Auch wenn es weder in der umfangreichen Literatur zur Unternehmerforschung noch in den Diskursen der Gesellschaft1, der Wirtschaft oder der Politik an Versuchen mangelt, die ökonomischen Funktionen des Unternehmers zu beschreiben, erweist es sich doch als schwierig, zu einer präzisen Darstellung dieser Funktionen zu gelangen. Allzu häufig wird ein Unternehmer nur eindimensional betrachtet und seine Rolle lediglich als die eines Arbeitgebers verstanden, der die in seinem Unternehmen Beschäftigten womöglich sogar noch unterdrückt oder ausbeutet.2 Die Politiker werben ständig, und nicht nur im Wahlkampf, mit unternehmerfreundlichen Parolen, bevorzugen in ihrer Gesetzgebung, insbesondere in steuerlicher Hinsicht, jedoch allzu oft die großen Kapitalgesellschaften. 3 Dies ist verwunderlich, da sich bei einer weniger beschränkten Betrachtung auf der einen Seite die Besonderheit des Unternehmers aus dem begründet, was er im wirtschaftlichen Sinne zu leisten vermag, und da zum anderen 96 % aller Unternehmen in Deutschland Inhaber- Unternehmen4 sind, die allein schon aus diesem quantitativen Grunde mindestens genauso unterstützt werden sollten wie z. B. große insolvenzgefährdete Aktiengesellschaften.
Die vorliegende Arbeit stellt die Funktionen des Unternehmers in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Eben hier setzt auch die aktuelle Unternehmerforschung an. Forscher aus der Volks- und Betriebswirtschaft, der Soziologie und der Psychologie betrachten den Unternehmer aus verschiedenen Perspektiven. 5 Aus der Vielzahl dieser Studien wurde die Forschungsrichtung der funktionalen Unternehmertheorie ausgewählt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Stellung des Unternehmers zu erklären und seine Daseinsberechtigung zu begründen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Der Unternehmer in der funktionalen Unternehmertheorie
2. Unternehmerische Funktionen in der ökonomischen Theorie – ein Überblick
2.1. Die Unternehmerrolle im historischen Wandel
2.2. Die Unternehmerfunktionen nach Hébert/Link
3. Aktuelle Versuche der Systematisierung der Unternehmer-funktionen in der modernen Theorie der Unternehmung
3.1. Statische Unternehmerinterpretationen
3.2. Die verdichteten dynamischen Unternehmerfunktionen
3.2.1. Vorbemerkung
3.2.2. Die Innovationsfunktion
3.2.3. Die Arbitragefunktion
3.2.4. Die Koordinationsfunktion und ihre Bedeutung
für die Risikobewältigung
4. Der idealtypisch-dynamische Unternehmer
5. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Unternehmerfunktionen nach Hébert/Link 5
1. Der Unternehmer in der funktionalen Unternehmertheorie
Auch wenn es weder in der umfangreichen Literatur zur Unternehmer-forschung noch in den Diskursen der Gesellschaft[1], der Wirtschaft oder der Politik an Versuchen mangelt, die ökonomischen Funktionen des Unternehmers zu beschreiben, erweist es sich doch als schwierig, zu einer präzisen Darstellung dieser Funktionen zu gelangen.
Allzu häufig wird ein Unternehmer nur eindimensional betrachtet und seine Rolle lediglich als die eines Arbeitgebers verstanden, der die in seinem Unternehmen Beschäftigten womöglich sogar noch unterdrückt oder ausbeutet.[2] Die Politiker werben ständig, und nicht nur im Wahlkampf, mit unternehmerfreundlichen Parolen, bevorzugen in ihrer Gesetzgebung, insbesondere in steuerlicher Hinsicht, jedoch allzu oft die großen Kapital-gesellschaften.[3] Dies ist verwunderlich, da sich bei einer weniger beschränkten Betrachtung auf der einen Seite die Besonderheit des Unternehmers aus dem begründet, was er im wirtschaftlichen Sinne zu leisten vermag, und da zum anderen 96 % aller Unternehmen in Deutschland Inhaber-Unternehmen[4] sind, die allein schon aus diesem quantitativen Grunde mindestens genauso unterstützt werden sollten wie z.B. große insolvenzgefährdete Aktiengesellschaften.
