb noch das Sommersemester über als Student in Göttingen. Im Zuge dessen besuchte er vor allem Vorlesungen in Mathematik und arbeitete bei einem Seminar und als Hilfsbeobachter an der Göttinger Sternwarte bei Klinkerfues mit. Er konnte so auch sein astronomischen Interesse ausleben. Nach Abschluss des Sommersemesters sollte er Göttingen in Richtung Frankfurt verlassen.
2.3. Die Frankfurter Zeit
Seine erste Anstellung in Frankfurt beim Physikalischen Verein war nur provisorischer Art, mit 400 Gulden honoriert und auf das Wintersemester 1861/62 begrenzt. Die angenehme Tätigkeit, die gute Ausstattung mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln und auch eine sorgenfreie Stellung, mit einem möglichen Jahresverdienst nicht unter 800 Gulden ließen in Abbe Aussichten aufkommen, „zu denen ich mir nur Glück wünschen kann“[28]. Mit dem Vereinsvorsitzenden Johann Balthasar Lorey, aber auch mit dem Mediziner Alexander Crailsheim pflegte Abbe eine besondere, freundschaftliche Beziehung. Bei Crailsheim schätzte er nicht nur dessen Persönlichkeit und den wissenschaftlichen Eifer, sondern auch dessen Willen, die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Physiologie zu fördern. Ziel dieser Entwicklung war es, „alle Lebensvorgänge kausalanalytisch mit überwiegend experimentell-physikalischen und chemischen Arbeitsmethoden zu erforschen“[29], und somit die bisherige idealistische Lehre der „Lebenskraft“ zu verwerfen. Jene mathematischen Denkart Crailsheims, aber auch seine Strebsamkeit deckte sich völlig mit der Abbes. Neben seinen physikalischen und technischen Aufgaben in Frankfurt ging er auch hier dem Selbststudium nach, was vor allem in die intensive Beschäftigung mit der Mathematik mündete. Er beschäftigte sich hier vor allem mit den ihm zugesandten „Berliner“ Vorlesungen und Mitschriften seines Freundes Harald Schütz.
Die Hoffnung Abbes, dass seine provisorische Anstellung im Verein im Frühjahr 1862 durch die Generalversammlung in eine dauerhafte umgewandelt werden würde, sollte nicht in Erfüllung gehen. Der Antrag auf dauerhafte Anstellung wurde trotz einiger Befürworter im Vorstand abgelehnt. Auf der Suche nach einer ihm entsprechenden Stelle, blieb Abbe, der sich im Laufe seiner noch jungen akademischen Tätigkeit bereits in den einschlägigen Kreisen einen Namen gemacht hatte, nicht allzu lange erfolglos. Mit Hilfe einer Stiftungssumme von 1000 Gulden, die auf ein reiches Frankfurter Vereinsmitglied namens Michel Reiß zurückging[30], konnte sich Abbe einen alten Traum verwirklichen. Er hatte nun die Zeit und die Mittel eine Habilitationsschrift anzufertigen und eine Hochschullaufbahn in Jena einzuschlagen.
2.4. Die Jenaer Zeit als Hochschullehrer
Mit der Ankunft Abbes in Jena am 18. April 1863, ließ er sich ein zweites Mal am Fuße der Kernberge nieder, doch nun sollte es für immer sein. Von seinen ehemaligen Gelehrten Snell und Schaeffer wurde Abbe überaus herzlich aufgenommen, da man jemanden mit seinen Qualifikationen dringend im Bereich Mathematik benötigte.
Seine Habilitationsschrift reichte er mit dem vorläufigen Titel „Ueber die Berücksichtigung der Fehlvertheilung bei Anwendung der Methode d. kleinst. Quadrate“[31] bei der Philosophischen Fakultät der Universität Jena um Pfingsten herum ein. Er griff bezüglich der Thematik auf die gewonnenen Kenntnisse seiner Göttinger Studienzeit zurück, wo er im Sommersemester 1861 eine entsprechende Vorlesung bei Schering, dem Nachfolger von Gauß, besucht hatte. Die Gutachten der Fakultät und des Kurators Moritz Seebeck, dessen Wohlwollen Abbe noch öfter genießen durfte, „waren durchaus anerkennend“[32]. Am 08. und 10. August 1863[33] ging Abbes sehnlichster Wunsch in Erfüllung. Er konnte ohne Ablegung der Staatsprüfung, die ihm erlassen wurde, in den Lehrgebieten Mathematik und Physik habilitieren. Abbe wurde daraufhin Privatdozent an der Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Gesamtuniversität Jena. Diese Anstellung bedeutete ihm soviel, dass er dafür auch auf eine weitaus lukrativere Erwerbsmöglichkeit in Frankfurt verzichtete.
Mit welcher Hingabe sich Abbe dieser neuen Aufgabe widmete, zeigt sich daran, dass er bereits vor seiner Habilitation im Auditorium von Snell unentgeltlich über Potentialtheorie und bestimmte Intergrale lehrte. Die beabsichtigte Veröffentlichung gewonnener Ergebnisse einer Vorlesung im Bereich Mechanik kam, wie so viele Versuche Abbes, nicht über den Anfang hinaus. Grund dafür war nicht etwa die mangelnde Fähigkeit etwas zu veröffentlichen, nein, für Abbe genoss „allzuoft der Drang, etwas [Neues auf seinem Gebiet] zu schaffen“[34] weitaus höhere Priorität als die Pflicht zur Publikation.
Am 05. Mai 1870 wurde er zum außerordentlichen Professor und am 25. Juli 1878 zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt.[35]
2.5. Politische und familiäre Hintergründe
Obwohl Abbe durch seine Tätigkeit im Zuge der Forschung und Lehre stark gebunden war, interessierte ihn wie schon zu seinen Studentenzeiten das politische Geschehen, welches im damaligen Deutschland sehr bewegend war. Mitte der 60er Jahre ver- deutlichte Preußen seine Vormachtstellung nicht zuletzt durch die Kriege gegen Dänemark und Österreich 1864 bzw. 1866. Daran schlossen sich die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 an. Diese Entwicklungen mündeten in der Reichsgründung unter Vorsitz des preußischen Königs Wilhelm I., der somit erster deutscher Kaiser wurde.
Politische Sachverhalte diskutierte Abbe oft mit seinem Kollegen Snell, der „in den Jahren 1865 und 1866 Abgeordneter im Weimarer Landtag war“[36]. Beide verband eine tiefe Abneigung gegenüber Preußen. Aber auch mit dem gleichaltrigen Privatdozent für Zoologie Anton Dohrn, mit dem er ebenfalls eine lange, tiefe Freundschaft pflegte, tauschte er ausführlich politische und wissenschaftliche Meinungen aus.
