Längst hat sich das Geschäftsmodell kostenlos verbreiteter, ausschließlich durch Inseratenerlöse finanzierter Printmedien auf den Zeitungsmärkten etabliert und durchgesetzt. Mittlerweile kann es sich kein Medienhaus der Welt leisten, auf Gratisblätter im Produktportfolio zu verzichten.
In der vorliegenden Studie werden am Beispiel Österreich die ökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Pressemärkte aufgezeigt. Auf der Grundlage eines industrieökonomischen Analyserahmens werden Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis systematisch dargestellt. Dabei werden internationale Entwicklungen – vor allem in den USA, in Großbritannien und in Deutschland – eingehend und im historischen Verlauf betrachtet, wobei das Interesse den Verhaltensweisen der Medienunternehmen, Leser und Inserenten gilt.
Insbesondere werden die Strategien der etablierten Zeitungsverlage im Kampf gegen die neue Konkurrenz durch Gratiszeitungen aufgezeigt und die ökonomischen Motive für die Herausgabe von Gratiszeitungen offen gelegt. Die Betrachtung der Wettbewerbsbeziehungen von Gratiszeitungen untereinander und zu den Kauf-Zeitungen stecken den relevanten Markt im Wettbewerb um Leser und Anzeigen ab.
Mit dieser Arbeit wurde erstmals der Bestand an Gratiszeitungen in Österreich umfassend erhoben. Dabei wurden – mangels offizieller Pressestatistiken – die eigens dafür recherchierten empirischen Daten systematisch aufbereitet und mit ökonometrischen Methoden ausgewertet. Als Ergebnis finden sich in dieser Arbeit eine Fülle von Fakten und Kennziffern – wie z.B. regionale Gratiszeitungsdichte, Eigentumsverhältnisse, Konzentrationsraten, Tausenderpreise etc. – aus denen sich Rückschlüsse auf Wettbewerbsverhalten und Marktergebnis schließen lassen.
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Abbildungen
1. Problemstellung und Vorgangsweise
2. Die Datenlage in Österreich und die Problematik der statistischen Erfassung von Gratiszeitungen
2.1. Die amtliche Österreichische Pressestatistik
2.2. Informationsquellen und Vorgangsweise bei der Erhebung von Gratiszeitungen in Österreich
2.2.1. Das Pressehandbuch des VÖZ
2.2.2. Das Pressehandbuch des VRM
2.2.3. Medienverzeichnisse der Landesregierungen
2.3. Die Auswertung der Rohdaten und systematische Erfassung von Gratiszeitungen
2.4. Zusammenfassung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definitionen der relevanten ‚Gratiszeitungseinheiten’
3. Begriffsbestimmung
3.1. Der Streit um die Zeitungseigenschaft von kostenlos verbreiteten Printmedien
3.2. Der Begriff ‚Gratiszeitung’ aus ökonomischer Sicht
3.3. Begriffsbestimmung durch Subsumtion unter Produkteigenschaften
3.4. Abgrenzung
4. Entstehung und Entwicklung von Gratiszeitungen
4.1. Ursprünge und Vorläufer von Gratiszeitungen heutiger Prägung
4.2. Die Entwicklung von Gratiszeitungen moderner Prägung – ein internationaler Überblick
4.3. Die Entwicklung in Großbritannien
4.4. Die Entwicklung in Deutschland
4.5. Die Entwicklung in Österreich seit den 60er Jahren
4.5.1. Die Gründerphase
4.5.2. Der Einstieg der Tageszeitungen – die Phase der ‚Flurbereinigung’
4.5.3. Die Phase der Professionalisierung und der Kampf um Marktanteile
4.6. Ein neuer Trend: Gratistageszeitungen
5. Strategien der etablierten Zeitungsverlage gegen den Markteintritt von Gratiszeitungen
5.1. Fallbeispiel: Der ‚Kölner Zeitungskrieg’
5.2. Fallbeispiel: ‚U-Express’
