Wie man dem Titel entnehmen kann, beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit „Übergangsriten“. Dazu werde ich zunächst die Ritualtheorien von Arnold van Gennep erläutern, um anschließend auf Victor Turners Annahmen bezüglich der Schwellenphase einzugehen, die sich an van Genneps Konzept anschließen.
Als Beispiel für Übergangsriten aus einer europäischen Gesellschaft entschied ich mich für die Konfirmation, da ich selbst 2001 konfirmiert wurde und ich aus diesem Grund über die Abläufe und Hintergründe einer Konfirmation in Kenntnis gesetzt worden bin. Als außereuropäisches Beispiel eines Übergangsrituals fungiert die Beschneidung der Frauen der Bulsa aus Nord-Ghana, welches einen Kontrast zu der Konfirmation darstellt. Zwar haben alle Übergangsriten Gemeinsamkeiten, sind aber - meist von der Thematik abhängig - weltweit unterschiedlich.
Inhalt
1. Einleitung:
2. Arnold van Genneps Modell : ,,Les rites de passage"
3. Victor Turner - Schwellenzustand und Communitas
4. Die Konfirmation als Europäisches Übergangsritual
5. Die Beschneidung als Außereuropäisches Übergangsritual
6. Fazit:
7. Bibliographisches Verzeichnis:
1. Einleitung:
Wie man dem Titel entnehmen kann, beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit „Übergangsriten“. Dazu werde ich zunächst die Ritualtheorien von Arnold van Gennep erläutern, um anschließend auf Victor Turners Annahmen bezüglich der Schwellenphase einzugehen, die sich an van Genneps Konzept anschließen. Als Beispiel für Übergangsriten aus einer europäischen Gesellschaft entschied ich mich für die Konfirmation, da ich selbst 2001 konfirmiert wurde und ich aus diesem Grund über die Abläufe und Hintergründe einer Konfirmation in Kenntnis gesetzt worden bin. Als außereuropäisches Beispiel eines Übergangsrituals fungiert die Beschneidung der Frauen der Bulsa aus Nord-Ghana, welches einen Kontrast zu der Konfirmation darstellt. Zwar haben alle Übergangsriten Gemeinsamkeiten, sind aber - meist von der Thematik abhängig - weltweit unterschiedlich.
2. Arnold van Genneps Modell : ,,Les rites de passage"
Arnold van Gennep, Volks- und Völkerkundler, wurde am 23. April 1873 in Ludwigsburg geboren. Er prägte den Begriff des Übergangsrituals durch sein 1909 erschienenes Werk „Les rites de passage“.1 Als Übergangriten bezeichnete Arnold van Gennep „Riten, die einen Orts-, Zustands-, Positions- oder Altersgruppenwechsel begleiten“.2
Übergangsriten lassen sich laut van Gennep in drei Kategorien gliedern. Nämlich die der Trennungsriten (rites des séparation), Schwellen -bzw. Umwandlungsriten (rites de marge) und den Angliederungsriten (rites d'agrégation).3 Die Trennungsriten charakterisieren die Ablösungsphase von einer vorher gefestigten Sozialstruktur bzw. des sozialen Status. Die Schwellen- bzw. Umwandlungsriten kennzeichnen die Zwischenphase, also eine Phase, in der das Individuum sich zwischen zwei Zuständen befindet. Die Angliederungsriten charakterisieren die Integrationsphase, die den Übergang in einen neuen Zustand beschreibt.
Gennep stellt heraus, dass diese Übergangsriten jedoch nicht in allen Kulturen und Zeremonien gleich ausgeprägt seien, vielmehr gäbe es noch andere Riten, die gemeinsam mit den Übergangsriten auftreten könnten, oder zur gleichen Zeit.4 Häufig würden beispielsweise bei Bestattungszeremonien Trennungsriten vorkommen, Initiationsriten in der Zwischenphase und Angliederungsriten ließen sich bei Hochzeitsbräuchen finden.
