Während eines Diskurses im Seminar über die Gestaltung kreativer Arbeitsräume zeigten sich die großen Unterschiede einer je fachbezogenen kreativitätsfördernden Umgebung. Aus diesem Anstoß heraus ist es dem Autor ein Anliegen, in der folgenden Ausarbeitung zu klären, welche grundlegenden Einflüsse auf die Kreativität im Bereich der Theologie und des Religionsunterrichts im Vergleich zu anderen Fachgebieten vorliegen. Anschließend werden die Voraussetzungen dargelgt, auf denen eine adäquate Kreativitätsförderung in diesem Bereich aufbauen kann.
Zur Klärung dieser Sachverhalte soll daher wie folgt vorgegangen werden: Im ersten Schritt gilt es, einen Diskurs zum Begriff der Kreativität zu führen, mit dem Ziel einen für diese Abhandlung eindeutigen Kreativitätsbegriff zu formulieren, auf dem alle weiteren Überlegungen aufbauen. In einem zweiten Gedankengang soll daran anknüpfend gezeigt werden, dass die Voraussetzungen für Kreativität in unterschiedlichen Fachbereichen jeweils andere sind und wie sich diese Unterschiede begründen lassen. Im letzten Abschnitt besteht die Aufgabe darin, ausgehend von den zuvor beschriebenen Unterschieden die nun entsprechende Grundlage für die Kreativitätsförderung im Religionsunterricht zu ermitteln.
Diese Abhandlung hat damit nicht die Zielsetzung die Modalitäten der kreativen Situation zu verdeutlichen, das „Aha-Erlebnis“, so nennt es Karl-Heinz Brodbeck, in dem wir durch unsere Achtsamkeit etwas Neues entdecken, zu entmystifizieren oder konkrete Handlungsanweisungen für die Kreativitätsförderung im Religionsunterricht zu erarbeiten. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, die theoretische Grundlegung dessen, worauf eine solche konkrete Kreativitätsförderung aufbauen und ansetzen kann, zu verdeutlichen.
Inhalt
0. Einleitung
1. Diskurs zum Begriff der Kreativität
2. Die Diskrepanzen zwischen den Voraussetzungen für Kreativität in verschiedenen Fachgebieten
3. Kreativitätsbedingende Gegebenheiten des Religionsunterrichts
3.1 Kriterien einer adäquaten Kreativitätsförderung im Religionsunterricht
4. Fazit
Literatur
Abbildungsverzeichnis
0. Einleitung
Die thematische Grundlegung der folgenden Ausarbeitung erfolgte in dem zu dieser schriftlichen Präsentation gehörigen Referat im Rahmen des Seminars „ Analyse und Gestaltung von Unterricht “ mit dem Thema Kreativitätsförderung in Schule und Unterricht. Während eines Diskurses im Seminar über die Gestaltung kreativer Arbeitsräume zeigten sich die großen Unterschiede einer je fachbezogenen kreativitätsfördernden Umgebung. Aus diesem Anstoß heraus ist es mir ein Anliegen, in der folgenden Ausarbeitung zu klären, welche grundlegenden Einflüsse auf die Kreativität im Bereich der Theologie und des Religionsunterrichts im Vergleich zu anderen Fachgebieten vorliegen und daran anschließend die Voraussetzungen darzulegen, auf denen eine adäquate Kreativitätsförderung in diesem Bereich aufbauen kann.
Zur Klärung dieser Sachverhalte soll daher wie folgt vorgegangen werden: Im ersten Schritt gilt es, einen Diskurs zum Begriff der Kreativität zu führen, mit dem Ziel einen für diese Abhandlung eindeutigen Kreativitätsbegriff zu formulieren, auf dem alle weiteren Überlegungen aufbauen. In einem zweiten Gedankengang soll daran anknüpfend gezeigt werden, dass die Voraussetzungen für Kreativität in unterschiedlichen Fachbereichen jeweils andere sind und wie sich diese Unterschiede begründen lassen. Im letzten Abschnitt besteht die Aufgabe darin, ausgehend von den zuvor beschriebenen Unterschieden die nun entsprechende Grundlage für die Kreativitätsförderung im Religionsunterricht zu ermitteln.
Diese Abhandlung hat damit nicht die Zielsetzung die Modalitäten der kreativen Situation zu verdeutlichen, das >>Aha-Erlebnis<<, so nennt es Karl-Heinz Brodbeck, in dem wir durch unsere Achtsamkeit etwas Neues entdecken, zu entmystifizieren oder konkrete Handlungsanweisungen für die Kreativitätsförderung im Religionsunterricht zu erarbeiten.1 Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, die theoretische Grundlegung dessen, worauf eine solche konkrete Kreativitätsförderung aufbauen und ansetzen kann, zu verdeutlichen.
