In den vergangenen Jahrzehnten ist das Interesse der Sprachwissenschaft an der Untersuchung gesprochener und vor allem dialogischer Sprache mehr und mehr gewachsen. Hierbei hat die Analyse der Ausdrucksmittel an Beachtung gewonnen, die in gesprochenen Diskursen vor allem, oder gar ausschließlich, pragmatische Funktionen haben. Gemeint ist die Verwendung bestimmter Redemittel, die nicht der eigentlichen Informationsübermittlung dienen, d.h. nicht zum propositionalen Gehalt von Sprechhandlungen gehören, sondern im Hinblick auf interaktionell relevante Absichten verwendet werden: etwa die Regulierung des Sprecherwechsels, die Aufrechterhaltung und Prüfung des Kontakts zwischen den Kommunikationspartnern, die Signalisierung gelungener bzw. misslungener Rezeption oder die Überprüfung der kontinuierlichen Aufmerksamkeit des Adressaten. In diesem Zusammenhang geriet auch der ,Akt des Strukturierens’ einer Äußerung in den Blick des sprachwissenschaftlichen Interesses. Dabei wurde deutlich, dass sich Formulierungs- und Strukturierungsleistungen im code écrit und im code parlé grundlegend unterscheiden. Der code écrit weist meist einen hohen Planungsgrad auf und kann daher als elaboriert gelten. Die Spontaneität und ständige Interaktion in der gesprochenen Sprache, im code parlé, erlauben dagegen keine langfristige Planung. Die Tatsache, dass der Formulierungsvorgang im code parlé in den Diskurs hineingetragen wird, hat zur Folge, dass „der Diskurs sich durch Prozesshaftigkeit und Vorläufigkeit auszeichnet“. Sobald im Formulierungsvorgang Schwierigkeiten auftauchen, macht der Sprecher Gebrauch von sogenannten Gliederungssignalen, „die Überbrückungsfunktion [haben], d.h. die Funktion, durch Formulierungsschwierigkeiten des Sprechers entstehende Lücken im Kommunikationsprozeß zu überbrücken“. Mit Überbrückungs- bzw. Hesitationsphänomenen dieser Art sowie mit Korrekturstrategien möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit beschäftigen. Dabei ist zu untersuchen, auf welche sprachliche Verfahren der Sprecher zurückgreift, wenn es in seinem Diskurs zu Formulierungsschwierigkeiten kommt, und natürlich auch, welche kommunikative Funktion diese Sprachmittel haben.
Inhalt
1. EINLEITUNG
2. ZUR KLASSIFIKATION VON HESITATIONSPHÄNOMENEN
2.1. Formulierungsschwierigkeiten in der Prospektive: Aufschübe
2.1.1. Pausen
2.1.2. Lexikalische Pausenfüller
2.1.3. Nach vorne gerichtete Wiederholungen
2.2. Formulierungsschwierigkeiten in der Retrospektive: Korrekturen
2.2.1. Korrektur der Rhetorik
2.2.2. Korrektur der Syntax
2.2.3. Korrektur der Semantik
3. FAZIT UND AUSBLICK
LITERATUR
1. EINLEITUNG
In den vergangenen Jahrzehnten ist das Interesse der Sprachwissenschaft an der Untersuchung gesprochener und vor allem dialogischer Sprache mehr und mehr gewachsen. Hierbei hat die Analyse der Ausdrucksmittel an Beachtung gewonnen, die in gesprochenen Diskursen vor allem, oder gar ausschließlich, pragmatische Funktionen haben. Gemeint ist die Verwendung bestimmter Redemittel, die nicht der eigentlichen Informationsübermittlung dienen, d.h. nicht zum propositionalen Gehalt von Sprechhandlungen gehören, sondern im Hinblick auf interaktionell relevante Absichten verwendet werden: etwa die Regulierung des Sprecherwechsels, die Aufrechterhaltung und Prüfung des Kontakts zwischen den Kommunikationspartnern, die Signalisierung gelungener bzw. misslungener Rezeption oder die Überprüfung der kontinuierlichen Aufmerksamkeit des Adressaten.[1] In diesem Zusammenhang geriet auch der ,Akt des Strukturierens’ einer Äußerung in den Blick des sprachwissenschaftlichen Interesses. Dabei wurde deutlich, dass sich Formulierungs- und Strukturierungsleistungen im code écrit und im code parlé grundlegend unterscheiden. Der code écrit weist meist einen hohen Planungsgrad auf und kann daher als elaboriert gelten. Die Spontaneität und ständige Interaktion in der gesprochenen Sprache, im code parlé, erlauben dagegen keine langfristige Planung. Die Tatsache, dass der Formulierungsvorgang im code parlé in den Diskurs hineingetragen wird, hat zur Folge, dass „der Diskurs sich durch Prozesshaftigkeit und Vorläufigkeit auszeichnet“[2]. Sobald im Formulierungsvorgang Schwierigkeiten auftauchen, macht der Sprecher Gebrauch von sogenannten Gliederungssignalen, „die Überbrückungsfunktion [haben], d.h. die Funktion, durch Formulierungsschwierigkeiten des Sprechers entstehende Lücken im Kommunikationsprozeß zu überbrücken“[3]. Mit Überbrückungs- bzw. Hesitations-phänomenen dieser Art sowie mit Korrekturstrategien möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit beschäftigen. Dabei ist zu untersuchen, auf welche sprachliche Verfahren der Sprecher zurückgreift, wenn es in seinem Diskurs zu Formulierungsschwierigkeiten kommt, und natürlich auch, welche kommunikative Funktion diese Sprachmittel haben.
