Kein Gott wird innerhalb der griechisch-römischen Mythologie so sehr mit dem goldenen Zeitalter, Fruchtbarkeit und Wohlstand, aber auch mit Unheil und Verderben in Verbindung gebracht wie Saturn. Er ist eine sehr vielschichtige Gestalt, blickt er doch einerseits gütig und gnädig auf die jenigen, welche ihm nahe stehen und ihn verehren, andererseits ist er aber auch brutal und blutrünstig, indem er seinen eigenen Vater verstümmelt und seine Kinder verspeist. Im Alltag der Römer ist Saturn besonders durch sein großes Fest, die Saturnalien, ein Fixpunkt im Kalender gewesen, und dies alles wäre nicht möglich gewesen durch die interpretatio romana des nordafrikanischen Ba'al-Hammon als Saturn.
Die Kernthemen dieser Bachelorarbeit sind es, darzulegen, woher beide Kulte - der griechisch-römische ebenso wie der afrikanische - kommen und ihre Ursprünge haben, wie die Römer mit den neuen Einflüssen umgingen und wie die Verehrung des im Folgenden als Saturn-Ba'al-Hammon bezeichneten Gottes vonstatten ging, regional wie auf staatlicher Ebene.
INHALT
Vorwort
Einleitung
Etymologie
Mythologische Ursprünge Saturns
Mythologische Ursprünge Ba'al-Hammons
Ikonographie
Die Saturnalien
Resümee
Literatur
Endnoten
Vorwort
Bei der den geschätzten Leser_innen vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit handelt es sich um eine deutlich überarbeitete und um jüngere Betrachtungen ergänzte Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014, die damals unter dem Titel Saturn-Ba’al-Hammon. Der Herr der Fruchtbarkeit in einem Seminar über die Ikonographie römischer Gottheiten in Nordafrika eingereicht und aufgrund ihres mehr mythologischen denn ikonographischen Schwerpunkts als Themenverfehlung abgewiesen wurde. Nun, nach erfolgreicher Absolvierung des Studiums der Klassischen Archäologie, habe ich mir gestattet, diesen mühsam erarbeiteten und zusammengetragenen Text, durch ein Missverständnis zu einem schlafenden Datenkoloss am Rechner verkommen, wieder herauszukramen und einer erneuten Begutachtung zu unterziehen. Mit einer Fülle an neuen Erkenntnissen angereichert, in Volumen und Gehalt vergrößert, in Titel und fachlichem Blickwinkel verändert, soll dieses einstige schwarze Schaf nun endlich doch einem breiteren Publikum zur Verfügung gestellt werden, als meine erste wissenschaftliche Publikation.
Patrick J. Schmidt, BA
Wien, am 19.07.2016
Einleitung
Kein Gott wird innerhalb der griechisch-römischen Mythologie so sehr mit dem goldenen Zeitalter, Fruchtbarkeit und Wohlstand, aber auch mit Unheil und Verderben in Verbindung gebracht wie Saturn. Er ist eine sehr vielschichtige Gestalt, blickt er doch einerseits gütig und gnädig auf die jenigen, welche ihm nahe stehen und ihn verehren, andererseits ist er aber auch brutal und blutrünstig, indem er seinen eigenen Vater verstümmelt und seine Kinder verspeist. Im Alltag der Römer ist Saturn besonders durch sein großes Fest, die Saturnalien, ein Fixpunkt im Kalender gewesen, und dies alles wäre nicht möglich gewesen durch die interpretatio romana des nordafrikanischen Ba'al-Hammon als Saturn. Die Kernthemen dieser Bachelorarbeit sind es, darzulegen, woher beide Kulte - der griechisch-römische ebenso wie der afrikanische - kommen und ihre Ursprünge haben, wie die Römer mit den neuen Einflüssen umgingen und wie die Verehrung des im Folgenden als Saturn-Ba'al-Hammon bezeichneten Gottes vonstatten ging, regional wie auf staatlicher Ebene. Ich habe mich bewusst für diese Persönlichkeit des indigenen Pantheons entschieden - und mich durch die Untiefen der Welt des Wissenschaftsfranzösisch gekämpft - gerade weil Saturn so wenig gleichförmig und in seinem Facettenreichtum einzigartig ist. Was wir in Rom vorfinden, erinnert nur teilweise an sein Gegenstück in den nordafrikanischen Provinzen. Gleichermaßen ist dieser Saturn-Ba'al-Hammon zu größeren Teilen Ba'al-Hammon als Saturn - er erscheint als nicht völlig austauschbare