1. Diskurs zum Begriff der Kreativität
Zuerst soll im folgenden Abschnitt der für den weiteren Verlauf benutze Terminus der Kreativität definiert werden, um eine Grundlage für den Diskurs sowie für die Kausalität des weiteren Vorgehens zu schaffen. Notwendig ist diese Begriffsbestimmung überhaupt, da dem Begriff der Kreativität bis heute keine allgemeingültige, eindeutige Definition zuzuordnen ist.2
Gottfried Heinelt beschreibt in einer ersten Begriffsbestimmung, dass Kreativität als jene Fähigkeiten, Kräfte und Begabungen zu verstehen sei, „ … die wir mit komplexen und teilweise wenig exakten Begriffen wie Intuition, Imagination, Inspiration, Einfallsreichtum, Erfindungsgabe, Originalität oder (in mehr wissenschaftlicher Formulierung) als produktives Denken, Problemlösen und schöpferischer Phantasie zu fassen suchen.“3 Und Heinelt behält Recht, indem er die mangelnde Exaktheit dieser Synonyme benennt, deren Adäquatheit, betrachtet man die folgenden Überlegungen von Karl-Heinz Brodbeck zum Kreativitätsbegriff, tatsächlich in Frage zu stellen ist.
>>Schöpfung<< ist ein Titel, der herausragenden Leistungen zuerkannt wird. Das Genie schöpft Kunstwerke. Dagegen kann man kreativ Töpfern, Basteln, Malen und ist dennoch nicht >>genial<<. […] >> Originell << hat, anders als >>kreativ<<, eine fast ausschließlich statische oder einmalige Bedeutung; originell ist ein Produkt oder eine neue Verhaltensweise. Man kann andauernd >>kreativ<< sein; >>originell<< ist man immer wieder. Jemand hat eine oder viele originelle Ideen, weil er kreativ, erfindungsreich oder schöpferisch ist. […] Die Wiederholung derselben Handlung kann produktiv, kaum aber kreativ genannt werden. Produktiv ist jeder Prozess, der etwas hervorbringt; neu braucht dieses Produkt nicht zu sein.4
Der Kreativität sei jedoch, so Brodbeck weiter, eine gestalterische Qualität zuzuordnen, anders als dem Chaos, welches ebenfalls produziert werden könne. Da dem Chaos jedoch die Gestaltlosigkeit immanent sei, müsse im Kontext der Kreativität, das Produzieren um das Element der Ordnung hin erweitert werden. Dem Produzieren sowie dem Gestalten fehle jedoch das Moment der Neuheit. Brodbeck führt ausgehend von diesen Überlegungen eine Kausalkette von Begriffen an, die seine ersten Überlegungen für die Beschreibung von Kreativität im allgemeinen Sprachgebrauch zusammenfasst. „Der Unterschied zwischen >>produktiv<< und >>gestalten<< ist die Ordnung; zwischen >>gestalten<< und >>kreativ<< das Moment der Neuheit.“5 Um letztlich von Kreativität sprechen zu können, muss das Kriterium der Neuheit o.a. der psychologischen Originalität überdies um das Kriterium der psychologischen Spontaneität ergänzt werden.
Kreatives Denken ist nicht nur originell, sondern auch spontan. Das kreativ hervorgebrachte Neue entsteht unabhängig von der intentionalen Kontrolle und dem problembezogenen Wissen des Subjekts und ist in diesem Sinne spontan. Psychologische Spontaneität findet ihren Ausdruck in dem üblichen Gegensatz zwischen Routine und Kreativität und führt zu einer gewissen Passivität des kreativen Subjekts.6
Über diese das Individuum betreffenden Elemente hinaus gibt es weitere Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind ob von Kreativität gesprochen oder eben nicht gesprochen werden kann. Karl-Heinz Brodbeck erweitert deshalb seinen Kreativitätsbegriff über den Aspekt der Neuartigkeit hinaus um den Aspekt der Wertschätzung Anderer. „Wir nennen ein Handeln kreativ, das solch ein neues und wertvolles (nützliches) Produkt hervorbringt.“7 Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi spitzt die Verortung der Kreativität als interpersonale Größe weiter zu.