6. Ökonomische Motive für die Herausgabe von Gratiszeitungen
6.1. Die Leser als Inputfaktor
6.2. Gratiszeitungen als ‚Auflagenfixierer’ und Nichtgültigkeit der These von der ‚Anzeigen-Auflagen-Spirale’
6.3. Skaleneffekte und Verbundvorteile
7. Der relevante Markt im Wettbewerb um Leser und Anzeigen
7.1. Der Wettbewerb um die Leser
7.2. Der Wettbewerb um Anzeigen
7.2.1. Der Werbemarkt in Deutschland und Österreich – Volumina und Marktanteile der Werbeträger
7.2.2. Produktabgrenzung
7.2.3. Die Nachfrage nach Anzeigen
7.2.4. Art und Ausmaß der Wettbewerbsbeziehungen
7.3. Gratiszeitungen und das ‚umbrella competition’-Konzept
7.4. Zusammenfassung
8. Die Struktur des Gratiszeitungsmarktes in Österreich
8.1. Bestand an Gratiszeitungen in Österreich 2003 – Erscheinungsweise und Auflagegrößenklassen
8.2. Regionale Verteilung und Gratiszeitungsdichte
8.3. Wem gehören die Gratiszeitungen in Österreich?
8.4. Das Engagement der Kauf-Zeitungsverlage am Gratiszeitungsmarkt
8.5. Konzentrationsraten am Gratiszeitungsmarkt in Österreich
8.6. Markteintrittsbarrieren
9. Zum Marktverhalten: Die Strategien der Gratiszeitungsanbieter
9.1. Aktionsparameter Produktdifferenzierung
9.1.1. Erscheinungshäufigkeit und -tage
9.1.2. Erscheinungsgebiet und Auflage
9.1.3. Redaktionelle Ausrichtung und Inhalt
9.1.4. Format und Aufmachung
9.1.5. Zur Frage der Vergleichbarkeit von Anzeigenpreisen bei unterschiedlichen Formaten
9.2. Aktionsparameter Anzeigenpreise
9.3. Aktionsparameter Reichweite
9.4. Strategische Markteintrittsbarrieren
10. Kurze Anmerkungen zum Image und zur Qualität von Gratiszeitungen
11. Zusammenfassende Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Anhangverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: Tageszeitungen und Wochenzeitungen 1960, 2001 und 2002 nach Bundesländern
Tabelle 2: Die größten Anbieter von lokalen und regionalen Zeitungen in Großbritannien 2004
Tabelle 3: Gratiszeitungen in Österreich 1975 – 1987
Tabelle 4: Auflagekategorien von Gratiszeitungen in Österreich Ende der 80er Jahre
Tabelle 5: Erscheinungshäufigkeit österreichischer Gratiszeitungen Ende der 80er Jahre
Tabelle 6: Auflagekategorien von Gratiszeitungen in Österreich 1993
Tabelle 7: Erscheinungshäufigkeit österreichischer Gratiszeitungen 1993
Tabelle 8: Durchschnittlicher Seitenumfang und Werbungsanteil der 20 auflagestärksten britischen regionalen Gratis-Wochenzeitungen
Tabelle 9: Wettbewerbsbeziehungen am Lesermarkt bezogen auf das jeweilige Verbreitungsgebiet
Tabelle 10: Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger und deren Marktanteile in Deutschland
Tabelle 11: Entwicklung der Werbeträgergruppen in Österreich (Werbeumsätze und Marktanteile)
Tabelle 12: Anzeigenarten
Tabelle 13: Wettbewerbsbeziehungen am Anzeigenmarkt
Tabelle 14: Umbrella-Struktur − 1. Schicht: National verbreitete überregionale Tageszeitungen
Tabelle 15: Umbrella-Struktur − 2. Schicht: Regional verbreitete Tageszeitungen
Tabelle 16: Umbrella-Struktur – 2. Schicht: regional (bundeslandweit) verbreitete Kauf- und Gratis-Wochenzeitungen
Tabelle 17: Gratiszeitungen in Österreich 2003: Verlage, Titel, Ausgaben und Auflagen nach Bundesländern
Tabelle 18: Auflagegrößenklassen der Gratiszeitungs-Haupttitel in Österreich 2003
Tabelle 19: Gratiszeitungsdichte in Österreich 2003 nach Bundesländern
Tabelle 20: Das Engagement der Kauf-Zeitungen am Gratiszeitungsmarkt in Österreich
