Der klassische Krieg zwischen zwei Staaten ist eher selten geworden. Mittlerweile stehen Terrorismus und immer undurchsichtigere, teilweise staatliche, überwiegend aber außer- oder innerstaatliche Kriege und nichtstaatliche Akteure im Fokus der globalen Sicherheitspolitik. Aktuelle bewaffnete Auseinandersetzungen offenbaren eine neue Dimension von bisher ungekannten Konfliktelementen. Die komplexeste und facettenreichste Form stellt die „hybride Kriegsführung“ dar, welche seit der Ukraine-Krise 2014 verstärkt in den Blick gerät. Sie nimmt diese Arbeit in den Fokus.
Der Autor verfolgt einen qualitativ-hermeneutischen Ansatz. Um sich dem Phänomen der asymmetrischen und hybriden Konflikte als einer Erscheinung der Krisen- und Konfliktanatomie im 21. Jahrhundert anzunähern, werden diese zunächst in einem allgemeinen Teil beschrieben und analysiert. Anhand von zwei Casestudies werden die Erkenntnisse vertieft: Die erste untersucht die Konfliktsituation in der Donbass-Region in der Ostukraine, die zweite das Vorgehen sowie die Situation des so genannten „Islamischen Staates“ im syrischen beziehungsweise irakischen Bürgerkrieg.
Aus dem Inhalt:
Neorealismus;
„Neue Kriege“ nach Kaldor und Münkler;
Wandel der Krisen- und Konfliktanatomie im 21. Jahrhundert;
Hybride Kriegsführung;
Fallstudie Ostukraine;
Fallstudie Syrien
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... 4
Abbildungsverzeichnis ... 5
1. Der zunehmende Gestaltungs- und Konkurrenzdruck im internationalen System ... 6
1.1 Forschungsdesign und Fragestellungen ... 12
1.2 Theoretische Verortungen ... 17
1.2.1 Der Neorealismus ... 18
1.2.2 Die „Neuen Kriege“ nach Mary Kaldor und Herfried Münkler ... 21
1.3 Aufbau der Arbeit ... 35
2. Der Wandel der Krisen- und Konfliktanatomie im 21. Jahrhundert ... 37
2.1 Die Tendenz von der Symmetrie zur Asymmetrie seit 1989/90 ... 37
2.2 Hybride Kriegsführung: Von asymmetrisch zu hybrid? ... 58
3. Fallstudie 1: Der Konflikt in der Ostukraine ... 79
3.1 Konfliktverlauf und involvierte Akteure ... 79
3.2 Analyse ... 94
4. Fallstudie 2: Der „Islamische Staat“ (IS) ... 109
4.1 Konfliktverlauf und involvierte Akteure ... 109
4.2 Analyse ... 132
5. Fazit – Zwei Arten hybrider Kriegsführung ... 148
6. Ausblick und Schlussbetrachtungen ... 156
7. Quellenverzeichnis ... 162
8. Literaturverzeichnis ... 164
8.1 Internetquellen ... 164
8.2 Monographien ... 215
8.3 Sammelbände und Beiträge ... 218
8.4 Zeitschriften, Artikel und Aufsätze ... 223
1 Der zunehmende Gestaltungs- und Konkurrenzdruck im internationalen System
Kaum jemand bestreitet heutzutage, dass sich das strategische Umfeld der internationalen Beziehungen in den letzten Jahren entscheidend und nachhaltig verändert hat und weiter verändern wird. Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation erreichte die Globalisierung durch enorme technische Entwicklungen eine völlig neue Dynamik.[1] Es gibt heutzutage nahezu keine grundlegende moderne Institution mehr, die von der Globalisierung nicht gestärkt, geschwächt, unterminiert, verändert oder zumindest in irgendeiner Art und Weise betroffen ist.[2] Man kann sagen, dass die Welt heute schon fast zu einem einzigen Wirtschaftsraum zusammengewachsen ist, der allerdings sowohl von den positiven als auch von den negativen Effekten und Folgeerscheinungen dieses Prozesses geprägt wird. Der Revolution von Kommunikation und Handel, dem sekundenschnellen Austausch von Daten und Ideen durch den Cyberraum und der wirtschaftlichen Chance abgeschotteter Gesellschaften durch deren Anschluss an den Welthandel steht gleichzeitig eine nie zuvor gekannte Abhängigkeit und Verwundbarkeit von Nationalstaaten gegenüber.[3] Die globale politische, ökonomische und soziale Verflechtung wird in den nächsten Jahren noch weiter voranschreiten. So werden sich bis zum Jahr 2030 die Exporte weltweit wohl verdreifachen. Die Exporte der Schwellen- und Entwicklungsländer werden sich nach Ansicht von Experten sogar vervierfacht haben. Dazu kommen regionale und bilaterale Handelsabkommen, die dem weltweiten Handel zusätzliche Impulse geben werden.[4] Die daraus wachsende Interdependenz der Staatengemeinschaft und die größere Verwundbarkeit von bisher zentralen Akteuren des internationalen Systems durch externe Entscheidungen und Entwicklungen führen zu einer wohl unausweichlichen Multipolarität im internationalen System.[5]
Die wirtschaftliche und politische, ja bisweilen auch soziale bzw. kulturelle Dominanz des Westens in den internationalen Beziehungen, die nun beinahe seit dem 15. Jahrhundert vorhanden ist, beginnt sich deutlich spürbar abzuschwächen.[6] Frühere Entwicklungsländer werden immer wichtiger und erlangen einen gestiegenen Einfluss im internationalen System. Das wirtschaftliche Wachstum der Gruppe der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) wird beispielsweise weiter anwachsen. Der Anteil dieser Staaten am weltweiten BIP wird von 27% im Jahr 2013 auf 38% im Jahr 2030 ansteigen. Auch andere Staatengruppen wie „MINT" (Mexiko, Indonesien, Nigeria, Türkei), „MIST" (Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei) und „Next 11" (Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Türkei, Südkorea, Vietnam) übertreffen im Moment die Wachstumsraten der Industriestaaten deutlich. Auch hier finden sich künftige Akteure im internationalen System, die ihre gestiegene ökonomische Bedeutung und ihren daraus wachsenden Einfluss geltend machen werden.[7]
Dagegen prognostiziert der US-Geheimdienstbericht „Global Trends 2030" eine Relativierung westlicher Macht und ihres Einflusses auf das internationale System: So wird der Anteil der westlichen Länder an der Weltwirtschaft von heute 56 Prozent auf circa 25 Prozent im Jahr 2030 sinken. Das bedeutet, dass der Westen unter derzeitigen Bedingungen in weniger als zwanzig Jahren mehr als die Hälfte seiner wirtschaftlichen Vormachtstellung verlieren wird.[8] Gleichzeitig muss allerdings erwähnt werden, dass das Wachstum innerhalb der aufstrebenden Staaten wie den BRICS nicht homogen ist: So werden im Hinblick auf die Wachstumsraten China und Indien beispielsweise deutlich vor Russland und Brasilien liegen.[9]
Die Vereinigten Staaten sind aufgrund der jüngsten Erholungserscheinungen der USWirtschaft und des neuen Wirtschaftswachstums wieder besser aufgestellt. Auch wenn die Vereinigten Staaten in näherer Zukunft ein wesentlicher und entscheidender Akteur im internationalen System – vor allem im militärischen Bereich – bleiben werden[10], so erscheint es aufgrund vieler Faktoren unwahrscheinlich, dass das Land künftig noch eine derartige wirtschaftliche, politische und sozio-kulturelle Hegemonie entfalten kann, wie beispielsweise in den 1990er Jahren. Mit Blick auf China und Indien wird von einigen Autoren ein „asiatisches Jahrhundert“ prognostiziert.[11] Die USA haben dies registriert und versuchen sich auf die gestiegene Bedeutung dieser Akteure im internationalen System – vor allem China – einzustellen sowie ihre Kontakte und Beziehungen zu aufstrebenden Länder im südostasiatischen beziehungsweise im pazifischen Raum zu verbessern („pivot“ to asia). Diese strategische Neuausrichtung der USA beinhaltet auch, dass sich das Land zwar nach wie vor an humanitären Missionen beteiligen wird, langfristige Stabilisierungseinsätze aber nach den Belastungen aus Kriegen wie Afghanistan und dem Irak wohl nicht mehr durchführen will und mittelfristig auch nicht wird.[12]
China setzt seine neu gewonnene ökonomische Macht in konsequentes politisches Handeln um, unter anderem durch den Aufbau von internationalen Parallelinstitutionen, und versucht, sein Wirtschaftswachstum auf konstant hohem Niveau zu halten. Mit seiner wirtschaftlichen Neuausrichtung, der steigenden Produktivität und Innovationskraft sowie einem Reservoir an gut ausgebildeten Arbeitskräften wird Peking, nicht zuletzt durch seine hohen Auslandsinvestitionen, ein immer wichtigerer Akteur im Geflecht der internationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts.[13]
Europa hingegen wird es bei seiner momentanen Situation aus Sicht des Autors sowohl strategisch-politisch als auch ökonomisch schwer haben, sich auf das sich verändernde internationale Umfeld mit all seinen Gefahren und Risiken einzustellen.[14]
Hinzu kommt, dass aufgrund der beschriebenen Ausdifferenzierung von weltpolitischem Einfluss regionale Organisationen wie die Arabische Liga, ASEAN, African Union, etc. ebenfalls an Bedeutung gewinnen werden, wenngleich betont werden muss, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis diese Institutionen einen derartigen Einfluss auf das internationale politische System ausüben können wie beispielsweise die NATO.
Der Zuwachs an ökonomischer und finanzieller Macht der erwähnten Akteure im internationalen System lässt sich auch am Bedeutungszuwachs der G-20 oder an den eingeleiteten Reformen bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) erkennen. Entscheidend ist somit, dass dieser Einfluss sich zunehmend in weltpolitische Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit übersetzt.[15]
All diese Betrachtungen untermauern den Eindruck, dass die internationale politische Ordnung mit Beginn des 21. Jahrhunderts bedeutend vielfältiger und weiter multipolar wird.[16] In dieser Welt, welche aller Wahrscheinlichkeit nach durch viele verschiedene Machtpole unterschiedlichster Intensität im internationalen System gekennzeichnet sein wird, wird es neben den „klassischen“ Tonangebern auch neue staatliche Akteure wie China, Indien, Brasilien, Russland, Südafrika, etc., aber auch nicht-staatliche bzw. überstaatliche Akteure geben, die regionale bzw. internationale Machtpole bilden werden.
