Diese Arbeit gibt einen Einblick in verschiedene Aspekte der Gattung Volksmärchen. Neben Gattungsmerkmalen und einem idealtypischen Aufbau wird unter anderem auch auf Protagonisten und Requisiten eingegangen.
Zudem wird der Aspekt der Adressaten behandelt, welche ursprünglich nicht, wie häufig angenommen, Kinder sind. Die Ausführungen werden anschließend am Beispiel eines bekannten Volksmärchens veranschaulicht.
„Märlein“ oder „Märchen“ sind Verkleinerungsformen zum Wort „Mär“, welches ursprünglich ein Begriff für eine kleine Geschichte war. Dieser Begriff erfuhr im Laufe der Zeit eine Bedeutungsverschlechterung, sodass er schließlich nicht mehr nur allgemein für „Geschichte“ stand. Er wurde von nun an für erfundene, unwahre Geschichten verwendet. In der Literatur finden sich oft die Begriffe „eigentliche (Zauber)Märchen“ und „Märchen im eigentlichen Sinn“, welche Geschichten bezeichnen, in denen Übernatürliches, Zauber und Wunder vorkommen. (vgl. Lüthi 2004, S. 1 f.)
Inhaltsverzeichnis
1 Begriff
2 Gattungsmerkmale
3 Grober Aufbau eines idealtypischen Volksmärchens
4 Protagonisten und Requisiten
5 Märchensammlungen
6 Adressaten
7 Verdeutlichung am Beispiel Schneewittchen
7.1 Kurze Zusammenfassung des Märchens
7.2 Analyse
8 Zusammenfassung und persönliches Fazit
Literaturverzeichnis
Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema Volksmärchen, welches anhand von Gattungsmerkmalen, Protagonisten und Requisiten sowie dem Handlungsverlauf und den daraus zu schließenden ursprünglichen Adressaten aufgearbeitet wird. Am konkreten Beispiel soll besonders auf die weit verbreitete Auffassung eingegangen werden, es handle sich bei Volksmärchen um Geschichten für Kinder.
1 Begriff
„Märlein“ oder „Märchen“ (mhd. maerlîn) sind Verkleinerungsformen zum Wort „Mär“, welches ursprünglich ein Begriff für eine kleine Geschichte war. Dieser Begriff erfuhr im Laufe der Zeit eine Bedeutungsverschlechterung, sodass er schließlich nicht mehr nur allgemein für „Geschichte“ stand. Er wurde von nun an für erfundene, unwahre Geschichten verwendet. In der Literatur finden sich oft die Begriffe „eigentliche (Zauber)Märchen“ und „Märchen im eigentlichen Sinn“, welche Geschichten bezeichnen, in denen Übernatürliches, Zauber und Wunder vorkommen. (vgl. Lüthi 2004, S. 1 f.)
Volksmärchen müssen längere Zeit in mündlicher Tradition gelebt haben und dadurch geformt worden sein, es gibt also keinen einzelnen Autor oder Dichter. Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass auch Volksmär- chen einen Autor haben, dieser ist jedoch nicht mehr bekannt. (vgl. Neu- haus 2005, S. 3) Dies ist der Unterschied zum Kunstmärchen, welches von einem Dichter, bzw. Autor aufgeschrieben wurde und dann, meist durch Auswendiglernen, weiter gegeben wurde. (vgl. Lüthi 2004, S. 5)
2 Gattungsmerkmale
Ein erstes Gattungsmerkmal von Volksmärchen ist ihre Einsträngigkeit, dies bezeichnet das Fehlen von Nebenhandlungen. Außerdem ist das Geschehen ort- und zeitlos, es kann also nicht auf einen Ort der Handlung oder eine bestimmte Zeit festgelegt werden. (vgl. Neuhaus 2005, S. 5)
Auch zeichnen sich Volksmärchen durch ihre Flächenhaftigkeit aus. Damit ist laut Heidrun Alzheimer der „schattenrissartige Charakter der Märchen- helden“ gemeint (Alzheimer 2007, S. 12). Das bedeutet, dass diese keine Namen tragen und in ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht näher beschrieben werden. So werden die Protagonisten in Märchen beispielsweise als „Prin- zessin“, „böse Stiefmutter“ oder „Königssohn“ bezeichnet, Namen werden jedoch nicht genannt. (vgl. ebd.) Die Figuren werden also nicht durch Namen, sondern durch Rollenzuschreibungen und Attribute charakterisiert. (vgl. Neuhaus 2005, S. 5) Als Beispiel ist hier der böse Wolf zu nennen, dessen Attribut ihn charakterisiert. Auch stellt man sich als Leser beispielsweise unter einer Prinzessin eine Person mit anderen Wesensmerkmalen vor, als unter einem Müllersohn.
