Schillers Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung" erschien zuerst in Fortsetzungen im Blatt „Horen" und fällt in das Jahr 1795. Die Abhandlung ist als Frucht des ständigen Umganges und der Auseinandersetzung mit seinem engen Freund Johann Wolfgang v. Goethe zu betrachten.
Dieses Essay nun stellt sich die Frage, und versucht sie gleichsam zu beantworten, was der Begriff des Dichters sei in Schillers Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung".
Die Frage – besonders aus philosophischer Sicht – stellt sich, da es in heutiger Zeit, in der die Dichtung (und somit der Dichter als Person, Schaffender und Wirkender der Zeit auf diese) als solches immer weniger Bedeutung für gegenwärtige Kultur und Literatur im speziellen hat, mehr und mehr unklarer wird und im Nebel verschwindet, was ein Dichter, was der Dichter aus der Sicht eines Dichters (wie eben bei Schiller) sei, welche Beweggründe, Zwecke, welchen Sinn dieser in sich birgt, kurz: was er ist, der Dichter.
Teil I
Schillers Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung" erschien zuerst in Fortsetzungen im Blatt „Horen" und fällt in das Jahr 1795. Die Abhandlung ist als Frucht des ständigen Umganges und der Auseinandersetzung mit seinem engen Freund Johann Wolfgang v. Goethe zu betrachten.
Die Begegnung zwischen Schiller und Goethe, anfangend im Jahre 1794, förderte in beiden Persönlichkeiten die Erkenntnis ihres eigenen Wesens und zeigte ihre Verschiedenheit. Schiller baute aus Geschichte und Philosophie sein Weltbild, Goethe hingegen nährte seinen Geist aus Naturschauen, Kunsterleben und umfassender Lebenserfahrung. Bei Schiller waren die Früchte ihrer schöpferischen Begabung philosophische und tragische Dichtung, bei Goethe hingegen Lyrik und Epik.
Dieses Essay nun stellt sich die Frage, und versucht sie gleichsam zu beantworten, was der Begriff des Dichters sei in Schillers Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung".
Die Frage - besonders aus philosophischer Sicht - stellt sich, da es in heutiger Zeit, in der die Dichtung (und somit der Dichter als Person, Schaffender und Wirkender der Zeit auf diese) als solches immer weniger Bedeutung für gegenwärtige Kultur und Literatur im speziellen hat, mehr und mehr unklarer wird und im Nebel verschwindet, was ein Dichter, was der Dichter aus der Sicht eines Dichters (wie eben bei Schiller) sei, welche Beweggründe, Zwecke, welchen Sinn dieser in sich birgt, kurz: was er ist, der Dichter.
Zur Beantwortung dieser und weiterer, im Verlaufe der Arbeit aufgeworfenen, Fragen zog ich Schillers Werk „Über naive und sentimentalische Dichtung" als Werkzeug vor, da sich in der Person des Friedrich Schillers einerseits einer der größten (deutschen) Dichter, sowie gleichsam ein Philosoph vereinen - und sich somit in und an ein und derselben Person Dichter und Philosoph - in ihren bzw. seinen Werken - erklären, begründen und darstellen lassen - in einem philosophischen Werk eines Dichters über Dichter und Dichtkunst.
Teil II
Es ist unumgänglich, wenn man den Begriff des Dichters betrachten will, den Begriff der Natur vornan zu stellen, und diesen zu deuten, um durch ihn die Natur des Dichters erkennen zu können. Schiller meint, und dies ist ein ungemein großer und gewichtiger Teil der Deutung des Dichters und dessen Begriffs: „Die Dichter sind überall, schon ihrem Begriffe nach, die Bewahrer der Natur." (S. 25).
Natur - Schillers Auffassung von dieser ist Hauptstück des Anfanges seiner Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung" (fortan mit „Ü.n.u.s.D." abgekürzt). Daher ist es unumgänglich kurz auf diese einzugehen.
Natur wird erfahren, wenn der Betrachter - so auch der Dichter - in künstlichen Verhältnissen und Situationen mit dem Anblick der einfältigen Natur überrascht wird, und es gibt Momente, in denen man diese Natur liebt, nur weil sie Natur ist, also einzig aus dem Grunde heraus, dass sie, die Natur, sie selbst ist - ohne andere hinterstehende Gründe. Weiter, auf andere Art und überaus bildlich wird es anderer Stelle beschrieben: „Unser Gefühl für Natur gleicht der Empfindung des Kranken für die Gesundheit." (S.24).
Das Interesse an der Natur, so Schiller, findet nur unter zwei Bedingungen statt. Die erste ist, „dass der Gegenstand, der uns dasselbe einflößt, Natur sei oder doch von uns dafür gehalten werde"; und der zweite, „dass er (in weitester Bedeutung des Worts) naiv sei, d.h., dass die Natur mit der Kunst im Kontraste stehe und sie beschäme." (S.3).
