In was für Zeiten leben wir eigentlich? Beim Versuch diese Frage zu beantworten, hört man immer wieder auch das Schlagwort von der 'Postmoderne'. Gerade in populärwissenschaftlichen und journalistischen Publikationen erfreut sich der Begriff zunehmender Beliebtheit. Doch gibt es auch eine wissenschaftliche Definition, was 'postmodern' sein soll? Anders als der Begriff der Moderne hat die Postmoderne als analytisches Instrument noch kaum Eingang in die Sozialwissenschaften gefunden. Anwendung gefunden hat das Konzept der 'Postmoderne' dagegen in Kunst und Kultur und der kulturphilosophischen Reflexion über diese. Daher versucht auch diese Arbeit "Architektur der Postmoderne" das spezielle Thema, in die weiter gefasste Kulturdiskussion einzubetten. Hierzu wird eingangs auf die Entstehung des Konzepts in der Philosophie eingegangen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Beiträgen von Jean-François Lyotard, Leslie A. Fiedler und Jacques Derrida. Bevor auf die Besonderheiten postmoderner Baukunst eingegangen wird, werden die allgemeinen Merkmale postmoderner Kunst besprochen. Im zweiten Teil werden so dann exemplarisch einige Praktiker und Theoretiker postmodernen Bauens vorgestellt. Dazu gehören Robert Venturi, Charles Jencks, Heinrich Klotz und Oswald Matthias Ungers. Abschließend werden die ästhetischen Strategien postmoderner Architektur am Beispiel konkreter Bauten veranschaulicht. Abgerundet wird die Arbeit mit einem kurzen Vergleich moderner und postmoderner Stadtkonzeptionen, hier soll die gesellschaftliche Relevanz der Architektur über die bloße ästhetische Ausgestaltung einzelner Gebäudes hinaus deutlich werden.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1 Die Entstehung des Konzepts der Postmoderne in der Kunst
1.1 Begriffsgeschichte
1.2 Philosophische Beiträge zur Postmodernität
1.2.1 Jean-François Lyotard
1.2.2 Leslie A. Fiedler
1.3 Merkmale postmoderner Kunst
2 Theoretiker und Praktiker postmoderner Architektur
2.1 Robert Venturi
2.2 Charles Jencks
2.3 Heinrich Klotz
2.4 Oswald Matthias Ungers
3 Merkmale und ästhetische Strategien postmoderner Architektur am Beispiel ausgewählter Bauten
4 Die Postmoderne Stadt
4.1 Moderne Stadtkonzeptionen
4.2 Postmoderne Stadtkonzeptionen
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
In was für Zeiten leben wir eigentlich? Bei den Versuchen diese Frage zu beantworten, hört man immer wieder auch das Schlagwort von der ‚Postmoderne’. Gerade in populärwissenschaftlichen und journalistischen Publikationen erfreut sich der Begriff zunehmender Beliebtheit. Doch gibt es auch eine wissenschaftliche Definition dessen was ‚postmodern’ eigentlich sein soll? Bezeichnet man damit nur einen neuen Trend oder gar eine neue Epoche?
Anders als der Begriff der Moderne hat die Postmoderne als analytisches Instrument noch so gut wie keinen Eingang in die Sozialwissenschaften gefunden. Zwar wäre es denkbar in der Soziologie eine postmoderne Dienstleistungsgesellschaft von der modernen Industriegesellschaft abzugrenzen oder in den Geschichtswissenschaften die neue Pluralität der Weltordnung nach dem Ende des großen Systemkonflikts des 20. Jahrhunderts als postmodern zu bezeichnen, doch wäre fraglich ob das den Kern der zu beschreibenden Phänomene trifft. Anwendung gefunden hat die Idee von der ‚Postmoderne’ dagegen vor allem in Kunst und Kultur und der kulturphilosophischen Reflexion darüber.