Durch die enge persönliche Beziehung zu Karl Snell lernte er auch dessen jüngste Tochter Elise kennen. Beide empfanden binnen kürzerer Zeit eine innige Zuneigung zueinander. Am 28. Juni 1870[37] verlobten sie sich, und die Hochzeit fand ohne kirchliche Trauung, sehr zum Ärger des Schwiegervaters Snell, am 24. September des Folgejahres statt. Im den Jahren 1872 und 1874 wurden die Töchter Margarete und Paula geboren. Auch der Typhus, der im Jahr 1875 die ganze Familie heimsuchte, konnte das Familienglück nicht beeinträchtigen, wenngleich finanzielle Schwierigkeiten aufgrund eines dreimonatigen Verdienstausfalls Abbes entstanden. Selbst in späteren Zeiten, in denen die Arbeit und vor allem die gesundheitlichen Lasten Abbes Leben stark bestimmten, blieb das Familienleben harmonisch. Seine Frau Elise war ihm immer eine liebevolle und treue Lebensgefährtin, die mit viel Verständnis sein Schaffen begleitete und förderte. Eine Ausnahme stellte lediglich eine Auseinandersetzung der Eheleute dar, die 1888[38] stattfand, und in der es um die kirchliche Bindung der beiden Töchter hinsichtlich der Konfirmation und der damit nachzuholenden Taufe ging. Nach heftigsten Auseinandersetzungen konnte sich seine Ehefrau mit dem Wunsch nach Konfirmation und Taufe der Töchter durchsetzen. Da ja auch in der eigenen Familie die von Abbe stets gepredigte Toleranz zur Geltung kommen sollte.
2.6.Die erfolgreiche Verbindung mit Carl Zeiss entsteht
Ernst Abbe trat am 03. Juli 1866[39] als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die feinmechanischen Werkstätte Carl Zeiss ein. Ziel der Zusammenarbeit war die „Heranziehung der Wissenschaft“[40] in den Mikroskopbau, der bis zu diesem Zeitpunkt noch stark handwerklich geprägt war und überwiegend auf Erfahrungen beruhte. Die Fertigung von Mikroskopen wurde damals auch als „Probierverfahren“[41] bezeichnet und nahm entsprechend viel Zeit, Mühen und Kosten in Anspruch. Carl Zeiss hatte eine derartige Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Wissenschaft bereits in den 50er Jahren mit Friedrich Wilhelm Barfuß unternommen, die jedoch nicht zu den gewünschten Erfolgen führte. Über die Mitarbeit Abbes in den Werkstätten ist in der Anfangszeit relativ wenig bekannt. Eine Auflistung der gerätetechnischen Entwicklungen durch Abbe bringt diesbezüglich etwas Licht ins Dunkle. So sind z. B. der Fokometer (1867), der Sphärometer, ein verbesserter Spektrometer und der Refraktometer (1869) sowie der Apertometer (1870)[42] zu nennen. Eine Erhöhung der Produktivität versprach sich Abbe vor allem von der Zerlegung des noch handwerklichen Mikroskopbaus in Teilarbeitsschritte. Die Spezialisierung der Mitarbeiter sollte eine Steigerung der Effizienz zu Folge haben.
Neben der Geräteentwicklung hatte sich Abbe ebenfalls in die geometrische und technische Optik eingearbeitet. So begann er mit den ersten Berechnungen diesbezüglich im Februar 1869[43]. Die nach seinen Berechnungen gefertigten Objekte brachten jedoch in den Anfangsjahren nicht die gewünschten Erfolge. Was wiederum auch für Carl Zeiss finanziell „schwere Opfer“[44] mit sich brachte. Dieser sollte jedoch weiter an Abbe festhalten, wohl wissend, dass der auch hier an den Tag gelegte Fleiß und Ehrgeiz Abbes irgendwann in den erhofften Erfolg umgemünzt werden würde.
Am 11. September 1871[45] konnte Abbe, mit der Beendigung der großen Rechenarbeit zur Theorie des Mikroskopbaus hinsichtlich der Auflösungsgrenze einer Linse, das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigen. Ergebnis war die heute allgemein bekannte „Abbesche Sinusbedingung“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Das theoretische Rüstzeug war nun gelegt. Die Herstellung der neuen Objektive auf der Basis der Abbeschen Berechnungen begann unter der Leitung des Werkmeisters A. Löber bereits Ende 1870. Damit verbunden war die Bestätigung der von Abbe geleisteten Arbeit. Die finanzielle Anerkennung durch Carl Zeiss ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten, wenn man sich den Erhalt von 800 Talern vor Augen hält, die Abbe für die seit 1871 verkauften Mikroskope erhielt. Abbe „war damals ganz aus den Wolken gefallen, um so mehr als Herr Zeiss mir sagte, daß ein großer Erfolg mit meinen neu berechneten Objektivkonstruktionen erreicht sei und daß im nächsten Jahr meine Tantieme noch um ein vieles höher sein sollte“[46]. Er hatte zuvor wohl nie eine solch hohe Summe in den Händen gehalten.
Somit hatten Ernst Abbe und Carl Zeiss ihr angestrebtes Ziel 1871/72 erreicht, das Probierverfahren innerhalb des Mikroskopbaus durch eine hinreichend wissenschaftliche Fundierung zu ersetzen.
2.7. Vom Teilhaber zum Leiter der Zeiss-Werkstätte
2.7.1. Die Phase der Teilhaberschaft
Nachdem die Familie Abbe 1875 schwer vom Typhus gezeichnet war, trat Abbe an Zeiss mit der Bitte heran, sein Honorar für das laufende Geschäftsjahr bereits früher erhalten zu können. Ihm schwebte dabei etwa ein Drittel des Reingewinns[47] der Optischen Werkstätte vor. Zeiss hingegen wollte die beiderseitige Zusammenarbeit völlig neu gestalten. Er versprach sich davon, Abbe auf längere Sicht an sein Unternehmen binden zu können. Ernst Abbe akzeptierte dessen Vorschlag vom 19. Mai 1875[48], als stiller Teilhaber in die Optischen Werkstätte einzutreten. Dazu sollte er sich mit einem Drittel des Gesamtkapitals am Unternehmen beteiligen. Nach längeren Verhandlungen wurde der Vertrag auf den 15. Mai 1875[49] zurückdatiert, wobei als Laufzeit 15 Jahre festgelegt wurde. Der Wert des Geschäftes betrug zu diesem Zeitpunkt 66.713,36 M. Abbe brachte zunächst 11.000 M[50], die Hälfte seines Kapitalanteils, als Geldeinlage ein. Die Mittel hierzu musste er sich von Verwandten und Bekannten leihen.