Figur, so wie eine Minerva und eine Athena oder eine Venus und eine Aphrodite, sondern als eigene und eigentümliche Gestalt von besonderem Charakter. Die genauen Abläufe in der Kultausübung vor Ort sind heute noch Gegenstand von Forschungsdebatten. Im Folgenden werde ich mich selbstverständlich oft auf das aufschlussreiche und Maßstäbe setzende Hauptwerk von Marcel LeGlay berufen: Saturne Africain (Paris 1966, in drei Bänden: Monuments I u. II sowie Historie), das trotz seines Alters immer noch die Standardschrift zur Saturn-Ba'al-Hammon-Forschung darstellt. LeGlay (Eigenschreibweise aus seinen Schriften, anderswo: Le Glay), der als Lehrer in Algier an der Universität (als Assistent von Louis Leschi) tätig war und später als Professor für Alte Geschichte an der Universität von Lyon diente, nahm von 1963 bis 1973 an Grabungen in Afrika teil und verschaffte sich einen grundlegenden Überblick über die dortige Situation, den er in seiner Arbeit festhielt. Teile seiner Arbeit wurden in die Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft und in den Kleinen Pauly aufgenommen.
In den nachfolgenden Seiten will ich besonders zeigen, wo die Differenzen zwischen dem klassisch- römischen Saturnus und seiner Entsprechung in Afrika liegen und welche Bedeutung die Gottheiten (bzw. die Gottheit) für den jeweiligen Kulturkreis, in dem sie verehrt wurde(n), hatte(n). Beginnen wir mit der eigentlichen Herkunft und Bedeutung der Namen und Begrifflichkeiten, damit klar ist, was hinter den Wörtern steht, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden.
Etymologie
Starten wir unsere Reise durch die römisch-afrikanische Mythologie bei der Etymologie der wichtigsten Begrifflichkeiten. Der Name Saturns erscheint erstmalig auf einer Becherinschrift aus Dessau (Sachsen-Anhalt) in der Form Saeturnus 1 . Diese Form des Namens wird auch von dem Lexikographen und Grammatiker des 2. Jahrhunderts n. Chr. Sextus Pompeius Festus aus Gallien in seinem teilweise erhaltenen Codex Farnesianus als Urvariante des Götternamens angeben2. Schon Varro3 und Tertullian leiteten den Begriff saturnus von ab satu (Aussaat) ab, diese Herleitung ist auch heute noch allgemein anerkannt4. Es ist nach wie vor strittig, wie es zu der Verschiebung von Saeturnus zu Saturnus gekommen sein soll. Vermutlich gab es ursprünglich für die Düngung des Ackers eine eigene, separate Gottheit namens Stercut(i)us, durch dessen Zusammenführung mit Saturn entstand der Kult, wie wir ihn heute kennen5. Ebenso möglich ist eine namentliche Verbindung mit dem etruskischen Gott Satre (und den dazugehörigen Ortsnamen wie Satria in Latium oder Saturae palus), dessen Name wiederum mit dem lateinischen Phytonym satureia verwandt sein könnte6. Ackerbau und Aussaat waren schon seit jeher wichtig für die Identität der frührömischen Gesellschaft, und diese Bereiche waren klar mit Saturn verbunden. Sein Name tritt schon in der Hymne der Salier, der Waffentanzpriester, auf7 und ist seit dem fester Bestandteil der römischen Religion und Kulturidentität.
Der Name Ba'al-Hammon hingegen bedarf einer vertiefenderen Erläuterung. Der erste Namensteil, B a ' al, hebräisch8 ל ע ב, ist ein nordwest-semitischer Titel, der Herr, Meister oder Gott bedeutet, vergleichbar mit der heute gebräuchlichen Anrede Herr für Christus oder Gott Vater. Das Wort ist in vielen Sprachen geläufig, findet sich als Bal'u im phönizisch-punischen, als Bal im Samaritanischen, Ba'el im Äthiopischen und als Β έλος im Griechischen9. Mit dem Titel Ba'al konnte jede beliebige männliche Gottheit, aber auch ein sehr hoher Vorgesetzter oder bisweilen auch ein Ehemann angeredet werden, im Islam wird Ba'al als Anrede Allahs und im Judentum für JHWH gebraucht. Erst im Christentum, besonders durch den Herrn der Fliegen (Ba'al Zəbûb10 bzw. Beelzebub) und den zum Dämon umgewidmeten Baal wurde der Name negativ besetzt und mit dem Teufel in Verbindung gebracht11.
