In der folgenden Arbeit wird das Thema freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) behandelt. FEM stellen einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte (Selbstbestimmung, Selbstverantwortung - Autonomie, Würde) dar und gelten in ethischer wie auch fachlicher Hinsicht als bedenklich. Die Frage ist, was Vorrang hat - die Sicherheit oder die Autonomie des Patienten?
Grundsätzlich werden grob mechanische und chemische FEM unterschieden. Das Anbringen von Bettgittern, Stecktischen, das Feststellen von Bremsen, das Einschließen des Patienten in seinem Zimmer oder körpernahe Fixierungen mit Gurten (Hand-, Bauch-, Fuß-, 5-Punkt-Fixierung) werden im Klinikalltag häufig angewandt. Diese Maßnahmen sind faktisch jedoch ohne eindeutige Einwilligung und Möglichkeit der Kontrolle durch den Betroffenen mechanische FEM.
Daneben zählt die Verabreichung sedierender Medikamente, wie Psychopharmaka oder Schlafmittel als chemische FEM, sofern damit bezweckt wird, den Bewegungsdrang des Patienten zu bremsen. Tritt der therapeutische Zweck der Medikamente in den Vordergrund wird darunter keine FEM verstanden, auch wenn die gleichzeitige Sedierung des Patienten als Nebenwirkung auftritt.
FEM werden besonders bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen, herausforderndem Verhalten und/oder motorischer Unruhe eingesetzt (z.B. Demenz, Delir). Als Rechtfertigung für deren Einsatz geben Pflegende häufig an damit Patienten vor Verletzungen schützen zu wollen. In diesem Zusammenhang wird vor allem die durch den Einsatz FEM bezweckte Verminderung der Sturzgefahr und daneben die Vermeidung einer Selbstschädigung sowie suizidaler Handlungen hervorgehoben.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Informationen
1.1 FEM – Häufigkeit und Definition
1.2 Verschiedene Formen
2. Ursachen und Gründe für den Einsatz FEM
2.1 Patientenorientierte Gründe
2.2 Therapiebedingte Gründe
3. Ethische Aspekte
4. Rechtliche Aspekte
5. Mögliche Folgen – Risiken und Nebenwirkungen FEM
6. Der richtige Umgang mit FEM
6.1 Gründe für den Einsatz von Handlungsalternativen
6.2 Verminderung des Sturzrisikos ohne den Einsatz FEM
6.3 Organisatorische Möglichkeiten
6.4 An der Ursache anknüpfende Handlungsalternativen
7. Reflexion - Sicherheit vs. Autonomie des Patienten ?
Literaturverzeichnis:
1. Allgemeine Informationen
1.1 FEM – Häufigkeit und Definition
Weil FEM unterschiedlich definiert werden und damit noch kein einheitliches Verständnis unter dem Begriff besteht, ist die Erfassung, wie häufig FEM eingesetzt werden schwierig. Hinzu kommt, dass das Pflegepersonal den Einsatz FEM aller Wahrscheinlichkeit nach nicht immer lückenlos dokumentiert (Dunkelziffer). Als Anhaltspunkt können derzeit lediglich Schätzungen dienen. Demnach werden in Deutschland täglich rund 400.000 Fixierungen vorgenommen.
Nachdem FEM in der Praxis noch immer unterschiedlich definiert werden, sorgte eine internationale Expertengruppe zumindest im Bereich der Wissenschaft für Klarheit und formulierte eine Definition für FEM als: „jede Handlung oder Prozedur, die eine Person daran hindert, sich an einen Ort oder in eine Position ihrer Wahl zu begeben und/oder den freien Zugang zu ihrem Körper begrenzt durch irgendeine Maßnahme, die direkt am oder in unmittelbarer Nähe des Körpers angebracht ist und nicht durch die Person mühelos kontrolliert oder entfernt werden kann.“
1.2 Verschiedene Formen
Grundsätzlich werden grob mechanische und chemische FEM unterschieden. Das Anbringen von Bettgittern, Stecktischen, das Feststellen von Bremsen, das Einschließen des Patienten in seinem Zimmer oder körpernahe Fixierungen mit Gurten (Hand-, Bauch-, Fuß-, 5-Punkt-Fixierung) werden im Klinikalltag häufig angewandt. Diese Maßnahmen sind faktisch jedoch ohne eindeutige Einwilligung und Möglichkeit der Kontrolle durch den Betroffenen mechanische FEM.
Daneben zählt die Verabreichung sedierender Medikamente, wie Psychopharmaka oder Schlafmittel als chemische FEM, sofern damit bezweckt wird, den Bewegungsdrang des Patienten zu bremsen. Tritt der therapeutische Zweck der Medikamente in den Vordergrund wird darunter keine FEM verstanden, auch wenn die gleichzeitige Sedierung des Patienten als Nebenwirkung auftritt.
Die Unterteilung FEM kann weiter differenziert werden. So sind sogenannte „verdeckte FEM“ auf den ersten Blick nicht erkennbar. Beispiele hierfür sind das Verstecken oder Wegnehmen von Schuhen, Kleidung sowie Seh- und Gehhilfen.
2. Ursachen und Gründe für den Einsatz FEM
2.1 Patientenorientierte Gründe
FEM werden besonders bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen, herausforderndem Verhalten und/oder motorischer Unruhe eingesetzt (z.B. Demenz, Delir). Als Rechtfertigung für deren Einsatz geben Pflegende häufig an damit Patienten vor Verletzungen schützen zu wollen. In diesem Zusammenhang wird vor allem die durch den Einsatz FEM bezweckte Verminderung der Sturzgefahr und daneben die Vermeidung einer Selbstschädigung sowie suizidaler Handlungen hervorgehoben.
