„Für mich ist das Ergebnis klar: Die Gemeinwohlgründe überwiegen die Wettbewerbsbeschränkung. Deshalb habe ich die Ministererlaubnis erteilt.“ Mit diesen Worten, aus einem Brief an die Regierungsparteien, gab der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun, unter Auflagen, am 17.03.2016 endgültig grünes Licht für die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann. Eine große Überraschung war diese Entscheidung letztlich nicht mehr, weshalb bereits seit Wochen und Monaten unzählige Diskussionen geführt wurden und mit Sicherheit auch noch geführt werden.
Im Kern des Ganzen kommt immer wieder die zentrale Frage auf, ob das Instrument der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle überhaupt tragbar ist, oder ob dieses besser schon vor Jahren hätte abgeschafft werden sollen. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit sollen daher die Vor- und Nachteile der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle anhand des aktuellen Fallbeispiels Edeka-Tengelmann eingehend analysiert und bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
2. Fusionskontrolle in Deutschland
2.1 Was ist eine Fusion?
2.2 Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
2.3 Prüfungsrelevante Fusionen
2.4 Das Bundeskartellamt als Prüfer für Fusionen
2.5 Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens
2.6 Gründe für die Untersagung einer Fusion
2.7 Handlungsoptionen bei einer Untersagung
3. Die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle
3.1 § 42 GWB
3.2 Gründe für die Einführung der Ministererlaubnis
3.3 Ablauf eines Ministererlaubnisverfahrens
3.4 Die Monopolkommission
3.5 Historische Fälle
3.6 Vorteile der Ministererlaubnis
3.7 Nachteile der Ministererlaubnis
4. Der Fall Edeka-Tengelmann
4.1 Beteiligte Unternehmen
4.2 Vorgeschichte
4.3 Das Verfahren bis zur Untersagung
4.4 Antrag auf Ministererlaubnis
4.5 Die Sichtweise der Monopolkommission
4.6 Die Entscheidung des Wirtschaftsministers
4.7 Aktueller Stand und Stimmen aus der Öffentlichkeit
5. Abschließende Beurteilung von Sinn und Zweck der Ministererlaubnis
6. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Angemeldete Zusammenschlüsse 2004-2010 8
Abbildung 2: Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens 9
Abbildung 3: Entscheidungspraxis des Bundeswirtschaftsministers von 1973 bis heute 25
Abbildung 4: Anzahl der Edeka Märkte in Berlin 38
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
„Für mich ist das Ergebnis klar: Die Gemeinwohlgründe überwiegen die Wettbewerbsbeschränkung. Deshalb habe ich die Ministererlaubnis erteilt.“[1]. Mit diesen Worten, aus einem Brief an die Regierungsparteien, gab der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun, unter Auflagen, am 17.03.2016 endgültig grünes Licht für die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann. Eine große Überraschung war diese Entscheidung letztlich nicht mehr, weshalb bereits seit Wochen und Monaten unzählige Diskussionen geführt wurden und mit Sicherheit auch noch geführt werden. Im Kern des Ganzen kommt immer wieder die zentrale Frage auf, ob das Instrument der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle überhaupt tragbar ist, oder ob dieses besser schon vor Jahren hätte abgeschafft werden sollen. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit sollen daher die Vor- und Nachteile der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle anhand des aktuellen Fallbeispiels Edeka-Tengelmann eingehend analysiert und bewertet werden.
Zum Einstieg wird in Kapitel 2 zunächst erläutert, was überhaupt unter einer Fusion verstanden wird. Danach wird die Verankerung der Fusionskontrolle im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) veranschaulicht, um dann anschließend aufzuzeigen, welche Faktoren gelten müssen, damit eine Fusion überhaupt prüfungsrelevant wird. Im nächsten Schritt wird dann das Bundeskartellamt in seiner Funktion als Prüfer von Fusionen kurz vorgestellt und der Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens näher erläutert. Im Anschluss daran werden die Gründe für die Untersagung einer Fusion genannt und Handlungsoptionen für Unternehmen bei einer Untersagung durch das Bundeskartellamt aufgezeigt.
Kapitel 3 behandelt die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle, wobei zunächst die rechtliche Verankerung im § 42 GWB gezeigt wird. Hiernach werden die Gründe für die Einführung der Ministererlaubnis vorgestellt und der generelle Ablauf eines Ministererlaubnisverfahrens erläutert. Es folgt eine kurze Vorstellung der Monopolkommission, um dann anschließend einige historische Fälle zur Ministererlaubnis in Augenschein zu nehmen. Im weiteren Verlauf folgen dann die Vorteile, sowie die Nachteile der Ministererlaubnis.