Zumeist wird heute davon ausgegangen, dass der Gesamtname Ba'al-Hammon "Herr der Räucherpfannen12" bedeutet, dies ist allerdings alles andere als gesichert, weswegen ich einen kurzen Überblick zur Problematik geben will. Der Ugarit-Forscher Dennis Pardee aus Chicago schreibt in einer kritischen Auseinandersetzung mit Paolo Xellas Standardwerk zur etymologischen Forschung über Ba'al-Hammon, dass Xellas Interpretation des ugaritisch-aramäischen Wortes hmn als "Räucherpfanne" oder "Räucheraltar" nicht stichhaltig sei.
Vielmehr verweist er darauf, dass hmn je nach Setzung der Betonung unterschiedliche Bedeutungen haben kann14. Wird die Betonung an den Beginn des Wortes gesetzt - wir transkribieren hier als Hmn - so erschließt sich die Bedeutung "heiß sein". Pardee ist allerdings der Ansicht, dass hmn auf den alt-ugaritischen Wortstamm Hm (anfangsbetont) zurückgeht, und diese Wurzel findet sich im Ugaritischen genauso wie im frühen Arabisch und bezieht sich stets auf das Aufstellen von Zelten bzw., im Übertragenen Sinne, das Errichten von Gebäuden. Geht man von diesem Wortstamm aus, ist für bll hmn bzw. bll Hmn (Ba'al-Hammon) nicht Herr der Räucherpfannen/werke, sondern Herr des Errichtens von Bauwerken denkbar15. Jedoch schreibt Pardee, bevor er fortfährt: "I am here playing the role of advocatus diaboli, of course, for no explanation is obvious and Xella's may well be correct.16" Xella meint nämlich, dass jede andere Erläuterung des Namens als Herr der Räucheraltäre/pfannen/werke unlogisch wäre, weil er auf seine eigenen Studien zu tatsächlich dargebrachten Rauchopfern an Ba'al-Hammon-Heiligtumern verweist17. Eine ganz anders gerichtete Möglichkeit wäre jene, dass Hmn bloß eine andere Form des Wortes (h)amn sei, was den Berg (H)amanus meint, weswegen Ba'al-Hammon gleichermaßen auch "Herr des Berges Hamanus" bedeuten könnte18. Xella will weiters folgern, dass Ba'al-Hammon aufgrund seiner Ikonographie mit dem Hauptgott der Ugariter, Kanaaniter und Phönizier, El, gleichzusetzen ist 19. El wird in Menschengestalt und in königlichen Gewändern dargestellt, als alter Mann mit grauen Haaren, einem Bart und einer ägyptischen Atef-Krone oder einer Hörnerkrone. Er trägt einen langen Mantel mit syrischem Wulstsaum und Sandalen, die rechte Hand ist zu einer segnenden Geste erhoben. Seine Füße ruhen auf einem Schemel20. Sehr ähnliche Darstellungen sind auch für Ba'al-Hammon bezeugt. Es folgten Theorien, dass Ba'al-Hammon ein Sonnengott oder Mondgott gewesen sei, da die (Mond-)sichel und Luna und Sol häufig dargestellte Attribute des Gottes sind21. Der belgische Orientologe Edward Lipiński setzt Ba'al-Hammon andererseits mit dem semitisch- mesopotamischen Fruchtbarkeitsgott Dagon gleich22.
Der große kulturelle Austausch des römischen Imperiums mit Karthago nach dem zweiten Punischen Krieg führte jedenfalls zum ersten Berührungspunkt zwischen dieser Gottheit und Saturn, und beeinflusste in weiterer Folge die Entstehung des wichtigen römischen Festes der Saturnalien23.
