Dieser Text handelt von den rechtlichen Grundlagen im Betreuungsrecht.
Aus dem Inhalt:
- Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung;
- Abgrenzung der gesetzlichen Betreuung von der Zwangsbetreuung;
- Ablauf eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens;
- Kritische Überlegungen zu einem gesetzlichen Angehörigenvertretungsrecht;
- Das sozialrechtliche Leistungsdreieck
Inhaltsverzeichnis
1. Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung
2. Abgrenzung der gesetzlichen Betreuung von der Zwangsbetreuung
3. Ablauf eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens
4. Kritische Überlegungen zu einem gesetzlichen Angehörigen vertretungsrecht
5. Das sozialrechtliche Leistungsdreieck
Literaturverzeichnis
1. Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung
Die Rechtsgrundlagen einer Betreuung bilden die §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Um eine rechtliche Betreuung bestellen zu können, wird gem. § 1896 I 1 BGB eine psychische Krankheit oder eine geistige, körperliche, seelische Behinderung vorausgesetzt. Des Weiteren muss diese Krankheit bzw. Behinderung den Betroffenen in der Besorgung seiner Angelegenheiten ganz oder teilweise beeinträchtigen. Zudem kann nur ein Volljähriger eine rechtliche Betreuung erhalten. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, wird auf Antrag oder von Amts wegen ein Betreuer bestellt. Beim Vorliegen einer körperlichen Behinderung ist jedoch die Bestellung eines Betreuers lediglich auf Antrag des Betroffenen möglich, solange er seinen Willen kundtun kann (§1896 I 2 BGB). Dennoch ist grundsätzlich die Einrichtung eines Betreuers gegen den freien Willen des Volljährigen nicht möglich (§ 1896 Ia BGB). Nach dem Prinzip der Subsidiarität wird außerdem vorausgesetzt, dass die für die betroffene Person zu besorgenden Angelegenheiten nicht durch andere Hilfen, die ohne gesetzlichen Vertreter möglich sind, genauso gut erledigt werden können (§ 1896 II 2 BGB).
Die genannten Voraussetzungen enthalten Begriffe wie „Volljährigkeit“ und „Behinderung“, die in dem Kontext des § 1896 BGB nicht näher erläutert werden. Nach § 2 BGB gilt eine Person als volljährig, sobald er das 18. Lebensjahr vollendet hat. Nach § 2 I 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) handelt es sich um eine Behinderung, wenn es zu einer körperlichen, geistigen oder seelischen Abweichung des für das Lebensalter typischen Zustandes kommt und dieser abweichende Zustand mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate anhält sowie die Person an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt.
Inwiefern eine psychische, seelische, körperliche oder geistige Behinderung vorliegt wird medizinisch nach Klassifikationssystemen eingestuft. Hierbei handelt es sich um die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgegebenen internationalen Klassifikationssysteme ICD-10 und ICF. Die ICD-10 (internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision) ermöglicht den Medizinern eine weltweit einheitliche Bezeichnung von Krankheiten und bietet Unterstützung in der Diagnosefindung. Im Gegensatz zum Modell der ICD erfasst die ICF (internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) die bio-psycho-sozialen Aspekte von Krankheitsfolgen, unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren. Denn die ICD-10 geht zwar spezifisch auf die Krankheiten ein, jedoch nicht auf die daraus resultierenden Folgen auf das Leben der Betroffenen. Funktionale Probleme bzgl. der Mobilität, Kommunikation oder Versorgung werden demnach nicht herausgearbeitet. Das Modell der ICF hingegen beschreibt eine Wechselwirkung zwischen bio-psycho-sozialen Faktoren, welche zu einem Gesundheitsproblem führen. Dabei werden die Kontextfaktoren (Umwelt- und personenbezogene Faktoren) in den Vordergrund gerückt, sodass die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht ausschließlich auf eingeschränkte Körperfunktionen zurückzuführen ist (vgl. Schuntermann o.J., S.1-10).
Selbst konstruiertes Beispiel:
Im Nachfolgenden werden die vorherigen Erläuterungen bzgl. der Einrichtung eines gesetzlichen Betreuers, anhand eines Beispiels, veranschaulicht. Dieses Beispiel beruht auf eigenen Erfahrungen.