In diesen beiden Bedingungen bringt Schiller die erste Sinnbeschreibung des Wortes naiv, der für den weiteren Verlauf der Begriffsdeutung des Dichters überaus wichtig ist. Weiter sagt Schiller: „Sobald das letzte zu dem ersten hinzukommt, und nicht eher, wird die Natur zum Naiven." (S.3). Darauffolgend Schillers
Definition von Natur, welche „nichts anders als das freiwillige Dasein, das Bestehen der Dinge durch sich selbst, die Existenz nach eignen und unabänderlichen Gesetzen" ist (S.3).
Wichtig ist, dass Schiller folgend meint, die Entdeckung der Illusion und Nachahmung von Natur, würde das Gefühl von Natur völlig vernichten. Er kommt zum Schluss, „dass diese Art des Wohlgefallens an der Natur kein ästhetisches, sondern ein moralisches ist; denn es wird durch eine Idee vermittelt, nicht unmittelbar durch Betrachtung erzeugt" (S.4), womit er sich (wie in vielen anderen Sichtweisen) Immanuel Kant anschließt bzw. auf dessen Lehre aufbaut. (Kants Einfluss ist auf Schillers Denkart, Philosophie und Lehre stets zu vernehmen.) Was heißt, dass Natur nur als Natur betrachtet werden kann, wenn diese nicht als Imitat dessen erfahren wird, gleich ob es Imitat oder Nachahmung ist; zählend ist nur der Schein, das Bild der Erscheinung von Natur.
Meines Erachtens stellt Schiller die Idee somit über das wahrhaft vorhandene, die Idee über die wahre Natur. Schiller meint, dass wir nicht die Gegenstände, sondern die Idee in ihnen lieben, und „wir lieben in ihnen das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus sich selbst, das Dasein nach eignen Gesetzen, die innere Notwendigkeit, die ewige Einheit mit sich selbst" (S.4).
Den Grund dieses Liebens stellt Schiller gleich darauffolgend dar, indem er sagt: „Sie sind, was wir waren; sie sind, was wir wieder werden sollen. Wir waren Natur wie sie, und unsere Kultur soll uns, auf dem Wege der Vernunft und der Freiheit, zur Natur zurückführen. Sie sind also zugleich Darstellung unserer verlorenen Kindheit, die uns ewig das Teuerste bleibt..." (S.5).
Wir also projizieren in alles was wir sehen und als Natur wahrnehmen eine tiefe Sehnsucht nach einer höchsten Vollendung einer Idee und von Idealen, sowie das Sehnen nach etwas, was wir alle mit dem Vergängnis der Kindheit verloren haben. „Wir erblicken in ihnen also ewig das, was uns abgeht, aber wonach wir aufgefordert sind zu ringen, und dem wir uns, wenn wir es gleich niemals erreichen, doch in einem unendlichen Fortschritte zu nähern hoffen dürfen." (S.5). Grund für diese stete Projektion bringt Schiller hinterher, in dem er sagt: „In dem Kinde ist die Anlage und Bestimmung, in uns ist die Erfüllung dargestellt, welche immer unendlich weit hinter jener zurückbleibt." (S.7). Dieser Aussage merkt man deutlich eine tiefe romantische Prägung an, so z.B. drückt sie das auch aus, was der romantische Dichter Novalis meinte, dass die Kindheit, also die Anlage und Bestimmung, das höchste sei, und man sich im Laufe der Zeit mit dem Alter immer weiter davon entfernt, sich also auf gewisse Art verjüngt - ein Rückschritt ... welcher das Sehnen nach Vergangenem und die Projektion dessen auf alles Umgebende mit sich bringt.
Zur Deutung des Naiven gibt Schiller weitere Eigenschaften. So wird vom Naiven gefordert, „dass die Natur über die Kunst den Sieg davontrage (...) Das Naive ist eine Kindlichkeit, wo sie nicht mehr erwartet wird" (S.9). Mit letzterem gibt Schiller eine deutliche Definition des Naiven. Beendet wird der Begriff des Naiven mit Schillers Ausspruch, dass „die Natur recht, die Kunst aber unrecht haben" muss (S.9).
Übergeleitet wurde also von der Natur zum Naiven. Zur weiteren Deutung des Naiven und dessen Bedeutung, die hinführt zur Deutung des Dichters, hat Schiller einige Eigenschaften zugeschrieben, welche zur Verständnis an dieser Stelle aufgeführt werden sollen und den Begriff des Genies mit sich bringt: „Naiv muss jedes wahre Genie sein, oder es ist keines. Seine Naivität allein macht es zum Genie, und was es im Intellektuellen und Ästhetischen ist, kann es im Moralischen nicht verleugnen. Unbekannt mit den Regeln, den Krücken der Schwachheit und den Zuchtmeistern der Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem Instinkt, seinem schützendem Engel, geleitet, geht es ruhig und sicher durch alle Schlingen des falschen Geschmackes" (S.15/16).
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- Arbeit zitieren
- Norman Franz (Autor:in), 2016, Der Begriff des Dichters in Friedrich Schillers "Über naive und sentimentalische Dichtung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339662
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