Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Motiv des Verschwindens im Roman Meister und Margarita von Michail Bulgakov. Es soll gezeigt werden, welche Rolle dieses Motiv für den Roman spielt und welchen Verfahren sich der Autor bedient, um dieses Motiv darzustellen.
Bevor ich auf diese Fragen eingehe, möchte ich zunächst einmal erläutern, warum gerade dieses Motiv als Hauptgegenstand der Untersuchung gewählt wurde. Die historische Zeit, in der M.A. Bulgakov seinen Roman schrieb, wurde politisch bestimmt durch die rücksichtlose Festigung des stalinischen Machtapparates. Der Tod Kirovs im Jahre 1934 leitete die Welle der Säuberungen ein, die im Jahre 1937/38 ihren Höhepunkt erreichte. Während dieser Periode wurden unzählige Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller zu den Volksfeinden erklärt, wenn sie z.B. der "alten Intelligenz" angehörten oder „[...] es offensichtlich ablehnten, sich auf eine oder andere Art den neuen ideologischen Anschauungen anzupassen[...]“
Sie wurden nicht nur physisch liquidiert oder in Konzentrationslagern zum Schweigen gebracht, sondern samt ihren Werken aus der russischen Literaturgeschichte verbannt, als hätte es sie nie gegeben. Viele wurden des Trotzkismus, der Spionage und der antisowjetischen Aktivitäten beschuldigt und als Vaterlandsverräter und Volksfeinde bezeichnet. Die Verhöre und Folter auf Lubjanka erzielten die erwünschten Geständnisse. An manchen Schriftstellern wurde eine andere Methode angewandt. Es war nicht die Verhaftung, sondern andere Maßnahmen, wie z.B. Beschlagnahmung des Manuskriptes, Verbot der Publikation der Werke, Verbot der Ausreise ins Ausland, Verweigerung jeglicher Tätigkeit, was dazu führte, dass der Schriftsteller ohne jegliche Mittel zum Leben da stand und so, durch den psychischen Druck von außen, dem Tode immer näher kam. Bulgakov selbst erlitt ähnliches Schicksal. Er lebte jahrelang mit der Erwartung, dass in jeder Sekunde an der Tür geklopft wird und er abgeholt wird.
Zu denjenigen, die in dieser Zeit mit dem Tod bestraft wurden oder im Lager umkamen, gehörten auch Boris Pil’njak, Osip Mandel`stam und Vsevolod Mejerchol’d. Gerade diese Namen sind hier besonders erwähnenswert, denn alle drei Künstler standen im besonderen Verhältnis zu Michail Bulgakov. Vor allem der Name Mandel`stams ist für den Roman von großer Bedeutung, worauf im Laufe dieser Arbeit noch ausführlicher eingegangen wird.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Verschwinden von Personen und Gegenständen im Roman
2.1. Die Wohnung Nr. 50 als Schauplatz des Verschwindens
2.2. Die Administration des Varieté- Theaters
2.3. Die verschwundenen Gegenstände
3. Die Verfahren der Darstellung des Motivs
3.1. Das Motiv des Verschwindens und die Tradition der russischen Volkstheater
3.2. Das Motiv des Verschwindens im Sinne der Dämonologie
4. Das Motiv des Verschwindens und der politische Diskurs
5. Die verschwundenen Städte Moskau und Jerschalaim
6. Fazit
Bibliographie
1. Einleitung
Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Motiv des Verschwindens im Roman Meister und Margarita von Michail Bulgakov. Es soll gezeigt werden, welche Rolle dieses Motiv für den Roman spielt und welchen Verfahren sich der Autor bedient, um dieses Motiv darzustellen.
Bevor ich auf diese Fragen eingehe, möchte ich zunächst einmal erläutern, warum gerade dieses Motiv als Hauptgegenstand der Untersuchung gewählt wurde.