2. ZUR KLASSIFIKATION VON HESITATIONSPHÄNOMENEN
In der Einleitung wurden als wesentliche Merkmale für gesprochene Sprache Spontaneität, Prozesshaftigkeit und ein vergleichsweise geringer Planungsgrad festgehalten. Zögert ein Sprecher, so geschieht dies meist, da er seinen Formulierungsvorgang noch nicht abgeschlossen hat – der Emmitent denkt während des Sprechens noch darüber nach, wie er seine Äußerung weiterführen soll. „Hésiter aide à choisir ses mots, à organiser son discours, permet de disposer du temps nécessaire pour réfléchir et de ralentir le débit de parole…“[4] Um die benötigte Zeit zu gewinnen, die der Sprecher braucht, um seine Äußerung fortzusetzen und um das bereits Gesagte zu erweitern, zu präzisieren oder abzuschwächen, greift er auf verschiedene Überbrückungs- bzw. Korrekturstrategien zurück, die im Folgenden dargestellt und an Beispielsätzen verdeutlicht werden sollen. Hierbei beziehe ich mich vor allem auf die einschlägige Arbeit mit dem Titel Hesitationsphänomene im Französischen (1985) von Marion Vick, die durch weitere Quellen ergänzt wird.
Was „sprachliche Fehltritte“ anbelangt, macht Marion Vick folgende grundsätzliche Beobachtung: sie „werden [...] entweder begangen und müssen dann korrigiert werden, oder der Sprecher kommt ihnen zuvor, indem er die Äußerung aufschiebt“[5]. Im Hinblick auf eine Klassifizierung der Hesitationsphänomene muss hier folglich zwischen Formulierungsschwierigkeiten in der Prospektive (dem Aufschub) und Formulierungsschwierigkeiten in der Retrospektive (der Korrektur) unterschieden werden.[6]
2.1. Formulierungsschwierigkeiten in der Prospektive: Der Aufschub
2.1.1. Pausen
Pausen kann man dann als Hesitationsphänomene (hesitation pauses) bezeichnen, wenn sie nicht bewusst vom Sprecher eingesetzt werden, um eine Äußerung zu gliedern (solche Pausen bezeichnet man als juncture pause), sondern unbeabsichtigt Verwendung finden. In diesem Fall dient eine Pause häufig dazu, das Zögern des Sprechers, etwa bei der Suche nach einer passenden Formulierung, zu überbrücken.[7] Die für diese Arbeit relevanten hesitation pauses werden üblicherweise in zwei Gruppen unterteilt – in leere Pausen, die mit Schweigen gleichzusetzen sind, und in gefüllte Pausen. „Le silence dans l’échange verbal peut être l’indice qu’on cède volontairement la parole, ou il peut fournir l’occasion pour l’interlocuteur de saisir la parole sans qu’on le souhaite.“[8] Möchte der Sprecher seine Äußerung noch weiter führen, liegt es also in seinem Sinne, eine leere Pause zu vermeiden und die Pause zu überbrücken. Man spricht dann von einer gefüllten Pause, wenn die Pause mit phonetischem Material (dies sind meist Laute oder gedehnte Silben) gefüllt wird, welches keine andere pragmatische Funktion hat als die, einen Aufschub anzuzeigen. Hier wählt der französische Sprecher in der Regel den Weg der gedehnten lautlichen Realisierung eines Wortes, insbesondere durch Dehnung des Endvokals. Silbendehnung tritt am häufigsten bei einsilbigen Funktionswörtern auf (Artikel, c’est, que, de u.ä.), allerdings kann auch die Endsilbe mehrsilbiger Lexeme gedehnt werden. Bei Lexemen, die auf ein stummes End- e enden, artikuliert der Sprecher dieses, um eine Dehnung zu erhalten. Phone zur Füllung von Pausen sind im Französischen beispielsweise hm, euh, fff, ah, wobei euh die am weitaus häufigsten gebrauchte nur-phonetische Form darstellt.[9] Bei Larousse beispielsweise wird euh als Interjektion angeführt, von der es heißt, dass sie neben dem Ausdruck von embarras und doute auch als hésitation verstanden werden kann[10]. Euh wird vor allem dann verwendet, wenn das vorangegangene Wort konsonantisch endet und somit nicht gedehnt werden kann. Sehr oft tritt es nach Wörtern auf, die auf [r] enden, wie beispielsweise alors, pour, vers, wobei in der Regel die Aussprache verschliffen und das [r] mit dem euh zusammen gesprochen wird,[11] wie folgendes Beispiel verdeutlicht:
[alO:r«::] (alors) = [alO:r«] + [«:] (alors + heu)[12]
Oftmals kombiniert der Sprecher unterschiedliche Überbrückungssignale. So taucht beispielsweise das euh sehr häufig nach einer Dehnung oder zwischen leeren Pausen auf.