“There will not be any hegemonic power. Power will shift to networks and coalitions in a multipolar world.”[17]
Der bekannte amerikanische Politikwissenschaftler und Stratege Zbigniew Brzezinski stellt ebenfalls in einem Werk „Strategic Vision: America and the Crisis of Global Power“ fest, dass die künftigen Herausforderungen für die Interessen der USA vor allem Machtdiffusion in einem veränderten und sich weiter verändernden internationalen politischen System sein wird.[18] Multipolarität wird zumindest die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts bestimmen. Dazu kommt allerdings auch – wie bereits angedeutet – dass Nationen bzw. Nationalstaaten in ihrem Monopol auf Macht sichtbar eingeschränkt werden bzw. ihr Monopol auch stellenweise verlieren.[19] Es finden Machtverschiebungen hin zu immer mehr nicht-staatlichen Akteuren in den internationalen Beziehungen statt. Neben nicht-profitorientierten NGO’s (Non Governmental Organisation) sind es vor allem auch global agierende Firmen in nahezu allen Branchen, die mit ihren Einflüssen neue Maßstäbe setzen, was beispielsweise das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung von bilateralen staatlichen Bündnissen sowie die Kommunikation innerhalb staatlicher Akteure betrifft. Es gilt als gesichert, dass die Bedeutung und der Einfluss von nicht-staatlichen Akteuren - welcher Art auch immer - auf das politische Geschehen im 21. Jahrhundert weiter zunehmen werden.[20]
Diese sich insgesamt stärker ausdifferenzierende Pluralität von Macht und Gestaltungsmöglichkeiten im internationalen System bewirkt allerdings auch, dass die Anzahl von Akteuren, die zur Durchsetzung ihrer Interessen mit militärischen Mitteln unterschiedlichster Art fähig sind, sich kontinuierlich vergrößert hat. Diese reichen mittlerweile von paramilitärischen Kriegsakteuren, Guerillakämpfern, Warlords oder Söldnern bis hin zu schwer bewaffneten Akteuren des organisierten Verbrechens. All dies führt zu weitreichenden Veränderungen bei der Bewältigung von länderübergreifenden Kriegen und Krisen. Die letzten zwanzig Jahre Konfliktgeschichte mit den Schauplätzen vom Balkan bis zum Hindukusch lassen die allgemeinen Schlüsse zu, dass sich die Welt sicherheitspolitisch nach wie vor im Umbruch befindet und das strategische Umfeld dieses immer öfter gewaltsamen Umbruchs noch weniger berechenbar geworden ist.[21] Vor allem in den letzten Jahren aber haben internationale Krisen und Konflikte eine völlig neue Dynamik erhalten. Der Bürgerkrieg in Syrien und der Aufstieg des „Islamischen Staates“ (IS) in Irak und in Syrien, der Konflikt in der Donbass-Region in der Ostukraine, die Aufstände in der arabischen Welt und ihre instabilen Folgeerscheinungen sowie die zahlreichen Gaza-Kriege und die Spannungen im asiatischen Raum sind nur einige Beispiele der aktuellen weltweiten Krisenproblematik.[22]
Das Ende des Ost-West-Konflikts mit dem Ende der „Stellvertreterkriege“ der USA und der Sowjetunion oder ihrer Verbündeten in Asien und Afrika gilt auch in der Konfliktforschung als eine Zäsur. Seit diesem Zeitraum lässt sich verstärkt ein signifikanter Wandel des Kriegsgeschehens feststellen. Der Trend geht von einer militärisch-politischen Symmetrie, in welcher sich zwei annähernd gleichstarke militärische Gegner mit ähnlichen Mitteln gegenüberstehen, hin zu einer immer stärker und komplexer werdenden Asymmetrie in Militär- und Sicherheitsfragen. Nach 1989/90 breitete sich die Hoffnung aus, dass nun eine Epoche des Friedens und der globalen Entspannung einsetzen könnte. Jedoch bewahrheitete sich diese Annahme nur für die meisten Teile Europas, jedoch nicht für den Rest der Welt.[23] So sprechen die Kriege in Jugoslawien, der erste Golfkrieg und die zahllosen Konflikte in Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten eine eindeutige Sprache. Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) an der Universität Hamburg stellte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 218 Kriege fest. Drei Viertel dieser Kriege wurden bzw. werden in Afrika, Asien sowie im Nahen Osten ausgetragen.[24] Heute sind der Nahe Osten und Nordafrika aufgrund von Bürgerkriegen, Aufständen und zahlreicher terroristischer Aktivitäten derzeit mit Abstand die am wenigsten friedlichen Regionen der Welt.[25]
Neben einem eher selten gewordenen „klassischen“ symmetrischen Staatenkrieg stehen in heutiger Zeit auch vielfältig motivierter Terrorismus und immer undurchsichtigere, teilweise staatliche, überwiegend aber außer- bzw. innerstaatliche Kriege und nichtstaatliche Akteure im Fokus der globalen Sicherheitspolitik.[26] Diese Entwicklung erreichte am 11. September des Jahres 2001 seinen vorläufigen Höhepunkt. Der Tag der terroristischen Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon war nicht die Geburtsstunde einer neuen Weltordnung oder eines komplett neuen Zeitalters der Kriege, zu dem dieser Tag immer wieder gemacht und stilisiert wird. Diese Angriffe, bei denen Passagierflugzeuge als Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden, machten allerdings spätestens jetzt jedem deutlich sichtbar, wie extrem sich das kriegerische und sicherheitspolitische Umfeld seit dem Ende des Kalten Krieges verändert hatte und wie anfällig die postmoderne Gesellschaft für Bedrohungen aus diesem veränderten Umfeld geworden war.[27] Geheimdienstexperten sagen bei einer gleichzeitigen Unausgewogenheit in der Weltordnung weiterhin einen Rückgang der Kriege zwischen Staaten voraus. Sie betonen dabei auch eine größere ideologische Komponente in Konfliktsituationen. Dabei stellt sich automatisch die Frage, inwieweit die rapiden Veränderungen und Verschiebungen von Machtkonstellationen vor allem zu mehr inner- und zum Teil auch wieder zu mehr zwischenstaatlichen Konflikten führen können.[28]
Diese beschriebene Entwicklung bringt einen fundamentalen Paradigmenwechsel hinsichtlich des Krieges als ein politisches Handlungsinstrument und der erweiterten sicherheitspolitischen Konzepte mit sich. Ebenso neu stellen sich die Fragen nach der Art und Weise der Führung von Kriegen, der (bewussten) Eindämmung und Abschwächung von Krisen und Konflikten sowie deren (bewusste) Eskalation und Entgrenzung. Heutige bewaffnete Auseinandersetzungen offenbaren eine neue Dimension von bis dahin in dieser Form eher unbekannten Konfliktelementen. Die komplexeste und die facettenreichste Form momentaner Krisen- und Konfliktanatomie stellt mit Sicherheit die „hybride Kriegsführung“ dar, welche seit der Ukraine-Krise 2014 verstärkt im öffentlichen und akademisch-sicherheitspolitischen Fokus steht und den Betrachtungsschwerpunkt dieser Arbeit bildet.
1.1 Forschungsdesign und Fragestellungen
Der Autor verfolgt bei der Bearbeitung des Themas einen qualitativ-hermeneutischen Ansatz. Um sich dem Phänomen der asymmetrischen und hybriden Konflikte als eine Erscheinung der Krisen- und Konfliktanatomie im 21. Jahrhundert anzunähern, sollen diese zunächst in einem allgemeinen Teil beschrieben, analysiert und anschließend anhand von zwei Case Studies genauer untersucht werden. Die erste soll die Konfliktsituation in der Donbass-Region in der Ostukraine untersuchen und die zweite das Vorgehen sowie die Situation des so genannten „Islamischen Staates“ im syrischen bzw. irakischen Bürgerkrieg untersuchen.
Die ausgewählten Case Studies machen deutlich, dass die Mehrzahl heutiger Konflikte nicht mehr dem Typ der klassischen „Weltkriege“ entspricht. Viele der neuen Phänomene sind zwar bekannt, doch treten sie in einer nicht mehr klar differenzierbaren und greifbaren Form auf.[29] Sicherheitspolitische Probleme transnationalisieren sich seit den 80er und 90er Jahren in einer immer umfassenderen Geschwindigkeit und treten nicht mehr nur als nationale bzw. bilaterale Herausforderungen zwischen Staaten auf.[30]
Der Prozess der Neuordnung von internationalen Ordnungen, der Globalisierung und der technologischen Quantensprünge hat die Grenzen fließend gemacht und ist in eine neue Dynamik eingetreten. Damit einhergehend hat die prinzipielle Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden begonnen, an Trennschärfe zu verlieren und zu verschwimmen. Auch bezüglich Dynamisierung/Eskalation, Verlagerung von Ort, Globalität, Methode und Schwerpunkt des Konfliktes bzw. der Krise kann immer weniger von eindeutigen Konstanten und klaren Unterscheidungskriterien gesprochen werden.[31] In der vorliegenden Untersuchung stellt dies ein wesentliches Kriterium dar.
Die Konfliktform der hybriden Kriege ist nach Ansicht des Autors ein neuer Beleg und eine neue Manifestation dieser Entwicklung im internationalen System und in der globalen Sicherheitspolitik. Die Konfliktform vereint nahezu alle Möglichkeiten der Destabilisierung und ist aus Sicht des Autors eine Fort- bzw. Weiterentwicklung der neuen Dynamik asymmetrischer Konflikte. Sie dient der Durchsetzung bestimmter akteurspezifischer Interessen und ist – typisch für die neue Form von Konflikten – weder durch einen klaren Kriegsbeginn bzw. eine Kriegserklärung noch durch einen eindeutigen Friedensschluss bzw. Vertrag zu erkennen. Neben nicht klar erkennbaren Kombattanten und direkter und indirekter militärischer Einflussnahme wird diese Art der Kriegsführung zugleich von gezielten militärischen und zivilen Mitteln, wie einer politischen Destabilisierung auf Basis einer bestimmten ideologischen Instrumentalisierung von Minderheiten, einer ökonomischen Strangulierung, gezielten Desinformationskampagnen sowie Cyberattacken unterstützt.