Im Märchen fehlt die Dimension des Wunderbaren, was als „Eindimensionalität“ bezeichnet wird. Sprechende Tiere oder verzauberte Prinzen im Märchen werden vom Leser als selbstverständlich hingenommen.
Als weiteren Punkt ist die „Sublimation“ zu nennen. Alzheimer erklärt diesen Begriff wie folgt: „Er besagt, dass alles, was in das Spannungsfeld des Märchens gerät, aus den Gesetzlichkeiten des Wirklichen entlassen ist.“ (Alzheimer 2007, S. 12)
3 Grober Aufbau eines idealtypischen Volksmärchens
Der grobe Aufbau eines idealtypischen Volksmärchens folgt dem allgemei- nen Schema „Schwierigkeiten und ihre Bewältigung“. Es findet sich eine schwierige Ausgangslage, ein Mangel oder Not (z.B. arme Eltern), eine Auf- gabe (z.B. goldene Haare des Teufels holen), ein Bedürfnis (z.B. Wander- lust), ein guter Ausgang der Geschichte (z.B. Hochzeit). (vgl. Lüthi 2004, S. 25)
Der Handlungsträger im Märchen ist ein Held oder eine Heldin. (vgl. a.a.O., S. 27). Die Handlung wird in Gang gesetzt durch eine Aufgabe, ein Bedürfnis (z.B. Wander-/Abenteuerlust) oder andere Schwierig- keiten. Diese Schwierigkeiten oder Bedürfnisse veranlassen den Hel- den dazu, los zu ziehen und Aufgaben zu lösen. Viele Märchen sind entweder zwei- oder dreiteilig aufgebaut: Beispielsweise wird der Held nach einer bestandenen Aufgabe seines Preises beraubt und befindet sich nun in einer neuen Notlage. In diesem Fall ist das Geschehen zweiteilig. Dreiteiligkeit findet sich zum Beispiel, wenn drei Brüder nacheinander ausziehen um eine Aufgabe zu lösen. (vgl. a.a.O., S. 25 f.)
Bezüglich des Ausgangs von Märchen schreibt Kathrin Pöge-Alder: „Das glückliche Ende als Ziel des Geschehens für den Glücklichen und Begnadeten wird durch die vorher bewältigten Konfliktsituationen deutlich akzentuiert. (…) Glück ist aber nicht der Gegenstand der Dar- stellung, wird es doch meist nur im abschließenden Satz genannt und durch eine Schlussformel der Erzählsituation nahe gebracht.“ (Pöge- Alder 2007, S. 27)
4 Protagonisten und Requisiten
Die Hauptperson im Märchen ist eine Heldenfigur und gehört der menschli- chen Welt an. „Alle wichtigen Figuren (…) sind auf den Helden bezogen als dessen Partner, Schädiger, Helfer oder als Kontrastfiguren zu ihm; Gegner und Helfer gehören häufig der außermenschlichen Welt an“ (Lüthi 2004, S. 27)
Der Held zieht von zu Hause aus um eine Aufgabe zu lösen und um einen Mangel zu beseitigen. Auf seiner Wanderschaft stößt er auf fremde Reiche und Gefahren, die er gut überwindet. Diese Wanderung wird in der Literatur als „Suchwanderung“ bezeichnet, die letztendlich auch eine Suche des Helden nach sich selbst darstellt. (vgl. Lange 2004, S. 14)
Eine klare Unterscheidung der Protagonisten in gute und schlechte, schöne und hässliche, große und kleine, usw. ist auffällig. Diese Kontraste machen deutlich, dass im Märchen alle Erscheinungen der menschlichen Welt auf- treten. Zu den menschlichen Erscheinungen kommen Figuren der Unter- und Überwelt hinzu, wie z.B. Hexen, Zauberer oder Feen. (vgl. Lüthi 2004, S. 28)
Wie oben bereits erwähnt, tragen die Protagonisten in Märchen eher selten Namen. Sie werden entweder durch ihre Funktion (z.B. als Prinzessin oder Müller) oder durch Attribute charakterisiert (z.B. das tapfere Schneiderlein oder die böse Stiefmutter) und nur knapp benannt. (vgl. Neuhaus 2005, S. 5) Eine Ausnahme für die Namenlosigkeit der Märchenfiguren ist beispielsweise Hans im Glück.