Van Gennep stellt ebenfalls dar, dass das Dreiphasenmodell der Übergangsriten sich unter gegebenen Umständen nochmals aufteilen könne. Gennep erklärt, dass dies geschehe, wenn die Zwischenphase so vollkommen geworden sei, um somit eine eigene Phase zu bilden.5 Als Beispiel nennt er den Übergangsabschnitt zwischen dem Jugendalter und der Heirat an sich, wobei der Übergang von dem Jugendalter zum Verlobt-sein eine Sammlung von Trennungs-, Umwandlungs- und Angliederungsriten umschließen kann, sowie der Übergang vom Verlobt-sein zum Verheiratet-sein. Anschließend erläutert Arnold van Gennep, dass nicht alle Geburts-, Initiations- und Hochzeitsriten uneingeschränkt Übergangsriten seien. Zwar hätten alle Riten das Ziel, den Wandel eines Zustands oder eine Überquerung von einer magisch-religiösen bzw. sakulären Gruppe zu einer anderen zu gewährleisten, dennoch hätten jene Zeremonien einen anderen spezifischen Zweck. So beinhalten beispielsweise Hochzeitsrituale meistens auch Fruchtbarkeitsbräuche oder etwa Bestattungsriten Abwehrbräuche.6 Van Gennep erläutert, dass alle diese Riten neben und in Verbindung mit Übergangsriten stattfinden würden. So komme es vor, dass die Riten so nah verbunden seien, dass man die Riten nicht mehr eindeutig einer Kategorie zuordnen könne.
Der Hauptteil seines Buches widmet sich vielen Beispielen, die zeigen, dass die drei Phasen eines Übergangs in allen Übergangsriten vorkommen. Van Gennep erläutert dies detailliert anhand von Geburts-, Initiations-, Hochzeits-, Bestattungs- und Jahresriten.
Leider kann ich aufgrund des Umfanges dieser Arbeit nicht genauer darauf eingehen.
Besonders bekannt wurde van Genneps Buch durch Victor Turner, der, vom Dreiphasenmodell ausgehend, van Genneps Forschung weiterentwickelte.7
3. Victor Turner - Schwellenzustand und Communitas
Victor Turner, geboren am 28. Mai 1920 in Glasgow, griff wie schon in seinem Aufsatz „Betwixt and between: the liminal period in rites de passage“8 die Forschungsergebnisse von Arnold van Gennep erneut auf und ergänzte diese in seinem 1969 erschienenen Hauptwerk „Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. In seinem Werk thematisiert Turner die von van Gennep bezeichnete Schwellenphase der Übergangsriten.9
Victor Turner bezeichnet den Schwellenzustand, in denen sich Schwellenpersonen, auch als Grenzgänger bezeichnet, befinden, als Liminalität. Die Beschaffenheit des Schwellenzustandes oder von Schwellenpersonen ließe sich nicht genau bestimmen, da es zu keiner Fixierung eines Zustandes oder Position kommen könne.10 Demnach befänden sich Grenzgänger „weder hier noch da“11. Weiterführend erklärt Turner, dass viele Gesellschaften, die die Übergange mit Ritualen versehen, mithilfe Schwellensymbolen die Mehrdeutigkeit des Schwellenzustands darstellen würden. Als Beispiel nennt Turner u.a. die Neophyten als Grenzgänger. Demnach würden die Neophyten, die kurz davor sind in einen neuen Bund aufgenommen zu werden, symbolisch als Individuen dargestellt werden, die in der Schwellenphase weder über Besitz-, noch über einen Status verfügen, der sie von anderen Mit-Neophyten unterscheidet (z.B. durch die spärliche Kleidung) und dennoch ließe sich ein klarer Unterschied zu den Nicht-Grenzgängern erkennen.12 Turner begründet den Vorgang der Reduktion damit, eine Neu-Gestaltung zu erzeugen und die Schwellenpersonen mit neuen Kräften zu versehen, die sie für das neue Stadium in ihrem Leben bereit machen.13 Die Unsicherheit, die mit dem Vorgang der Reduktion oft einhergeht, zeige den Grenzgängern, wie es ohne die Gemeinschaft wäre. Umso leichter würde der Wunsch der Wieder-Eingliederung entstehen.
Turner beschreibt, dass in dem Schwellenzustand zwei Systeme deutlich werden, die er als Hauptmodelle menschlicher Sozialstruktur ansieht. Zum einen die Darstellung einer Gesellschaft als "strukturiertes, differenziertes und oft hierarchisch gegliedertes System politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Positionen mit vielen Arten der Bewertung"14. Zum anderen das zweite Modell der gesellschaftlichen Struktur, das er als „Communitas“ bezeichnet, womit er sich im weiteren Verlauf seiner Arbeit befasst. Dieses Modell bezeichnet Turner als „unstrukturierte oder rudimentär strukturierte (…) Gemeinschaft“.15 Es handelt sich um Schwellenpersonen, die eine Gemeinschaft bilden, die er als „Communitas“ bezeichnet. So würde man während des Schwellenzustands entdecken können, dass zwischen den Grenzgängern eine verallgemeinerte, soziale Bindung vorliege, die sich in verschiedenen strukturellen Beziehungen unterteilen ließe.16 Weiterführend erläutert Turner, dass man nicht denselben Unterschied zwischen Struktur und „Communitas“ ziehen könne, wie bei der üblichen Unterscheidung zwischen Politik und Religion, oder wie es beispielsweise
Arnold van Gennep zwischen dem sakulären und dem sakralen tat.17
Die Ergebenheit und Formlosigkeit, die empfunden wird, überträgt sich auf die Menschen mit dem höheren Rang, was wiederum ihren Stolz reduziert. Das Hauptaugenmerk liegt laut Turner auf den bedeutenden und grundsätzlichen menschlichen Beziehungen, die eine Voraussetzung für eine Gesellschaft seien.18 Turner beschreibt weiter, dass für Individuen das Leben ein dialektischer Prozess sei, wonach jeder Mensch sich mit „Struktur und „Communitas“, Zuständen und Übergängen konfrontiert“19 sehen müsse.