In den Case Studies dieser Arbeit soll gezeigt werden, wie die jeweiligen Protagonisten dieser hybriden Kriege versuchen, damit ihre Interessen und Ziele durchzusetzen und welche Auswirkungen dieses Vorgehen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene hat und haben kann.
So kann gesagt werden, dass der Konflikt in der Ostukraine nicht nur die sicherheitspolitische Landschaft Europas dauerhaft verändert, sondern mit der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland 2014 und mit der Unterstützung prorussischer Separatisten in der ukrainischen Donbass-Region durch Moskau seit Beginn der Revolution in der Ukraine eine neue Phase strategischer Konfrontation auf politischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene in Europa eingeleitet hat. Auf die Hintergründe, die Instrumente sowie über die Ziele, die Russland mit diesem Vorgehen verfolgt, soll in Kapitel 3 genauer eingegangen werden.
Mit der Terrorgruppierung „Islamischer Staat“ im Irak und in Syrien ist ein dschihadistischer Akteur in Erscheinung getreten, der in seiner Erscheinungsform und Vorgehensweise viele, bisher ungeahnte Elemente in neuer Intensität zur Anwendung gebracht hat. Auf diese soll genauer eingegangen werden, um daraus schlussfolgern zu können, welche unter die Typologie „hybrid“ fallen. Als Beispiele lassen sich in diesem Zusammenhang die militärischen Erfolge, das brutale terroristische Vorgehen vor Ort und überregional, die professionelle mediale Inszenierung und seiner hieraus folgenden Attraktivität[32] und Mobilisierungskraft in dschihadistischen Kreisen anführen.[33] Darüber hinaus bedroht diese terroristische Gruppierung nicht nur die Sicherheit der westlichen Welt – was seit den Anschlägen von Paris 2015 auch im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung steht – sondern auch längerfristig die staatliche Ordnung und die Stabilität in der gesamten nahöstlichen Region sowie in Nordafrika.[34]
Aus Sicht des Autors ist diese Auswahl an Beispielen aber auch deshalb angebracht, da es sich bei der einen Betrachtung größtenteils um staatliche Akteure, bei der zweiten aber um einen nichtstaatlichen Protagonisten handelt. Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass es sich hierbei nicht um ein starres Phänomen handelt und dass neben staatlichen auch nichtstaatliche Akteure – welche in den „Neuen Kriegen“ ebenfalls zu einer neuen Dimension von Kriegführung befähigt sind – eben diese Konfliktform in einer bestimmten Art und Weise praktizieren können.
Bei der Betrachtung dieser Beispiele und vor dem Hintergrund der Analyse des Untersuchungsgegenstandes der hybriden Kriege sollen vor allem folgende Fragen im Fokus stehen: Inwieweit sind hybride Konflikte in ihrem Grundkonzept eine neue Erscheinung und kann, nach abschließender Analyse, etwas darüber ausgesagt werden, inwiefern hybride Konflikte, ob von staatlichen Akteuren oder zwischenstaatlichen Akteuren, eine der dominanten Konfliktformen des 21. Jahrhunderts sind und bleiben werden? Weiter sollen auch die Hintergründe und Voraussetzungen dafür angesprochen werden wie auch auf die Fragen eingegangen werden, woher diese neuen, dynamischen, hybriden Kriege kommen, was ihre Ursachen sind und welches Instrumentarium diese Art von Kriegsführung beinhaltet. Abschließend wird folgerichtig auch nach Antworten gesucht, wie man dieser Konfliktform wirksam begegnen kann und ob durch diese Art der Kriegsführung – vor allem von nichtstaatlichen Akteuren – gegebenenfalls auch staatliche Akteure dazu genötigt werden, diese Art der Kriegsführung anzuwenden. Dabei ist es unerlässlich, auch auf die Ursachen des Konfliktwandels bzw. der „Neuen Kriege“ und auf die Motive der jeweiligen Protagonisten einzugehen. Im Gesamten soll eine Tendenz bzw. ein Trend für die künftige Krisen- und Kriegsanatomie im 21. Jahrhundert aufgezeigt werden, die bei gegenwärtigen sicherheitspolitischen Annahmen ein wahrscheinliches – wenn auch nicht abschließend fest definiertes – Modell darstellt.
Um diese Fragen in der vorliegenden Untersuchung möglichst genau beantworten zu können, sollen dabei folgende Hypothesen als Betrachtungsbasis und analytischer Ausgangspunkt dienen.
Asymmetrische Kriegsführung und vieles an dem Konzept der „Neuen Kriege“ ist nicht neu[35]. Bereits seit dem Altertum existieren bestimmte Formen der Guerilla-Taktiken, etc. und der Stellvertreterkriege. Jedoch haben diese, bzw. ihre Ausprägungen davon, mit der global steigenden sozialen und ökonomischen Dynamik, den technischen Entwicklungen, etc. im beginnenden 21. Jahrhundert eine neue Bedeutung erlangt. Man kann in gewissem Sinne von einer Entwicklung des Krieges bzw. von einer Diffusion des Kriegs- und Konfliktgeschehens sprechen. So sind auch hybride Kriege, wie in der östlichen Ukraine und beim „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und im Irak, in ihrem Grundkonzept keine gänzlich neue Erscheinung. Im Zuge der technischen und kulturellen Entwicklung der letzten Jahrzehnte haben diese Erscheinungsformen allerdings eine völlig neue Dimension erhalten und lassen sich aus Sicht des Verfassers als eine konsequente Fortentwicklung asymmetrischer Kriegsführung bzw. als neue Komponente davon sowohl bei staatlichen als auch bei nichtstaatlichen Akteuren klassifizieren.
Eine weitere Grundannahme ist, dass Staaten – politisch gesehen – auch zukünftig die zentralen Akteure im internationalen System bleiben. Trotz zahlreicher Belege für eine Steigerung der Bedeutung von nichtstaatlichen Akteuren in vielen politischen Bereichen, die auch bei dieser Betrachtung eine zentrale Rolle spielen, steht es auch für den Verfasser außer Frage, dass diese nicht denselben internationalen Status wie staatliche Akteure erreichen.[36] Für diese Betrachtung ist allerdings auch die sicherheitspolitische Komponente bedeutsam und die Tatsache, dass nichtstaatliche Akteure mittlerweile zu einer komplexen Form der Kriegsführung fähig sind; allerdings ist die Herleitung dieses Vorgehens hier eine andere wie bei staatlichen Akteuren.[37] Auch die Ziele und die Zusammensetzung dieses Vorgehens sind immer unterschiedlich. Sie unterscheiden sich je nach beteiligten Akteuren, nach Region, etc.
Aufgrund der zunehmenden Multipolarität des internationalen Systems und dem damit verbundenen zunehmenden Gestaltungs- und Konkurrenzdruck wird diese Art von Konflikten besonders in denjenigen Regionen entsprechend häufig auftreten, wo sich Überschneidungen grundlegender geostrategischer und geoökonomischer Interessen von internationalen, regionalen und ggf. auch lokalen Akteuren im internationalen Systems entsprechend häufen, verdichten und somit auch kollidieren. Dies ist mit der steigenden Anzahl von Akteuren begründbar, welche zunehmend die Ressourcen und Möglichkeiten haben, zu versuchen, ihre politischen, ökonomischen und strategischen Interessen regional bzw. zunehmend auch global durchzusetzen.
Über die Generalisierbarkeit und Vorhersagekraft dieser Theorie lässt sich festhalten, dass sie aufgrund der beschränkten Auswahl an Untersuchungsgegenständen im Rahmen dieser Arbeit nicht generalisierbar ist; aber durch die unterschiedliche Typologie der beiden Hauptakteure hybrider Kriegsführung lässt die vorliegende Arbeit einen breiten Raum für weitere Untersuchungen und für eine spezifische Fallanwendung. Es kann daher auch keine universelle Gültigkeit für diese Theorie bzw. die gewonnenen Ergebnisse reklamiert werden, da immer die einzelnen Bedingungen für deren Anwendung überprüft und in ihren jeweiligen Spezifika genau beachtet werden müssen. Ebenso lassen sich die erarbeiteten Ergebnisse aus denselben Gründen nicht bzw. kaum generalisieren, bieten aber – wie bereits erwähnt – eine begründbare Tendenz und gewisse Erkennungsmuster bei der wahrscheinlichen Ausrichtung künftiger Krisen und Konflikte. Darüber hinaus können die einzelnen Ergebnisse verständlicherweise immer nur Aspekte dieses komplexen Gegenstandsbereichs erfassen. Somit wurden zwangsläufig einzelne Teilgebiete stärker, andere weniger stark oder –aufgrund der formalen Beschränkung der Arbeit – überhaupt nicht gewichtet. Diese Auswahl ist auch damit begründbar, dass wissenschaftliche Erkenntnisse immer mit vom Beobachter und seiner subjektiv konstruierten Realität auf den Untersuchungs- und Forschungsgegenstand sowie von den jeweiligen Methoden abhängen. Dabei ist es folgerichtig, nochmals verstärkt darauf hinzuweisen, dass die stark themenabhängige Aussagekraft und Belastbarkeit der vorliegenden Theorie systematische Komplexität und Unberechenbarkeit von Entwicklungen nicht unberücksichtigt lassen darf. Die präzise Bearbeitung und Analyse des Untersuchungsgegenstandes erfolgt unter Beachtung der wissenschaftlichen Grenzen und der unerlässlichen Differenzierung zwischen den verschiedenen Hintergründen und bedeutenden Entwicklungen.