Elisabeth Gülich stellt in ihrer einschlägigen Untersuchung zur Makrosyntax der Gliederungssignale im gesprochenen Französisch (1970) fest, dass Überbrückungspausen (sowohl leere als auch gefüllte Pausen) besonders oft an den Stellen einer Äußerung vorkommen, an denen eine semantische Wahl zu treffen ist und gefüllte Pausen meist an Satzgrenzen stehen.[13]
Neben den oben genannten Lauten können auch gestisch-mimische Verfahren sowie nichtsprachlich-akustische Signale wie Lachen, Pusten, Räuspern oder Schnaufen als Pausenfüller fungieren, hierauf soll allerdings an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
2.1.2. Lexikalische Pausenfüller
In gesprochenen Texten finden Ausdrücke wie je pense, je trouve, je crois pas, je sais pas usw. auffällig häufig Verwendung. Hierbei handelt es sich um Phrasen der Meinungsäußerung, die „semantisch arm und vom Standpunkt der Wiedergabe von Information streng genommen redundant [sind]“[14]. Im Diskurs haben diese Syntagmen primär eine kommunikative Aufgabe, sie dienen beispielsweise als Eröffnungssignal und/oder stellen den Kontakt zwischen Emmitent und Rezipient her. Gleichzeitig aber, und das ist für die vorliegende Arbeit wichtig, kann ihnen die Funktion zukommen, Zögerungszeit zu überbrücken. In diesem Sinne weist Gülich darauf hin, dass zwischen Gliederungssignalen und gefüllten Pausen enge Beziehungen bestehen und bemerkt, dass auch eine Reihe der von ihr untersuchten Eröffnungssignale die Funktion von lexikalischen Pausenfüllern übernehmen können:
[...]
[1] Feldmann, Ute (1984): Pragmatische Aspekte im fremdsprachlichen Diskurs: Zur Verwendung von Gambits bei Spaniern und bei fortgeschrittenen Spanischlernern. Heidelberg (künftig zitiert: Feldmann). S. 4.
[2] Koch, Peter und Wulf Oesterreicher (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen (künftig zitiert: Koch). S. 11.
[3] Gülich, Elisabeth (1970): Makrosyntax der Gliederungssignale im gesprochenen Französisch. München (künftig zitiert: Gülich). S. 300.
[4] Darot, Mireille und Monique Lebre-Peytard (1983): Oral: les hésitations. In: Le Français dans le Monde 180. S. 102-104 (künftig zitiert: Darot). S. 102
[5] Vick, Marion (1985): Hesitationsphänomene im Französischen. Trier (künftig zitiert: Vick). S. 62.
[6] Koch. S. 60f..
[7] Gülich. S. 264.
[8] Temple, Liz und Marie Noëlle Roubaud (1988): Clés pour la fluidité verbale. In: Le Français dans le Monde 220. S. 66-69 (künftig zitiert: Temple). S. 67.
[9] Vick. S. 77ff..
[10] Larousse (1994): Dictionnaire Super Major. Paris. S. 432.
[11] Vick. S. 78.
[12] Söll, Ludwig (19853): Gesprochenes und geschriebenes Französisch. Berlin (künftig zitiert: Söll). S. 175.
[13] Gülich. S. 267.
[14] Vick. S. 109.
- Arbeit zitieren
- Meike Buhlmann (Autor:in), 2004, Hesitationsphänomene im gesprochenen Französisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33895
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