Das er am Reingewinn bis 1885 anstatt mit den vertraglich vereinbarten 33 % sogar mit 40 % beteiligt wurde, spiegelt das vertrauensvolle, ja freundschaftliche Verhältnis zwischen Zeiss und Abbe wieder. Abbe hat dieses Entgegenkommen stets mit Wohlwollen anerkannt und auch nie vergessen.
Abbes Lebenswerk, der Mikroskopbau und die späteren Reformen auf dem Gebiet der Sozialpolitik, hätte ohne die Hilfe von Carl Zeiss nicht stattfinden können. Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass er der später geschaffenen Stiftung dessen Namen verlieh.
Jederzeit bestand für Abbe die Möglichkeit, seine stille Teilhaberschaft durch eine Eintragung ins Handelsregister in eine offene umzuwandeln. Davon machte er jedoch keinen Gebrauch, was erneut zum Ausdruck bringt, dass Abbe Zeit seines Lebens nie das Licht der Öffentlichkeit suchte oder „das Streben nach Titeln und Würden“[51] verspürte. So fand man zum Beispiel einmal in seinem Schreibtisch einen halb aufgerissenen Brief, in dem sich ein Orden befand, den er zur Einweihung des von ihm mitbegründeten Physikalischen Institutes tragen sollte. Man kann sich gut vorstellen, mit welcher Miene Abbe diesen Brief öffnete und beiseite legte,[52] als er den Inhalt erblickte. Der Veranstaltung blieb er im Übrigen fern.
Mit der Teilhaberschaft bei Carl Zeiss war für Abbe jedoch die Verpflichtung verbunden, seine Lehrtätigkeit an der Universität nicht weiter auszudehnen. Er sollte auch weiterhin der Werkstätte im bisherigen zeitlichen Maß zur Verfügung zu stehen. Damit verbunden war der Verzicht auf eine weitere Karriere als Hochschullehrer. Dieser dürfte Abbe, gerade auch vor dem Hintergrund des Besuches von Hermann Helmholtz in Jena am 15. Mai 1878[53], nicht leicht gefallen sein. Jener bot Abbe an, den neu geschaffenen Lehrstuhl für mathematische Physik an der Berliner Universität zu besetzen und gleichzeitig als dritter Direktor des neu geschaffenen Physikalischen Institutes zu fungieren. Obwohl Abbe diese Stelle wie auf den Leib geschnitten war, musste er schweren Herzens verzichten. Auch das Angebot als Jenaer Ordinariat für Physik tätig zu werden, lehnte er ab. Nebenbei sei erwähnt, dass Abbe weiterhin auf Veranlassung des Kurators der Universität „das verwaiste Direktorat der Sternwarte“[54] 1877 übernahm, sowie in der Zeit des krankheitsbedingten Ausfalls Snells 1878 die Fakultätsgeschäfte vertretungsweise innehatte.
Die erstmalige Anerkennung auch außerhalb Jenas erfuhr Abbe 1873, als man ihn im Dezember zum „Mitglied der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher“[55], kurz „Leopoldina“, berief. Des Weiteren führte die Veröffentlichung seiner „Theorie des Mikroskopes“[56] in englischer und französischer Sprache 1875 bzw. 1877 zu einer wachsenden Akzeptanz seiner Leistungen unter den Fachleuten. Die englische „Royal Microscopical Society“[57] stellte ein Zentrum dar, in dem seine Entdeckungen, Theorien und Untersuchungen gern Gehör fanden, noch bevor dies im eigenen Land der Fall war.
Mit der Einführung der homogenen Immersion 1878 konnten Abbe und seine Mitarbeiter das Leistungsvermögen der bis dahin stärksten Mikroskopobjekte noch weiter steigern. Abbe und Zeiss waren sich bereits Anfang der 70er Jahre einig, dass eine weitere Vervollkommnung des Mikroskops primär von den Fortschritten in der Glasschmelzkunst abhängig sei.
Durch die Erfolg versprechenden Probeversuche des Chemikers Dr. Otto Schott wurden in zwei arbeitsreichen Jahren die entscheidenden Versuche zur Gewinnung neuer Glasarten durchgeführt. Dazu wurde mit staatlicher Unterstützung die Gründung der „Glastechnischen Versuchsanstalt“ vollzogen. Diese wurde im Sommer 1885 unter der neuen Firmenbezeichnung „Glastechnisches Laboratorium Schott & Gen.“[58] ins Handelsregister eingetragen. Hinter der Firmenbezeichnung „Genossen“ standen die drei Teilhaber des Zeiss-Werkes, Carl und dessen Sohn Roderich Zeiss, der dem Unternehmen im Jahre 1879[59] beigetreten war, sowie Ernst Abbe. Schon nach kurzer Zeit war das Glaswerk in der Lage, beinahe den gesamten Bedarf an optischen Gläsern in Deutschland zu decken.
Die Entwicklung der Apochromate, die 1886 nach erheblichem Rechenaufwand ihre Vollendung fand, löste bei den Mikroskopikern große Begeisterung aus. Die Vertreter der Wissenschaft, allen voran Dr. Robert Koch, haben die Innovationen der Zeiss-Werke „oft genug dankbar anerkannt“[60]. Auf dem Gebiet der Bakterienforschung wurden durch das Hilfsmittel der Apochromate große Fortschritte erzielt. Dies war ein erneuter Beweis dafür, dass Zeiss und Abbe mit der Verwissenschaftlichung des Mikroskopbaus den richtigen Weg eingeschlagen hatten. welches zu Beginn ihrer Kooperation als ihr Leitziel ausgesprochen wurde.
Im Zuge dessen wurde allerdings auch deutlich, dass Abbe keine Rücksicht auf seine bereits angeschlagene Gesundheit nahm. Auch die Entlastung durch die Einstellung des jungen Physikers Siegfried Czapski 1884, der ihm von Helmholtz wärmstens empfohlen wurde, änderte diesbezüglich wenig. So ist es nicht verwunderlich, dass er „im Winter 1885/86 einen körperlichen Zusammenbruch erlitt“[61]. Die Ursache hierfür ist u.a. in der Entkräftung des Körpers infolge anhaltender Schlafprobleme Abbes zu sehen. Hält man sich die Aussagen von seinem Nervenarzt H. Berger in den Jahren 1903/04 vor Augen, ist es gut möglich, dass Abbe versuchte dieses Leiden durch die Einnahme von Schlafmitteln über einen längeren Zeitraum zu kompensieren. Eine dauerhafte Einnahme derartiger Medikamente wirkt sich jedoch in aller Regel negativ auf die Gesundheit aus.