Der Untersuchungsgegenstand und die Fragestellungen wurden nach umfangreichen Literatur- und Internetrecherchen sowie Analysen und Reflexionen des theoretischen Vorwissens entwickelt. Die Literaturauswahl zur Bearbeitung der Frage sucht ein möglichst breites Feld abzudecken und den Untersuchungsgegenstand „hybride Kriege“ möglichst differenziert zu beleuchten. Darunter fallen verschiedene Monographien und Standardwerke zum Thema Friedens- und Konfliktforschung, Rezensionen aktueller relevanter Literatur, eine breite Auswahl von Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, aber auch aktuelle und differenzierte Onlinepublikationen namhafter europäischer, amerikanischer und nahöstlicher Think Tanks. Ein kompletter Überblick über aktuelle Forschungen und neuere Forschungskontroversen sowie die Grundzüge der Kriegs- und Konfliktforschung, beginnend beim preußischen Militärtheoretiker Carl von Clausewitz, kann bei dieser Untersuchung nicht oder nur eingeschränkt wiedergegeben werden. Lediglich neuere und für den Untersuchungsgegenstand relevante Diskussionen und Entwicklungen werden hierfür in die Betrachtung mit einbezogen. Die Schwerpunktsetzung auf europäische und anglo-amerikanische Literatur ist der zahlenmäßigen Verfügbarkeit, der akademischen Reputation sowie der inhaltlich weit vorangeschrittenen Auseinandersetzung im Hinblick auf dieses Thema geschuldet.
1.2 Theoretische Verortungen
Im folgenden Abschnitt soll ein ausführlicher Überblick über die theoretische Grundkonzeption der Arbeit gegeben werden. Die Betrachtung des Phänomens der hybriden Kriegsführung soll in der vorliegenden Arbeit im theoretischen Kontext des modernen Neorealismus liegen. Daran ergänzend bzw. differenzierend sollen wesentliche Weiterentwicklungen des Konzeptes mit der Theorie der „Neuen Kriege“ von Mary Kaldor und Herfried Münkler nachgezeichnet werden und durch Anführen wichtiger Kritikpunkte der Forschungsstand vervollständigt werden.
1.2.1 Der Neorealismus
Die Theorie des Neorealismus wurde durch den Politikwissenschaftler Kenneth Waltz begründet. Dieser theoretische Ansatz in den internationalen Beziehungen wird oft als struktureller Realismus bezeichnet, weil er zum einen zu einem großen Teil versucht, direkt von der Struktur des internationalen Systems auf das Verhalten der Staaten zu schließen und zum anderen größtenteils aus der kritischen Auseinandersetzung mit der klassischen Realismus-Theorie von Hans J. Morgenthau hervorgegangen ist,[38] welcher diese 1948 erstmalig in „Politics Among Nations“ formulierte.[39] Es kann festgehalten werden, dass es sich sowohl beim Realismus als auch beim Neorealismus um Theorien handelt, bei denen Staaten die Hauptakteure bilden. Der Neorealismus steht in der Tradition des Realismus. Allerdings ist er eine umfassende theoretischmethodische Weiterentwicklung, die im Kontext der beiden Weltkriege und des Ost-WestKonflikts formuliert wurde. Dabei zeichnen den Neorealismus zwei zentrale Anliegen aus: Erstens versucht er zu erklären, warum sich die Bipolarität in Zeiten der hochgerüsteten Blockkonfrontation des Kalten Krieges trotz unterschiedlicher Phasen als relativ stabil erwiesen hat. Zweitens will er anhand des ökonomischen Erstarkens von Europa und Japan zeigen, warum die Hegemonialstellung der Amerikaner zunehmend nachließ.[40]
Der Anspruch des neorealistischen Systemansatzes war somit, die unsystematischen, zumeist aus Induktion gewonnenen Einsichten des Realismus zu systematisieren. Damit wollte er systematische Aussagen über die strukturellen Bedingungen finden, unter denen die Akteure in der internationalen Politik agieren und interagieren. Somit ging es ihm im Gegensatz zum Realismus nach Hans J. Morgenthau um die Begründung einer systemischen Theorie. [41]
Die grundlegenden Aussagen dieses Ansatzes finden sich in Waltz Werk „Theory of International Politics“[42]. Eine sehr gute Quintessenz seines Ansatzes liefert Waltz in dem Artikel „Realist Thought and Neorealist Theory“[43], allerdings ohne die nach dem Ende des Kalten Krieges erfolgten Ergänzungen. Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass auch der Neorealismus trotz seines Anspruchs keine spezifische Theorie, sondern mittlerweile auf jeden Fall ein facettenreiches Paradigma ist, das man stets versuchte weiterzuentwickeln und auszudifferenzieren.[44] Eine der bedeutsamsten und beachtenswertesten Weiterentwicklungen ist die Aufteilung in offensive und defensive Neorealisten. Die offensiven Neorealisten sehen Macht als ein knappes Gut an und definieren den Kampf um Macht so als eine Art Wettbewerb.[45] Die defensiven Neorealisten vertreten hingegen die Ansicht, Macht sei genügend vorhanden. Deshalb wären Staaten gut beraten, ihren Status Quo im internationalen System zu verteidigen. Selbst Kenneth Waltz lässt sich aus Sicht des Verfassers zu dieser Gruppe rechnen. Heute hat sich der Neorealismus weitestgehend vom rationalistischen Strukturalismus gelöst. Der gegenwärtige und facettenreiche Neorealismus ist mehr als Waltz ihn begriff; er sieht die internationale Politik vor allem als ein variables Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren auf verschiedenen Analyseebenen.[46]
Nach den Grundannahmen des Neorealismus sind Staaten die wichtigsten und zentralen Akteure.[47] Sie sind uniform, einheitlich und haben eine klare Präferenzordnung in ihrem Handeln: Zunächst verfolgen sie die sogenannten „high“ oder „hard politics“ (Sicherheit, Unabhängigkeit, Überleben), dann die „low“ bzw. „soft politics“ (im Wesentlichen alles andere). Die Struktur des internationalen Systems übt einen kausalen Einfluss auf die Akteure, also die Staaten, aus. Während die einzelnen staatlichen Systeme einer hierarchisch-zentralistischen Ordnung folgen, wird beim Neorealismus von einem dezentral-anarchischen Ordnungsprinzip auf der internationalen Ebene ausgegangen[48], in dem es keine übergeordnete Regelungs- und/oder Sanktionsinstanz gibt.[49] Dies hat ein Selbsthilfesystem der Akteure zur Folge.[50] Die Staaten müssen diese Selbsthilfestrategie anwenden, wenn sie erfolgreich sein wollen, da Kooperation nahezu ausgeschlossen wird.[51] Der einzige wirkliche Unterschied zwischen den Staaten in den internationalen Beziehungen ist ihr Machtpotenzial. Dieses Potential ergibt sich aus den militärischen, ökonomischen und sozialen Voraussetzungen. Macht ist auch das einzige wirksame Mittel zur Interessendurchsetzung, nämlich primär zum nationalen Sicherheitsstreben im Sinne von Positionswahrung des jeweiligen Staates. Die Machtverhältnisse zwischen den Staaten beeinflussen somit ihr Verhalten und Handeln zueinander. Beim Neorealismus wird davon ausgegangen, dass Entscheidungen von einer Zweck-Mittel-Rationalität geleitet werden und von permanentem Misstrauen geprägt sind, da man die Intentionen der anderen Staaten nicht kennt. Dies fließt in die Entscheidungen mit ein.[52] Entscheidend für den weiteren Untersuchungszusammenhang ist es allerdings, hier festzuhalten, dass - in der Abgrenzung zum klassischen, anthropologischen Realismus nach Morgenthau – im Neorealismus die Wahrung der eigenen Sicherheit die oberste Maxime des Staates ist und nicht die Macht an sich.
"Das vorderste Anliegen von Staaten ist nicht, Macht zu maximieren, sondern ihre Position im System aufrechtzuerhalten [.]. Das Ziel, welches das System sie zu verfolgen antreibt, ist Sicherheit"[53]
Durch die permanente Unsicherheit über die Absichten und das Machtpotential des anderen ergibt sich ein Sicherheitsdilemma, welches bereits vom Realliberalisten John Herz erkannt wurde und auch bei Waltz eine hohe Relevanz besitzt.[54] Es geht dabei letztlich darum, dass ein Staat nie sicher sein kann, dass beispielsweise fremde Aufrüstung ausschließlich defensive Gründe hat. Jeder Staat kann gegenüber einem anderen prinzipiell feindlich gesinnt sein. Dies hat im Zweifel eine Spirale des Wettrüstens und der Machtakkumulation zur Folge.[55]
Waltz hat also „Sicherheit“ als Messgröße für die Überlebensfähigkeit der Systemeinheiten, der Staaten, definiert. Sicherheit wird zum Hauptanliegen der Staaten. Sie dient nicht nur dazu, die eigene Position bzw. das Prestige von Staaten, sondern im Zweifel auch die eigene Überlebensfähigkeit im internationalen System zu sichern.[56] Staaten bemühen sich also ihren Status zu halten oder verhalten sich im Zweifel auch expansionistisch, um dieses außenpolitische Ziel zu erreichen.[57]
Dieses Konzept soll auch in der vorliegenden Arbeit bezüglich der Analyse hybrider Kriege zur Anwendung kommen. Die größte Kritik, die von Seiten des Autors an diesem Konzept allerdings geäußert werden kann und muss, ist, dass dieses expansionistische Sicherheitsstreben nicht mehr nur von staatlichen, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren angewendet werden kann und angewendet wird. Dies hängt mit der Ausdifferenzierung der Akteursvielfalt im internationalen System zusammen, welche bei der Betrachtung der realistischen Konflikttheorien des Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler und der britischen Sozialwissenschaftlerin Mary Kaldor klar zum Ausdruck kommt.[58]
1.2.2 Die „Neuen Kriege“ nach Mary Kaldor und Herfried Münkler
Seit Ende der 90er Jahre wird in der Konfliktforschung verstärkt die These vertreten, dass sich allein durch die staatszentrierte Perspektive aktuelle Entwicklungen im Kriegsgeschehen und bestimmte Konfliktformen nicht mehr vollständig erklären lassen.[59] Es gab und gibt seitdem mehrere Erklärungsmodelle, diesen – auch aus Sicht des Autors – einsetzenden Wandel zu beschreiben und typologisch einzuordnen.[60] Die These der „Neuen Kriege“ steht hierbei im Kontext der Ausdifferenzierung des Akteursspektrums sowie einer Abnahme des klassischen zwischenstaatlichen Krieges im internationalen System und zielt in ihrem Kern auf die Privatisierung und Entstaatlichung organisierter, kollektiver Gewaltanwendung im globalisierten Zeitalter; vor allem in Räumen be- oder entgrenzter Staatlichkeit.[61] Zwar stellt auch dieses Konzept in gewisser Weise eine Bündelung verschiedener Einzelinterpretationen dar [62], ist aus Sicht des Verfassers aber eine größtenteils treffende Beschreibung einer Tendenz, welche besagt, dass sich der Typus des Krieges seit 1989/90 zunehmend verändert und auch in zunehmendem Maße verselbstständigt hat. Die These dieses neuen Ansatzes in der Friedens- und Konfliktforschung wurde besonders vor dem Hintergrund der Kriege in Jugoslawien, den Bürgerkriegen in Afrika und den Konflikten im Nahen und Mittleren Osten in den neunziger Jahren entwickelt und wird in Abgrenzung zu zwischenstaatlichen früheren Kriegen verwendet.