Tabelle 21: Erscheinungsweise der Gratiszeitungen in Österreich 2003
Tabelle 22: Erscheinungstage der Gratiswochenzeitungen in Österreich 2003
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1: Das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Schema mit ausgewählten Merkmalen zur Beschreibung des Marktes für Gratiszeitungen
Abbildung 2: Entwicklung der Auflage von Zeitungen in Großbritannien 1970 − 1999
Abbildung 3: Entwicklung der Zeitungs-Anzeigenumsätze in Großbritannien 1970 − 1999
Abbildung 4: Entwicklung der Auflagezahlen deutscher Anzeigenblätter 1985 – 2004
Abbildung 5: Entwicklung der Netto-Anzeigenumsätze deutscher Anzeigenblätter 1985 – 2003
Abbildung 6: Strategische Optionen für Kaufzeitungen als Antwort auf den Markteintritt von Gratiszeitungen
Abbildung 7: Der duale Medienmarkt
Abbildung 8: Mischfinanzierungsgrade auf Medienmärkten
Abbildung 9: Anzeigen-Auflagen-Spirale
Abbildung 10: Entwicklung der Auflage von Einzelverkaufs- und Abonnementzeitungen während des ‚Kölner Zeitungskrieges’
Abbildung 11: Verkaufte Auflage der Wien-Ausgabe der Kronen Zeitung in den Jahren 2000 bis 2004
Abbildung 12: Verkaufte Auflage der Wien-Ausgabe des Kurier in den Jahren 2000 bis 2004
Abbildung 13: Kurzfristige Effekte des Markteintritts von Gratiszeitungen
Abbildung 14: Mögliche langfristige Effekte des Markteintritts von Gratiszeitungen
Abbildung 15: Reichweitenentwicklung der Tageszeitungen in Deutschland 1993 − 2003 in Prozent nach Altersgruppen
Abbildung 16: Leseranteile bei den 14-29-Jährigen in der deutschsprachigen Schweiz 2003
Abbildung 17: Leseranteile bei den 14-29-Jährigen in Wien 2003
Abbildung 18: Potenzielle Leserschaft von Zeitungen
Abbildung 19: Werbeaufwendungen in der Bundesrepublik Deutschland 1985 − 2002
Abbildung 20: Werbeaufwendungen in der Bundesrepublik Deutschland 1985 − 2002
Abbildung 21: Werbeaufwendungen in Österreich 1992 – 2002
Abbildung 22: Werbeaufwendungen in Österreich 1992 – 2002
Abbildung 23: Inseratenstruktur der Tiroler Bezirksblätter 2004
Abbildung 24: Schematische Darstellung des Schichten-Modells der ‚umbrella competition’ in Österreich
Abbildung 25: Gratiszeitungsdichte in Österreich nach Bundesländern
Abbildung 26: Die Bezirksblätter Verlagsgruppe
Abbildung 27: Die Styria Wochenzeitungs Verlagsgruppe
Abbildung 28: Beteiligungen der Mediaprint-Verlagsgruppe an Gratiszeitungsverlagen
Abbildung 29: Hirschman-Herfindahl-Indizes 2003 für die Gratiszeitungsmärkte nach Bundesländern
Abbildung 30: Auflagenanteile der drei größten Gratiszeitungsanbieter je Bundesland 2003
Abbildung 31: Lorenzkurven und Gini-Koeffizienten für die Bundesländer-Gratiszeitungsmärkte 2003
Abbildung 32: Absolute Preise für ganzseitige Inserate (Grundpreise) in österr. Gratiszeitungen 2003
Abbildung 33: Abweichungen der Seitenpreise vom Erwartungswert der Regressionsfunktion
Abbildung 34: Die Tausend-Exemplar-Preise für ganzseitige Inserate (Grundpreise)
Abbildung 35: Abweichungen der Tausend-Exemplar-Preise vom Erwartungswert der Regressionsfunktion
Abbildung 36: Die Tausend-Exemplar-Preise für ganzseitige Inserate nach Bundesländern
Abbildung 37: Vergleich der Tausend-Exemplar-Anzeigenpreise von Kauf- und Gratiszeitungen in Österreich 2003 (nach Bundesländern sortiert)
Abbildung 38: Vergleich der Tausend-Exemplar-Anzeigenpreise von Kauf- und Gratiszeitungen in Österreich 2003 (nach Preis absteigend sortiert)