Turner unterscheidet zwischen existentieller oder spontaner „Communitas“, normativer „Communitas“ und der ideologischen „Communitas“. Die existentielle „Communitas“ bezeichnet die unmittelbare Erfahrung einer intensiven Gemeinschaft, die Turner am besten in der Hippie-Bewegung verwirklicht sieht. Diese Bewegung würde einen Gegensatz zwischen Struktur und „Communitas“ verdeutlichen, da „Communitas“ dem Hier und Jetzt“20 angehört und die Struktur auf „Sprache, Gesetz und Brauch in der Vergangenheit“21 basiert. Die Entstehung der „Communitas“ wurde durch Orte und Zeiten begünstigt, die aus dem Alltag der Gesellschaft ausgegrenzt waren, wie zum Beispiel Rock-Konzerte oder Happenings. Somit konnte es zur Liminalität kommen, woraufhin „Communitas“ entstand. Aus der existentiellen „Communitas“ musste allerdings ein zweiter, bzw. dritter Typ werden. Die normative „Communitas“ ist der Versuch, eine existentielle Erfahrung dauerhaft zu erhalten, (wobei erneut Strukturen entstehen). Begründen lässt sich dies mit dem Bedürfnis einer Gemeinschaft nach Zielen. Um eine Durchführung der Ziele zu gewährleisten, bedarf es an Regeln.
Die ideologische „Communitas“ sind Ausführungen und Gedanken einer idealen Gemeinschaft gemeint. Die dritte Form ist die ideologische „Communitas“, es handelt sich dabei um Ausführungen und Gedanken einer idealen Gemeinschaft, einem utopischen Gesellschaftsmodell.22 Turner betont, dass es keine festen Grenzen zwischen den Formen der „Communitas“ gäbe, außerdem könne man keine klare Abgrenzung zwischen „Communitas“ und Struktur festmachen. Demnach würden die normative und die ideologische „Communitas“, im Gegensatz zu der existentiellen „Communitas“, teilweise strukturelle Formen der menschlichen Gemeinschaft aufweisen.23 Obwohl Turners Hauptforschungsarbeit im südlichen Afrika lag und er insbesondere auf die Übergangsriten der Ndembu aus Sambia einging, bediente er sich wie Arnold van Gennep in seinen
[...]
1 Schomburg-Scherff (2004: 222)
2 zitiert nach: Turner, Victor: „Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur“, Frankfurt, S.94
3 Vgl. van Gennep (1986: 21)
4 Vgl. van Gennep (1986: 22)
5 Vgl. van Gennep, (1986: 21)
6 Vgl. van Gennep (1986: 22)
7 Vgl. Turner V., 1964: Betwixt and Between: The Liminal Period in Rites de Passage. In:
Symposium on New Approaches to the Study of Religion, herausgegeben von Melford E. Spiro; Seattle, American Ethnological Society.
8 Vgl. Herlyn (2002: 25)
9 Vgl. Turner ( 2000: 94)
10 Vgl. Turner (2000: 95)
11 Turner (2000: 95)
12 Vgl. Turner (2000: 95)
13 Vgl. Turner (2000: 95)
14 Turner (2000: 96)
15 Turner (2000: 96)
16 Vgl. Turner (2000: 96)
17 Vgl. van Gennep (1986: 13)
18 Vgl. Turner (2000: 96)
19 Turner (2000: 97)
20 Turner (2000: 111)
21 Turner (2000: 111)
22 Vgl. Turner (2000: 129)
23 Vgl. Herlyn (2002: 27)
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2012, Übergangsriten nach Arnold van Genneps "Les rites de passage" und Victor Turners "Schwellenzustand und Communitas", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339316
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