Auch Requisiten spielen eine große Rolle im Märchen (Tisch, Schwert, Haare, …), diese sind meist von „stark geprägter, eindeutiger Gestalt“ (Lüthi 2004, S. 28)
Die im Märchen genannten Requisiten sind insofern für die Handlung be- deutsam, als dass sie zum guten Ende verhelfen. (vgl. Neuhaus 2005, S. 5)
5 Märchensammlungen
Die Gebrüder Grimm waren nicht die ersten, die Märchen sammelten und aufschrieben. Laut Lange sind folgende Werke die wichtigsten Märchensammlungen vor den Kinder- und Hausmärchen:
Volksmärchen der Deutschen von Johann August Musäus (1782-1786) Neue Volksmärchen der Deutschen von Benedikte Naubert (1789-1792) Eine Märchensammlung von Albert Ludwig Grimm (keine Verwandtschaft zu den Gebrüdern Grimm) (1808)
Volkssagen, Märchen und Legenden von Johann Gustav Büsching (wenige Monate vor den KHM) (vgl. Lange 2004, S. 15)
Die Gebrüder Grimm fingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, Märchen zu sammeln. Damals war das Märchen noch keine klar definierte Gattung, weshalb sich in den KHM einige Erzählungen finden, die nach heutigem Verständnis keine Märchen sind, wie z. B. „Der Zaunkönig“ (Sage) oder „Der Arme und der Reiche“ (Legende).
1812 erschien die erste Auflage des ersten Bandes der KHM, im Jahr 1815 folgte der zweite Band. 1819 erschien eine einbändige Ausgabe der Kinder und Hausmärchen (im Folgenden mit „KHM“ abgekürzt). Diese Werke wa- ren jedoch nicht die Ursache für den Ruhm der KHM, sondern eine so ge- nannte „kleine Ausgabe“, die 1825 erschien. Diese Ausgabe enthielt 50 Märchen, vor allem die uns bekannten Zaubermärchen. (vgl. a.a.O., S. 8)
Laut Uther sind die Kinder- und Hausmärchen neben der Luther-Bibel das bekannteste Werk der deutschen Kulturgeschichte. Bis heute liegen Übersetzungen in 160 Sprachen vor. (vgl. Uther 2008, Vorwort XIII)
Es besteht die weit verbreitete Vorstellung, die Gebrüder Grimm seien mit Block und Bleistift durchs Land gezogen um Märchenerzählern zu zuhören und danach die Märchen aufzuschreiben. Diese Vorstellung entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit: Etwa ein Drittel der Märchen der KHM stammt aus literarischen Vorlagen und nicht aus mündlichen Erzählungen. Auch die Gewährsleute der Gebrüder Grimm waren keine Märchenerzähler aus dem einfachen Volk, sondern gebildete Frauen, darunter u.a. Annette von Droste-Hülshoff. (vgl. Lange 2004, S. 16 f.)
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- Quote paper
- Miriam Buchner (Author), 2014, Ein Überblick über die Gattung des Volksmärchens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338594
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