Abbildung 39: Vergleich der Tausend-Leser-Anzeigenpreise von Kauf- und Gratiszeitungen in Österreich 2003 (nach Bundesländern sortiert)
Abbildung 40: Vergleich der Tausend-Leser-Anzeigenpreise von Kauf- und Gratiszeitungen in Österreich 2003 (nach Preisen absteigend sortiert)
Abbildung 41: Reichweiten der Gratiszeitungen in Österreich 2003
Abbildung 42: Leser pro Exemplar österreichischer Gratiszeitungen 2003
Abbildung 43: Bewertung von Image und Funktionen deutscher Anzeigenblätter
Abbildung 44: Nutzungsgründe von Anzeigenblättern
Abbildung 45: Wo sich die Leser über Einkaufsmöglichkeiten in der Region informieren
1. Problemstellung und Vorgangsweise
Das Geschäftsmodell von Gratiszeitungen – d.h. kostenlos verteilten Printmedien mit redaktionellen Inhalten, die sich ausschließlich aus Inseratenerlösen finanzieren – ist nicht mehr ganz so neu, doch die Entwicklung, insbesondere der letzten zehn Jahre, in Österreich ist bemerkenswert und hat gravierende Umwälzungen vor allem auf den lokalen und regionalen Pressemärkten mit sich gebracht.
„Die Struktur der Anbieter im Bereich der regionalen Wochenzeitungen war vor 20 Jahren noch relativ leicht erklärt“, resümiert Rudolf Chmelir, Herausgeber der ‚Oberösterreichischen Rundschau’: „Zum einen prägten entgeltliche Lokalzeitungen das Bild, zum anderen Gratisanzeiger; beide mit einem relativ kleinen, auf Bezirksgröße beschränkten Verbreitungsgebiet. [...] Anfang der Achtzigerjahre zeichnete sich eine deutliche Trendwende ab: Regionale Wochenzeitungen [gemeint sind Kauf-Wochenzeitungen wie die Oberösterreichische Rundschau bzw. Niederösterreichischen Nachrichten, Anm. td] begannen, ihre Präsenz auf dem regionalen Markt zu verdichten und verstärkt in das überregionale Anzeigengeschäft einzusteigen.“[1]
Der Grund für diese Entwicklung lag in der zunehmenden Konkurrenz durch immer stärker professionalisierte Gratiszeitungen, die einen offensiven und erfolgreichen Expansionskurs eingeschlagen hatten. Durch Zusammenschlüsse, Übernahmen und Neugründungen sowie durch ein verstärktes Engagement von Tageszeitungs- bzw. Kauf-Wochenzeitungsverlagen im Segment der Gratiszeitungen entstanden Gratiszeitungsringe, die nicht mehr nur auf den lokalen Raum beschränkt agierten, sondern ins überregionale Anzeigengeschäft bundeslandweit und mittlerweile auch bundeslandübergreifend einstiegen. „Manche kleine, in der Verbreitung auf Bezirke beschränkte Wochenzeitungen sind in dieser Auseinandersetzung aber aufgerieben worden. Sie haben heute kaum Überlebenschancen“[2], meint Chmelir weiter, der im Hereindrängen von kostenlosen Printprodukten auf den Markt folgende Konsequenzen sieht: „Nun, zweifellos wird die Bereitschaft beim Leser, für eine Zeitung etwas zu bezahlen, sinken. Hinzu kommt, dass Gratiszeitungen mit einer flächendeckenden Verteilung für die Werbewirtschaft interessant sind und mit Verkaufszeitungen mit hohen Reichweiten künftig im Wettbewerb mithalten werden können. Entgeltliche Wochenzeitungen mit landesweiter Abdeckung (Mutationen) und genauso strukturierte Gratiszeitungen werden den Markt dominieren. Kleinen lokalen Wochenzeitungen wird der Markt komplett wegbrechen, der schon eingeleitete Trend des ‚Titelsterbens’ in diesem Bereich wird sich fortsetzen.“[3]