Somit ist zwar weiterhin nicht vollständig geklärt, woher der Name Ba'al-Hammons kommt, allerdings gibt es einige wertvolle Ansatzpunkte. Wenn wir von reiner Logik ausgehen, erscheint die Übersetzung mit Herr der Räucheraltäre schlüssig. Die Identifikation des Titels bzw. der Anrede Ba'al mit Herr oder Gott ist unstrittig und linguistisch klar greifbar. Natürlich ist die Erläuterung, Ba'al-Hammon mit El gleichzusetzen, ein nicht wenig gewagter Griff, möglich wäre es, aber ich will mich in Interpretationen und Spekulationen nicht verlieren, füllen diese ohnehin schon ganze Bücher. Wenn nun aber Saturn, wie ohne Zweifel belegbar ist, schon allein durch seinen Namen als Gott der Aussaat und Fruchtbarkeit identifizierbar ist, so fehlt uns diese Möglichkeit zur Gleichsetzung bei Ba'al-Hammon völlig.
Sämtliche Erläuterungsversuche seines aus dem Ugaritischen stammenden Namens beziehen sich auf das, worüber er herrscht, sei es nun Räucherwerk, ein Berg oder dergleichen mehr. Eine Bezeichnung Ba'al-Hammons als Fruchtbarkeitsgottheit oder frugifer findet nicht statt, und die Frage, die sich aufdrängt, ist, ob die ursprüngliche Person Ba'al-Hammons bereits mit der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wurde, oder nicht. Dieser Frage wollen wir in jenem Abschnitt nachgehen, der sich mit den mythologischen Hintergründen und Ursprüngen seiner Gestalt befasst.
Mythologische Ursprünge Saturns
Wenn wir den Aussagen Macrobius' folgen, ist die klassische Legende von Saturn und Janus bloß eine Fabel, da die wahren Hintergründe religiöser Handlungen und des Glaubens des römischen Volkes nicht offen ausgedrückt werden können24. Der Mythos lässt sich schnell erklären. Saturn war der autochthone Herrscher des Kapitols, der ursprünglich auch mons saturnius geheißen hat25. Er ist der mythische erste König von Latium oder von ganz Italien26. Er war ursprünglich der Herrscher des gesamten Kosmos, nachdem er als Sohn von Tellus, der Erde, und Caelus, dem Himmel, zur Welt kam. Er übernimmt die Herrschaft, nachdem er seinen Vater mit einer Sichel entmannt 27. Allerdings erhält er eine Prophezeiung, dass auch er von seinem Sohn entmachtet werden soll, daher frisst er alle seine Kinder, mit Ausnahme Iuppiters, der von Saturns Gattin Ops auf der Insel Kreta versteckt wurde. Iuppiter kehrt schließlich zu den Göttern zurück, bezwingt seinen Vater, zwingt ihn, seine Geschwister wieder auszuspucken und vertreibt ihn aus den olympischen Sphären. Saturn und Ops fliehen nach Latium, wo sie von Janus aufgenommen werden. Aus Dankbarkeit für das ihm gewährte Exil lehrt Saturn die Bewohner Latiums den Ackerbau und wird so zur wichtigen römischen Gottheit der Aussaat28.
In seiner Verehrung und seinem Kult ist die Gestalt des Saturns eine der komplexesten in der römischen Religion. Die Hauptschwierigkeit hierbei ist es, herauszufinden, was von der Gottheit noch ur-griechisch ist, und inwieweit der Rest autochthon-römisch29. Für die Theorie, Saturn sei ein authentisch-römischer Gott und keine Totalübernahme griechischer Kulte gewesen, sprechen vor allem drei Gründe: Einerseits die Zeit seines Festes, den Saturnalien, welche vom 17. bis zum 23. Dezember abgehalten wurden - die griechische Entsprechung, die Kronien, fanden von Juni bis Juli statt. Andererseits war im römischen Kult stets eine Verbindung zur Gestalt der Lua Mater vorhanden, die im Griechischen keine Entsprechung findet, und schließlich war der Hauptort der kultischen Handlungen das Kapitol, was sich auf die vorantik-mythologische Saturnia regia bezieht30. Opfer an Saturn wurden im sogenannten ritus graecus durchgeführt, mit unbedecktem Haupt, während den anderen römischen Hauptgottheiten capite velato geopfert wurde31. Saturn selbst wurde allerdings mit einem über den Kopf gezogenen Schleier dargestellt (involutus). Diese Gleichförmigkeit mit griechischer Verehrung ist allerdings noch kein gutes Indiz für die Postulierung eines vollständig von den Griechen kopierten Kultes: Es findet sich ebenfalls ein ritus graecus bei der germanischen Odin-Verehrung32, wenngleich keine kulturellen Berührungspunkte zwischen den Germanen und dem griechischen Kronos-Kult bekannt sind.