Die vorliegende Arbeit stellt die Funktionen des Unternehmers in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Eben hier setzt auch die aktuelle Unternehmerforschung an. Forscher aus der Volks- und Betriebswirtschaft, der Soziologie und der Psychologie betrachten den Unternehmer aus verschiedenen Perspektiven.[5] Aus der Vielzahl dieser Studien wurde die Forschungsrichtung der funktionalen Unternehmertheorie ausgewählt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Stellung des Unternehmers zu erklären und seine Daseinsberechtigung zu begründen. Die beiden Fragen, die es zu beantworten gilt, lauten: 1. Welche ökonomischen Funktionen übt der Unternehmer in gesamt- und einzelwirtschaftlicher Hinsicht aus? 2.Haben sich Funktionen herauskristallisiert, aus denen sich ein Bild des idealtypischen, funktionalen Unternehmers konstruieren läßt?
Eine solche Zielsetzung erfordert zwar keine historische Analyse sämtlicher Unternehmerfunktionen en détail, eröffnet aber dennoch den Raum zu einem groben Abriß der sich wandelnden Bedeutung des Unternehmers in den für die Untersuchung seiner Funktionen relevanten historischen Phasen[6] der wirtschaftswissenschaftlichen Theorien. Ferner wird zu untersuchen sein, welche gemeinsamen Eigenschaften die einzelnen Funktionen aufweisen und inwiefern diese eine Systematisierung ermöglichen und rechtfertigen. Der Reflexion des Unternehmerbegriffs soll in diesem Zusammenhang die Vorstellung von einem selbständigen Eigentümer-Unternehmer zugrundegelegt werden, der ein Unternehmen gegründet hat und an dessen Spitze er in der Unternehmensführung steht.[7]
2. Unternehmerische Funktionen in der ökonomischen Theorie – ein Überblick
2.1. Die Unternehmerrolle im historischen Wandel
Die Unternehmerperson als Funktionsträger fand bereits vor mehr als 200 Jahren Eingang in die ökonomische Theorie. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob dem Unternehmer, seitdem er als wirtschaftlich relevant betrachtet wurde, schon immer dieselben Funktionen zugesprochen wurden, oder ob seine Funktionen einem zeitlichen Wandel unterlagen.
Die Ideengeschichte der Ökonomie kann grob in drei Phasen unterteilt werden: die Zeit vor der Neoklassik, die Neoklassik und die Post-Neoklassik.[8] Als wichtigste Vertreter der ersten Phase sind Richard Cantillon und Jean-Baptiste Say zu nennen. Im Vordergrund von Cantillons Betrachtung stand die Einkommensunsicherheit, mit der sich ein Unternehmer konfrontiert sah.[9] Die Hauptaufgabe und zugleich der Hauptnutzen des Unternehmers lag in der Produktion und Verteilung von Waren. Der Wandel von der
Eigen- zur Erwerbswirtschaft kann als Hauptursache für das Zustandekommen der Funktion des Risikoträgers gesehen werden.[10]
Der Schwerpunkt in den Ausarbeitungen von Say hingegen liegt auf der Koordinationsfunktion des Unternehmers. Diese besteht darin, die drei nach Auffassung des Autors gegebenen Produktionsfaktoren – menschliche Arbeit, Kapital und Boden – zu einem Produktionsprozeß zu kombinieren, wobei dem Unternehmer als Inputfaktor – und zwar in Gestalt menschlicher Arbeit – die größte Bedeutung zukommt.[11] Diese schon in den Anfängen der Unternehmertheorie deutlich gewordenen Unterschiede in der Schwerpunktsetzung wirken sich bis in die Gegenwart aus, was in Punkt 2.2 gezeigt werden wird. Allen weitreichenden Berücksichtigungen der Unternehmerfunktionen zum Trotz gibt es für ihn in der Theorie der Neoklassik keinen Platz mehr.