Daneben sind die etablierten Zeitungsverlage in den Ballungsräumen rund um den Globus seit Mitte der 90er Jahre mit einer neuen Konkurrenz konfrontiert: mit jener von Gratis-Tageszeitungen. Diese machen den alteingesessenen Verlagen nicht nur die Werbekunden streitig, sondern steigen – wie übrigens zunehmend auch die regionalen und lokalen Gratis-Wochenzeitungen – selbstbewusst in den publizistischen Wettbewerb ein.
Trotz der beachtlichen Entwicklung dieser Printmedienkategorie wird das Thema ‚Gratiszeitungen’ in der medienökonomischen, aber auch kommunikationswissenschaftlichen Literatur wenig bis kaum beachtet. Kein Wunder daher, dass über dieses Marktsegment keine verlässlichen Strukturdaten (Zahl der Anbieter, Auflagen etc.) existieren. Deshalb soll in der vorliegenden Arbeit mit Hilfe eines industrieökonomischen Analyserahmens der Markt für Gratiszeitungen in Österreich durchleuchtet und – wo immer möglich – in den Kontext internationaler Entwicklungen gestellt werden.
Mit dem industrieökonomischen Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma steht ein Analyserahmen zur Verfügung, der sich zur Beschreibung, Erklärung und zum Verständnis von Marktprozessen auf Medienmärkten eignet und auch gemeinhin in der medienökonomischen Literatur sowohl eingefordert als auch angewandt wird.[4] „The industrial organization model [...] offers a systematic approach to analyze the many abstract concepts encountered in studying a market.”[5] Dabei werden Märkte „[...] durch Merkmale der Marktstruktur (market structure), des Marktverhaltens (market conduct or behavior) und des Marktergebnisses (market result or performance) beschrieben.“[6]
In Abbildung 1 sind eine Reihe möglicher Merkmalsausprägungen für die Beschreibung des industrieökonomischen Struktur-Verhaltens-Ergebnis-Modells in Bezug auf den Markt für Gratiszeitungen skizziert, wobei „[...] die Zuordnung der einzelnen Merkmale nicht zwingend ist und bei den einzelnen Autoren variiert.“[7] Das Modell ist darüber hinaus offen für „[...] nicht-ökonomische Erklärungsansätze [...] bzw. für Fragestellungen, bei denen ökonomische Kriterien nicht ausreichen.“[8]
Abbildung 1: Das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Schema mit ausgewählten Merkmalen zur Beschreibung des Marktes für Gratiszeitungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Überlegungen in Anlehnung an Schmidt 1999, S. 59 sowie Czygan/Kallfaß 2003, S. 293
In diesem Modell beeinflusst die Struktur das Verhalten und beides hat ein bestimmtes Ergebnis zur Folge. Allerdings ist es hier so ähnlich wie bei der Geschichte mit der Henne und dem Ei. Komplizierter und ökonomischer ausgedrückt bestehen interdependente Beziehungen zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis. So „[...] ist die Marktstruktur künftiger Perioden ein Marktergebnis des vorangegangenen Verhaltens. Ferner wird das Verhalten in künftigen Perioden zunehmend stärker von den Marktstrukturen dieser Zukunft bestimmt sein.“[9] Anders gesagt: „Bestimmt die Struktur über das Verhalten die Performance, so beeinflußt die Performance über das Verhalten die künftige Marktstruktur.“[10]
Aus diesen Überlegungen heraus – aber auch aus praktischen Gründen der Datenverfügbarkeit – wird in der vorliegenden Arbeit versucht, die Marktstruktur (die ein Ergebnis vergangener Strukturen und vergangenen Verhaltens darstellt) und das Marktverhalten zu analysieren, um so auf künftige Marktergebnisse schließen zu können.