Daher versucht auch diese Hausarbeit ‚Architektur der Postmoderne’ das spezielle Thema in die etwas weiter gefasste Kulturdiskussion und den Kanon der anderen Künste einzubinden. Hierzu soll unter dem Oberpunkt 1 auf die Entstehung des Konzepts der Postmoderne in der Philosophie und der Kulturtheorie eingegangen werden. Nach einer allgemeinen Begriffsdefinition (1.1), soll vor allem auf die Beiträge zur Postmoderne-Diskussion (1.2) von Jean-François Lyotard und Leslie A. Fiedler, denen jeweils ein Unterpunkt gewidmet ist, sowie von Jacques Derrida eingegangen werden. Bevor auf die Besonderheiten postmoderner Baukunst eingegangen wird, werden unter 1.3 noch einmal die allgemeinen Merkmale postmoderner Kunst erläutert. Der zweite Oberpunkt ‚Theoretiker und Praktiker postmoderner Architektur’ möchte exemplarisch anhand einiger Personen in die Theorie postmodernen Bauens einführen, dazu wird näher auf Robert Venturi, Charles Jencks, Heinrich Klotz und Oswald Matthias Ungers eingegangen. Mehr der praktischen Seite ist der Oberpunkt 3 gewidmet, welcher die zuvor theoretisch besprochenen ästhetischen Strategien postmoderner Architektur anhand einiger Bauten veranschaulichen soll.
Abgerundet werden soll diese Arbeit mit einem kurzen Vergleich moderner und postmoderner Stadtkonzeptionen (Oberpunkt 4), hier soll die gesellschaftliche Relevanz der Architektur über die bloße ästhetische Ausgestaltung eines einzelnen Gebäudes hinaus deutlich werden. Zudem zeigt sich in den Vorstellungen vom Städtebau noch einmal sehr deutlich die Unterschiedlichkeit der beiden Ansätze Moderne und Postmoderne.
1 Die Entstehung des Konzepts der Postmoderne in der Kunst
1.1 Begriffsgeschichte
Der Ausdruck der Postmoderne avancierte in sämtlichen Künsten zum relevanten Stil-Begriff, neben der Dichtung erlangte er vor allem in Architektur und Musik Bedeutung. Als kleinsten gemeinsamen Nenner postmoderner Kunst, lässt sich die bewusste Abgrenzung von der Moderne und deren ästhetischen Verfahren ausmachen.
Ende der fünfziger Jahre tauchte das Schlagwort von der Postmoderne erstmals in der Kultur- und Kunsttheorie als ein vorerst noch negativ besetzter Begriff auf, der einen allgemeinen Erschöpfungszustand in der modernen Kunst meinte, welche nur noch zu Imitationen in der Lage sei. In den 60er Jahre wurde der Begriff Postmoderne erstmals im positiven Sinne einer „Neuen Ästhetik“ (Gombrich) und „Futuristischen Revolte“ (Fiedler) verwendet. Als Stilbegriff wurde er dann vor allem durch Jean-François Lyotard und Leslie A. Fiedler populär. Postmoderne Strömungen in der Bildenden Kunst traten ab ca. 1960 auf, die größte Bekanntheit erlangten sie aber in der Architektur. Die Benennung bereits existierender Werke als ‚postmodern’ erfolgte in der Kunst vergleichsweise spät: erst in den 70er Jahren wurde der in der Literatur zum Schlagwort gewordene Ausdruck auf alle Bereiche von Kunst und Kultur übertragen. Dabei ist äußerst umstritten, was genau (hinsichtlich Zeit, Anwendungsbereich und Inhalten) damit eigentlich gemeint ist. Die Postmoderne ist kein einheitlicher Epochenbegriff und bezeichnet vielmehr eine Einstellung oder Gedankenstruktur.
