Frauen gehören in der mittelalterlichen Dichtung zur Minderheit. Es ist ihre Aufgabe, den Ritter in Liebe entflammen zu lassen, eine treue Gemahlin zu sein oder in einer Notlage die Hilfe eines Ritters zu benötigen. In solchen Situationen spielt fast immer nur eine Frau eine Rolle. Die ‚minne‘ und der Erwerb einer Dame durch den Ritter untersagt eine gleichwertige Beteiligung von zwei Frauen an der Handlung.
Die Inhalte des höfischen Romans bewirken, dass Frauen weitgehend ohne anhaltende Beziehungen zu anderen Frauen erscheinen. Eine der Ausnahmen ist „Iwein“ Hartmanns von Aue. Hier agieren zwei Frauen, Laudine und Lunete, nicht nur kurzzeitig miteinander, sondern sie verbindet eine langfristige Beziehung. Zusammen mit ihrem Gemahl Askalon regiert Laudine über das Quellenreich. Lunete fungiert als Vertraute und Ratgeberin – ein Sonderfall, wenn man bedenkt, dass eine weibliche Beraterin sonst äußerst unüblich ist.
Doch wer ist die außergewöhnliche Figur der Lunete genau? Die einzige Beschreibung ihres Äußeren lässt sich im Vers 1153f. finden: "[...] eine rîterliche maget [...]". Im Text wird sie meistens als „maget“ beschrieben, was in der Übersetzung als Zofe, Dienerin, Magd oder Hofdame angegeben wird. Diese Begriffe werden in der vorliegenden Arbeit verwendet, besitzen jedoch an sich keinen Rückhalt zum mittelhochdeutschen Text. Der Status lässt sich nicht aus der Übersetzung, aber anhand weiterer Bezeichnungen und Inhalte im Text ableiten. Die markantesten Eigenschaften Lunetes sind ihre Klugheit, ihre schalkhaften Züge, ihr gebildetes und gesittetes Wesen und ihre Tüchtigkeit. Sie ist schön, von gehobenem Stand und weist einen guten Charakter auf.
Indem sie ihn vor den aufgebrachten Burgbewohnern schützt, rettet Lunete Iwein, dem Mörder Askalons, das Leben. Als er kurz darauf die trauernde Witwe entdeckt, stellt sich bei Iwein die Minne ein. Laudine ist nun als alleinstehende Herrscherin auf männliche Hilfe angewiesen und heiratet überraschenderweise den Mörder ihres Gatten. Im Anbetracht des Inhaltes stellen sich einige Fragen: Inwieweit besitzt Lunete eine handlungssteuernde Funktion? Welche Motive bewegen sie zur Rettung Iweins? Wie eng ist das Verhältnis der beiden Frauen zueinander und wie viel Kontrolle besitzt Lunete über ihre Herrin? Wie erreicht Lunete es, dass Iwein und Laudine sich vermählen und wie vermittelt sie zwischen den beiden Parteien? Und welche Konsequenzen hat die Fristversäumnis Iweins für die Zofe?
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Steuerung der Handlung durch Lunete
2.1. Die Motive für Iweins Rettung
2.2. Das Vertrauensverhältnis zwischen Laudine und Lunete
2.3. Lunetes Funktion als Vermittlerin zwischen Laudine und Iwein
2.4. Lunetes Klagerede
2.5. Die Konsequenzen der Fristversäumnis Lunete wird angeklagt
3. Exkurs: Ein Vergleich Lunetes bei Hartmann und Chrétien
4. Die Sympathiesteuerung durch bzw. bei Lunete
5. Fazit
- Citation du texte
- Jacqueline Peter (Auteur), 2016, Die Lunete-Figur im "Iwein" von Hartmann von Aue und ihre handlungssteuernde Funktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340113
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