Die Sozialwissenschaftlerin Mary Kaldor beschrieb in ihrem Buch „Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung“ die Entstehung dieser „Neuen Kriege“ unter dem Eindruck bzw. als eine der Schattenseiten der Globalisierung.[63] Sie stützt die These eines qualitativen Wandels von „alten“ Kriegen nach dem Clausewitz’schen Muster hin zu neuen transnationalen Gewaltformen.[64] Vor allem seit dem Ende der achtziger Jahre habe sich ein neuer Typ von Krieg entwickelt und herausgebildet.
Exemplarisch nennt sie dafür die Konflikte in Osteuropa, auf dem Balkan, in Afrika, in Südostasien und zuletzt auch im Irak.[65] Vor allem nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 zeichnete sich eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und Frieden unter Rückgriff auf die Thesen Mary Kaldors ab.[66] Dieser neue Kriegstypus unterscheidet sich von den älteren „Modellen“ durch seine Ziele, die Art der Kriegsführung und durch die Finanzierung. Er ist darüber hinaus in ein unüberschaubares Geflecht transnationaler Verbindungen eingebunden.[67]
Laut Kaldor ist ein wesentliches Merkmal der „Neuen Kriege“ die Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols aus verschiedenen Gründen. Dadurch kommt es zu einer Situation, in der sich durch eine zunehmende Privatisierung des Krieges neue Formen nichtstaatlichmanifestierter Gewalt herausbilden und somit die Grenze zwischen staatlicher und privater Gewalt, zwischen Krieg und auch organisierter Kriminalität, verschwimmt. [68]
Entscheidend ist auch die veränderte Finanzierung dieser Kriege der Gegenwart: die Versorgung der einzelnen Kampfverbände der Akteure einerseits dezentral und vor Ort[69] - durch Plünderungen, Schwarzmarktkäufe und -verkäufe, etc. - andererseits aber auch dadurch, dass die Kriegsökonomien vor Ort in hohem Maße von Ressourcen aus dem Ausland abhängig sind und in die globale ökonomische Verflechtung eingebunden sind.[70]
„Offizielle Machthaber, Interventionsarmeen, Kriegsherren, Warlords und Rebellen organisieren voneinander getrennte Wirtschaftsräume, die aber mit den Wirtschaften anderer Staaten und/oder der globalen Weltwirtschaft vernetzt sind.“[71]
Ebenso muss erwähnt werden, dass man durch fortgesetzte Gewalt logischerweise versucht, den Zufluss der finanziellen Quellen aufrechterhalten.[72] Somit sind die „Neuen Kriege“ für Mary Kaldor ein Ausdruck von dezentralisierten, globalisierten Kriegswirtschaften.[73]
Generell ist die Globalisierung für Kaldor die Hauptursache für diesen neuen Typus von Krieg. Das Phänomen der „Neuen Kriege“ ist auch eine Art Antwort auf die schwächer werdenden politischen Integrationsfähigkeiten staatlicher Strukturen in einer sich weiter und schneller globalisierenden Welt. [74]
Der Prozess der Globalisierung – als eine Revolution in Informations- und Kommunikationstechnologien und in der Datenverarbeitung[75] – erzeugt, wie eingangs erwähnt, nicht nur eine starke Zunahme und Intensivierung von weltweiten politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Beziehungen, sondern auch andere Dynamiken.[76] Verstärkt seit Beginn der 80er Jahre änderten sich nicht nur die technischen und strategischen Bestandteile der Kriegstechnologien, sondern auch die soziale Basis von Gesellschaften mit ihren sozioökonomischen und kulturellen Kategorien.
Nach Kaldors Argumentation ist dies den Kriegsformen der Gegenwart in verschiedenartigen Konfliktgebieten im postsowjetischen Raum sowie in Asien und Afrika - trotz deren verschiedenen ethnischen, kulturellen und historischen Hintergründen - gemein.
Die in diesem Kontext wachsende Zunahme kultureller Diskrepanzen zwischen globalen und ortsgebundenen Konflikten und die zunehmend unterschiedlichere räumliche Ver- und Entankerung sozialer Gruppen bietet den verschiedenen Akteuren der „Neuen Kriege“ neuartige Ansatzpunkte zum Schüren von Konflikten.[77] Hier setzt eine Formulierung politischer Machtansprüche an, welche durch scheinbar traditionelle Identitäten, wie Ethnie, Stamm, Religion, etc. gedeckt ist und die die nachträgliche Legitimation des Handelns der betreffenden Akteure rechtfertigen soll.[78] Die Sozialwissenschaftlerin vergleicht dies zu Recht mit der Propagierung einer bestimmten Ideologie.[79] Ohne dieses ideologische Korsett funktionieren die "Neuen Kriege" nicht. Dieses aufgesetzte Etikett trägt bei Mary Kaldor den Namen "Identität".[80] Die „Politik der Identität“ ist bereits im Vorfeld exkludierend angelegt und wirkt sich bewusst fragmentierend auf die Gesellschaft aus. Indem gesellschaftliche Ausgrenzung und Abgrenzung betrieben wird, wird ein gesellschaftlicher Hebel angesetzt, der bestehende soziale Ordnungen infrage stellt.[81] So werden nationalistische und ethnische Identitäten von interessierten Kräften bzw. Akteuren geschaffen und ganze Bevölkerungsgruppen einer multiethnischen Gesellschaft im Namen einer vermeintlichen Identität gegeneinander aufgehetzt, selbst dann, wenn diese gesellschaftliche Ordnung lange Zeit bestand hatte und die verschiedenen Gruppen lange Zeit friedlich miteinander gelebt haben bzw. nicht verfeindet waren.[82] Kaldor meint dazu, dass jede auf Identität fußende Politik ihre eigene Minderheit erzeugt, die auch instrumentalisiert werden kann. Im schlimmsten Fall führt eine solche gesellschaftliche Diskriminierung zu Vertreibung oder Völkermord.[83] Doch in Wahrheit folgen diese Akteure im Krieg eben keinen von ihnen selbst aus Traditionen heraus konstruierten Identitäten, sondern aktuellen Erfordernissen, nach denen sie im Umkehrschluss auch zu bekämpfen sind.
Darin ist auch ein Grund zu sehen, warum Vorgehensweisen, die gemäß den klassischen, verbindlichen Regeln der Kriegsführung geächtet waren, heute ein wesentliches strategisches Element in der neuen Kriegsführung solcher Akteure bilden.[84] Der unmittelbare Kampf wird von den Gegnern oftmals mit ungeahnter Leidenschaft und Hass geführt.[85]
Die Kriegsakteure bestreiten dabei ganz bewusst die Geltung des Kriegsvölkerrechts, weil es sich um ein zwischenstaatliches Rechtssystem handle, sie sich selbst aber nicht als staatliche Akteure begreifen, die daran gebunden sind. So wird auch im Hinblick auf die „Politik der Identität“ nicht mehr zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten unterschieden, und die Konflikte nehmen eine charakteristische Brutalität an.[86] Dies gilt folgerichtig besonders, wenn es darum geht, Räume für ihre Zwecke zu erobern, zu organisieren und auszubeuten. Unter diese Methoden fallen instrumentalisierte und zielgerichtete Gräueltaten gegen Zivilisten, Raub, Plünderung, Erpressung, Vergewaltigung, Geiselnahme, die Zerstörung historischer und symbolhaltiger Bauten, Denkmäler, Artefakte, etc. sowie ethnische Säuberungen usw.[87] Dieser Trend ist auch empirisch belegt: So hat sich die Intensität von innerstaatlichen bewaffneten Konflikten global drastisch erhöht: Die Opferanzahl hat sich beispielweise von 49.000 im Jahr 2010 auf 180.000 im Jahr 2014 gesteigert.[88] Auch das „International Institute for Strategic Studies (IISS)“ kommt in seinem „Armed Conflict Survey 2015“ zu einem ähnlichen Ergebnis: Obwohl die Anzahl an Kriegen zurückgegangen ist, haben sich die Opferzahlen in den bestehenden Konflikten seit 2008 verdreifacht. Geschuldet ist dies einer massiven Gewaltintensivierung vor allem gegenüber Zivilisten.[89]
Auch der Berliner Politologe Herfried Münkler vetritt bei seiner Theorie der „Neuen Kriege“[90] die Auffassung, dass die Auflösung der Grenze zwischen Staaten- und Bürgerkrieg eines der zentralen Merkmale der „Neuen Kriege“ sei.[91]
Genau wie Mary Kaldor ist er der Auffassung, dass diese Kriege vorzugsweise in den Staaten stattfinden, in denen es zu keiner nennenswerten Entstehung einer effizienten Staatlichkeit gekommen ist. Diese Staaten befinden sich vor allem in der sogenannten „Dritten Welt“. Bedingt wird dies durch korrupte und wenig integre politische Eliten, denen es vordergründig um private Bereicherungs- und persönliche Machtbestrebungen geht.[92] Hier zeigt sich Münklers realistische bzw. neorealistische Sichtweise und seine Machtanalytik.[93]
Der Politologe identifiziert drei Entwicklungen, welche bei ihm als Besonderheiten der „Neuen Kriege“ gelten:[94] Die erste ist eine zunehmende Entstaatlichung und Privatisierung kriegerischer Gewalt. Die zweite kennzeichnet eine strategische und taktische Asymmetrisierung des Krieges. Damit ist auch die These verbunden, dass der transnationale Terrorismus eine Form von offensiver asymmetrischer Kriegsführung ist.[95] Die dritte Entwicklung ist eine Verselbstständigung der Gewaltformen, wonach die Führung der Kriege mehr durch neue, nichtstaatliche Akteure und weniger durch reguläre Streitkräfte erfolgt, weil diese die Kontrolle über das Konfliktgeschehen weitgehend verloren haben.
