An allen deutschen Großflughäfen werden die Fluggastkontrollen durch private Sicherheitsdienstleister durchgeführt. Für den Bürger stellen sich diese Kontrollen zunächst als lästige aber notwendige Maßnahme dar, um die Sicherheit im Luftverkehr zu gewährleisten. Ziel der Fluggastkontrolle ist es, das Verbringen von verbotenen Gegenstände in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu verhindern und dadurch Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwehren.
In jüngster Vergangenheit geriet die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch private Unternehmen stark in Kritik. Im Jahr 2014 wurden am Frankfurter Flughafen durch die Europäische Kommission erhebliche Sicherheitsmängel bei der Fluggastkontrolle festgestellt. Aktuell ist deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig. Die Bundesregierung ihrerseits räumte das Bestehen von Defiziten bei der Überprüfung der Fluggastkontrollen ein. Erst im April dieses Jahres wurden auch am Flughafen Köln/Bonn durch EU-Prüfer deutliche Mängel bei den Sicherheitskontrollen nachgewiesen.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder Stimmen in der Öffentlichkeit laut werden, die eine Rückabwicklung der Privatisierung der Fluggastkontrollen fordern.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Forschungsfrage, wie weit Privatisierung im Sicherheitsbereich gehen darf. Dies soll am Fall der Privatisierung der Fluggastkontrollen an deutschen Großflughäfen untersucht werden. Hierzu wird in dieser Arbeit zunächst eine Typologisierung der verschiedenen Privatisierungsarten erfolgen und anschließend die Durchführung der Fluggastkontrollen in diese eingeordnet.
Danach wird die Privatisierung der Aufgabe der Fluggastkontrolle anhand der Agenturtheorie analysiert und bewertet. Darüber hinaus soll ein Vergleich gezogen werden zum abweichenden Modell am Flughafen München. Am Ende folgt ein Fazit.
Gliederung
1. Einleitung/Problemdarstellung
2. Begriffsbestimmung
2.1 Privatisierung
2.1.1 Formale Privatisierung
2.1.2 Funktionale Privatisierung
2.1.3 Materielle Privatisierung
2.1.4 Einordnung des Beleihungsrechtsverhältnisses
2.1.5 Abgrenzung Beleihung zur Verwaltungshilfe
2.2 Agenturtheorie
3. Fluggastkontrollen als Aufgabe privater Unternehmen
4. Verstaatlichung oder Privatisierung von Luftsicherheit
4.1 Problemkreise
4.2 Lösungsmöglichkeiten
4.3 Das „Münchner Modell“
5. Fazit - Beliehene Luftsicherheitsassistenten als voraussetzungsvolle Möglichkeit der Privatisierung
1. Einleitung/Problemdarstellung
An allen deutschen Großflughäfen werden die Fluggastkontrollen durch private Sicherheitsdienstleister durchgeführt. Für den Bürger[1] stellen sich diese Kontrollen zunächst als lästige aber notwendige Maßnahme dar, um die Sicherheit im Luftverkehr zu gewährleisten. Ziel der Fluggastkontrolle ist es, das Verbringen von verbotenen Gegenstände (Anlage 4C der EU Verordnung Nr. 2015/1998) in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu verhindern und dadurch Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwehren (§ 1LuftSiG).
In jüngster Vergangenheit geriet die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch private Unternehmen stark in Kritik. Im Jahr 2014 wurden am Frankfurter Flughafen durch die Europäische Kommission erhebliche Sicherheitsmängel bei der Fluggastkontrolle festgestellt (Galle 2015). Aktuell ist deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig. Die Bundesregierung ihrerseits räumte das Bestehen von Defiziten bei der Überprüfung der Fluggastkontrollen ein (Spiegel Online 2015). Erst im April dieses Jahres wurden auch am Flughafen Köln/Bonn durch EU-Prüfer deutliche Mängel bei den Sicherheitskontrollen nachgewiesen (Westdeutscher Rundfunk Köln 2016).
Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder Stimmen in der Öffentlichkeit laut werden, die eine Rückabwicklung der Privatisierung der Fluggastkontrollen fordern (u.a. Walter/Stüven 2015; Spiegel Online 2015).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Forschungsfrage, wie weit Privatisierung im Sicherheitsbereich gehen darf. Dies soll am Fall der Privatisierung der Fluggastkontrollen an deutschen Großflughäfen untersucht werden. Hierzu wird in dieser Arbeit zunächst eine Typologisierung der verschiedenen Privatisierungsarten erfolgen und anschließend die Durchführung der Fluggastkontrollen in diese eingeordnet. Danach wird die Privatisierung der Aufgabe der Fluggastkontrolle anhand der Agenturtheorie analysiert und bewertet. Darüber hinaus soll ein Vergleich gezogen werden zum abweichenden Modell am Flughafen München. Am Ende folgt ein Fazit.
2. Begriffsbestimmung
In diesem Kapitel werden die wichtigsten Begriffe erläutert, die für die nachfolgenden Themenbereiche relevant sind.
2.1 Privatisierung
Zunächst ist es erforderlich, die gängigsten Arten der Privatisierung zu erläutern, damit im weiteren Verlauf eingeordnet werden kann, welche Form der Privatisierung den Fluggastkontrollen zuzuordnen ist.
Privatisierung allgemein bezeichnet Münch als „eine Sammelbezeichnung für vielfältige und abgestufte Formen der Übertragung staatlichen Handelns auf die private Ebene“ (Münch 2014: 22).
In der Literatur wird vorwiegend zwischen den drei Privatisierungsarten der formellen, materiellen sowie funktionalen Privatisierung differenziert (Maurer 2009: 5), welche als „idealtypische Grundmodelle“ (ebd.) betrachtet werden können.
Auf die noch häufig differenzierte Art der Vermögensprivatisierung wird hier nicht eingegangen, da diese für die Untersuchung der Forschungsfrage nicht von Relevanz ist.
2.1.1 Formale Privatisierung
Bei der auch als Organisationsprivatisierung bezeichneten formalen Privatisierung verbleibt die Aufgabenverantwortung vollständig beim Staat, lediglich die Organisationsform wird zu privatrechtlicher Natur umgewandelt (Scheele 2010: 74).Es handelt sich daher um die schwächste Art der Privatisierung. Der Staat befreit sich damit aus den Zwängen, die ihm aus öffentlich-rechtlichen Organisationsformen auferlegt werden, behält dennoch vollständig Kontrolle über die neu gegründeten Organisationen. Dadurch können die Vorteile der privatrechtlichen Organisation genutzt werden ohne dass gegen das demokratische Legitimationsgebot verstoßen wird (Münch 2014: 26 f.).
Maurer ist der Meinung, dass es sich bei der formalen Privatisierung streng genommen gar nicht um eine Privatisierung handelt, da es nicht zur Übertragung von staatlichem Handeln auf Private kommt (Maurer 2009: 5).
2.1.2 Funktionale Privatisierung
Wie bei der formalen Privatisierung verbleibt die Aufgabenverantwortung vollständig beim Staat, jedoch wird die Erledigung der Aufgabe an einen Privaten delegiert (Weisel 2003: 49).
Die funktionale Privatisierung ist somit systematisch zwischen der formalen und materiellen Privatisierung einzuordnen. „Der Staat gibt demnach […] weder eine Aufgabe vollständig aus der Hand, noch bedient er sich, wie bei der formalen Privatisierung, lediglich einer privatrechtlichen Organisationsform.“ (Münch 2014: 27)
Hierbei kann zwischen echter und unechter funktionaler Privatisierung unterschieden werden. Unechte funktionale Privatisierung liegt vor, wenn die Auslagerung der Aufgaben an eine zuvor durch formale Privatisierung entstandene Organisation erfolgt. Ist dies nicht der Fall, so wird von echter funktionaler Privatisierung gesprochen.
Unterfälle der funktionalen Privatisierung stellen die Verwaltungshilfe und die Beleihung dar, auf die im weiteren Verlauf (Kapitel 2.1.4, 2.1.5) eingegangen wird.
2.1.3 Materielle Privatisierung
Die auch als Aufgabenprivatisierung bezeichnete materielle Privatisierung ist die vergleichsweise stärkste Form der Privatisierung (Münch 2014: 23).
Der Staat gibt hierbei seine Aufgabenverantwortung vollständig an Private ab, er entledigt sich somit komplett der Verwaltungsaufgabe (Maurer 2009: 6).
Die materielle Privatisierung unterliegt engen Grenzen, da der Staat dem demokratischen Legitimationsgebot gerecht werden muss. Er kann daher nicht nach Belieben Aufgaben an Private auslagern. Je stärker Maßnahmen in die Grundrechte von Bürgern eingreifen, desto stärker müssen die jeweils ausführendenprivaten oder juristischen Personen demokratisch legitimiert sein.