Marianne ist 87 Jahre alt und lebt alleine in einem Haus auf dem Land. Sie hat weder Ehemann noch Familienangehörige, welche sich um sie kümmern. Sie erhält lediglich wöchentlich Besuch eines Nachbars. Marianne hat keine körperlichen Einschränkungen, jedoch vermutet der aufmerksame Nachbar, aufgrund einiger Verhaltensauffälligkeiten, eine Demenz. Nachdem er Marianne zu einem Routinebesuch bei ihrem Hausarzt begleitete, berichtete er diesem von seinem Verdacht. Marianne zeigte sich kooperativ und ließ sich auf nachfolgende Untersuchungen ein, woraus die Diagnose einer fortgeschrittenen Demenz entstand. Der Arzt prognostizierte, dass Marianne zukünftig in einem betreuten Wohnen besser aufgehoben sei, da ihre Erkrankung schnell voranschreiten wird. Bereits wenige Wochen später erschwerte sich ihre gesundheitliche Situation deutlich. Sie vergaß regelmäßig zu trinken, die Essenszubereitung bereitete ihr zunehmend Schwierigkeiten und die damit verbundenen Gefahren wie das Anlassen der Herdplatte waren gegenwärtig. An manchen Tagen erkannte sie ihren Nachbarn nicht mehr und reagierte mit einem aggressiven Verhalten auf dessen Anwesenheit.
Aufgrund eines Schwächeanfalls musste Marianne letztlich stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Der Sozialdienst des Hauses nahm sich ihrem Fall an und kam nach Rücksprache mit den Ärzten und dem Nachbar zu dem Entschluss, dass die Einrichtung eines gesetzlichen Betreuers notwendig sei. Dieser ist insbesondere für die Aufgabenkreise der Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Postkontrolle etc. von Nöten. Denn Marianne kann, aufgrund ihrer demenziellen Erkrankung, ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig besorgen. Ein fachärztliches Gutachten liegt vor. Des Weiteren ist der Nachbar mit der Situation überfordert und kann keine weiteren Unterstützungen mehr bieten. Vollmachten jeglicher Art existieren keine. Nach § 1896 BGB sind die Voraussetzungen für die Einrichtung eines rechtlichen Betreuers erfüllt, denn bei Marianne handelt es sich zum einen um eine volljährige Person und zum anderen besteht eine psychische Krankheit, welche nach ICD-10 klassifiziert ist. Marianne stimmte des Weiteren dem Prozess einer Betreuerbestellung, nach Aufklärung, zu. Dadurch wurde auf Antrag das Betreuungsverfahren eingeleitet. Nachdem sich ein Vormundschaftsrichter einen Überblick über die Lebenssituation von Marianne verschaffte, wurde die Entscheidung für die Einrichtung eines gesetzlichen Betreuers gefallen. Dieser kümmerte sich beispielsweise um die Vermögensangelegenheiten, die Besorgung eines Platzes in einem Seniorenwohnheim und leitete den Verkauf ihres Hauses ein, da dies ihrem Wunsch entsprach.
2. Abgrenzung der gesetzlichen Betreuung von der Zwangsbetreuung
Die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung gem. § 1896 BGB wurden in dem ersten Gliederungspunkt bereits ausführlich geschildert. Nach § 1896 I 3 BGB werden Volljährige, die (nur) eine körperliche Behinderung haben, gesondert erwähnt. Denn diese Personengruppe hat das Recht, die Bestellung einer Betreuung wirksam abzulehnen, es sei denn, sie können ihren Willen nicht kundtun (z.B. Komapatienten). Das heißt, die Einführung eines Betreuers ist für diese Gruppe nur auf Antrag möglich. Personen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung sowie psychisch Erkrankte werden in diesem Satz nicht erwähnt. Laut § 1896 I 1 BGB kann das Betreuungsgericht für diese Betroffenen entweder auf Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer bestellen. Dennoch besteht für diese Personengruppe ebenfalls das Recht der Ablehnung gem. § 1896 Ia BGB: „Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden“. Demnach wird eine zwanghafte Einrichtung eines Betreuers untersagt, solange der Betroffene seinen Willen erkennbar äußern kann. Die Beurteilung inwiefern der Wille frei ist, spielt hierbei eine bedeutsame Rolle. Wird der Wille durch eine geistige, seelische Behinderung oder durch eine psychische Erkrankung beeinflusst, sodass die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen abhandengekommen ist, ist die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen möglich. Solange der Volljährige allerdings das für und wider eines rechtlichen Betreuers versteht und abwägen kann, ist seine Einsichtsfähigkeit noch vorhanden. Das Einrichten einer sog. Zwangsbetreuung ist demzufolge nach sorgfältiger Prüfung durch das Betreuungsgericht, ohne das Einverständnis der zu betreuenden Person, möglich. Betreuungen, die langfristig zwanghaft bestehen, betreffen allerdings in den meisten Fällen bspw. geistig Schwerstbehinderte, die oft nicht mehr in der Lage sind Entscheidungen jeglicher Form zu treffen (vgl. Seichter 2010, S.9f.; Zimmermann 2014, S.384).