In Kapitel 4 liegt der Fokus dann ganz auf dem Fallbeispiel. Hierbei werden zunächst die an der Fusion beteiligten Unternehmen vorgestellt und anschließend die Vorgeschichte zu dem Zusammenschlussvorhaben aufgezeigt. Nach der Darstellung des Verfahrens bis zur Untersagung durch das Bundeskartellamt folgt dann der eigentliche Antrag auf eine Erlaubnis durch den Bundeswirtschaftsminister. Im Anschluss wird die Sichtweise der Monopolkommission dargestellt, sowie die Entscheidung des Ministers behandelt. Zum Abschluss dieses Kapitels folgt dann noch eine Darstellung des aktuellen Standes, sowie Stimmen und Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit zum Fall.
Zum Schluss dieser Ausarbeitung gibt es dann noch eine abschließende Beurteilung von Sinn und Zweck der Ministererlaubnis in der deutschen Fusionskontrolle.
1.1
2. Fusionskontrolle in Deutschland
Vergleicht man die Fusionskontrolle mit den anderen wettbewerbspolitischen Instrumenten in Deutschland, so fällt auf, dass diese noch verhältnismäßig jung ist. Die Zusammenschlusskontrolle erhielt nämlich erst mit der 2. Novelle im Jahre 1973 Einzug in das GWB. Der Grund hierfür war die Erkenntnis, von Seiten des Gesetzgebers, dass das Kartellverbot durch Unternehmenszusammenschlüsse viel zu leicht umgangen werden konnte.[2]
2.1 Was ist eine Fusion?
Grundsätzlich gibt es viele verschiedene Arten, durch die sich Unternehmen zusammenschließen können. Von einer Fusion kann man hierbei sprechen, wenn sich „zwei oder mehr Unternehmen unter Aufgabe ihrer bisherigen rechtlichen Selbstständigkeit eine neue rechtliche und wirtschaftliche Einheit bilden“.[3] Das Gegenstück zur Fusion wäre demnach eine Kooperation, bei der die beteiligten Unternehmen rechtlich selbstständig bleiben. Die Gründe warum Unternehmen fusionieren sind vielfältig. Im Wesentlichen haben Unternehmen durch eine Fusion die Möglichkeit, ihre Geschäftsfelder zu optimieren oder neu auszurichten, und können so ihre Marktstellung ausbauen und Kostenvorteile besser nutzen. Grundsätzlich kann man drei Arten von Fusionen unterscheiden. Als Erstes der horizontale Zusammenschluss, bei dem die beiden fusionierenden Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. Des Weiteren spricht man von einem vertikalen Zusammenschluss, wenn die beteiligten Unternehmen in einem Lieferanten-/ Abnehmerverhältnis zueinanderstehen. Zu guter Letzt liegt ein konglomerater Zusammenschluss vor, wenn die sich zusammenschließenden Unternehmen weder im direkten Wettbewerb miteinander stehen, noch ein Lieferanten-/ Abnehmerverhältnis zueinander haben.[4]
Im Sinne der Fusionskontrolle wird der Begriff der Fusion von Unternehmen weiter spezifiziert, hierbei liegt nach § 37 Abs. 1 GWB ein Zusammenschluss vor, wenn:
- ein Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil geplant ist,
- ein Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen, wodurch die Kontrolle durch Rechte, Verträge und andere Mittel begründet werden kann, geplant ist,
- ein Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Erwerber bereits gehörenden Anteilen 50% oder 25% des Kapitals oder der Stimmrechte des anderen Unternehmens erreichen, geplant ist,
- jede sonstige Verbindung von Unternehmen, aufgrund derer ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, geplant ist.[5]
Ein weiterer wichtiger Begriff, welcher im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen unbedingt genannt werden muss, ist die Unternehmenskonzentration. Diese stellt den Hauptgrund dafür dar, weshalb Fusionen überhaupt überprüft werden. Bei der Unternehmenskonzentration entfällt ein großer Anteil des Umsatzes eines gesamten Wirtschaftszweiges auf einige wenige Unternehmen. Hierzu kann es aus verschiedenen Gründen kommen. Zum einen durch internes Wachstum, wenn ein Unternehmen am Markt großen Erfolg hat und so seine Marktanteile gegenüber den Wettbewerbern ausbaut. Zum anderen durch externes Wachstum, also eben durch Fusionen oder andere Formen von Unternehmenszusammenschlüssen wie zum Beispiel Beteiligungen unter 50% oder durch die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen, so genannten Joint Ventures. Ein weiterer Grund kann auch sein, dass es auf einem Markt ohnehin nur wenige Unternehmen gibt, was häufig der Fall ist, wenn die Markteintrittsbarrieren besonders hoch sind. Die Unternehmenskonzentration wird hierbei regelmäßig von der Monopolkommission unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten untersucht.[6]