Die erste Entwicklungslinie, die Entstaatlichung bzw. Privatisierung der Gewalt, begründet Münkler – ähnlich wie Kaldor – damit, dass multinationale als auch regionale bzw. lokale Kriege heutzutage in ökonomischer Sicht vor allem global und dezentral organisiert seien.
Je besser auch die Verbindungen zur Weltwirtschaft funktionierten, umso „besser“ und länger laufen diese Kriege.[96] Zusätzlich finanzieren sich die kriegführenden Akteure vor Ort durch Plünderung und Ausbeutung der Bevölkerung und der einheimischer Ressourcen sowie mit verschiedenen Geschäften auf dem Schwarzmarkt. Darunter fallen Rohstoff-[97], Waffen-, Drogen-, Menschenhandel, etc.[98] Die Akteure sichern also durch den Krieg erst ihre Subsistenz und sind oftmals auch gar nicht an einem Ende der langsam vor sich hinschwelenden Konflikte interessiert.[99] Im Unterschied zu Mary Kaldor verweist Herfried Münkler noch stärker auf die historischen Prozesse der Entstaatlichung von Gewalt. Die identitätsstiftende bzw. ideologische Komponente der nichtstaatlichen Kriegsakteure ist für ihn dabei nicht entscheidend, denn in den „Neuen Kriege“ der Gegenwart sieht der Politologe die gleichen Triebfedern mit ihren Folgeerscheinungen, die Kriege in früheren Zeitepochen mit ausgemacht haben[100]; allerdings mit den veränderten Komponenten und Dynamiken unter dem Eindruck der Globalisierung.
Münkler schreibt dazu: „Im Prozeß der wirtschaftlichen Globalisierung sind Kriege billig geworden, und offene Kriegsökonomien lassen sich relativ leicht errichten. Unter diesen Umständen ist großräumig und langfristig organisierte Gewaltanwendung, als die man Kriege definieren kann, wieder zunehmend lukrativ geworden, und das wiederum hat entscheidend dazu beigetragen, daß es in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer umfassenden Entstaatlichung und Privatisierung des Krieges gekommen ist.“[101]
Die zweite Entwicklungslinie bei den „Neuen Kriegen“ ist nach Münkler die immer stärker werdende dynamische Asymmetrie der kriegerischen Gewalt. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sich sowohl soziokulturell als auch militärisch keine gleichartigen Gegner mehr gegenüberstehen.[102] Hierauf wird in Kapitel 2.1 noch genauer eingegangen. Selbst die Grundsätze bisheriger Kriege mit einer Front, einem Hinter- bzw. Heimatland, seien in dieser Form nicht mehr existent. Eine klare militärische Entscheidung, die gewaltsamen Auseinandersetzungen zu beenden, gebe es nicht mehr. Zudem ist ein Anfang (durch eine Kriegserklärung) bzw. ein Ende des Krieges (durch einen „klassischen“ Friedensschluss) in den wenigsten Fällen zu erkennen. Ein weiterer Grund dafür ist auch die einfache Tatsache, dass bei der Entstehung und der Führung derartiger Kriege in den allerseltensten Fällen eine monokausale Ursache, sondern im überwiegenden Regelfall das komplexe Nebeneinander verschiedenster Aspekte zum Tragen kommt.[103] Die Asymmetrie in militärischen Fragen hat auch dazu geführt, dass die Auseinandersetzungen von Seiten nichtstaatlicher Kriegsakteure vorrangig mit leichten Waffen geführt werden.[104] Diese sind billig zu erwerben sowie einfach zu bedienen und zu warten. Für die nichtstaatlichen Akteure der „Neuen Kriege“ fallen damit auch keine langen Ausbildungszeiten an derartigem Kriegsgerät an.[105] Daraus folgt auch, dass Zivilisten und Kombattanten – wie schon bei Kaldor bemerkt - kaum voneinander zu unterscheiden sind und sich die Gewalt zunehmend gegen die Zivilbevölkerung richtet. Nach Münkler sind am Ende des 20. Jahrhunderts ca. 80 Prozent der Opfer der „Neuen Kriege“ Zivilisten.[106]
Die dritte Entwicklung bei dem Phänomen der „Neuen Kriege“ ist schließlich die sukzessive Verselbstständigung der kriegerischen Gewalt. Dabei stehen genau jene neuen, zur Kriegsführung fähigen Akteure im Vordergrund, die – wie bereits oben erwähnt – aus ökonomischen, aber auch militärstrategischen Gründen kein Interesse an einer Entscheidungsschlacht haben.
Diese neuen Gewaltakteure werden nach und nach die Protagonisten dieser Kriege, da die regulären Armeen die Kontrolle über das Kriegsgeschehen verlieren.[107] Dem betreffenden Staat ist in solchen Fällen das Monopol des Krieges bzw. der Kriegsführung verloren gegangen.[108] An seine Stelle treten zunehmend nicht-staatliche bzw. parastaatliche oder teilweise private Kriegsakteure, wie beispielsweise lokale Kriegsherren, Warlords, Guerillagruppen sowie lokale und überregionale „Kriegsunternehmer“, wie zum Beispiel weltweit operierende Söldner- bzw. Sicherheitsfirmen[109] bis hin zu internationalen Netzwerken.[110] Dazu kommen dann noch die regulären Streitkräfte, abtrünnige Einheiten, Hintermänner auf Regierungsebene, Polizisten, etc. Die Vielzahl der an solchen Konflikten beteiligten Akteure ist somit oftmals unüberschaubar.[111]
Münkler sieht sogar das Ende der klassischen Staatenkriege gekommen. Für ihn sind stark asymmetrisch geprägte Kriege in speziellen Ausführungen und mit unterschiedlichen strategischen Hintergedanken die Konflikte der näheren Zukunft.[112]
Zwar gilt in weiten Teilen der Politikwissenschaft das staatszentrierte, an Clausewitz orientierte Kriegsverständnis zunehmend als antiquiert[113], doch der Begriff der „Neuen Kriege“ stieß auf eine breite kritische Auseinandersetzung[114]. So ist eine an Mary Kaldors Thesen häufig geäußerte Kritik, dass sie zu viel Augenmerk auf den qualitativen Wandel auf der Ebene der Akteure legt und die übergeordneten Dynamiken, welche ja ebenfalls im Kontext der verstärkten Globalisierung zu Tage treten, nicht genügend berücksichtigt. Ebenso wird die These hinterfragt, ob ein „identitätsstiftender Zusammenhalt“, wie zum Beispiel Nationalismus, immer durch eine Manipulation der Bevölkerung durch die jeweiligen Akteure bzw. politischen Eliten zu erklären ist.[115] Zudem sei dieser neue Kriegstyp von einer „Politik der Identität" gekennzeichnet, in der bei Kaldor keine Staatsinteressen, etc. – ein Kennzeichen des „alten“ Kriegstyps - im Vordergrund stünden. [116] Diese Kritik kann der Verfasser teilen, da bei derartigen Konflikten durchaus in unterschiedlicher Intensität staatliche Motive und Rahmenbedingungen von internen oder externen Akteuren vorkommen können und diese in den meisten Fällen zumindest eine wichtige Rolle spielen.
Eine weitere geäußerte Kritik, die sich an diese Bemerkung anschließt, ist, dass durchaus in Frage gestellt werden darf, ob staatliche Akteure tatsächlich immer weniger die zentralen Monopolisten des Krieges sind, wie etwa Herfried Münkler annimmt.[117] Hier darf zu Recht betont werden, dass ein Staat in nahezu allen Auseinandersetzungen immer noch ein zentraler Akteur des Konflikts ist. Der Staat ist in den heutigen Kriegen zwar nicht mehr der alleinige Herr über die Kriegsgewalt, aber die meisten Kriege[118] werden immer noch innerhalb konventioneller staatlicher Modelle bzw. staatszentriert, etc. geführt.[119] Oftmals gilt beispielsweise die Eroberung der Staatsmacht, die Um- oder Neugründung von Staaten oder auch die Erreichung eigener Staatlichkeit im globalen Kriegsgeschehen mitunter immer noch als ein Ziel bestimmter nichtstaatlicher Akteure. Als ein Beispiel für diese Komplexität gilt der unter dem Vorzeichen der Globalisierung neu aufgeladene Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.[120] So lässt sich auch aus Sicht des Autors der klassische Staatenkrieg nicht unbedingt als ein „Auslaufmodell“, wie von Münkler angenommen, bezeichnen. Dieser Typ von Krieg wird allerdings seltener und einer von mehreren Varianten. Zudem hat er sich verändert, was auch der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zeigt.[121] Dies führt unweigerlich zu der Frage, ob diese Veränderung die Unterscheidung zwischen „alt“ und „neu“ rechtfertigt.[122] Kritiker empfinden den Begriff als unscharf und trügerisch, weil er den Eindruck erweckt, dass eine klare zeitliche Bestimmung und Kodierung in alte und neue Kriege möglich wäre und somit im Extremfall zu vorschnellen und zweifelhaften Schlussfolgerungen führt.[123]
Die naheliegendste und zugleich verbreitetste Kritik gegen den Begriff der „Neuen Kriege“ ist aber der Einwand, dass sie so neu gar nicht sind. Vielmehr seien viele Muster und Verhaltensweisen schon vor dem Ost-West-Konflikt und sogar vor dem Zweiten Weltkrieg vorhanden und bekannt gewesen. Das Entscheidende ist aus Sicht einiger Kriegsursachen- und Konfliktforscher, dass sich nicht die Realität, sondern vielmehr die Wahrnehmung verändert habe. Dies sei vordergründig der mangelnden Aufmerksamkeit an innerstaatlichen Kriegen bzw. Konflikten vor allem in der Dritten Welt währen des Kalten Krieges geschuldet.[124]