3. Ablauf eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens
Die nachfolgende Beschreibung des Ablaufes eines Betreuungsverfahrens beruht auf der Darstellung des Autors Zimmermann (2010, S.85f.) sowie auf der Grundlage der entsprechenden Gesetztestexte aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und aus dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Für Betreuungssachen gem. § 271 FamFG (Anordnung, Ablehnung oder Aufhebung eines Betreuers) ist eine bestimmte Abteilung des Amtsgerichtes zuständig, nämlich das Betreuungsgericht. Dieses leitet das Betreuungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag des Volljährigen ein. Zunächst verschafft sich der Richter grundsätzlich vor der Bestellung eines Betreuers einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen. Die dafür benötigte Anhörung kann auf Verlangen des Betroffenen in dessen üblicher Umgebung stattfinden (§ 278 I FamFG). Die Anhörung umfasst einerseits die Aufklärung über den möglichen Verfahrensverlauf und andererseits die Klärung grundlegender Fakten. Hierunter fallen das Einholen von Informationen über den Umfang des Aufgabenkreises sowie welche Person oder Stelle als Betreuer in Frage kommt (§ 278 II FamFG).
Auf eine persönliche Anhörung kann, aufgrund einer schwierigen Gesundheitslage des Betroffenen, verzichtet werden. Hierfür ist jedoch grundlegend ein ärztliches Gutachten erforderlich (§ 278 IV FamFG). Des Weiteren muss bzw. kann das Betreuungsgericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zur Verfügung stellen, wenn dieser nicht in der Lage ist, seine Interessen hinreichend selbst wahrzunehmen (§ 276 FamFG). Sollte der Betroffene geschäftsunfähig sein, gilt er in Betreuungssachen gem. § 275 FamFG dennoch als verfahrensfähig. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers wird des Weiteren als erforderlich angesehen, wenn keine persönliche Anhörung des Betroffenen erfolgen soll (§ 276 I 2 1. FamFG) und/oder in dem Verfahren die Anordnung einer Betreuung für alle Angelegenheiten geklärt werden soll (§ 276 I 2 2. FamFG). Weiterhin ist der Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn es um eine Sterilisationsbetreuung geht (§ 297 V FamFG).
Weiterhin ist im Betreuungsrecht gem. §§ 280 ff. FamFG vorgeschrieben, dass das Betreuungsgericht ein Gutachten eines Sachverständigen einholt, der die Notwendigkeit eines Betreuers für die betroffene Person beurteilt. Dabei muss es sich um einen Arzt der Psychiatrie handeln. Zur Erstellung eines Gutachtens erfolgt eine ausführliche körperliche Untersuchung sowie Befragung des Betroffenen. Des Weiteren enthält das Gutachten, neben Angaben bzgl. des Zustandes der Person, Auskünfte über den Umfang des Aufgabenkreises und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme. Auf Verlangen des Betroffenen oder zur Sachaufklärung ist außerdem eine Anhörung der zuständigen Betreuungsbehörde gem. § 279 II FamFG vor Bestellung eines Betreuers durchzuführen. Dies gilt ebenfalls für die Anhörung sonstiger Beteiligten wie nahe Verwandte oder Ehegatten (§ 279 I FamFG).
Die Entscheidung über die Anordnung oder Ablehnung einer Betreuung wird vom Richter durch einen Beschluss getroffen. Die Beschlussformel beinhaltet gem. § 286 I FamFG die Bestimmung des Aufgabenkreises, um was für eine Art Betreuer es sich handelt (z.B. Berufsbetreuer oder Vereinsbetreuer) und Angaben über die Dauer der Betreuung. Das Betreuungsgericht setzt einen Zeitpunkt fest, bis zu dem eine Überprüfung der festgelegten Maßnahmen erfolgt, wodurch die Betreuung gegebenenfalls aufgehoben oder verlängert wird (§ 286 III FamFG). Diese Überprüfung muss spätestens nach sieben Jahren erfolgen (§§ 294 III, 295 II FamFG). Dauert das reguläre Betreuungsverfahren zu lange, kann das Gericht gem. §§ 300, 301 FamFG in sehr eiligen Fällen durch eine einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellen. Diese Entscheidungen unterliegen laut § 300 I 2 1.-4. FamFG vier Voraussetzungen:
1. Es besteht ein sofortiger Handlungsbedarf und die Annahme, dass alle Voraussetzungen gem. § 1896 BGB für die Bestellung einer Betreuung gegeben sind
2. Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses
3. Ein Verfahrenspfleger ist bei Bedarf bestellt und angehört worden
4. Eine Anhörung des Betroffenen ist erfolgt.
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- Sandra Kraft (Autor), 2016, Betreuungsrecht. Rechtliche Grundlagen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340186
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