Wenn wir unter Kreativität eine Idee oder eine Handlung verstehen, die neu und wertvoll ist, dann können wir die Beurteilung des einzelnen nicht als Maßstab für die Existenz der Kreativität akzeptieren. Man kann unmöglich wissen, ob ein Gedanke neu ist, es sei denn, man zieht gewisse Vergleichsmaßstäbe heran, und ob er wertvoll ist, hängt von der Einschätzung der Gemeinschaft ab. Insofern findet Kreativität nicht im Kopf des Individuums statt, sondern in der Interaktion zwischen dem individuellen Denken und einem soziokulturellen Kontext. Sie ist eher ein systemisches denn ein individuelles Phänomen.8
Zur exakteren Beschreibung der Vergleichsmaßstäbe und der einschätzenden Gemeinschaft führt Csikszentmihalyi die Kategorien von Domäne und Feld ein. Diese stellen zusammen mit dem kreativen Individuum das System dar, in dem die Kreativität zu verorten sei und zwar in der Wechselbeziehung zwischen den einzelnen Bereichen. Eine Domäne bestehe aus den jeweiligen Regeln und Verfahrensweisen, welche einem bestimmten kulturellen oder wissenschaftlichen
Bereich zuzuordnen seien und diesen definieren. So könne beispielsweise von der Domäne der Mathematik oder der Musik gesprochen werden. Das Feld bezeichne diejenigen Personen, die als Experten ihrer jeweiligen Domäne gelten und somit den Zugang zur Domäne überwachen und darüber entscheiden welche Produkte in dieselbe aufgenommen oder auch nicht aufgenommen werden sollten.9 Als dritte Komponente des kreativen Systems beschreibt Csikszentmihalyi das Individuum, welches mit den Symbolen einer bestimmten Domäne arbeite und neue Ideen entwickle. Werde eine solche Idee vom Feld als Neuentwicklung in die relevante Domäne aufgenommen, so könne vom kreativen Individuum gesprochen werden. Somit sei nach Csikszentmihalyi die Voraussetzung für Kreativität im Zusammenspiel dreier Komponenten, der jeweiligen Domäne, dem dazugehörigen Feld und dem kreativen Individuum, begründet.10
Aus dieser Betrachtungsweise ergeben sich einige Konsequenzen: So muß man zum Beispiel nicht mehr davon ausgehen, daß ein kreativer Mensch sich zwangsläufig von allen anderen Menschen unterscheidet. […] Was zählt, ist, ob ihr kreatives Werk anerkannt und in die Domäne aufgenommen wird. Das kann durch Zufall oder Beharrlichkeit geschehen oder einfach, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Weil die Kreativität aus der Interaktion von Domäne, Feld und Person entsteht, kann das Merkmal der persönlichen Kreativität zur Schaffung der Neuheit und dadurch zur Veränderung einer Domäne beitragen, aber es ist weder eine ausreichende noch eine notwendige Bedingung dafür.11
Für die folgenden Überlegungen sollen die vorausgehenden Überlegungen zur Kreativität als Grundlage dienen. Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass es sich bei dem hier ausgearbeiteten Kreativitätsbegriff um einen Begriff handelt, der Kreativität als ein kognitionspsychologisches Phänomen begreift, welches über die Aspekte der psychologischen Originalität und der psychologischen Spontaneität rekonstruiert und somit naturalistisch erklärt werden kann. Daher bleibt der hier verwendete Kreativitätsbegriff schon per Definition eingeschränkt.12 Es bleibt darüber hinaus freilich, wenn auch an anderer Stelle, zu diskutieren ob die beschriebenen Aspekte das Phänomen der Kreativität adäquat wiedergeben. Dennoch scheinen die zuvor erarbeiteten Aspekte des Kreativitätsbegriffes hinreichend ausführlich und konkret genug sowie dem weiteren Vorhaben dienlich zu sein, sodass auf ihrer Basis die weiteren Überlegungen fortgeführt werden können.
[...]
1 Brodbeck, Karl-Heinz: Entscheidung zur Kreativität, Darmstadt 1995, 40. 2
2 Vgl. Heinelt, Gottfried: Kreative Lehrer - Kreative Schüler. Wie die Schule Kreativität fördern kann, Freiburg. i. Br. ²1975, 19-28. Vgl. auch: Vollmar, Klausbernd: Sprungbrett zur Kreativität. Verwirklichen Sie Ihren Lebenstraum, München 2000, 41-47.
3 Vgl. auch: Kiel, Ewald: Unterricht sehen, analysieren, gestalten, Stuttgart ²2012, 122f. Vgl. auch: Brodbeck, Karl-Heinz: Entscheidung zur Kreativität, 3-6.
4 Heinelt, Gottfried: Kreative Lehrer - Kreative Schüler, 13f. Brodbeck, Karl-Heinz: Entscheidung zur Kreativität, 5f.
5 Brodbeck, Karl-Heinz: Entscheidung zur Kreativität, 5f.
6 Kronfelder, Maria E.: Zum Begriff der psychologischen Kreativität als Basis einer naturalistischen Kreativitätstheorie: eine kompatibilistische Rekonstruktion von Originalität und Spontaneität, in: Günter Abel (Hg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie (= Sektionsbeiträge 1), Berlin 2005, 19-30, 27.
7 Brodbeck, Karl-Heinz: Entscheidung zur Kreativität, 19.Vgl. auch: Heinelt, Gottfried: Kreative Lehrer - Kreative Schüler, 23.
8 Csikszentmihalyi, Mihaly: Kreativität. Wie sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden, Stuttgart 82010, 41.
9 Vgl. Csikszentmihalyi, Mihaly: Kreativität, 46f. Vgl. Csikszentmihalyi, Mihaly: Kreativität, 47f.
10 Vgl. auch: Goleman, Daniel / Kaufmann, Paul / Ray, Michael: Kreativität entdecken, Wien 1997, 26-28.
11 Csikszentmihalyi, Mihaly: Kreativität, 48.
12 Vgl. Kronfelder, Maria E.: Zum Begriff der psychologischen Kreativität als Basis einer naturalistischen Kreativitätstheorie, Berlin 2005, 19-30.
- Arbeit zitieren
- Christoph Jagstaidt (Autor:in), 2015, Kreativitätsförderung im Religionsunterricht. Voraussetzungen und Kriterien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338107
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