Die historische Zeit, in der M.A.Bulgakov seinen Roman schrieb, wurde politisch bestimmt durch die rücksichtlose Festigung des Stalinschen Machtapparates. Der Tod Kirovs im Jahre 1934 leitete die Welle der Säuberungen ein, die im Jahre 1937/38 ihren Höhepunkt erreichte. Während dieser Periode wurden unzählige Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller zu den Volksfeinden erklärt, wenn sie z.B. der ‚alten Intelligenz‛ angehörten oder „[...]es offensichtlich ablehnten, sich auf eine oder andere Art den neuen ideologischen Anschauungen anzupassen[...]“[1] Sie wurden nicht nur physisch liquidiert oder in Konzentrationslagern zum Schweigen gebracht, sondern samt ihren Werken aus der russischen Literaturgeschichte verbannt, als hätte es sie nie gegeben. Viele wurden des Trotzkismus, der Spionage und der antisowjetischen Aktivitäten beschuldigt und als Vaterlandsverräter und Volksfeinde bezeichnet. Die Verhöre und Folter auf Lubjanka erzielten die erwünschten Geständnisse. An manchen Schriftstellern wurde eine andere Methode angewandt. Es war nicht die Verhaftung, sondern andere Maßnahmen, wie z.B. Beschlagnahmung des Manuskriptes, Verbot der Publikation der Werke, Verbot der Ausreise ins Ausland, Verweigerung jeglicher Tätigkeit, was dazu führte, dass der Schriftsteller ohne jegliche Mittel zum Leben da stand und so, durch den psychischen Druck von außen, dem Tode immer näher kam. Bulgakov selbst erlitt ähnliches Schicksal. Er lebte jahrelang mit der Erwartung, dass in jeder Sekunde an der Tür geklopft wird und er abgeholt wird.
Zu denjenigen, die in dieser Zeit mit dem Tod bestraft wurden oder im Lager umkamen, gehörten auch Boris Pil’njak, Osip Mandel’štam und Vsevolod Mejerchol’d. Gerade diese Namen sind hier besonders erwähnenswert, denn alle drei Künstler standen im besonderen Verhältnis zu Michail Bulgakov. Vor allem der Name Mandel’štams ist für den Roman von großer Bedeutung, worauf im Laufe dieser Arbeit noch ausführlicher eingegangen wird.
So verschwanden für eine längere Zeit aus der Literatur nicht nur die Namen der vielen Schriftsteller, sondern auch zum Teil ihre Werke. Die Manuskripte, persönliche Aufzeichnungen oder Tagebücher vieler Schriftsteller wurden beschlagnahmt und oftmals vernichtet, wie z.B. der letzte Roman von Boris Pil’njak, der bis heute nicht gefunden wurde.[2]
Außerdem verschwanden auch ganze Organisationen. So z.B. wurde im Jahre 1928 VAPP (Allrussische Assoziation proletarischer Schriftsteller) zu RAPP (die R ussische A ssoziation P roletarischer S chriftsteller) umbenannt und beherrschte das Literaturleben fünf Jahre lang bis es im Jahre 1932 aufgelöst wurde und ihre führenden Funktionäre selbst zu den Opfern der Repression wurden.
Manche Schriftsteller verschwanden nicht spurlos, sie verschwanden lediglich aus der Sowjetunion. So wie Evgenij Zamjatin, der sich auch wie Bulgakov mit einem Brief an Stalin wandte mit der Bitte um Ausreise. Er erhielt die Erlaubnis und konnte ausreisen um frei schreiben und arbeiten zu können. Bulgakov selbst bekam die Erlaubnis nicht und trug bis zu seinem Tode den Wunsch nach Emigration in sich.
Es verschwanden sogar die Zeitschriften, teilweise ganz oder nur manche Exemplare. So mussten alle Exemplare der Zeitschrift Novy Mir mit der Erzählung Povest’ nepogašennoj luny von Boris Pil’njak eingezogen werden, sogar die bereits versendete.
Das Verschwinden der Schriftsteller und ihren Werken aus der sowjetischen Literaturgeschichte führte zur Bildung von sogenannten „weißen Flecken“. Erst in der Zeit von Perestrojka wurden diese wieder ausgefüllt. Man bekam Zugang zu den Archiven von KGB und machte erstaunliche Funde. Nach 1990 wurden z.B. die Gedichte von Mandel’štam und die Tagebücher von Bulgakov gefunden. Man fand heraus wo und unter welchen Umständen Pil’njak und Mandel’štam sterben mussten.
Man kann also sagen, dass die politische Situation in Russland der 30er Jahren durchaus vom Verschwinden bestimmt war.
Bei der vorausgegangenen Rezeption des Romans wurde gefunden, das dieses Motiv eine auffallende und wichtige Rolle spielt. Deswegen erschien es mir von großer Bedeutung dieses Motiv zum Gegenstand meiner Arbeit zu machen.
Obwohl unzählige Untersuchungen zu dem Roman existieren und die verschiedenen Motive des Romans ausführlich behandelt wurden, liegt zu dem Thema des Verschwindens noch keine vollständige Untersuchung vor.
In der Arbeit wird folgendermaßen vorgegangen. Zuerst erfolgt die ausführliche Darstellung der verschwundenen Personen und Gegenständen, danach werden von Bulgakov angewandte Verfahren vorgestellt und schließlich die Rolle des Motivs erklärt.