2.2 Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Die Geschichte um die Entwicklung des GWB beginnt bereits mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945. Hierbei verbot das US-Oberkommando unmittelbar nach Kriegsende sämtliche Kartelle, sowie kartellähnliche Organisationen und forderte eine Streuung des Industriebesitzes im besiegten Deutschland. Grund hierfür waren die, hauptsächlich in der Schwerindustrie angesiedelten, Mega-Konzerne, wie zum Beispiel die IG-Farben oder die Vereinigten Stahlwerke, welche von allen Westalliierten als eine Gefahr für den Frieden und eine stabile Wirtschaftsordnung in Europa angesehen wurden. Ziel war eine nachhaltige Entflechtung solcher Konzerne, um eine wirtschaftliche Kriegsführung durch Deutschland in der Zukunft unmöglich zu machen. Trotz aller Bemühungen der US-Amerikaner wehrten sich die meisten deutschen Politiker und sämtliche Wirtschaftslobbyisten gegen umfassende Antitrust-Regelungen nach amerikanischem Vorbild. Der Grund hierfür war vor allem die Angst vor zerstückelten Unternehmen, welche im internationalen Vergleich schlicht nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen wären. Erst durch die jahrelange Initiative Ludwig Erhards, dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft, und durch mehrmalige Drohungen von Seiten der US-Amerikaner, bei Bedarf selbst ein umfassendes Kartellgesetz in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) einzuführen, trat zum Jahresbeginn 1958 das GWB in Kraft. Dieses war aber in der Grundfassung äußerst löchrig, da durch etliche Sonderregelungen zum Teil ganze Branchen von einem Kartellverbot ausgenommen waren. Des Weiteren war im GWB zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Fusionskontrolle verankert. Es bestand lediglich eine Anmeldepflicht, wenn der gemeinsame Anteil der fusionierenden Unternehmen am gesamten Markt größer als 20% war. Davon abgesehen war aber eine weitere Überprüfung solcher Fusionen nicht vorgesehen.[7]
Bedingt durch die Rezession von 1966/67, hatte die Wirtschaftspolitik für die, damals regierende, Große Koalition höchste Priorität und so wurde im Juni 1967 das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verabschiedet. Federführend war hieran der sozialdemokratische Bundesminister für Wirtschaft, Karl Schiller, beteiligt, welcher erstmals die wirtschaftspolitischen Ziele: Wachstum, Preisstabilität, Vollbeschäftigung und außenwirtschaftliches Gleichgewicht formulierte. Diese vier Hauptziele der deutschen Wirtschaftspolitik sind heute auch unter dem Namen „magisches Viereck“ bekannt. Neben diesem wirtschaftlichen Umbruch gingen Ende der 1960er Jahre starke gesellschaftliche Umbrüche einher, welche vor allem das Bild des Kapitalismus, aber auch die Einstellung zu großen Konzernen grundlegend änderten. Des Weiteren stieg die Anzahl der Fusionen in den Jahren 1968 -1973 sprunghaft an, was neben der bereits erwähnten Rezession und der Ölkrise 1973 auch der Tatsache geschuldet war, dass immer mehr Unternehmen Zusammenschlüsse nutzten, um das bereits seit Jahren im GWB verankerte Kartellverbot zu umschiffen. Unter diesen Rahmenbedingungen war es der Bundesregierung dann im Jahre 1973, trotz der heftigen Gegenwehr durch die führenden Wirtschaftsverbände, möglich, in einer zweiten Novelle die Fusionskontrolle in das GWB zu integrieren.[8]
In seiner heutigen Fassung beinhaltet das GWB im Wesentlichen die drei Elemente: Kartellbekämpfung, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht und hat die Aufgabe den Wettbewerb als Fundament der Wirtschaftsordnung zu schützen. Die letzte Neuerung erfuhr das GWB mit der achten Novelle im Juni 2013, mit derer die Unterschiede zwischen der deutschen und der europäischen Fusionskontrolle weiter verringert werden sollen.[9]
2.3 Prüfungsrelevante Fusionen
Die deutsche Fusionskontrolle unterscheidet grundsätzlich zwei Klassen von Zusammenschlüssen. Zum einen kontrollpflichtige Zusammenschlüsse und zum anderen nicht kontrollpflichtige Zusammenschlüsse. Die Entscheidung, zu welcher Klasse der Zusammenschluss zählt wird hierbei anhand der Umsatzerlöse, der an der Fusion beteiligten Unternehmen, gefällt. Für einige Branchen, wie zum Beispiel Handel, Banken, Versicherungen, Presse und Rundfunk, gelten hierbei besondere Regelungen für die Berechnung der zugrundeliegenden Umsätze. Der Betrachtungszeitraum für die Umsatzerlöse ist jeweils das letzte Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss.