2.2 Therapiebedingte Gründe
Häufig werden FEM zur Sicherung der medizinischen Behandlung eingesetzt. Aus der Befürchtung heraus, dass bestimmte Patientengruppen (wie oben genannt) zu-/ableitende Systeme (z.B. Magensonden, Trachealkanülen, venöse Zugänge), versehentlich herausziehen oder unkontrolliert entfernen und dies ggf. zu lebensbedrohlichen Situationen führen könnte, sehen Pflegende und Ärzte diese Maßnahmen zum Selbstschutz für den Patienten vor. Weiterhin werden FEM teilweise nach operativen Eingriffen eingesetzt, wenn die Bewegung des Patienten therapiebedingt kurzzeitig eingeschränkt werden muss.
3. Ethische Aspekte
FEM stellen einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte (Selbstbestimmung, Selbstverantwortung - Autonomie, Würde) dar und gelten in ethischer wie auch fachlicher Hinsicht als bedenklich.
Pflegende sind sich dieser Tatsache wohl bewusst und stehen in der Praxis vor einem Zielkonflikt. Einerseits möchten sie in ihrem pflegerischen Handeln die Autonomie des Patienten nicht verletzen. Um sein Wohlbefinden möglichst zu erhöhen, streben sie die Einbindung der Bedürfnisse und Gewohnheiten des Patienten in den Pflegeprozess an. Andererseits sehen sich Pflegekräfte in ihrer Verantwortung für die Sicherheit des Patienten zu sorgen gezwungen, FEM im Klinikalltag einzusetzen, da personelle Ressourcen fehlen, um den Patienten lückenlos zu überwachen. Schließlich sind die Obhutspflichten stationärer Einrichtungen auf Maßnahmen beschränkt, die mit vertretbarem finanziellem und personellem Aufwand verbunden sind. Mit der Fixierung gehen für die Pflegenden schließlich oftmals negative Gefühle, wie Hilflosigkeit, Bedauern und Schuldgefühle einher.
Unabhängig davon gilt grundsätzlich, dass FEM auf ein Mindestmaß zu reduzieren sind und ihr Einsatz erst als letztes Mittel in Betracht zu ziehen ist. FEM sind damit ethisch nicht vollständig zu verwerfen. Ebenfalls sind Pflegende durch den Einsatz FEM nicht zu verurteilen. Stattdessen sollten sich alle Beteiligten d. h. Ärzte, Pflegeteam und Angehörige im Einzelfall darüber Gedanken machen, wie einer Fixierung/ Sedierung des Patienten entgangen werden kann. Durch ständige Reflexion und Supervision können dann FEM im Klinikalltag langfristig reduziert werden. Mit dieser Lösung werden Pflegende ihrer Verantwortung für die Sicherheit des Patienten Sorge tragen zu müssen gerecht und erhöhen gleichzeitig die Lebensqualität des Betroffenen.
4. Rechtliche Aspekte
Im Gesetz wird strikt zwischen einwilligungsfähigen und einwilligungsunfähigen Personen unterschieden.
Einwilligungsfähige Klienten können letztlich selbst darüber entscheiden, ob im Zweifelsfall FEM angewendet werden sollen z.B. nach einer Operation. Einwilligungsunfähige Pflegebedürftige werden entweder von ihrem Betreuer oder Bevollmächtigten gesetzlich vertreten. Stimmen diese nach Empfehlung der Ärzte bzw. Pflegenden dem Einsatz FEM zu, ist von ihnen der Antrag auf richterliche Genehmigung zu stellen. In den vergangenen Jahren werden in Zusammenhang mit dem sogenannten „Werdenfelser Weg“ immer mehr Pflegeexperten zur Beratung in die Entscheidung des Richters involviert. Vor dem Hintergrund, dass Richter zwar über rechtliche Kenntnisse verfügen, ihnen jedoch pflegerische Fachkenntnisse fehlen, scheint dies sinnvoll, um geeignete Entscheidungen treffen zu können.
Lediglich im Falle eines Notstandes oder Notwehr (§ 34 StGB rechtfertigender Notstand/ § 32 StGB Notwehr) obliegt es Organisationen wie Pflegeheimen oder Krankenhäusern ggf. entsprechende Entscheidungsbefugnisse kurzzeitig (maximal drei Tage) in Anspruch zu nehmen, ohne dass vorher eine Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten bzw. eine gerichtliche Genehmigung durch gesetzliche Vertreter eingeholt wurde.
Pflegende sollten sich auf Basis dieser Kenntnisse in ihrer Berufspraxis immer im Klaren sein, dass sie sich bei Nichtbeachtung dieser Bestimmungen dem Straftatbestand der Freiheitsberaubung schuldig machen.
Außerdem sollten die Pflegepersonen richterliche Genehmigungen zum Einsatz FEM Maßnahmen wirklich als Genehmigung und nicht als Anordnung verstehen. D.h. FEM müssen nicht angewendet werden, sondern können im Bedarfsfall eingesetzt werden. In welchem Maß die Fixierten beobachtet werden, hängt von dessen gesundheitlichen Zustand ab. Schlussendlich ist hierzu noch anzumerken, dass jede Fixierung vollständig und nachvollziehbar dokumentiert werden muss.
5. Mögliche Folgen – Risiken und Nebenwirkungen FEM
Entgegen der Erwartungen eignen sich FEM häufig nicht um die Patientensicherheit zu erhöhen. Stattdessen stellt der Einsatz FEM oft eine zusätzliche Gefahr für die Betroffenen dar.
Besonders gut kann dieser Sachverhalt am Beispiel der Anwendung von Bettgittern als Sturzprophylaxe veranschaulicht werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Quote paper
- Sarah Lipp (Author), 2016, Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Patienten. Wie ist das Verhältnis von Sicherheit und Autonomie bei FEM?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336798
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