Dabei haben verschiedene Institute und Autoren im Bereich der Konfliktforschung versucht, bestehende Typologien für die qualitativen Veränderungen im globalen Kriegs- und Konfliktgeschehen anzupassen.[125] So bietet z.B. Sven Chojnacki eine alternative Typologie zur Unterscheidung von verschiedenen Typen militärischer Gewalt anhand des politischen Status bzw. an der gesellschaftlichen Form der Akteure an:[126] zwischenstaatliche Kriege (zwischen mindestens zwei souveränen Staaten); extrastaatliche Kriege (zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren jenseits bestehender Staatsgrenzen wie bei Dekolonisationskriegen); innerstaatliche Kriege (zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren innerhalb bestehender Grenzen) und schließlich substaatliche Kriege (zwischen nichtstaatlichen Gewaltakteuren innerhalb oder jenseits formaler Staatsgrenzen). Dieser vierte Kriegstyp der substaatlichen Kriege stellt aus der Sicht Chojnackis ein ergänzendes Puzzleteil bei der Debatte über den Formenwandel der Gewalt dar, da er sich zwar begrifflich noch eng am Staat orientiert, sich aber dennoch von den Staatenkriegen klar abgrenzt und keine völlig neue Kriegsform postuliert.[127]
Aus Sicht des Autors ist das im vorliegendem Fall aber nur bedingt zu empfehlen, da eine beispielsweise von Chojnacki geforderte Anpassung der Parameter bei der Typologisierung von politischer Gewalt bzw. Kriegsgeschehen[128] besonders hier die Gefahr eines zu starren Musters für die Erfassung des Untersuchungsgegenstandes beinhaltet und die prinzipielle Vielschichtigkeit „hybrider Kriege“ und künftiger Konflikte nicht genügend erfasst werden kann. Keine Theorie darf bei dieser Betrachtung starr und unbeweglich sein, sondern muss sich bei mehreren möglichen Ausprägungen von neuen Konflikten hin offen zeigen, da sich viele verschiedene Bestandteile in unterschiedlicher Intensität vielfältig miteinander kombinieren lassen. Dasselbe gilt aber auch für die Theorien von Herfried Münkler und Mary Kaldor.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes in mehrfacher Hinsicht ein qualitativer Wandel im weltweiten Kriegsgeschehen festzustellen ist, für den es auch empirisch-quantitative Belege gibt.[129] Auch von Kritikern wird nicht bestritten, dass ein qualitativer Wandel der zum Krieg fähigen Akteure stattgefunden und sich deren Spektrum in vielen bzw. in nahezu allen Kriegen der Gegenwart stark ausdifferenziert und ausgeweitet hat.[130] Unstimmigkeit besteht darin, dieses Phänomen theoretisch zu verorten. Mary Kaldors Ausgangspunkt ist dabei die Undurchsichtigkeit und die neuartigen Entwicklungen in den modernen bewaffneten Konflikten seit 1989/90. Eine klare Abgrenzung in nahezu allen Bereichen, wie sie in alten Kriegen noch möglich war, ist jetzt nicht mehr gegeben. Kernpunkte dieser Konflikte sind eine auf Identität – welche in vielen Fällen auch konstruiert sein mag – ausgerichtete Politik, neue Arten der Finanzierung sowie neue Formen der Kriegsführung.[131] Dies geschieht alles in einem Kontext des verschärften, fortschreitenden Globalisierungsdrucks[132] besonders in solchen Regionen, in denen Modernitäts- und Identitätskonflikte unter den Bedingungen dieses Drucks hohes Potential für gesellschaftliche Zerreißproben aufkommen lassen.[133] In der Tat lässt sich feststellen, dass sich grenzüberschreitende Austausch- und Produktionsprozesse durch vielfältige neue Möglichkeiten seit den 60er und 70er Jahren deutlich verdichtet haben. Seit den 90er Jahren ist eine Steigerung der Verflechtung auch in qualitativer Sichtweise zu beobachten.[134]
Herfried Münkler entgegnet seinen Kritikern, dass diese das Konzept seiner Theorie nicht in seiner Gesamtheit betrachten, sondern nur Einzelaspekte kritisieren.[135] Er betont, dass keiner seiner theoretischen Einzelaspekte an sich weltgeschichtlich eine neue Erscheinung darstellt.[136] So seien weder die Privatisierung und das Auftreten substaatlicher bzw. semiprivater Kriegsakteure noch die Entmilitarisierung des Krieges und die Konzentration auf nichtmilitärische Ziele bei Anwendung nichtmilitärischer Methoden noch die Asymmetrisierung der Kriegsgewalt an sich neue Faktoren. [137] Es ist vielmehr das Zusammentreffen dieser drei Phänomene in den Konflikten der Gegenwart, die in ihrer Dynamik und ihrer Kombination zu einer drastischen Veränderung des Kriegsgeschehens und der Wahrnehmung von Bedrohungen führen.[138] Gleichzeitig schwächt sich die Präge- und Orientierungskraft des klassischen Kriegsmodells ab.[139]
Der elementarste Unterschied zwischen Münkler und Kaldor liegt darin, dass letztere die Zerfallsprozesse in partikularistische Politiken der Identität mit in ihr Konzept aufnimmt.[140] Die Betonung von gewissen „aufgesetzten“ bzw. konstruierten ideologischen Konzepten (Identitäten) stellt aus Sicht des Verfassers eine wichtige Komponente für das Verständnis moderner Konflikte dar. Diese werden durch die Auswirkungen der Globalisierung, in den meisten - wenn auch nicht allen[141] - Konflikten erleichtert bzw. mitbedingt.
Folgerichtig greift es zu kurz, „Neue Kriege“ als ausschließlich ethno-nationalistische Bürgerkriege zu begreifen, in denen die Gewaltanwendung zur Durchsetzung von Zielen bestimmter Volksgruppen gleichsam privatisiert wird. Dahinter stecken in den allermeisten Fällen politische (Macht-)Motive, die diese Konflikte auch zu politischen Phänomenen machen, an denen externe und interne, staatliche und nichtstaatliche Akteure gleicherweise teilhaben.[142] Die ethnisch-kulturellen, besonders auch die religiösen Gegensätze von nichtstaatlichen, aber auch staatlichen Akteuren, die Kluft zwischen Elend und Reichtum und die systematische Diskriminierung bzw. Benachteiligung von Volksgruppen gelten demnach also nicht als die Hauptursachen der „Neuen Kriege“. Sie stellen aber auch aus Sicht des Autors die Schlüsselpunkte zu deren Verstärkung und Verstetigung dar. Diese Konflikte setzen sich aus einer schwer durchschaubaren Gemengelage zusammen, die vorrangig aus persönlichem bzw. kollektivem Machtstreben, geoökonomischen bzw. strategischen Interessen und teilweise auch aus ideologischen Überzeugungen sowie häufig nicht klar erkennbaren Zielen besteht.[143] Es würde sich demnach konflikttheoretisch auch als verfehlt herausstellen, „alte“, zwischenstaatliche Kriege gar als bedeutungslos oder sogar als historisches „Auslaufmodell" anzusehen. Aus Sicht des Verfassers stellt dies aber auch keinen Widerspruch dar. Der Krieg hat sich in multidimensionaler Hinsicht verändert.[144] Zwar haben sich die Rahmenbedingungen geändert und der Staat als Kriegsakteur hat Konkurrenz bekommen, sodass Kriege auch in Abwesenheit staatlicher Kontrolle geführt werden und zur Transformation staatlicher Ordnungssysteme und normativer Prinzipien der internationalen Ordnung beitragen, aber nach wie vor führen Staaten auch Kriege, was in dieser Arbeit ebenfalls als analytische Voraussetzung gilt.[145] Eine völlige Abkehr vom Staat als einem zentralen Krisen- und Kriegsakteur ist in den allermeisten Fällen nicht oder nur schwer vorstellbar.
Die Theorie der „Neuen Kriege“ – bei aller zum Teil berechtigten und notwendigen Kritik – zeigt eine neue Tendenz sowie viele neue Kombinationsmöglichkeiten von hybriden Sicherheitsgefahren in der internationalen Sicherheitspolitik auf, die es zu berücksichtigen gilt und die aufgrund ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit auch nur mit wichtigen Bausteinen dieser Theorie fassbar gemacht werden können. Damit hat man in vielen Charakteristiken der neuen Kriege Zugriff auf neue Erscheinungen im Konfliktgeschehen und gleichzeitig einen Rückgriff auf „alte“ Kriegstypen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.[146] Besonders für die exakte Charakterisierung des Betrachtungsgegenstandes der vorliegenden Arbeit ist dies von essentieller Bedeutung.
…
[1] Vgl. Menzel, 2007: 24.
[2] Zangel; Zürn, 2003: 11.
[3] Kaim; Stelzenmüller,2013.
[4] Baru, 2014, pp. 11-16.
[5] Vgl. Debiel; Messner; Nuschler, 2007: 14 und Leonard, 2012.
[6] Frankenberger, 2008.
[7] Baru, 2014.
[8] Ramonet, 2013.
[9] Baru, 2014.
[10] Vgl. Ministry of Defence UK, 2015.
[11] Vgl. Sachs, 2004 und Seidler, 2013. Vgl. auch Allianz Global Investors Europe GmbH, 2012.
[12] Vgl. Borkenhagen; Ehrhart; Kästner; u.a., 2012: 8.
[13] Allianz Global Investors Europe GmbH, 2012; Vgl. allgemein: Opitz, 2004.
[14] Vgl. Howortha; Menonb, 2015, Lang; Wacker, 2013 und Mihatsch, 2012.
[15] Vgl. Cohnen; Gabel, 2014.
[16] Ramonet, 2013.
[17] National Intelligence Council: GLOBAL TRENDS 2030: Alternative Worlds, S.10
[18] Vgl. Brzezinski, 2012.
[19] Vgl. Leonard, 2012.
[20] Vgl. z.B. Siemons, 2015 und Internet aus der Luft. Facebook will totalitäre Staaten mit Drohnen ärgern, (FAZ), 2015.
[21] Linnenkamp; Mölling, 2015: 3.
[22] Vgl. Carothers, 2014; Walt, 2014.
[23] Münkler, 2004: 179.
[24] Schreiber, 2001: 14; andere Institute, wie das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung, sind sogar noch pessimistischer: Es verzeichnet seit 1945 eine Zunahme um durchschnittlich einen Krieg pro Jahr. 2007 wurde sogar eine Gesamtzahl von 238 innerstaatlichen und 90 zwischenstaatliche Konflikten gezählt, Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung an der politischen Fakultät der Universität Heidelberg, 2007: 3ff.
[25] The Institute for Economics and Peace, o.O. u. J.; Vgl. auch Banks, 2015.
[26] Vgl. dazu allgemein Schlichte, 2002.