Ein nach § 35 GWB kontrollpflichtiger Zusammenschluss liegt vor, wenn die an der Fusion beteiligten Unternehmen gemeinsam weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500.000.000 € haben und wenn mindestens eines der beteiligten Unternehmen mehr als 25.000.000 € an Umsatzerlösen im Inland erzielt hat. Dementsprechend ist ein Zusammenschluss nicht kontrollpflichtig, wenn die oben genannten Umsatzschwellen nicht erreicht werden oder wenn der Zusammenschluss keine Inlandswirkung im Sinne des § 130 Abs. 2 GWB aufweist. Zudem werden im GWB zwei Ausnahmen aufgeführt, welche einen Zusammenschluss auch bei Erreichen der Umsatzschwellen nicht kontrollpflichtig machen können. Hierbei handelt es sich zum einen um die so genannte „de minimis-Klausel“ nach § 35 Abs. 2 Nr.1 GWB und zum anderen um die so genannte „Bagatellmarktklausel“ nach § 35 Abs. 2 Nr.2 GWB. Die de minimis-Klausel ist erfüllt, wenn eines der sich zusammenschließenden Unternehmen im letzten Geschäftsjahr einen weltweiten Umsatz von weniger als 10.000.000 € erzielt hat und wenn dieses Unternehmen nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB von einem anderen beteiligten Unternehmen abhängig ist. Die Bagatellmarktklausel ist erfüllt, wenn das erworbene Unternehmen ausschließlich auf einem Markt tätig ist und wenn es sich bei diesem Markt um einen Bagatellmarkt handelt. Dies ist der Fall, wenn auf dem Markt im letzten Kalenderjahr vor dem Zusammenschluss insgesamt ein Umsatz von weniger als 15.000.000 € erzielt wurde. Ist ein Zusammenschluss nicht kontrollpflichtig, so besteht für diesen weder eine Anmeldepflicht, noch eine Pflicht zur Vollzugsanzeige.[10]
Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch zu sagen, dass bis zu der Genehmigung eines kontrollpflichtigen Zusammenschlusses für die beteiligten Unternehmen ein absolutes Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 GWB besteht. Dies bedeutet, dass der Zusammenschluss ohne die Freigabe durch das Bundeskartellamt auf keinen Fall vollzogen werden darf. Wird der Zusammenschluss dennoch durchgeführt, so kann dieser rückwirkend wieder aufgelöst werden und das Bundeskartellamt darf ein Bußgeld verhängen.[11]
2.4 Das Bundeskartellamt als Prüfer für Fusionen
Das Bundeskartellamt nahm, analog zum Inkrafttreten des GWB, am 15. Januar 1958 seine Arbeit auf. Der Hauptsitz ist in Bonn und für die Leitung der Behörde ist seit Ende 2009 Andreas Mundt zuständig. Das Bundeskartellamt beschäftigt insgesamt rund 355 Mitarbeiter und hatte im Jahre 2014 ein Budget von insgesamt 27.600.000 €. Da es sich beim Bundeskartellamt um eine Bundesoberbehörde handelt ist dieses dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unmittelbar nachgeordnet. Zu den Hauptaufgaben gehören neben der Durchsetzung des Kartellverbotes, der Fusionskontrolle, der Missbrauchsaufsicht marktbeherrschender Unternehmen, sowie der Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge seit 2005 auch die sogenannten Sektoruntersuchungen. Hierbei wird die Wettbewerbssituation in ausgewählten Wirtschaftsbereichen, bei denen von einem verzerrten Wettbewerb ausgegangen wird, vom Bundeskartellamt näher beleuchtet. Das Hauptziel des Amtes ist nach wie vor der Schutz des Wettbewerbes in der BRD.[12]
Betrachtet man die interne Organisation des Bundeskartellamtes, so lässt sich diese im Wesentlichen in vier Gruppen erklären. Als erstes die insgesamt zwölf Beschlussabteilungen, welche Entscheidungen über Kartelle, Fusionen und missbräuchliche Verhaltensweisen treffen. Die Beschlussabteilungen zehn bis zwölf sind hierbei ausschließlich für die branchenübergreifende Verfolgung und Bekämpfung von Kartellen zuständig. Die anderen neun Beschlussabteilungen teilen sich hingegen nach bestimmten Wirtschaftsbereichen auf und treffen auch Entscheidungen zu Fusionen und zu missbräuchlichem Verhalten marktbeherrschender Unternehmen. So ist beispielsweise die Beschlussabteilung zwei für die Wirtschaftsbereiche Landwirtschaft, Ernährungsindustrie, Leder und Lederwaren, Schuhe, Reinigungs- und Körperpflegemittel, sowie Groß- und Einzelhandel mit Nahrungsmitteln und Getränken zuständig und somit auch für das in Kapitel 4 skizzierte Fallbeispiel. Neben den Beschlussabteilungen gibt es noch die Abteilung für Grundsatzfragen des Kartellrechts. Diese Abteilung berät die Beschlussabteilungen bei speziellen kartellrechtlichen Fragen, vertritt das Bundeskartellamt in Entscheidungsgremien der Europäischen Union (EU), begleitet Gesetzesreformen, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene und koordiniert die Zusammenarbeit des Amtes mit ausländischen Wettbewerbsbehörden. Des Weiteren gibt es noch die Abteilung für Prozessführung und Recht, welche juristisch berät, gerichtliche Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf vorbereitet und das Bundeskartellamt vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vertritt. Zudem beinhaltet diese Abteilung auch die Sonderkommission Kartellrecht, die im Wesentlichen für die Unterstützung bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Durchsuchungsaktionen der einzelnen Beschlussabteilungen zuständig ist. Zu guter Letzt hat das Bundeskartellamt noch eine Zentralabteilung, welche sich unter anderem um Haushalt, Personalwirtschaft, Organisation und IT kümmert.[13]