2. Die Datenlage in Österreich und die Problematik der statistischen Erfassung von Gratiszeitungen
Die erste umfassende Bestandsaufnahme und Funktionsanalyse von Gratiszeitungen in Österreich wurde von Dietmar Horst im Rahmen einer kommunikationswissenschaftlichen Dissertation im Jahre 1989 an der Universität Salzburg durchgeführt.[11] Für die damalige Zeit bemerkt der Autor: „Wesentlich erschwert wurde der Forschungsfortgang durch die prekäre Datenlage in Österreich, die mit den Situationen in anderen Ländern nicht zu vergleichen ist. Ungeachtet der enormen auflagenmäßigen und ökonomischen Bedeutung der Gratisanzeiger-Presse fand nämlich eine Behandlung dieser Printmedienkategorie in den zuständigen Fachdisziplinen, insbesondere in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, bis heute nicht statt. Noch im Jahr 1983, als die Zuwachsraten im Anzeigenblattbereich drastische Ausmaße erreichten, als in der BRD längst an exakten Markt- und Expansionsstudien gearbeitet wurde, mußte man die in Österreich verfügbaren Materialien zum Thema ‚Anzeigenblatt’ als ‚Skizzen und Vermutungen’ charakterisieren. Der ‚Medienbericht’ aus dem gleichen Jahr sprach etwas beschönigender von ‚wenigen verläßlichen Angaben’, was in der Praxis nichts anderes hieß, als daß nicht einmal elementarste Kenndaten, wie Titel- und Ausgabenzahlen sowie Auflagenziffern bekannt waren. Einige Beiträge, meist in Form von Zeitschriftenaufsätzen, versuchten zwar in den nächsten Jahren, gewisse Teilaspekte der Gratisanzeiger-Problematik zu illuminieren, grundlegende Dinge hingegen konnten weiterhin nicht geklärt werden, genaue Bestandsangaben waren bis heute unmöglich.“[12]
Dieselbe Feststellung musste Erich Geretschlaeger einige Jahre später im Medienbericht 4 treffen: „Die exakte Zahl der in Österreich publizierten Gratisanzeiger läßt sich nicht angeben, da weder eine einheitliche Definition, noch eine verläßliche Statistik existiert, und man darüber hinaus von einer hohen Fluktuation ausgehen muß. Sicher ist, daß dieser Zeitungstyp seit Ende der sechziger Jahre einen exorbitanten Aufschwung erlebte, was Titel- und Auflagenhöhe anbelangt.“[13]
An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert, wobei dies nicht nur für das Marktsegment der Gratiszeitungen, sondern für die gesamte Printmedienlandschaft in Österreich gilt. So müssen die Autoren der Medienstudie Steiermark im Jahre 2002 Folgendes zur Kenntnis nehmen: „Für die Erfassung der gesamten in der Steiermark erscheinenden Print-Medien fehlen leider die entsprechenden quantitativen Unterlagen. Die im Pressehandbuch ausgewiesenen Daten erfassen keineswegs alle in der Steiermark erscheinenden regelmäßigen Print-Produkte und eine Nachfrage in der Statistischen Abteilung des Landes Steiermark ergab, dass es auch hier leider keine exakten quantitativen Materialien über die Entwicklung der steirischen Printmedien gibt.“[14] Die Steiermark bildet dabei keineswegs eine Ausnahme. Die Datenlage ist in allen österreichischen Bundesländern dieselbe.
