Das Wort "Sozialdumping" wird in vielen Medien genutzt, um Wettbewerbsnachteile von Industrieländern gegenüber Niedriglohnländern zu erklären. In den meisten Fällen beschreibt der Begriff jedoch lediglich die ungleiche Verteilung von Produktionsfaktoren und beschreibt die komparativen Kostenvorteile verschiedener Länder. Diese Arbeit blickt hinter diese Fassade und analysiert den wahren Charakter des Sozialdumpings. Sie untersucht welche Tatbestände erfüllt werden müssen, damit Sozialdumping vorliegt und analysiert Fälle von Sozialdumping.
Der Autor erhielt einen MBA der Fudan Universität Shanghai. Er beschäftigte sich für zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einem renommierten Forschungsinstitut in Hamburg mit der Analyse von Handelsströmen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Ferner beschäftigte er sich als Vorstandsmitglied der Hamburger China-Gesellschaft mit den deutsch-chinesischen Handlungsbeziehungen.
Gliederung
I. Einleitung
II. Das „Soziale Dumping“
1. Formen von „Sozialstandards“
2. Aktueller Umgang mit „sozialen Standards“
3. Umsetzungsprobleme
III. Sozialdumping im Welthandelsrecht
1. Sozialklauseln im Völkerrecht
2. Soziale Standards in der WTO
3. Internationale Organisationen im Welthandelsrecht
IV. Weiterentwicklung und Konstitutionalisierung
1. Freiwillige Vereinbarungen der Wirtschaft
2. Neuerungen des Welthandelsrecht
3. Einbeziehung internationaler Organisationen
V. Zusammenfassung und Fazit
VI. Literaturnachweise
I. Einleitung
Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung entfalten binnenwirtschaftliche Regelungen und Maßnahmen zunehmend außenwirtschaftliche Nebenwirkungen. Internationale Interessenkonflikte entstehen allerdings auch dann, wenn einzelne Länder darauf verzichten, bestimme Maßnahmen zu ergreifen. Dies betrifft u.a. die Sozialpolitik, deren Ziel es ist, dass „wirtschaftlicher Erfolg der gesamten Gemeinschaft zugute kommt“[1]. Um Verstöße gegen grundlegende Sozialnormen ahnden zu können, fordern einige Industrieländer die Einbeziehung sozialpolitischer Ziele in die Welthandelsordnung[2]. Diese Vorstöße scheiterten jedoch bislang nicht zuletzt am erbitterten Widerstand der Entwicklungsländer, die ihrerseits Wettbewerbsnachteile durch eine derartige Erweiterung des internationalen Rechts befürchten.
In den folgenden Kapiteln soll untersucht werden, in welchem Umfang bereits heute international verbindliche Regelungen für Sozialstandards bestehen und ob ein zusätzlicher Regelungsbedarf gegeben ist. Dazu wird zunächst der Begriff des „Sozialdumping“ näher analysiert, um im Anschluss mögliche Auswirkungen aufzuzeigen, die sich aus der Missachtung grundlegender Sozialstandards ergeben können. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse soll dann abschließend beurteilt werden ob eine Einbeziehung sozialpolitischer Zielsetzungen in die Welthandelsordnung als sinnvoll erscheint und inwieweit andere Lösungsansätze größere Aussicht auf Erfolg versprechen.
II. Das „Soziale Dumping“
Beim „sozialem Dumping“ werden die importierten Waren im Einfuhrland unter den Preisen verkauft, zu denen sie Gewöhnlicherweise von inländischen Erzeugern angeboten werden[3]. Der Preisunterschied resultiert jedoch im Gegensatz zum „herkömmlichen Dumping“ nicht daraus, dass die Waren unter ihrem normalen Wert auf den Markt des Einfuhrlandes gelangen, sondern aus den niedrigeren Entstehungskosten im Erzeugerland. Die Waren könnten also im Exportland für den gleichen Preis verkauft werden wie im Importland.
Die unterschiedlichen Faktorpreise führen zu einer Verschärfung des internationalen Wettbewerb. So verfügen i.d.R. Entwicklungsländer in den Bereichen, in denen vergleichsweise homogene Produkte mit einheitlicher Technologie hergestellt werden (Bsp. Textilsektor), über komparative Kostenvorteile gegenüber den Industrieländern. Diese internationalen Wettbewerbsvorteile sind dabei auf eine fehlende bzw. mangelhafte politische Einbettung der Wirtschaften und einer damit verbundenen Missachtung grundlegender Sozialstandards zurückzuführen.