2.7.2. Phase als Leiter der Werkstätte
Die Erfolge hinsichtlich des wissenschaftlichen Mikroskopbaus ließen den damaligen Handwerksbetrieb in relativ kurzer Zeit zu einem Großunternehmen mit über 1000 Beschäftigten um die Jahrhundertwende werden.
Folgt man der Definition von Joachim Wittig, versteht man unter dem wissenschaftlichen Gerätebau, zu dem auch der Mikroskopbau zählt, „die Entwicklung einer Vielzahl neuartiger optischer Geräte und Instrumente und ihre Herstellung in relativ großen Stückzahlen innerhalb einer optischen Werkstätte“[62]. Dementsprechend war es von Nöten geworden, auch die Fabrikgebäude sukzessive zu vergrößern.
Am 21. Juli 1883 wurde eine Veränderung im Gesellschaftsvertrag vorgenommen. Von da an erhielt jeder der drei Teilhaber eine fünfprozentige Verzinsung des von ihm eingebrachten Gesellschaftsvermögens pro Jahr. Die Verteilung des restlichen Reingewinns war von nun an so geregelt, dass auf Abbe „45 % und auf Carl und Roderich Zeiss zusammen 55 % entfielen“[63]. Weiterhin wurde Abbe zugesichert, dass sich nach dem Ausscheiden von Carl Zeiss, sein Anteil auf 50 % erhöhen sollte. Zeiss setzte folglich Abbe mit seinem Sohn Roderich gleich, was die tiefe Freundschaft und Anerkennung zwischen beiden Persönlichkeiten erneut unter Beweis stellte.
Mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Carl Zeiss ab Ende 1886 und dessen Tod am 03. Dezember 1888[64] fand jene Verbindung allerdings ein trauriges Ende. Abbe hatte an ihm stets bewundert, dass er ein Mann von strengem Pflichtgefühl und sehr entwickelten Gerechtigkeitsgefühl gewesen sei. Zeiss erschien ihm und seiner Umwelt stets wohlwollend, teilnehmend und freundlich. Er war „ein erfreuliches Vorbild menschlicher Tüchtigkeit und Tugend“[65]. Von nun an musste sich Abbe verstärkt der Klärung der Rechtsverhältnisse und der Leitung des Zeiss-Werkes zuwenden. Er widmete sich im Besonderen auch dem sozialpolitischen Bereich, der im Statut der Carl-Zeiss-Stiftung seinen Höhepunkt fand. Auf die einzelnen Reformen wird in den nächsten Kapiteln näher eingegangen.
Abbe erkannte in dieser Zeit, dass mit dem Auftauchen der Apochromate 1886 die Entwicklung im Bereich des Mikroskopbaus an ihre Grenzen geraten war. Die einseitige Ausrichtung des Zeiss-Arbeitsfeldes auf den Mikroskopbereich bürgte laut Abbe zwei Gefahren in sich. Zum einen ist in Zeiten der Stagnation eine innere Verflachung und ein dauernder Verlust der tieferen Triebkräfte[66] des Menschen zu vermuten. Zum anderen gefährdet ein zu schmales Arbeitsfeld die Stabilität des Unternehmens, was weder im Interesse der Eigner noch der Beschäftigten liegen kann. Um die Zukunft der Werkstätte „nicht auf eine Karte zu stellen“[67], gliederte Abbe der ursprünglichen Fabrikation von Mikroskopen ab 1890 folgende Bereiche an: die Fabrikation von neuartigen photographischen Objektiven, optischen Messinstrumenten, Prismenfeldstechern, astronomischen und geodatischen Instrumenten, Entfernungsmessern, Zielfernrohren und weiteren militärischen Instrumenten. So konnte Abbe die Firma Carl Zeiss unabhängiger gegenüber den vorherrschenden Zeitverhältnissen bzw. Konjunkturschwankungen machen. Er fand so nebenbei auch noch die Zeit, der Förderung und „Pflege der naturwissenschaftlichen Studien auf den betreffenden Gebieten“[68] nachzugehen.
Aufgrund der Tatsache, dass sich Roderich Zeiss mehr und mehr mit dem Erreichten zufrieden stellte und sich gegen eine weitere Ausdehnung aussprach, kam es hinsichtlich des weiteren Ausbaus der Optischen Werkstätte zwischen den beiden Teilhabern zu ernsten Meinungsverschiedenheiten. Abbe hingegen sah in den tiefschürfenden, wissenschaftlichen Arbeiten und den wertvollen Erkenntnissen aus den Glaswerken große Entwicklungsmöglichkeiten für die Optik und Feinmechanik. Es ist wohl auch davon auszugehen, dass es in Bezug auf die sozialen Anschauungen Abbes ebenfalls Differenzen zwischen beiden gab. Wenn man sich das kollegiale, ja freundschaftliche Verhältnis zwischen Carl Zeiss und Ernst Abbe in den 70er und 80er Jahren vor Augen hält, kann man sich vorstellen, welche seelischen Belastungen im Zuge der Auseinandersetzungen in ihm entstanden. Eine weitere Zusammenarbeit auf der bisherigen Basis konnte sich Abbe nicht mehr vorstellen. Die Art und Weise, wie die herbeizuführende Auflösung von Statten gehen sollte, überließ er Roderich Zeiss. Er bot ihm an, sich gegen Auszahlung seines Anteils zurückzuziehen, oder die Firma vollständig selbst zu übernehmen. In diesem Fall wäre er dazu bereit gewesen, die Zeisserben, allen voran Roderich, angemessen abzufinden. Roderich Zeiss entschied sich Ende 1889 für das Ausscheiden aus der Firmenleitung und verblieb von nun an als offener Gesellschafter. Die daraus resultierenden jährlichen Zahlungen an die Erben von Carl Zeiss in Form von Gewinnanteilen, Zinsen und allmählicher Amortisation der Beteiligungen, stellten anfangs eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Unternehmenserweiterungen oder die Übernahme größerer sozialer Verpflichtungen wären in nicht optimal verlaufenden Geschäftsjahren gefährdet gewesen. Abbes Lösung diesbezüglich stellte die Umwandlung der Zahlungen „in eine zur Rückzahlung auf 20 Jahre verteilte Obligationsschuld von 2000000 M“[69] dar, in dem auch Abbes Pflichterbe verankert war. In Abbes Gedenkrede zum offiziellen Ausscheiden von Roderich Zeiss rühmte er im Besonderen dessen Verdienste. Vor allem fand der Aufbau einer ständigen kaufmännischen Verwaltung seine besondere Anerkennung. Kein schlechtes Wort ließ er über den Sohn seines alten Freundes kommen, ganz im Gegenteil. Wenn man sich vor Augen hält, dass jener Aufbau der kaufmännischen Verwaltung wohl primär von „Max Fischer mit hervorragenden Geschick und großer Umsicht“[70] vorangetrieben wurde, ist Roderich Zeiss dem Anschein nach zu viel Lob und Anerkennung zugekommen.