Der Etruskologe Domique Briquel meint hiezu, dass Saturn bereits ein verschleierter Mann ist, und die Opferung vor ihm, in Respekt vor seiner Göttlichkeit, nur unverhüllten Hauptes stattfinden kann, da die Opfernden sich nicht mit dem Gott gleichstellen sollten und wollten 33. Plutarch schreibt, dass Saturn verschleiert auftritt, weil er der Vater der Wahrheit ist34.
Plinius der Ältere schreibt in seiner naturalis historia, dass die Kultstatue Saturns mit Öl gefüllt war, die genaue Erläuterung dafür ist allerdings unklar und wird von ihm auch nicht näher beschrieben35. Die Füße des Kultbildes wurden mit Wolle verbunden, die nur während der Saturnalien entfernt wurde36. Die Verbindung des Kultes mit Öl und Wolle könnte aus dem Mythos kommen, wo Ops ihrem Gatten Saturn einen in Kleider gehüllten Stein (den Omphalos) anbietet, damit er nicht merkt, dass Iuppiter von ihr versteckt wird. Nach Iuppiters Sieg nimmt er den Stein, den sein Vater wieder ausgespien hat, bedeckt ihn mit Öl und Wolle und transportiert ihn nach Delphi, wo er heute noch steht, als Markierung des Nabels der Welt37. Das Kultbild trug einen roten Mantel und wurde zu rituellen Prozessionen aus dem Tempel gebracht, beispielsweise zu den lectisternia, Banketten, an denen man annahm, dass die Götter selbst an den Speisen teilnahmen 38. All diese Details von Zeremonien, die so nicht aus dem griechischen Raum bekannt sind, bedeuten für Briquel klar, dass Saturn eine souveräne, römische Gottheit war, und an sich nicht eine für den römischen Kulturkreis interpretierte und adaptierte, ausländische Göttergestalt39.
Es gibt nur wenige Hinweise auf eine Verbreitung des Saturnkultes außerhalb von Rom, wenn man von den vermutlich etruskischen Wurzeln absieht. Die Verbindung mit Kronos ist zweifellos vorhanden, wenngleich man vermutlich nicht von einer vollständigen Gleichsetzung sprechen kann. Die potentielle Grausamkeit Saturns bzw. die urtümliche Art seiner Verehrung sind mit seiner Verbindung zu Kronos und dessen Mythologie zu erklären. Schließlich, und was für unsere Auseinandersetzung mit diesem Thema am wichtigsten und am interessantesten ist, wurde Saturn mit dem punischen Gott Ba'al-Hammon gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung führte zu der eigentlichen kultischen Verehrung einer doch etwas anders gerichteten "Version" Saturns, eines afrikanischen Saturns (Saturne Africaine) oder, wie wir ihn neutral in dieser Arbeit nennen wollen, Saturn-Ba'al-Hammon. Der Kult erfreute sich bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. großer Beliebtheit40. Es gab auch Identifikationsversuche Saturns mit JHWH, dessen heiliger Tag im Judentum, der Sabbat, und der saturni dies (belegt in augusteischer Zeit) auf denselben Tag fielen41.
Saturn war nicht in allen Belangen ein wohltätiger Gott, wenngleich er, entthront und entmachtet, im Königreich des Janus ankam und mit seiner Weisheit die chaotischen Zustände vor Ort veränderte und die Tiere, Menschen und Fabelwesen vereinte42. Allerdings wurde er mit Lua Mater in Verbindung gebracht, die in archaisch-römischer Tradition eine Begleiterin Saturns war, gelegentlich sogar als Lua Saturni bezeichnet. Lua ist eine Göttin der Zerstörung, der die Waffen gefallener Feinde in Brandopfern dargebracht wurden43. So scheint es, dass bereits das Verhältnis der Römer zu „ihrem“ Gott Saturn ein ambivalentes war, und trotz der Fülle an Informationen, welche die Überlieferung uns transportiert, lässt sich für uns bloß erahnen, in welchem Verhältnis Kultempfänger und Kultausübender tatsächlich gestanden haben.
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- Quote paper
- BA Patrick Johann Schmidt (Author), 2014, Der Herr von Saat und Rauch. Eine archäologische Untersuchung zu den Ursprüngen des römischen Saturnkults in der Verehrung Ba’al-Hammons in Nordafrika, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336978
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