[12] Der Betrieb löst den Unternehmer als Forschungsobjekt ab und dem Unternehmer wird nurmehr eine passive Rolle zugesprochen.[13] Seinem Verhalten wird von den Neoklassikern keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt; vielmehr abstrahieren sie innerhalb ihrer gleich-gewichtsorientierten Theorie von allen irrelevanten Phänomenen, um Rechenbarkeit zu gewährleisten.[14] Zudem ließ ein Ereignis wie die sämtliche Gesellschaftsschichten berührende Weltwirtschaftskrise von 1929 den Unternehmer auch im Bewußtsein der Bevölkerung an Bedeutung verlieren. Das Vertrauen in seine Fähigkeit, mit Wirtschaftskrisen eines derartigen Ausmaßes fertig zu werden, schwand.[15] Seine Ausblendung aus der wissenschaftlichen Betrachtung führte zu einer Kritik in der Post-Neoklassik, durch welche diese die unternehmerfeindliche Haltung wieder aufzuheben und den Unternehmer in ihre eigene Theorie zu integrieren versuchte. Als die bedeutendsten Veröffentlichungen, in denen die Unternehmerfunktionen Berücksichtigung finden, sind die von Joseph A. Schumpeter, Israel M. Kirzner und Mark Casson zu nennen.[16] Durch eine genaue Betrachtung seines Handelns und der diesem resultierenden ökonomischen Folgen gewinnt der Unternehmer als Innovator (Schumpeter), als Koordinator (Casson) und als Entdecker von Marktchancen (Kirzner) wieder an Bedeutung.[17] Auf diese Funktionen wird im Abschnitt 3.2 genauer eingegangen werden. Darüber hinaus wird dem Unternehmer noch eine Vielzahl weiterer Funktionen zugesprochen, deren wichtigste im folgenden zusammengefaßt werden.
2.2. Die Unternehmerfunktionen nach Hébert/Link
Als Ergebnis ihrer umfangreichen Literaturanalyse identifizieren Hébert und Link zwölf unterschiedliche Unternehmerfunktionen. Dabei nennen sie auch die Autoren, in deren Konzepten sich das jeweilige Merkmal als ein zentral bedeutsames finden läßt.[18] Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die funktionalen Merkmale eines Unternehmers.
Abbildung 1 : Die Unternehmerfunktionen nach Hébert/Link
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hébert, R. F./Link, A. N.: The Entrepreneur: Mainstream Views & Radical Critiques, New York 1988, S. 152, und Schoppe, S. G. (1995), S. 282f.
Hébert/Link unterteilen die Unternehmerfunktionen in statische (2, 6, 8, 9) und dynamische (1, 3, 4, 5, 7, 10, 11, 12). Eine Interpretation der statischen Funktionen erfolgt in Abschnitt 3.1. Die dynamischen Unternehmerfunktionen gehen insbesondere aus den in Auseinandersetzung mit neoklassischen Lehrmeinungen entwickelten Theorien der Deutschen, der Chicagoer und der Österreichischen Schule hervor. Die Deutsche Schule steht vor allem für die Innovationsfunktion; der Unsicherheitsaspekt findet sich in sämtlichen Theorien der Chicagoer Schule wieder, während die Österreichische Schule die Orientierung des Unternehmers an neuen unternehmerischen Chancen als die Hauptfunktion des Unternehmers ansieht.[19] Neben den Funktionen der Innovation, der Unsicherheit und der Aufmerksamkeit ist es die bereits erwähnte Koordinationsfunktion nach Casson, die sich in der modernen Theorie der Unternehmung als die zentrale ökonomische Funktion herauskristallisiert hat.[20] Unter Einbeziehung auch dieser Funktion stehen die dynamischen Unternehmerfunktionen im Mittelpunkt der Ausführungen in Abschnitt 3.2.