Abbe war ab 01. Oktober 1889[71] alleiniger Leiter des Zeiss-Werkes mit bereits „500 Arbeitern“[72]. Er konnte nun planmäßig sein Vorhaben in Bezug auf die bereits erwähnte Erweiterung des Arbeitsfeldes verwirklichen. Neben den wissenschaftlichen Aufgaben kamen auch kaufmännische hinzu. Abbe, Schott und Czapski bildeten diesbezüglich ein Dreigestirn, wobei die oberste Führung, daran ließ Abbe nie Zweifel aufkommen, immer in seinen Händen lag. Wenn man sich die Einarbeitung Abbes auf neuen Gebieten, wie beispielsweise der kaufmännischen Leitung, ansieht, ist auch hier seine immer wiederkehrende Vorgehensweise erkennbar. Sein Handeln war stets geprägt von unermüdlichem Eifer, tiefgründigem Forschen und unerbittlicher Logik[73].
Eine durchaus großzügige Auffassung bekundete Ernst Abbe in der Frage des Urheberrechts und der damit verbundenen Anmeldung von Patenten. Bis 1890 meldete er auf die bis dahin gefertigten rein wissenschaftlichen Instrumente kein Patent an. Nach seiner Auffassung hätte der Patentschutz den Fortschritt in Forschung und Lehre nur behindert. Obwohl er diesen Grundsatz gern weiterverfolgt hätte, zwangen ihn später jedoch wirtschaftliche Gesichtspunkte als Leiter des Zeiss-Werkes dazu, die Urheberrechte auf Instrumente für den industriellen und allgemeinen Gebrauch durch Patente und Gebrauchsmuster schützen zu lassen. Hierzu wurde im Herbst 1898[74] eine eigene Patentabteilung bei Zeiss gegründet.
Durch den von Abbe vorangetriebenen „Übergang vom Mikroskopbau zum allgemeinen wissenschaftlichen Gerätebau entwickelte sich das Zeiss-Werk zu einem bedeutenden Konzern, der seine führende Rolle in der feinmechanisch-optischen Industrie behaupten konnte.“[75] Dies spiegelte sich in der Umsatz-, Gewinn- und Beschäftigtenentwicklung entsprechend positiv wieder.
2.8. Die letzten Lebensjahre bis zum Tod 1905
Abbes großartige Leistungen wurden von den verschiedensten Akademien der Wissenschaft um die Jahrhundertwende gewürdigt. So wurde er in Berlin 1896 und in Wien 1900 als korrespondierendes Mitglied gewürdigt, oder auch zum Ehrenmitglied in Leipzig und Göttingen 1901 ernannt.[76]
Abbes schied aus gesundheitlichen Gründen am 01. April 1903[77] aus der Optischen Werkstätte aus. Diese hatte sich bis dahin zu einem Großbetrieb mit inzwischen 1350[78] Beschäftigten entwickelt. Der Belegschaft und den Geschäftsangehörigen wurde der Austritt Abbes am 24. September bekannt gegeben. Daraufhin führten ca. „1500 Angehörige der Stiftungsbetriebe“[79] Anfang Oktober einen Fackelzug zum Hause Abbes durch, an dem er wohl wirkliche Freude empfand. Am Rande sei erwähnt, dass Abbe seine Nachfolge als Geschäftsführer mit der Berufung des Physikers Rudolf Straubel bereits frühzeitig geregelt hatte.
Ab dem Frühjahr 1904 nahmen seine physischen und psychischen Kräfte unaufhaltsam ab. Besucher, wie Moritz von Rohr, die ihn in dieser schweren Zeit aufsuchten, berichteten, dass er nichts mehr hören wollte, „was irgendwie mit dem Geschäftsleben verbunden war“[80]. Die gewaltigen Belastungen im Werk, verbunden mit dem übermäßigen Tabakgenuss, der Einnahme von Schlafmitteln und den vielen Nachtarbeiten hinterließen deutliche Spuren, die jetzt nicht mehr zu glätten waren. Die „schweren Nervenleiden“[81] waren ab Oktober so groß, dass man täglich das Ende von Abbe erwartete. Davon erlöst wurde er jedoch erst am 14. Januar 1905. Drei Tage später fand die Trauerfeier im Volkshaus statt. Viele Zeissianer, Weggefährten, auswärtige Abgesandte und Jenaer wohnten diesem Ereignis bei, um einer der bedeutendsten Personen seinerzeit die letzte Ehre zu erweisen.
3.Die Carl Zeiss-Stiftung
3.1. Die Voraussetzungen
Die deutsche Gesellschaft war gekennzeichnet von einem „grundlegenden Wandlungsprozeß“[82], geprägt durch die industriellen Revolutionen und den damit verbundenen Modernisierungen in der Industrie. In den neunziger Jahren waren es vor allem die noch jungen Industriezweige der Elektrotechnik, der Chemie, der Elektroenergie, aber auch der feinmechanisch-optische Industrie, die der deutschen Wirtschaft neue Impulse gaben. Die marktwirtschaftliche Ordnung, aber auch Militarisierung und aggressive Außenpolitik seitens Wilhelm II. formten das Bild des noch jungen Reiches. Die Innenpolitik war u.a. von einer harten Haltung gegenüber der Sozialdemokratie gekennzeichnet, die ihren Höhepunkt in dem „Gesetz betreffend die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, kurz „Sozialistengesetz“, vom 21. Oktober 1878 fand.[83]
Mit der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 und der daran anschließenden Gründung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), konnten sich deren Wählerstimmen auch mit Hilfe der Gewerkschaften nahezu verdreifachen. In die Gewerkschaften trat sukzessive ein Großteil der Arbeiter ein. Wobei deren Einflüsse auch später vor den Toren des Zeiss-Werkes nicht halt machen sollten.
Trotz der schwankenden Haltung der Herrschenden zur staatlichen Sozialpolitik, konnte Bismarcks ab 1883 seine Sozialgesetzgebung in Form von Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Rentenversicherung umsetzen. Bezüglich der Dauer der Arbeitszeit, sowie der Gewährung von Urlaub und dessen Bezahlung gab es jedoch keine gesetzlichen Regelungen, sodass diese Angelegenheiten im Ermessen des Unternehmers lagen. Bismarcks Politik sozialer Sicherung bot den Arbeitern in Industrie und Gewerbe Halt und Hilfe an, falls sie nicht mehr arbeitsfähig waren. Den Schutz sowie den Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit abzusichern oder gar den Arbeitern gleichwertige Rechte gegenüber den Unternehmern einzuräumen, schlug er allerdings aus.[84]
Abbe suchte nach dem Tod seines früheren Partners und Freundes eine Möglichkeit, die Optische Werkstätte gegen das Interesse von eigennützigen Aktionären, wie dies bei Aktiengesellschaften der Fall war, zu schützen. Nicht Gewinn, Rendite und Dividende sollten das Ziel des Werkes sein, sondern eine nachhaltige Unternehmensentwicklung sowie Vor- und Fürsorge bezüglich der Zeissschen Fachkräfte.