2.1.4 Einordnung des Beleihungsrechtsverhältnisses
Die Beleihung ist eine besondere Form der Privatisierung. Während einige Autoren sie als eigenständige Privatisierungsart ansehen (so z.B. Münch 2014: 30 f.; Maurer 2009: 6 f.), wird sie vielfach als Unterfall der funktionalen Privatisierung kategorisiert (so z.B. Weisel 2003: 49; BremStGH 2002: 83).
Beleihung definiert Freitag nach der Rechtsstellungstheorie treffend als „ein Vorgang, an dessen Ende […] ein Privatrechtssubjekt dadurch zum Beliehenen wird, dass ihm die Ausübung öffentlich-Rechtlicher Befugnisse sowohl obrigkeitlich-hoheitlicher […] als auch schlichthoheitlicher Art […] ermöglicht wird.“ (Freitag 2005: 21)
Wie der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen (BremStGH) in einem wegweisenden Urteil zur Beleihung feststellt, bewirkt die Beleihung „eine Aufspaltung zwischen fortbestehender staatlicher Aufgabenzuständigkeit und Aufgabenverantwortung einerseits und Aufgabenerfüllung durch Private andererseits.“ (BremStGH 2002: 83)
Die Beleihung unterscheidet sich insofern von anderen Formen der Privatisierung, als dass nicht nur Aufgaben an Private übertragen werden, sondern mit ihnen auch hoheitliche Befugnisse. Wie aus der oben genannten Definition bereits erkennbar ist, geht die Übertragung der hoheitlichen Befugnisse sogar so weit, dass der Beliehene befugt ist, unmittelbaren Zwang auszuüben. Die Beleihung führt jedoch auch zu einer Grundrechtsbindung des Beliehenen im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung (Stober 2008: 2306).
In den letzten Jahren erfreut sich das Rechtskonstrukt der Beleihung immer größerer Beliebtheit in der Verwaltung. Voßkuhle beschreibt anschaulich, dass die Beleihung „wie Phönix aus der Asche zum neuen Hoffnungsträger für dogmatische Bewältigung staatlich-gesellschaftlicher Kooperation aufgestiegen ist.“ (Voßkuhle2003:301). Er sieht als Grund dafür die „gelungene Verschmelzung von privatem Status und staatlicher Funktion“ (ebd.).
Kennzeichnend für Beliehene ist, dass sie in eigenem Namen und in eigener Verantwortung handeln (Freitag 2005: 21).Eine Verwechslung mit Beamten wird dadurch ausgeschlossen, da der Beliehene weiterhin als juristische Person des Privatrechts auftritt.
Aufgrund der definitorischen Nähe der Beleihung zur Verwaltungshilfe bedarf es einer Abgrenzung der beiden Begriffe voneinander.
2.1.5 Abgrenzung Beleihung zur Verwaltungshilfe
Ebenso wie Beliehene sind auch Verwaltungshelfer der funktionalen Privatisierung zuzuordnen. „Als Verwaltungshelfer kann eine natürliche Person bezeichnet werden, derHilfstätigkeiten in der Verwaltung zugewiesen sind und deren Verhalten der Verwaltung als eigenes zugerechnet wird.“ (Heintzen 2003: 254)
Der Verwaltungshelfer unterscheidet sich also vom Beliehenen zum einen dadurch, dass er nicht in eigenem Namen und in eigener Verantwortung tätig wird. Er erhält vielmehr einen hoheitlichen Auftrag ohne dass ihm hoheitliche Befugnisse eingeräumt werden (Voßkuhle 2003: 299). Der Handlungsspielraum des Verwaltungshelfers ist somit stark eingeschränkt, er kann im Gegensatz zum Beliehenen nicht selbstständig Entscheidungen treffen, sondern handelt im engen Rahmen des ihm erteilten Auftrages.
Nachdem die Privatisierungsarten erläutert und die Beleihung eingeordnet wurde, wird im nachfolgenden Kapitel die Agenturtheorie vorgestellt, anhand derer im weiteren Verlauf die Probleme und Lösungsmöglichkeiten der Privatisierung der Fluggastkontrollen analysiert werden sollen.