Wie oben bereits beschrieben, gibt es keine gesonderten Beschlussabteilungen, welche sich ausschließlich mit der Fusionskontrolle beschäftigen. Jedoch ist zu beachten, dass bei der Fusionskontrolle, im Gegensatz zum Kartellverbot und der Missbrauchsaufsicht, nicht das Marktverhalten von Unternehmen, sondern die geplanten Strukturveränderungen von Unternehmen im Vordergrund stehen. Das Ziel der Fusionskontrolle ist es daher, übermäßige Unternehmenskonzentrationen zu vermeiden, denn im schlimmsten Falle führen Unternehmenszusammenschlüsse zu Oligopolen oder gar zu Monopolen, welche dann einen funktionierenden Wettbewerb unmöglich machen. Da die Fusionskontrolle lediglich Strukturveränderungen aufgrund von Unternehmenszusammenschlüssen prüft, wird das interne Wachstum von Unternehmen nicht erfasst. Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb es im deutschen Wettbewerbsrecht kein Instrument zur Entflechtung von Unternehmen gibt. Umso wichtiger ist es daher, dass angemeldete Fusionen durch die jeweiligen Beschlussabteilungen akribisch geprüft werden.[14]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Angemeldete Zusammenschlüsse 2004-2010
In der folgenden Abbildung wird die Anzahl der jährlich beim Bundeskartellamt angemeldeten Zusammenschlüsse von 2005 bis 2014 aufgeführt (siehe Abbildung 1). Bei dieser Abbildung fällt vor allem der starke Anstieg der Zusammenschlüsse von 2005 bis zum Höhepunkt im Jahre 2007, um insgesamt knapp 32,9% auf und der anschließende heftige Abfall, bei dem sich die jährlichen Zusammenschlüsse bis zum Jahre 2010, verglichen mit dem Höhepunkt von 2007, wieder mehr als halbiert haben. Der Grund hierfür war die Weltwirtschaftskrise 2008/2009. Seither ist die Anzahl der jährlich angemeldeten Fusionen verhältnismäßig konstant geblieben, wobei sich diese seit 2011 um die Marke von rund 1100 Stück pro Jahr bewegten.
2.5 Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens
Die untenstehende Abbildung soll den Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens, unabhängig davon, welcher Beschlussabteilung das Prüfverfahren obliegt, als Prozessdarstellung veranschaulichen (siehe Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens
Da Unternehmen nach § 39 Abs. 1 GWB zur Anmeldung einer prüfungsrelevanten Fusion verpflichtet sind, beginnt das eigentliche Fusionskontrollverfahren grundsätzlich mit dem Eingang der vollständigen Anmeldeunterlagen beim Bundeskartellamt.[15] Laut § 39 Abs. 3 GWB müssen die Anmeldeunterlagen neben der Form des Zusammenschlusses auch folgende Daten für jedes an der Fusion beteiligte Unternehmen enthalten: Firma und Sitz, die Art des Geschäftsbetriebes, der gesamte Umsatzerlös im Inland, sowie innerhalb der Europäischen Union und weltweit, bei dem Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen müssen die Höhe der erworbenen und der insgesamt gehaltenen Anteile angegeben werden. Weiterhin muss eine zustellungsbevollmächtigte Person angegeben werden, sofern das Unternehmen seinen Sitz nicht im Geltungsbereich des GWB hat.[16]
Nach der Anmeldung der Fusion durch die beteiligten Unternehmen und dem damit verbundenen Eingang der vollständigen Anmeldeunterlagen folgt in der ersten Phase das so genannte Vorprüfverfahren. Hierbei hat die zuständige Beschlussabteilung einen Monat Zeit, die erhaltenen Unterlagen zu prüfen. Wenn das Fusionsvorhaben von der jeweiligen Beschlussabteilung als unproblematisch eingestuft wird, so erfolgt eine formlose Freigabe durch das Bundeskartellamt noch vor Ablauf der Monatsfrist. Wird das Fusionsvorhaben allerdings als nicht unproblematisch eingestuft, dann erfolgt eine Mitteilung an das Unternehmen, dass eine weitere Prüfung des Vorhabens erforderlich ist. Diese Mitteilung wird auch Monatsbrief genannt . In dieser zweiten Phase, dem Hauptprüfverfahren, wird das Fusionsvorhaben, mit Einhaltung einer viermonatigen Frist, im Detail geprüft, das Bundeskartellamt hat hierbei durch die §§ 57 - 59 GWB weitreichende Ermittlungsbefugnisse. Es dürfen zum Beispiel