Weiterhin ist im Vorfeld der Gründung der Carl Zeiss-Stiftung zu erwähnen, dass Abbe bereits ab April[85] 1886 der Jenaer Universität fast jährlich ansteigende Fördermittel zur Verfügung stellte. Die monetäre Unterstützung bezeichnete er als „Ministerialfonds für wissenschaftliche Zwecke“[86], wobei er sich bezüglich der Zuwendungen fortwährend Geheimhaltung von Seiten der Universität erbat. Der Grund seiner Unterstützung war unverkennbar; Abbe betrachtete die Jenaer Universität stets als eine der Quellen, die den Aufstieg der Optischen Werkstätte, aber auch seinen eigenen erst ermöglicht hatten.
So ist an dieser Stelle ein Verweis auf seine Jenaer Zeit als Hochschullehrer von Nutzen. Im Zuge der Tätigkeit eines Privatdozenten wurde Ernst Abbe nur geringfügig vergütet. Als zusätzlich auch noch die Gelder eines privaten Gönners zur Neige gingen, geriet Abbe Anfang 1865 in arge Geldnöte. Nachdem er daraufhin Schulden aufgebaut hatte, musste er dem bereits erwähnten Kurator Seebeck erklären, „daß er seine Stellung aus Geldmangel nicht mehr aufrechterhalten könne“[87]. Er trug sich vielmehr mit dem Gedanken, sein Staatsexamen nachzuholen und einer Lehrertätigkeit an einem Realgymnasium nachzugehen, der er jedoch noch immer eher ablehnend gegenüber stand. Doch Seebeck, der seine hervorragende wissenschaftliche Begabung und seinen „eisernen Fleiße“[88] zu schätzen gelernt hatte, setzte sich für ihn ein. Abbe bekam eine staatliche Unterstützung von „zuerst 200, bald darauf 300 und schließlich 500 Taler[n] jährlich“[89]. Seine akademische Laufbahn war somit auf längere Sicht finanziell abgesichert. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Abbe sein Vorhaben, die Hochschule zu verlassen, aus dieser monetären Zwangslage heraus in die Tat umgesetzt hätte.
1887/88 stand bei ihm der Gedanke im Mittelpunkt, nach seinem Tode sein industrielles Vermögen der Universität zu überlassen, was gleichzeitig mit der Übernahme der Fürsorge- und Erhaltungspflicht für das Werk und seiner Beschäftigten verbunden gewesen wäre. Der Firma Zeiss sollte es nach Abbes Ansicht nicht so ergehen, wie am Anfang des 19. Jahrhunderts der erfolgreichen optischen Werkstätte von Uzschneider und Fraunhofer. Deren optisches Unternehmen war nach dem Tode Fraunhofers „an dem kurzsichtigen Eigennutz der Inhaber“[90] gescheitert und zu Grunde gegangen.
Anbei ist zu erwähnen, dass Abbe bis 1889, lediglich den hälftigen Anteil an der Optischen Werkstätte und ein Drittel der Glaswerke hielt. Als Universalerbe sollte der Weimarsche Staat eingesetzt werden unter den Bedingungen, die aus der Denkschrift vom 04. Dezember 1887[91] hervorgehen, wobei er auch hierüber Geheimhaltung wünschte.
Aufgrund rechtlicher Bedenken Weimars empfahl der damalige Regierungsrat Rothe Abbe, eine juristische Person in Form einer Stiftung zu gründen, welches mit der Unterzeichnung der Stiftungsurkunde am 19. Mai 1889 sodann erfolgte. Der Stiftung verlieh er den Namen „Carl Zeiss-Stiftung“, was symptomatisch für die Charaktereigenschaft Abbes war. Er trat mit seiner eigenen Person sein ganzes Leben zurück, sodass er „den Namen Carl Zeiss gewissermassen als Pseudonym benutzte“[92]. Die in der Stiftungsurkunde enthaltenen 17 Paragraphen fokussierten sich auf deren Zweck, der in der Pflege der Stiftungsbetriebe, der Förderung der Universität Jena, sowie in der Fürsorge der Beschäftigten und in der Erfüllung sozialer Pflichten lag[93]. Auch die Verwaltung und die Verwendung der Stiftungsmittel wurden darin festgelegt.
Auf den Erbeinsetzungsvertrag, der im gleichen Zeitraum in Kraft trat und das private Vermögen der Familie Abbe nach seinem Tod regelte, soll nicht näher eingegangen werden, da dieser schon zwei Jahre später durch ein Vertrag unter Lebenden ersetzt wurde. Seine Familie enterbte Abbe „fast vollständig“[94], wenn man sich vor Augen hält, dass sie statt einigen Millionen lediglich ein paar hunderttausend Mark bekamen. Aufgrund der zu Beginn bereits erwähnten Auseinandersetzung mit Roderich Zeiss und dessen anschließenden Austritt, übertrug Abbe mit dem o.g. Vertrag unter Lebenden, der am 17. Juni 1891[95] unterzeichnet wurde, sein industrielles Vermögen der Stiftung. Daraus resultierte die volle Übernahme der Optischen Werkstätte und des hälftigen Anteils an den Glaswerken nach dem Stand der Eingangsbilanz vom 01. Oktober 1890 durch die Stiftung. Die restlichen 50 % der Glaswerke, was dem Anteil von Otto Schott entsprach, flossen erst am 01. April 1919[96] in die Stiftung ein.
Ernst Abbe wurde bevollmächtigter Vertreter der Stiftung, wobei im Zuge dessen Otto Schott und Siegfried Czapski Prokura erhielten. Mit der Gründung der Carl Zeiss-Stiftung war der Weg geebnet für ein breiteres Fertigungsprogramm und damit verbunden mit einer Erhöhung der wirtschaftlichen Stabilität der Stiftungsunternehmen. Des Weiteren hielt es Abbe für notwendig, neben dem Ausbau bereits getätigter kleinerer sozialer Verbesserungen, die Arbeitszeit in den nächsten Jahren zu verkürzen. Auf die Umsetzung seiner umfassenden sozialpolitischen Maßnahmen wird in einem gesonderten Kapitel näher eingegangen.