2.2 Agenturtheorie
Die Agenturtheorie ist als Teil der institutionenökonomischen Theorien der Wissenschaftstheorie der Organisationstheorie zuzuordnen. Organisationstheorien und damit auch die Agenturtheorie sollen „das Entstehen, das Bestehen und die Funktionsweise von Organisationen erklären bzw. verstehen.“ (Scherer/Marti 2014: 15)
Ausgangspunkt für die auch als Principal-Agent-Ansatz bezeichnete Agenturtheorie ist der zwischen einem Prinzipal und einem Agenten bestehende Vertrag. Der Prinzipal ist dabei Auftraggeber, der Agent Auftragnehmer (Bea/Göbel 2006: 159). Grundlage der Agenturtheorie ist die „Annahme, dass die Gestaltung und die Erfüllung von Verträgen durch die Verhaltensmaxime einer beiderseitig erwarteten Nutzenmaximierung geprägt sind.“ (Kieser/Walgenbach 2007: 50)
Die Theorie geht davon aus, dass der Agent einen Informationsvorsprung zum Prinzipal hat, da er selbst seine Fähigkeiten und Absichten am besten beurteilen kann und bei vom Prinzipal abweichenden Zielen „seinen Informationsvorsprung zu Lasten des Prinzipals“ (Bea/Göbel 2006: 160) ausnutzen wird.
Kieser beschreibt drei Instrumente, mittels derer der Prinzipal den Agenten disziplinieren kann (Kieser/Walgenbach 2007: 51 f.):
(1) Beteiligung des Agenten am Ergebnis: Durch ein Anreizsystem sollen die Ziele des Agenten weitestgehend an den Zielen des Prinzipals ausgerichtet werden. Kieser beurteilt dieses Instrument als das wirksamste der drei.
(2) Verbesserung des Informationssystems: Der Informationsvorsprung des Agenten soll durch Informationspflichten gegenüber dem Prinzipal verringert werden.
(3) Direkte Verhaltenssteuerung: Diese umfasst das Formulieren von Regeln im Vertrag und die Kontrolle derer. Im Fall von Verstößen drohen dem Agenten Sanktionierungen.
Nachdem die verschiedenen Arten der Privatisierung und die Agenturtheorie erläutert wurden, wird im nächsten Kapitel die aktuelle Form der Durchführung der Fluggastkontrollen an deutschen Großflughäfen vorgestellt und in der Systematik der Privatisierungsarten eingeordnet.
3. Fluggastkontrollen als Aufgabe privater Unternehmen
„In addition to understanding the different types of services that police provide, we must also understand the various forms of privatization. To do so, we need to look at tow key dimensions of public service delivery: who pays for the service and who delivers ist.“(Fixler Jr./Poole Jr 1988: 110)
Im weiteren Verlauf werden zunächst die beiden Fragen im zuvor genannten Zitat beantwortet und im Anschluss auftretende Mängel bei den Fluggastkontrollen erläutert.
Wie bereits in Kapitel 1 beschrieben, werden die Fluggastkontrollen an allen deutschen Großflughäfen durch private Unternehmen durchgeführt. Die Fluggastkontrollkräfte treten dabei in Dienstkleidung ihres jeweiligen Unternehmens auf und sind damit auch für den Bürger als Angehörige juristischer Personen des Privatrechts erkennbar.
Das Rechtsverhältnis der Fluggastkontrollkräfte ist in § 5 Abs. 5 LuftSiG geregelt. Demnach kann die Luftsicherheitsbehörde geeignete Personen beleihen und ihnen die Aufgaben nach § 5 Abs. 1-4LuftSiG übertragen. Diese Aufgaben umfassen unter anderem die Durchsuchung von Personen, die sich im nicht allgemein zugänglichen Bereich des Flughafens befinden oder diesen betreten wollen sowie der mitgeführten Sachen. Es können unter bestimmten Voraussetzungen Personen angehalten und Platzverweise ausgesprochen werden. Dies alles sind Befugnisse, die in der Regel Vollzugsbeamten obliegen. Unstrittig dürfte sein, dass es sich hierbei um Eingriffe in die Grundrechte von Menschen und daher zweifelsohne um hoheitliche Maßnahmen handelt.
[...]
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf auf die Formulierung der weiblichen Form verzichtet, die Verwendung der männlichen Form soll als geschlechtsunabhängig gelten.
- Citar trabajo
- Simon Landmesser (Autor), 2016, Privatisierung von Luftsicherheit. Möglichkeiten und Grenzen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340130
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