Wettbewerber, Lieferanten und Kunden der antragstellenden Unternehmen befragt, Auskünfte verlangt und Geschäftsunterlagen eingesehen werden. Am Ende des Hauptprüfverfahrens ergeht die Entscheidung durch eine förmliche Verfügung. Bevor diese Entscheidung jedoch endgültig erlassen wird, muss das Bundeskartellamt den beteiligten Unternehmen rechtliches Gehör gewähren. Hierbei müssen den Unternehmen die Gründe zur Entscheidung eingehend erläutert werden und man muss diesen die Möglichkeit lassen, Gegenargumente, welche aus ihrer Sicht die Gründe, die gegen eine Fusion sprechen, entkräften, vorzubringen. Nachdem den Unternehmen rechtliches Gehör gewährt wurde, folgt dann zeitnah die endgültige Entscheidung, wobei es drei Möglichkeiten gibt, wie diese ausfallen kann. Zum einen kann die Fusion freigegeben werden, zum anderen kann sie untersagt werden. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass die Fusion unter Auflagen oder Bedingungen freigegeben wird. Dies ist häufig der Fall, wenn sich die Fusion über mehrere Märkte erstreckt und nur bei einzelnen Märkten eine Gefahr der Wettbewerbsbeschränkung besteht. So können zum Beispiel bestimmte Gebiete ausgenommen werden, oder es kann eine Bedingung sein, dass die Lieferanten des anderen Unternehmens beibehalten werden müssen u.v.m.[17]
2.6 Gründe für die Untersagung einer Fusion
Grundsätzlich muss das Bundeskartellamt nach § 36 Abs.1 GWB eine Fusion untersagen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere wenn hierbei eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird und wenn die beteiligten Unternehmen nicht nachweisen können, dass durch den Zusammenschluss Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, welche die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen würden.[18] Bis zur achten Novelle des GWB enthielt der § 36 Abs. 1 GWB a.F. lediglich die Passage über die marktbeherrschende Stellung. Die Tatsache, dass eine Fusion schon zu untersagen ist, wenn wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird, stellt eine Verschärfung dieser Norm dar. Man spricht hierbei auch von dem so genannten SIEC-Test (Significant Impediment to Effective Competition), welcher in der europäischen Fusionskontrolle bereits seit 2004 Anwendung findet.[19] Nun gilt es zu wissen, wann überhaupt eine marktbeherrschende Stellung vorliegt. Dies ist nach § 19 Abs. 2 GWB der Fall, wenn ein Unternehmen entweder ganz ohne Wettbewerb ist, oder sich zumindest keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sieht. Des Weiteren liegt eine marktbeherrschende Stellung auch dann vor, wenn ein Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern eine überragende Marktstellung hat.
Nun stellt sich die zentrale Frage, unter welchen Kriterien eine zuständige Beschlussabteilung davon ausgehen kann, dass ein Unternehmen ganz ohne, beziehungsweise ohne wesentlichen Wettbewerb ist, oder eine gegenüber den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Bevor die jeweiligen Kriterien geprüft werden können muss zunächst der relevante Markt genau abgegrenzt werden. Die Abgrenzung erfolgt in der Regel sachlich und räumlich, in Ausnahmefällen kann auch eine zeitliche Abgrenzung sinnvoll sein. Ein wesentliches Kriterium zur Abgrenzung stellt hierbei das so genannte „Bedarfsmarktkonzept“ dar.[20] Bei diesem Konzept zählen alle Waren oder Dienstleistungen zu einem Markt, welche sich nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrem Preis so nahestehen, dass sie aus Sicht einer verständigen Marktgegenseite als austauschbar angesehen werden können. Tritt ein Unternehmen als Anbieter auf, so ist also die Sicht der Nachfrager maßgeblich und tritt ein Unternehmen umgekehrt als Nachfrager auf, so ist die Anbietersicht maßgeblich.[21]
Um nun zu überprüfen, ob eine gegenüber den Wettbewerbern überragende Marktstellung eines oder mehrerer Unternehmen vorliegt, wird zunächst der Marktanteil auf dem relevanten Markt betrachtet. Hierbei ist zu sagen, dass nicht nur der absolute Marktanteil, sondern auch der relative Marktanteil zu prüfen ist, also der Marktanteil des jeweiligen Unternehmens im Verhältnis zu denen der anderen Wettbewerber. Nach § 19 Abs. 3 S.1 GWB kann nun von einer Einzelmarktbeherrschung gesprochen werden, wenn ein Unternehmen einen Marktanteil von einem Drittel oder mehr hält. Des Weiteren kann nach § 19 Abs. 3 S.2 GWB eine Oligopolmarktbeherrschung vermutet werden, wenn entweder maximal drei Unternehmen zusammen einen Marktanteil von 50% oder mehr halten, oder wenn maximal fünf Unternehmen gemeinsam einen Marktanteil von mindestens zwei Dritteln haben. Im Falle der Oligopolmarktbeherrschung gibt es Ausnahmen. Hierbei können