3.2. Die endgültige Festsetzung des Statuts
Es wird deutlich, dass Abbes Absicht darin lag, das Statut der Stiftung zügig auszuarbeiten, was allerdings durch die rasche Unternehmensentwicklung und den noch zu klärenden finanziellen Angelegenheiten mit Roderich Zeiss nur schleppend voran ging und somit weitere fünf Jahre in Anspruch nahm.
Am 26. August 1896[97] konnte Abbe anlässlich des fünfzigsten Gründungsjahres der Optischen Werkstätte den Beschäftigten der beiden Stiftungsunternehmen das Statut der Carl Zeiss-Stiftung[98] eröffnen. In der diesbezüglichen Gedächtnisrede im Dezember akzentuierte Abbe getreu seiner Charaktereigenschaften nicht seinen Anteil an der erfolgreichen Entwicklung der Werkstätte, sondern den von Carl und Roderich Zeiss, Otto Schott und den wissenschaftlichen Vorarbeiten Fraunhofers. Am Ende jener Rede hob er das Statut der Stiftung als neue Verfassung hervor, „daß die Optische Werkstätte Carl Zeiss auf den Grundlagen ihrer neuen Verfassung weiterhin blühen und gedeihen möge – zum Segen aller, die in ihren Verbund eintreten, zum Dienste des Gemeinwohls, zur Ehre deutscher feintechnischer Industrie“[99].
Im Vergleich zur Stiftungsurkunde vom Mai 1889, die zumeist nur allgemeine Richtlinien aufstellte, legt das Statut anhand der 122 Paragraphen[100] die Einzelheiten fest. Der Schwerpunkt des Statuts wurde im Gegensatz zur Stiftungsurkunde, die vorwiegend die Verwendung der Stiftungserlöse zu Universitätszwecken betonte[101], auf die Steigerung der wirtschaftlichen Gesamterträge[102] der Stiftungsbetriebe gelegt. Darüber hinaus enthielt das Statut weitere Regelungen zu den Bereichen Verwaltung und Führung sowie dem Arbeiter- und Angestelltenrecht. In Bezug auf Zweck bzw. Ziel und Sinn der Stiftung knüpfte Abbe im Stiftungsstatut von 1896 an die Aussagen der Stiftungsurkunde von 1889 an.
Will man die Motive und Erläuterungen Abbes zum Entwurf des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung näher beleuchten, so ist ein Verweis an den Titel X. seiner sozialpolitischen Schriften[103] geeignet. Gleich zu Beginn wird darin Abbes Grundüberlegung deutlich, die Geschäftsunternehmungen in unpersönlichen Besitz, und damit unabhängig von persönlichen Interessen, zu stellen, was in der juristischen Person in Form einer Stiftung Ausdruck fand. Die Stiftung sollte somit die Tätigkeit der Stiftungsunternehmen „auf Dauer sichern und die Risiken der Geschäftsführung begrenzen“[104]. Oft wird Abbes geschaffene Stiftung der Charakter einer milden Stiftung zugeschrieben, die als eine Art Wohltätigkeitseinrichtung vielseitige soziale Aufgaben übernahm. Doch davon wendete sich Abbe rigoros ab, „denn das Ziel meiner Bestrebungen ist durchaus nicht, in meinem Wirkungskreis Caritas zu befördern, sondern ganz allein: die Rechtslage aller derjenigen zu heben, die in diesen Wirkungskreis eingetreten sind oder in Zukunft eintreten mögen“[105]. Pierstorff drückte Abbes diesbezügliche Stiftungspolitik wie folgt aus: „Er wollte die Starken stark erhalten, sie davor bewahren, daß sie in Schwäche fielen“[106]. Die in Zukunft getätigte Geschäftspolitik sollte sich an klare Regeln halten, die durch die Formulierung der Stiftungszwecke[107] zum Ausdruck gebracht wurden.
[...]
[1] UACZ. Bestand: Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 14.
[2] UACZ. Bestand: Nr. 30071 (Elster, Alexander: Ernst Abbes Sozialpolitik), S.1.
[3] UACZ. Bestand: Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 14.
[4] Wittig, Abbe, S. 8.
[5] UACZ. Bestand: Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 15.
[6] Wittig, Abbe, S. 10.
[7] UACZ. Bestand: Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 17.
[8] Wittig, Abbe, S. 11.
[9] L.c.
[10] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30056 (Wesselhoeft, Werner: Ernst Abbe als Führer der Volksgemeinschaft, Jena 1927), S. 8.
[11] Wittig, Abbe, S. 12.
[12] L.c., S.16.
[13] L.c., S. 15.
[14] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 18.
[15] Wittig, Abbe, S. 12.
[16] L.c., S. 17.
[17] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20319 (Tage- und Notizbuch von Ernst Abbe aus den Jahren 1856/ 57).
[18] Wittig, Abbe, S. 17.
[19] Wittig, Abbe, S. 21.
[20] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20579 (Zum 100 jährigen Geburtstag Ernst Abbes am 23. Januar 1940: Lebensbeschreibung, Dr. Ernst Abbe und Carl Zeiss, das neue Glas, seine Mitarbeiter und Freunde, Prof. Dr. Ernst Abbe und sein Werk), S. 4.
[21] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30056 (Wesselhoeft, Werner: Ernst Abbe als Führer der Volksgemeinschaft, Jena 1927), S. 11.
[22] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30125 (Petrenz, Otto: Aus Abbes Kindheit und Jugendzeit), S. 18.
[23] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30056 (Wesselhoeft, Werner: Ernst Abbe als Führer der Volksgemeinschaft, Jena 1927), S. 11.
[24] Wittig, Abbe, S. 19.
[25] Abbe, Briefe, S. 51.
[26] Wittig, Abbe, S. 29.
[27] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 31242 (Fieseler, Franz: Ernst Abbe und sein Werk), S. 4.
[28] Abbe, Briefe, S. 135.
[29] L.c.
[30] Rohr, Ernst Abbe, S. 17.
[31] Wittig, Abbe, S. 36.
[32] Rohr, Ernst Abbe, S. 16.
[33] Wittig, Abbe, S. 38.
[34] Abbe, Abhandlungen, Bd. 1, S. IV.
[35] Wittig, Abbe, S. 41.
[36] L.c., S. 84.
[37] L.c., S. 87.
[38] L.c., S. 113.
[39] L.c., S. 43.
[40] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 14428 (Paga, Georg: Das Zeiss-Werk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena), S. 2.
[41] Wittig, Abbe, S. 74.
[42] L.c., S. 59 f.
[43] Rohr, Ernst Abbe, S. 27.
[44] Abbe, Abhandlungen, Bd. 2, S. 341.