II.1. Formen von Sozialstandards
„Sozialstandards“ bezeichnen einen Katalog von Sozialvorschriften für die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen und Arbeitnehmerrechten. Die Regelungen können durch völkerrechtliche Verträge gesetzt werden, durch eine Resolution internationaler Organisationen entstehen sowie den Inhalt von Verhaltenskodizes einzelner Unternehmen oder internationaler Unternehmensverbände bilden. Auf diese Weise präzisieren und konkretisieren Sozialstandards wirtschaftliche und soziale Menschenrechte[4].
Als eine Sonderform von Sozialstandards sind die „sozialen Mindeststandards“ zu nennen. Bei „sozialen Mindeststandards“ werden keine verbindlichen Zielgrößen formuliert, sondern ein bestimmtes Mindestmaß festgelegt, was es nicht zu unterschreiten gilt. Im Vordergrund der aktuell diskutierten „sozialen Mindeststandards“ stehen die 1998 in der „Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“ festgelegten „Kernarbeitsnormen“ (Core Labour Standards) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO):
Nr. 29: Übereinkommen zur Zwangsarbeit (1930),
Nr. 87: Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (1948),
Nr. 88: Übereinkommen über die Anwendung des Grundsatzes des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen (1949),
Nr. 100: Übereinkommen über die gleiche Entlohnung (1951),
Nr. 105: Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit (1957),
Nr. 111: Übereinkommen über die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz (1958),
Nr. 138: Übereinkommen über das Mindestalter der Zulassung zur Beschäftigung (1973)[5].
II.2. Aktueller Umgang mit „sozialen Standards“
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat im Laufe ihres Bestehens ein umfangreiches Regelwerk an sozialen Schutzvorschriften geschaffen und sich zu der international federführenden Organisation zur Durchsetzung von Kernarbeitsnormen entwickelt. Im Gegensatz zu allen anderen UN-Organisationen setzt sich die ILO nicht ausschließlich aus Regierungsvertretern zusammen, sondern ebenfalls aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Ihre Möglichkeiten Konventionen (völkerrechtlich bindend) und Empfehlungen (nicht völkerrechtlich bindend) der ILO umzusetzen sind allerdings sehr begrenzt, da die Unternehmen erst zu deren Einhaltung verpflichten sind, wenn ihre nationalen Parlamente die Regelungen ratifizieren.
Nach der Ratifizierung sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, der ILO periodisch über deren Umsetzung zu berichten. Zudem haben Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Regierungen der Mitgliedsstaaten das Recht, bei der ILO Beschwerden einzureichen. Mitgliedsstaaten, die ihren internationalen Verpflichtungen nicht oder nur ungenügend nachkommen, können von der ILO öffentlich angemahnt werden. Sollten die Vorschläge von den Mitgliedsstaaten nicht befolgt werden, behält sich die ILO gem. Art. 33 der ILO-Verfassung das Recht vor, die ihm zweckmäßig erscheinen Maßnahmen zu empfehlen, um die Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.
II.3. Umsetzungsprobleme
Die ILO kann ihrer hochgesteckten Zielsetzung einer „sozialpolitischen Ausrichtung des globalen Wettbewerbs“[6] nicht gerecht werden, denn in der globalen Wirtschaft werden trotz der Unterzeichung von Deklarationen, weiterhin Millionen von Arbeitern systematisch fundermentale Arbeitsrechte verwährt[7]. Die ILO wird deshalb von Kritikern gerne als „zahnloser Tiger“ bezeichnet. Die Ursachen für das Unvermögen der ILO universelle soziale Mindeststandards in die Arbeitswelt zu integrieren ist auf strukturelle wie auch sozialökonomische Faktoren zurückzuführen.
[...]
[1] Baßeler (2002), S. 689.
[2] vgl. Großmann, Busse, Fuchs, Koopmann (2002), S. 9.
[3] vgl. Steck (1964), S. 78.
[4] Vgl. Enquete-Kommission (o.J.), S. 1.
[5] Vgl. BMZ (2000) S. 1.
[6] Enquette-Kommission (o.J.) S.1.
[7] vgl. AFL-CIO (2000) S. 6 (eigene Übersetzung).
- Arbeit zitieren
- Jan Hutterer (Autor:in), 2004, Das GATT - Sozialdumping in der WTO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33897
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