die betreffenden Unternehmen versuchen nachzuweisen, dass zwischen ihnen ein wesentlicher Wettbewerb besteht oder dass ihre Gesamtheit gegenüber den anderen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung darstellt. Trifft eines der genannten Sachverhalte zu, so ist die Vermutung einer Oligopolmarktbeherrschung widerlegt. Neben der überragenden Marktstellung werden vom Bundeskartellamt auch die wettbewerblichen Verhältnisse eingehend geprüft. Hierbei gibt es nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB viele verschiedene relevante Kriterien, wie zum Beispiel das spezifische Know-how, der Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, die Möglichkeit der Marktgegenseite auf andere Unternehmen auszuweichen, die Finanzkraft u.v.m.[22]
2.7 Handlungsoptionen bei einer Untersagung
Wurde eine geplante Fusion nun vom Bundeskartellamt untersagt, so haben die beteiligten Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, wie sie weiter vorgehen können. Grundsätzlich besteht im Vorfeld der Entscheidung durch das Bundeskartellamt nach § 40 Abs. 3 GWB aber die Möglichkeit, einer Untersagung durch das Erfüllen von bestimmten Bedingungen oder Auflagen zu entgehen. Diese Bedingungen beziehungsweise Auflagen können vielfältig sein, dürfen sich aber nicht darauf richten, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskontrolle zu unterstellen.[23] So kann es beispielsweise eine Auflage sein, das Stammpersonal des erworbenen Unternehmens für einen bestimmten Zeitraum nicht entlassen zu dürfen oder es kann zum Beispiel festgeschrieben werden, dass bestimmte Standorte nicht geschlossen werden dürfen. Ein bekanntes Beispiel für eine Freigabe unter Auflagen ist der Erwerb von Programmzeitschriften der Axel Springer SE durch die Funke Medien Gruppe GmbH & Co. KGaA. Hierbei wollte die Funke Medien Gruppe die Zeitschriften Hörzu, TV Digital, Funk Uhr, Bildwoche und TV Neu erwerben. Da dadurch aber nach Auffassung der zuständigen Beschlussabteilung eine marktbeherrschende Stellung der Funke Medien Gruppe auf dem Programmzeitschriftenmarkt entstanden wäre, wurde der Erwerb nur unter der Auflage freigegeben, dass die Funke Medien Gruppe direkt nach dem Erwerb einige dieser Programmzeitschriften an das mittelständische Unternehmen Klambt GmbH & Co. KG weiterveräußern müsse. Dieser Auflage stimmten alle beteiligten Unternehmen zu und so konnte die Freigabe letztendlich erfolgen.[24]
Eine Handlungsoption, welche ein Unternehmen nun nach einer Untersagung durch das Bundeskartellamt ergreifen kann ist die Beschwerde nach den §§ 63 - 73 GWB. Hierbei können die beteiligten Unternehmen Klage bei dem, für den Sitz des Bundeskartellamtes zuständigen, OLG in Düsseldorf einreichen und so versuchen, die Entscheidung der zuständigen Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes anzufechten.[25] Für die Entscheidung solcher Rechtsstreitigkeiten muss beim OLG eigens ein so genannter Kartellsenat gebildet werden.[26] Die Beschwerde muss dabei spätestens einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung bei der zuständigen Beschlussabteilung in schriftlicher Form eingehen. Zudem müssen die beteiligten Unternehmen ihre Beschwerde begründen. Hierfür muss eine Erklärung erfolgen, inwiefern die Entscheidung angefochten wird und es müssen die Tatsachen und Beweismittel angegeben werden, auf die sich die Beschwerde stützt.[27] Wurde nun vom OLG Düsseldorf über die Rechtsbeschwerde entschieden, so haben die beteiligten Unternehmen, wie auch das Bundeskartellamt selbst, die Möglichkeit gegen diese Entscheidung ebenfalls Rechtsbeschwerde bei der nächst höheren Instanz, nämlich dem Kartellsenat des BGH, einzulegen.[28]
Ein bekanntes Beispiel für solch eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Bundeskartellamtes war der geplante Erwerb von 59 OMV-Tankstellen durch die Total Deutschland GmbH im Jahre 2009. Aufgrund einer vorangegangenen Sektoruntersuchung im Bereich Kraftstoffe im Jahre 2008 und der eingehenden Prüfung des Zusammenschlusses durch die Beschlussabteilung acht wurde der geplante Zusammenschluss untersagt, da durch die geplante Übernahme mit der OMV Deutschland GmbH einer der stärksten Wettbewerber im ostdeutschen Raum weggefallen wäre und da dann das verbleibende Oligopol, bestehend aus Total, Shell, BP, ConocoPhillips und ExxonMobil, gemeinsam einen Marktanteil von 80 – 85 % erreicht hätte. Alles in allem vermutete das Bundeskartellamt eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Total, würde dem Zusammenschluss zugestimmt werden.[29] Gegen diese Untersagung wurde von den beteiligten Unternehmen Rechtsbeschwerde beim OLG Düsseldorf eingereicht. Der zuständige Kartellsenat kam daraufhin während der Verhandlung zu dem Ergebnis, dass zwischen den verbleibenden Wettbewerbern wesentlicher Wettbewerb zu erwarten sei und dass die Total Deutschland GmbH gegenüber diesen Wettbewerbern auch keine überragende Marktstellung besitzt. Somit wurde die Entscheidung des Bundeskartellamtes aufgehoben und dieses legte seinerseits Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf beim BGH ein, da sie deren Sichtweise in keiner Form teilte.[30]