[45] Rohr, Ernst Abbe, S. 34.
[46] Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, S. 138.
[47] Wittig, Abbe, S. 89.
[48] L.c.
[49] Rohr, Ernst Abbe, S. 45.
[50] Wittig, Abbe, S. 90.
[51] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20579 (Zum 100 jährigen Geburtstag Ernst Abbes am 23. Januar 1940: Lebensbeschreibung, Dr. Ernst Abbe und Carl Zeiss, das neue Glas, seine Mitarbeiter und Freunde, Prof. Dr. Ernst Abbe und sein Werk), S. 5.
[52] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30056 (Wesselhoeft, Werner: Ernst Abbe als Führer der Volksgemeinschaft), S. 30.
[53] Rohr, Ernst Abbe, S. 93.
[54] Wittig, Abbe, S. 93.
[55] L.c., S. 95.
[56] Abbe, Abhandlungen, Bd. 1, S. 34.
[57] Auerbach, Ernst Abbe, S. 276.
[58] Wittig, Abbe, S. 106.
[59] Rohr, Geschichte, S. 89.
[60] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 14428 (Paga, Georg: Das Zeiss-Werk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena), S. 1.
[61] Wittig, Abbe, S. 108.
[62] Wittig, Optik, S. 303.
[63] Wittig, Abbe, S. 114.
[64] L.c., S. 115.
[65] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 14428 (Paga, Georg: Das Zeiss-Werk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena), S. 2.
[66] Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, S. 83.
[67] Rohr, Geschichte, S. 91.
[68] L.c.
[69] L.c., S. 92.
[70] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 14428 (Paga, Georg: Das Zeiss-Werk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena), S. 2.
[71] Rohr, Geschichte, S. 90.
[72] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 13590 (Abschrift eines Artikels vom Bundespräsidenten Theodor Heuß mit dem Thema „Abbe, Ernst Carl, Physiker und Sozialreformer“), S. 4.
[73] L.c.
[74] Rohr, Ernst Abbe, S. 157.
[75] Wittig, Abbe, S. 125.
[76] L.c., S. 131.
[77] Rohr, Ernst Abbe, S. 209.
[78] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 31242 (Fieseler, Franz: Ernst Abbe und sein Werk), S. 5.
[79] Rohr, Ernst Abbe, S: 209.
[80] Rohr, Geschichte, S. 115.
[81] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20456 (Rohr, Moritz von: Benediktbeurn und Jena. Zum Rückblick auf Ernst Abbes Wirken), S. 53.
[82] Mühlfriedel, Zeiss 1846-1905, S.164.
[83] Hentschel, Sozialpolitik, S. 33.
[84] L.c., S. 10.
[85] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20638 (Ernst Abbe und Erben: Entwurf der Urkunden zur Schaffung des Ministerialfonds vom 9. April 1886).
[86] Mühlfriedel, Zeiss 1846-1905, S. 173.
[87] Rohr, Ernst Abbe, S. 19.
[88] Rohr, Ernst Abbe, S. 20.
[89] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30056 (Wesselhoeft, Werner: Ernst Abbe als Führer der Volksgemeinschaft), S. 17.
[90] Schomerus, Geschichte, S. 100.
[91] Schomerus, Werden und Wesen, S. 28-32.
[92] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30072 (Czapski, Siegfried: Ernst Abbe als Arbeitgeber), S. 4.
[93] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20641 (Stiftungsurkunde für die Carl-Zeiss-Stiftung vom 19. Mai 1889).
[94] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 30072 (Czapski, Siegfried: Ernst Abbe als Arbeitgeber), S. 32.
[95] Mühlfriedel, Zeiss 1846-1905, S. 185.
[96] Auerbach, Zeisswerk 2, S. 202.
[97] L.c., S. 189.
[98] Schomerus: Werden und Wesen, S. 216.
[99] Gedächtnisrede zur Feier des 50jährigen Bestehens der Optischen Werkstätte, gehalten am 12. Dezember 1896. In: Abbe, Ab-handlungen, Bd. 3, S. 95.
[100] siehe Teil IX. Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu Jena (1896) nebst Ergänzungsstatut (1900). In: Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, hier: S. 262-329.
[101] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 31910 (Piersdorff, Julius: Die Carl Zeiß-Stiftung – ein Versuch zur Fortbildung des großindustriellen Arbeitsrechts), S. 27.
[102] siehe § 40 Allgemeine Direktiven für die Geschäftspolitik der St.-Betriebe, Titel III. Allgemeine Normen für die geschäftliche Tätigkeit der Stiftung. IX. Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu Jena, In: Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, hier: S. 280.
[103] Titel X. Motive und Erläuterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung. 1895. In: Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, S. 330-372.
[104] Plumpe, Menschenfreundlichkeit; S. 22.
[105] Titel X. Motive und Erläuterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung. 1895. In: Abbe, Abhandlungen, Bd. 3, S. 331.
[106] UACZ. Bestand: BACZ Nr. 20463 (Pierstorff, Julius: Ernst Abbe als Sozialpolitiker), S. 123.
[107] IX. Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu Jena, Titel I. Konstituierende Bestimmung, § 1. Zwecke der Stiftung, Die Zwecke der Stiftung sind: A im Rahmen der Stiftungsbetriebe.
1. Pflege der Zweige feintechnischer Industrie, welche durch die Optische Werkstätte und das Glaswerk unter Mit- wirkung des Stifters in Jena eingebürgert worden sind, durch Fortführung dieser Gewerbsanstalten unter unpersönlichen Besitztitel; im besondern:
2. Dauernde Fürsorge für die wirtschaftliche Sicherung der genannten Unternehmen sowie für Erhaltung und Weiter- bildung der ihnen gewonnenen industriellen Arbeitsorganisation – als der Nahrungsquelle eines zahlreichen Personen- kreises und als eines nützlichen Gliedes im Dienst wissenschaftlicher und praktischer Interessen;
3. Erfüllung größerer sozialer Pflichten, als persönliche Inhaber dauernd gewährleisten würden, gegenüber der Gesamtheit der in ihnen tätigen Mitarbeiter, behufs Verbesserung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Rechtslage.
B außerhalb der Stiftungsbetriebe.
1. Förderung allgemeiner Interessen der obengenannten Zweige feintechnischer Industrie im eigenen Wirkungskreis der Stiftungsbetriebe wie außerhalb derselben;
2. Betätigung in gemeinnützigen Einrichtungen und Maßnahmen zugunsten der arbeitenden Bevölkerung Jenas und seiner nächsten Umgebung;
3. Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Studien in Forschung und Lehre.
- Quote paper
- Frank Hottenrott (Author), 2006, Ernst Abbes sozialpolitisches Denken und Wirken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341546
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