2. Das Verschwinden von Personen und Gegenständen im Roman
Im folgenden Kapitel wird das Motiv des Verschwindens, das sich durch den ganzen Roman zieht, dargestellt.
Zuerst werden alle verschwundenen Personen dargestellt, ihr Verschwinden wird ausführlich beschrieben und die verschiedenen Fassungen des Romans werden in diesem Zusammenhang in Betracht gezogen. Danach werden auch die Gegenstände, chronologisch nach ihrem Verschwinden, vorgestellt.
2.1. Die Wohnung Nr. 50 als Schauplatz des Verschwindens
Der erste Fall des Verschwindens von Personen tritt im Kapitel 7 Nechorošaja kvartira auf. Aus der Wohnung der Juwelierswitwe Anna Franzewna de Fougeré verschwinden die Untermieter. Der erste verschwundene Untermieter trägt noch in der dritten Romansfassung von 1932/34 Velikij Kancler den Namen Kirjackij: „Последними квартирантами Де-Фужерэ были Михаил Григорьевич Беломут и другой, фамилия которого, кажется, была Кирьяцкий.“[3] In der nächsten Fassung Knjaz’ t’my, von 1937, wird dieser Name nicht mehr erwähnt, und die Person lediglich ‚finansist‛ genannt: „[...]фамилия которого утрачена и которого звали в доме по его профессии – „финансист“[...]“[4]
In der endgültigen Romanvariante wird nur noch erwähnt, dass seine „[...]фамилия утратилась[...]“[5]. Dieser Untermieter verschwindet als erster aus der Wohnung Nr. 50. Genauer gesagt kommt er einfach nicht zurück aus einer Miliz-Abteilung, wohin er gerufen wird.
Der Bewohner Belomut, dessen Name in allen Romanfassungen kontinuierlich anwesend ist, verschwindet zwei Tage später unter anderen Umständen. Er wird von dem Dienstwagen abgeholt und kommt nicht zurück: „Утром за ним заехала, как обычно, машина,и отвезла, но назад никого не привезла и сама больше не вернулась.“[6] Die Gattin von Belomut verschwindet unmittelbar danach. Zu bemerken ist, dass die Tür der Wohnung des Ehepaares Belomut versiegelt wird.
Als nächste verschwindet die Besitzerin der Wohnung selbst, die Juwelierswitwe Anna Franzewna. In der Fassung Velikij Kancler wird ausdrücklich gesagt, dass „[...] и в среду приехали незваные - двое каких-то граждан, опять-таки ночью, и увезли с собой и Де-Фужерэ, и Анфису, после чего уж вообще никто не вернулся. Надо добавить, что, уезжая, граждане, увозившие Де-Фужерэ и Анфису, закрыли дверь на замок и на этот замок привесили сургучную печать.“[7]
In der nächsten Romanfassung wird das Verschwinden der Anna Franzewna folgendermaßen erklärt: „Но вот за самой Анной Францевной никто не приходил и машина никакая не выезжала, а просто Анна Францевна, изнервничавшаяся, как она рассказывала, с этим исчезновением двух очень культурных жильцов, решила поправить свои нервы и для этого съездить на два месяца в Париж к сестре.“[8] Diese Episode spiegelt die realen Ereignisse aus dem Leben von Bulgakov wider. Im Mai/Juni 1934 bat Bulgakov die Regierung um Erlaubnis einer zweimonatigen Reise ins Ausland. Es sollte unbedingt Paris sein, denn seine Brüder Ivan und Nikolaj lebten dort und er hatte die beiden seit 14 Jahren nicht mehr gesehen. Bulgakov bekam die Erlaubnis nicht, weswegen er seinen ewigen Wunsch nach Paris zu kommen in dieser Episode ausdrückte.[9]
Die endgültige Romanfassung erklärt das Verschwinden der Juwelierswitwe mit dem Ausflug aufs Land, von welchem sie aber nicht mehr zurückkommt.
[...]
[1] Siehe Struve, G.: Die Geschichte der Sowjetliteratur. München, 1957.S.347
[2] Vgl. Lauer, R.: Geschichte der russischen Literatur. München 2000. S.693
[3] s. Bulgakov, M.: Velikij kanzler. Moskau, 1992.S. 52
[4] s. Bulgakov, M.: Knjaz’ t’my. In: Neizvestny Bulgakov. Moskau 1992.S.56
[5] s. Bulgakov, M.: Master i Margarita. Moskau, 2003.S.82
[6] s. Bulgakov, M.: Master i Margarita. Moskau, 2003.S.83
[7] s. Bulgakov, M.: Velikij kanzler. Moskau, 1992. S.52
[8] vgl. ebd., S.472
[9] vgl. ebd., S.473
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