Während der Fall nun vor dem BGH verhandelt wurde verkaufte OMV 56 der betroffenen Tankstellen an die Orlen Deutschland AG, welche Teil des polnischen Orlen Konzerns ist und somit einen neuen Wettbewerber auf dem ostdeutschen Kraftstoffmarkt darstellt. Das Bundeskartellamt stimmte diesem Vorhaben zu. Die verbliebenen drei Tankstellen wurden geschlossen. Für die OMV und das Bundeskartellamt war das Beschwerdeverfahren somit erledigt, die Total wollte dies aber nicht akzeptieren. Somit wurde der Fall mit Beschluss vom 06.12.2016 vom BGH an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen. Das darauffolgende Verfahren war aber weitestgehend gegenstandslos geworden, da die Tankstellen ohnehin bereits anderweitig veräußert wurden.[31]
Neben der Rechtsbeschwerde kann ein Unternehmen nach der Untersagung eines Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt nach § 42 GWB einen Antrag auf Ministererlaubnis stellen. Der Bundeswirtschaftsminister trifft hierbei seine Entscheidung nach der sorgfältigen Abwägung der fusionsbedingten Wettbewerbseffekte und anhand der Berücksichtigung möglicher gesamtwirtschaftlicher Vorteile, welche mit der Fusion verbunden sein könnten. Hierbei soll dem Minister als Grundlage für seine Entscheidung auch das, durch die Monopolkommission erstellte, Sondergutachten zu dem jeweiligen Fall dienen.[32] Die mögliche Handlungsoption der Ministererlaubnis soll an dieser Stelle nur der Vollständigkeit wegen kurz angerissen werden, da dieses in den darauffolgenden Kapiteln, nicht zuletzt durch das Edeka-Tengelmann-Fallbeispiel, umfassend ausgeführt wird.
Beide Handlungsoptionen haben zum Ziel, dass die zuvor vom Bundeskartellamt entschiedene Ablehnung aufgehoben wird. Der wesentliche Unterschied der beiden Vorgehensweisen liegt in dem Vorhandensein einer ernsthaften Wettbewerbsbeschränkung durch den Zusammenschluss. Entscheidet sich ein Unternehmen zu einer Rechtsbeschwerde, so geht es davon aus, dass eine vom Bundeskartellamt vermutete Wettbewerbsbeschränkung eben in Wirklichkeit nicht vorliegt und versucht dieses vor dem OLG auch zu beweisen. Stellt ein Unternehmen allerdings einen Antrag auf Ministererlaubnis, so räumt es praktisch ein, dass, wie vom Bundeskartellamt vermutet, eine Wettbewerbsbeschränkung besteht. Jedoch geht das Unternehmen davon aus, dass diese Wettbewerbsbeschränkung nicht stärker wirkt, als die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion und ist der Meinung, dass der Bundeswirtschaftsminister dies genauso sehen wird.
[...]
[1] Greive (2016a).
[2] Vgl. Klump (2013), S.108.
[3] Fredebeul-Krein, Koch et al. (2014), S.90.
[4] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2011), S.21.
[5] Vgl. § 37 Abs.1 GWB.
[6] Vgl. Fredebeul-Krein, Koch et al. (2014), S.91.
[7] Vgl. Kurzlechner (2009), S.62-76.
[8] Vgl. Kurzlechner (2009), S.96-106.
[9] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg.) (2016a)
[10] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2005), S.3f.
[11] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2011), S.22.
[12] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2015a), S.6f.
[13] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2015a), S.8f.
[14] Vgl. Kapp (2014), S.155f.
[15] Vgl. § 39 Abs. 1 GWB.
[16] Vgl. § 39 Abs. 3 GWB.
[17] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2011), S.24.
[18] Vgl. Meßmer (2015), S.5.
[19] Vgl. Körber (2013), S.3.
[20] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2011), S.25.
[21] Vgl. Koenen (2011), S.3.
[22] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2011), S.25.
[23] Vgl. § 40 Abs.3 GWB.
[24] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2014), S.1-5.
[25] Vgl. § 63 GWB.
[26] Vgl. § 91 GWB.
[27] Vgl. § 66 GWB.
[28] Vgl. § 94 GWB.
[29] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2009).
[30] Vgl. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2010).
[31] Vgl. Bundesgerichtshof (Hrsg.) (2011), S.1-4.
[32] Vgl. Mankiw und Taylor (2008), S.368.
- Arbeit zitieren
- Steven Braun (Autor:in), 2016, Die Vor- und Nachteile der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339116
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