‚Post’ kommt aus dem Latein und bedeutet ‚nach’, Postmoderne meint so gesehen lediglich ‚Nach-Moderne’. Synonyme zu Postmoderne sind ‚Transavantgarde’ und ‚Spätmoderne’ , wobei der letztere Begriff den starken Gegensatz zwischen Postmoderne und Moderne etwas abmildert. Als Abgrenzungskriterium kann man gelten lassen, dass die Postmoderne zwei zentrale Forderungen der Moderne beendet: zum einen deren „Selbstbegründungsanspruch“, also den Bruch mit jeglicher Tradition, und zum anderen das Ziel der „Entgrenzung der Kunst“, also der Überführung von Kunst in gesellschaftliches Leben. Besonders in der modernen Architektur machte sich diese Doktrin in der einseitigen Orientierung an Funktion und Nutzen des Bauwirtschaftsfunktionalismus der 60er Jahre bemerkbar, gegen den postmoderne Architekten erbittert angingen. Da Bauwerke für jeden öffentlich sichtbar sind, war auch die Diskussion um die Postmoderne in der Architektur besonders kontrovers und kann hier am ehesten als verbindlicher Epochenbegriff gelten. 1975 benutzte Charles Jencks den Begriff erstmals in dem Aufsatz „The Rise of postmodern Architecture“, um den Stil zeitgenössischer Bauwerke zu beschreiben. Seine Hoch-Zeit hatte der Stil-Begriff um 1980.
Auch in der zeitgenössischen Philosophie entstand eine postmoderne Richtung, die sich strikt gegen jegliche Form der Fortschrittsgläubigkeit wandte und ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Erkenntnismodelle vertrat.
1.2 Philosophische Beiträge zur Postmodernität
1.2.1 Jean-François Lyotard
Der Begriff ‚Postmoderne’ versammelt eine Reihe von Versuchen den gegenwärtigen Kulturstand philosophisch zu erfassen und dabei die Moderne kritisch zu hinterfragen. Vor allem der französische Philosoph Jean-François Lyotard (1924-1998) machte sich, um die philosophische Reflexion über die ‚Postmoderne’ verdient. Aber auch andere Theoretiker rechnet man dem postmodernen Denken zu, wie den Philosophen Paul Virilio, der die Auflösung aller festen raumzeitlichen Kategorien im Rausch der Geschwindigkeit konstatiert.
Jean-François Lyotard sieht in der zunehmenden Informationsflut und der Möglichkeit des technischen Zugriffs auf beliebiges Wissen eine Gefahr für die Autorität der großen sinnstiftenden Erzählungen (Ideologien, Denksysteme usw.). Sie würden am Ende des 20. Jahrhunderts durch zusammenhanglose Sinnsplitter ersetzt, wie Lyotard 1986 in dem Buch „Das postmoderne Wissen“ darlegte.
Nach Lyotard beruht der ‚moderne’ Vernunft-Optimismus auf der Illusion, man könne Welt verstehen. Die ‚Postmoderne’ dagegen berge neue spezifische Bedingungen des Wissens, (natürliche) Dinge würden durch (technische) Daten ersetzt. Die großen Utopien der Moderne, wie sie der Gedanke der Aufklärung verkörpert, erklärt er für beendet. Ein Mehr an Wissen führe nicht mehr zu einem Mehr an „Emanzipation des Menschen“ oder einem Zuwachs an Vernunft. Wahrheit könne daher auch nicht mehr als ein auf Vernunft beruhender Konsens begründet werden, vielmehr müsse eine Pluralität des Denkens akzeptiert werden. Auf die Kunst übertragen bedeutet dies, dass anders als in der Kunst der Moderne nicht immer nur eine einzige Art des künstlerischen Schaffens gültig sein kann, wie dies beispielsweise noch Theodor W. Adorno in seiner „Normativen Ästhetik“ postulierte. Die Postmoderne kennt dagegen den ästhetischen Pluralismus und legitimiert das enthistorisierende Zitieren von Formen und Materialien älterer Kunst-Epochen in neuen Kontexten. Im Gegensatz zur Moderne ist die Postmoderne radikal plural und verabschiedet sich von einem einheitlichen Stilbegriff. Dies unterstreicht das Recht auf verschiedene Wissensformen, Lebensentwürfe, Handlungsprinzipien.