[...]
[1] Hiermit ist insbesondere die Wahrnehmung des Unternehmers durch die Bevölkerung gemeint. Vgl. Forschungsinstitut für Ordnungspolitik (FiO): Das Unternehmerbild in der Bevölkerung, Erste Ergebnisse einer empirischen Studie zur Zukunft der Erwerbsarbeit, Arbeitspapier Nr. 10, Köln 2000.
[2] Vgl. ebd., S. 5f.
[3] Eine Auflistung mehrerer diese These belegender Gesetze sowohl aus der Amtszeit Helmut Kohls als auch der von Gerhard Schröder liefert: Hamer, E.: Was ist ein Unternehmer? : Was verdanken ihm Betrieb und Gesellschaft?, München 2001, S. 65f.
[4] Vgl. ebd., S. 19.
[5] Vgl. Welzel, B.: Der Unternehmer in der Nationalökonomie, in: Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik, Bd. 101, hrsg. vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln 1995, S. 21.
[6] Welche dies im Einzelnen sind, wird in Abschnitt 2.1. erläutert.
[7] Vgl. Welzel, B. (1995): a.a.O., S. 17. Es existiert keine einheitliche Verwendung des Unternehmerbegriffs; der insbesondere in der englischsprachigen Literatur verwendete Begriff „Entrepreneur“ wird in dieser Arbeit zum besseren Verständnis durchgängig mit „Unternehmer“ übersetzt.
[8] Vgl. Ripsas, S.: Entrepreneurship als ökonomischer Prozeß: Perspektiven zur Förderung unternehmerischen Handelns, Diss. Berlin 1997, Wiesbaden 1997, S. 3. Zu der Zeit vor der Neoklassik werden die Epochen das Merkantilismus und Kameralismus, der Klassik, des Sozialismus und der Historischen Schule gezählt. Vgl. Welzel, B. (1995): a.a.O., S. 41. Die Neoklassik geht von 1870 bis 1940. Vgl. Schoppe, S.G./Wass von Czege, A. Graf/Münchow, M.-M./Stein, I./Zimmer, K.: Moderne Theorie der Unternehmung, München/Wien 1995, S. 282.
[9] Vgl. Bretz, H.: Zur Kultivierung des Unternehmerischen im Unternehmen – Von den historischen Wurzeln zur unternehmerischen Avantgarde im Management, in: Innovation und Unternehmertum, hrsg. von Laub, U. D./Schneider, D., Wiesbaden 1991, S. 278.
[10] Vgl. Welzel, B. (1995): a. a. O., S. 45f.
[11] Vgl. Ripsas, S. (1997): a. a. O., S. 6.
[12] Vgl. Wieandt, A.: Die Theorie der dynamischen Unternehmerfunktion, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 1 1994, S. 20.
[13] Vgl. Blum, U./Leibbrand, F.: Entrepreneurship und Unternehmertum, Denkstrukturen für eine neue Zeit, Wiesbaden 2001, S. 10.
[14] Vgl. Schoppe, S. G., u. a. (1995): a. a. O., S. 10.
[15] Vgl. Albach, H.: Zur Wiederentdeckung des Unternehmers in der wirtschaftspolitischen Diskussion, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (JITE), 135. Jg., 1979, S.551.
[16] Vgl. Wieandt, A. (1994): a. a. O., S. 20.
[17] Vgl. Ripsas, S. (1997): a. a. O., S. 13ff.
[18] Vgl. ebd., S. 11f.
[19] Vgl. Ripsas, S. (1997): a. a. O., S. 12f.
[20] Vgl. Blum, U./ Leibbrand, F. (2001): a. a. O., S. 14.
- Arbeit zitieren
- Sascha Maynert (Autor:in), 2002, Die ökonomischen Funktionen des Unternehmers in einer statischen und dynamischen Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34071
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