[27] Vgl. NATO Public Diplomacy Division, 2004: 4.
[28] National Intelligence Council: GLOBAL TRENDS 2030, Alternative Worlds.
[29] Stock, 2014: 138.
[30] Zangel; Zürn: 2003, 152; Vgl. dazu auch Gerdes, 2010.
[31] Mey, 2001:172.
[32] Kaum jemand bestreitet, dass der IS mittlerweile die Führungsrolle in der internationalen dschihadistischen Bewegung von Al-Qaida übernommen hat.
[33] Nachrichtendienst des Bundes NDB, 2015.
[34] Vgl. Zapfe, 2015.
[35] Wird in Kapitel 1.2 „Theoretische Grundlagen“ genauer behandelt.
[36] Vgl. Wolfram, 2010.
[37] Zur gestiegenen Kriegsfähigkeit nichtstaatlicher Akteure siehe 1.2 und 2.1
[38] Vgl. Siedschlag, 2001: 1
[39] Vgl. Grieco, 1997: 163
[40] Vgl. Schörnig, 2006: 66f.
[41] Vgl. Masala, 2010: 54f.
[42] Vgl. dazu Waltz, 1979
[43] Vgl. dazu Waltz, 1990
[44] Vgl. dazu beispielsweise Keohane, 1986; Donnelly, 2000; Griffiths, 1992; Frankel, 1995; Frankel, 1996
[45] Zu den Vertretern dieser Ausrichtung kann beispielsweise John J. Mearsheimer gezählt werden, Vgl. dazu Mearsheimer, 1994/95 und Mearsheimer, 1995
[46] Vgl. Siedschlag, 2001: 21
[47] Masala, 2010: 54
[48] Waltz, 1988: 618, Z.17f.
[49] Vgl. Siedschlag, 2001: 2
[50] Waltz, 1988: 624, Z. 29 – 32
[51] Vgl. Siedschlag, 2001: 3f.
[52] Vgl. Krell, 2009: 620
[53] Waltz 1979: 126
[54] Krell, 2009: 619, Z.26f.
[55] Vgl. Ebd.: 110
[56] Vgl. Waltz 1979: 126
[57] Krell, 2009: 248, Z.23 – 27; Vgl auch Herz 1961: 130f.
[58] Bereits der Militärhistoriker Martin van Creveld sagte eine Entwicklung seit Ende des Kalten Krieges zu kleineren Kriegen voraus. Diese würden in nicht-symmetrischer Ausprägung von kleinen Verbänden mit leichten Waffen häufig um keiner übergeordneten politischen Zwecke wegen, sondern aus Gründen der Selbsterhaltung, Bereicherung, etc. geführt werden; Vgl. Creveld, 1998; Geis, 2009: 37; Etzersdorfer, 2007: 117 sowie auch Lind; Schmitt; Wilson, 1994.
[59] Vgl. Etzersdorfer, 2007.
[60] Schreiber, 2010: 51f.; vgl. zu Forschungsdebatte auch Heupel; Zangl, 2004.
[61] Chojnacki, 2007, S. 478
[62] Schreiber, 2010: 47
[63] Kaldor, 2000.
[64] Vgl. Kaldor, 2001.
[65] Kaldor, 2000: 5.
[66] Krampe, 2009: 68.
[67] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber; u.a., o.O. u. J.: 2ff.
[68] Vgl. Kaldor 2000: 120ff.
[69] Zangel; Zürn, 2003: 186
[70] Ballentine; Sherman, 2003.
[71] Zit. in: Meyers, 2011: 312.
[72] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber; u.a., o.O. u. J.: 3f.
[73] Kaldor, 2000: 13-19; auch Johannes LeBlanc vertritt die These, dass der Aspekt schwacher Staatlichkeit die Ausbreitung von Gewaltökonomien ermöglicht und begünstigt, vgl. Le Blanc, 2010.
[74] Lübberding, 2007.
[75] Vgl. Varwick, 2011.
[76] Kaldor, 2000: 10.
[77] Vgl. dazu auch: von Bredow, 2001.
[78] Dürr, 2001: 96.
[79] Lübberding, 2007.
[80] Mayr, 2001.
[81] Krampe, 2009: 66
[82] Mayr,2001.
[83] Kaldor, 2000: 124.
[84] Puhl, o.O.u.J.; Meyers, 2011: 310.
[85] Mey, 2001: 83.
[86] Meyers, 2011: 310.
[87] Dürr, 2001: 96
[88] The Institute for Economics and Peace, o.O. u. J.
[89] Norton-Taylor, 2015.
[90] Vgl. Münkler, 2002.
[91] Münkler, 2007: 8.
[92] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber, o.O.u.J.
[93] Vgl. zu Münklers politikwissenschaftlicher Herangehensweise auch Münkler, 2006: 276: „Die Alternative dazu ist nämlich nicht auf den Wegen der Moralphilosophie, sondern denen der politischen Vernunft zu suchen, die dringend der Rehabilitierung bedarf. Sie würde weder auf eine ‚Welt der Gerechtigkeit’ warten noch mit Theorien der gerechten Kriege argumentieren, sondern mit einer illusionslosen Bestandsaufnahme der Gewaltkonstellationen im Weltmaßstab beginnen.“
[94] Münkler, 2002: 10 ff.; vgl. dazu auch Chojnacki, 2007.
[95] Münkler, 2002: 175.
[96] Pradetto; Baier, 2006: 215 f.; Siehe dazu auch den Beitrag von Peter Lock über die „Ökonomie der Neuen Kriege“ (Lock, 2005.)
[97] Gemeinsames Merkmal der in diesen Kriegen produzierten und vermarkteten Gütern - besonders von Rohstoffen - ist, dass ihre Produktion größtenteils durch gering qualifizierte Arbeitskräfte geleistet und der Export dementsprechend gewährleistet werden kann, Lock, 2005: 65
[98] Vgl. allgemein zu den Gewaltökonomien der „Neuen Kriege“: a) Heupel, 2009: 9-14 und b) Heupel, 2009: 165-177.
[99] Pradetto; Baier, 2006: 216.
[100] Vgl. Münkler, 2002: 131-173.
[101] Münkler,2002: 173.
[102] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber, o.O.u.J.
[103] Ebd.
[104] Münkler, 2002: 137.
[105] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber, o.O.u.J.
[106] Pradetto; Baier, 2006: 216.
[107] Abedin-Zadeh; Aycin; Oliver; o.O.u.J.
[108] Münkler, 2002: 7ff.
[109] Private Militär- und Sicherheitsfirmen haben in den vergangenen Jahren einen großen Bedeutungszuwachs erfahren. Allerdings ist es auch weiter wenig wahrscheinlich, dass derartige Mitarbeiter solcher Firmen an direkten Kampfeinsätzen und in operativen, militärisch-sensiblen Kernbereichen von Streitkräften zum Einsatz kommen; Vgl. Wolfram, 2010, Michels; Teutmeyer, 2010 und Schooner, 2008.
[110] Heutige Söldner sind in weiten Teilen hochprofessionelle Sicherheitsanbieter, die in Bezug auf ihre Ausrüstung - Flugzeuge, Hubschrauber, schwere Waffen – und in ihren Sicherheitskonzepten zum Teil mit staatlichen Akteuren vergleichbar sind, Pradetto; Baier, 2006: 215f.
[111] Münkler, 2002: 34 und Pradetto; Baier, 2006: 215f.
[112] Münkler, 2006: 150
[113] Chojnacki, 2007: 485.
[114] Schreiber, 2009: 53; Vgl. auch Schlichte, 2006.
[115] Sofsky, 2001; Gantzel, 2002: 3ff.
[116] Meyer, 2000.
[117] Chojnacki, 2007: 488f.
[118] Auch von der Definition her „Neue Kriege“, was allerding aus Sicht des Autors keinen Grundlegenden Wiederspruch darstellt.
[119] a) Chojnacki, 2005: 82 u. 93
[120] von Bredow, 2001.
[121] a) Chojnacki, 2005: 93.
[122] Ders.: 74ff. und Chojnacki, 2004.
[123] Chojnacki, 2007: 488f.
[124] Siegelberg; Hensell, 2006 und Gantzel, 2002.
[125] Eine Unterscheidung von vier Typen militärischer Gewalt präsentiert z.B. das Uppsala Conflict Data Project. Vgl. Strand; Wilhelmsen; Gleditsch, 2002: 3ff.; Vgl. dazu auch Überblick zu Zielen und Nutzen verschiedener Typologien der Kriegsforschung bei Elman, 2005.
[126] Chojnacki, 2006: 56; Chojnacki, 2007: 490f.
[127] a) Chojnacki, 2005: 94f. ; Chojnacki, 2007: 491 u. 500.
[128] a) Chojnacki, 2005: 92.
[129] Schreiber, 2009: 47.
[130] a) Chojnacki, 2005: 74ff. und Chojnacki, 2004.
[131] Kaldor, 2000.
[132] Geis, 2009: 65.
[133] Etzersdorfer, 2007: 8.
[134] Zangel; Zürn: 2003: 153ff.
[135] Münkler, 2004: 182.
[136] Münkler, 2006: 14.
[137] Geis, 2009: 65
[138] Münkler, 2005: 24.
[139] Münkler, 2005 :25.
[140] Kaldor, 2000: 110.; Etzersdorfer, 2007.
[141] Manche Autoren sind der Meinung, dass wesentliche Merkmale der „neuen“ Kriege erst aus einer Kombination von modernen und vormodernen Gewaltursachen, Motiven und Konfliktaustragungsformen heraus resultieren; Böge, 2004.
[142] Meyers, 2011: 309.
[143] Abedin-Zadeh; Aycin; Gruber; o.O.u.J.
[144] Vgl. dazu auch Thomas Jäger, der heutige Kriege vor allem durch die „Ungleichzeitigkeit“ ihrer Akteure beschreibt, welche ökonomisch, politisch, kulturell und/oder militärisch aus unterschiedlichen Zeiten ihre Zwecke heraus definieren und miteinander kämpfen; Jäger, 2010: 303.
[145] Chojnacki, 2007: 502 und a) Chojnacki, 2005: 92.
[146] Vgl. Etzersdorfer, 2007.
- Quote paper
- Christian Rucker (Author), 2016, Krisen- und Kriegsanatomie im 21. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337319
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