1.2.2 Leslie A. Fiedler
Wichtig für die postmoderne Kunst wurde auch das Konzept der ‚Dekonstruktion’ des französischen Philosophen Jacques Derrida (geb. 1930). Dekonstruiert werden sollen dabei die gesellschaftlich-kulturell erzeugten Sinn-Hierarchien, beispielsweise den Gegensatz von ‚hoher Kunst’ und Pop. So forderte der amerikanische Literaturwissenschaftler Leslie A. Fiedler (geb. 1917) in seinem berühmten Aufsatz: „cross the border close the gap”, der 1969 bezeichnenderweise in der US-Ausgabe des Playboy erschien, die Überschreitung der traditionellen Grenze zwischen Eliten- und Massen-Kultur. Im Unterschied zum elitären Charakter der ‚modernen’ Kunst will die ‚Postmoderne’ populär sein, d. h. leicht konsumierbar und ohne Spezialkenntnisse unmittelbar verständlich. Diese ‚demokratische’ Programmatik möchte den Akademismus der klassischen Hoch-Kultur überwinden und arbeitet daher auch mit ‚trivialem’ Material, wie es zum Beispiel die Massenmedien zur Verfügung stellen. Als Vorbilder postmoderner Kunst und Literatur können nach Fiedler auch so triviale Genres wie Sciencefiction, Pornografie oder Western dienen.
Ebenfalls von Derrida stammt die Theorie der „dissémination“ (Streuung), deren Kernaussage ist, dass Zeichen immer nur wiederum auf Zeichen verweisen und nicht etwa auf die Dinge, die zu bezeichnen sie vorgeben. Dies mündete in der Mehrfachkodierung von Kunstwerken, zu denen jeder einen eigenen Zugang finden sollte. Die verschiedenen Lesarten waren dabei in der Kodierung bereits angelegt: So kann der berühmte, der postmodernen Literatur zugeordnete Roman „Im Namen der Rose“ von Umberto Eco sowohl als Mittelalter-Krimi wie auch als Zitaten- bzw. Zeichen-Bündel vorangegangener Literatur-Epochen gelesen werden.
Die künstlerische Moderne hatte sich erschöpft und vom Alltagsleben des Publikums isoliert, so die Diagnose Fiedlers, sie war steril geworden. Dieses Manko suchte man in der Postmoderne, in Literatur wie in bildender Kunst, durch die Wiederentdeckung von Themen wie „Traum, Vision, Ekstasis“ (Fiedler 1984, S. 694) und Fiktion zu beheben. So begann man wieder gegenständlich zu malen und fantasievoll zu bauen – in der Literatur entspricht dies dem Wiederendecken des Erzählens.
1.3 Merkmale postmoderner Kunst
Die Abgrenzung der Postmoderne zur Moderne geschah unter anderem durch den Verzicht auf den in der modernen Kunst so zentralen Anspruch auf ständige Neuerung. Das Innovationsstreben der Moderne wurde als automatisiert, etabliert und dogmatisch kritisiert, stattdessen besann man sich auf Traditionen, die man spielerisch aufgriff und miteinander verknüpfte. Tradition wurde nun als Sammlung von Möglichkeiten verstanden und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zugelassen. Die Postmoderne Architektur ist eine Architektur der Erinnerung, die die Moderne um den traditionellen Formen- und Stilvorrat bereichert. Dieser extreme Stilpluralismus, der – etwa in der Architektur – häufig in einer Anhäufung von Zitaten verschiedenster Kunstperioden mündete, hat der Postmoderne des Öfteren aber auch den Vorwurf der Beliebigkeit eingebracht. So rechnet man auch verschiedene klassizistische Strömungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Postmoderne zu. Die spielerische Bezugnahme der Postmoderne auf historische Formelemente schuf einen ironischen Klassizismus, sowie einen ernsthafteren „modernen Traditionalismus“ (Stern, In: Lampugnani, 1998, S. 335). Andererseits wird mit der Forderung einer prinzipiellen Offenheit des Kunstwerkes auch auf die Moderne Bezug genommen. Der Grundsatz, dass in der Kunst nichts Neues mehr zu schaffen sei, führt zum Spiel mit vorhandenem Material. Die „Rückbesinnung“ auf die Geschichte ist oft mehr ein Versuch Altes in einer Art Collage zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen. Neben dem Historismus ist die Wiederentdeckung regionaler Stil-Besonderheiten ein kennzeichnendes Merkmal der Kunst der Postmoderne, insbesondere der Baukunst.
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- Quote paper
- Peter Neitzsch (Author), 2004, Architektur der Postmoderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34102
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