2.1. Die amtliche Österreichische Pressestatistik
Ein Blick auf die amtliche Österreichische Pressestatistik verdeutlicht die prekäre statistische Situation. Alles, was Statistik Austria zum Thema ‚Zeitungen’ in Österreich zu bieten hat, ist in Tabelle 1 enthalten.[15]
Tabelle 1: Tageszeitungen und Wochenzeitungen 1960, 2001 und 2002 nach Bundesländern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statistik Austria 2004: Statistisches Jahrbuch Österreichs 2004, Kapitel 6.05
Hinterfragt man die Zahlen dieser Tabelle nicht, so könnte man daraus ableiten, die Vielfalt der Wochenzeitungen (148 im Jahre 1960 gegenüber 214 im Jahre 2002) wäre im Gegensatz zu den Tageszeitungen gestiegen. Diese Schlussfolgerung ist aus mehreren Gründen nicht zulässig.
Abgesehen davon, dass aus dieser Statistik keine Auflagezahlen ersichtlich sind, fehlen jegliche Hinweise darauf, was hier überhaupt gezählt wird. Während bei den Tageszeitungen noch zwischen ‚Zeitungseinheiten’ und ‚Regionalausgaben’ unterschieden wird, ist bei den Wochenzeitungen überhaupt nicht klar, welche Einheiten mit diesen Zahlen ausgedrückt werden.
Die Tabelle beruht auf Zahlen des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber (VÖZ), die im jährlich erscheinenden Pressehandbuch veröffentlicht und von Statistik Austria übernommen werden. Die Eintragungen der einzelnen Medien in dieses Pressehandbuch erfolgen auf freiwilliger Basis, die Daten werden mittels Fragebögen von den Verlagen erhoben. Dabei besteht ein vitales Interesse der Verlage an einer Eintragung im Pressehandbuch des VÖZ, wird dieses doch von der Werbewirtschaft als Leitfaden bzw. Nachschlagewerk für die Erstellung von Werbeplänen verwendet. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die österreichischen Medien zu einem hohen Prozentsatz im Pressehandbuch des VÖZ eingetragen sind.
Nicht klar ist jedoch, mit welcher Systematik und aufgrund welcher Kriterien die statistischen Daten des Pressehandbuches entstehen. Beim Versuch, die in den Tabellen angeführten Zahlen anhand des Pressehandbuchs nachzuvollziehen, stellt sich heraus, dass es sich bei den Wochenzeitungen um die Zahl der Eintragungen im Pressehandbuch handelt. Das Pressehandbuch ist zwar in der Rubrik ‚Wochenzeitungen’ gegliedert nach ‚Wochenzeitungen’ und ‚Wochenzeitungen gratis’. Eine Abgrenzung dieser beiden Kategorien wird aber in der zusammenfassenden Tabelle nicht vorgenommen. Weiters sind in der Kategorie ‚Wochenzeitungen’ regionale Wochenzeitungen ebenso enthalten wie Kirchenzeitungen, Gemeindezeitungen, reine Anzeigenzeitungen (wie z.B. ‚Bazar’ oder ‚Fundgrube’), Special-Interest-Zeitungen (wie z.B. ‚Computerwelt’, ‚Sportzeitung’ und ‚Raiffeisenzeitung’), Parteizeitungen (wie ‚Neue Freie Zeitung’ oder ‚Volksstimme’) und überregionale Wochenzeitungen wie ‚Die Furche’ oder ‚Die ganze Woche’. Lokalausgaben von Zeitungen werden genauso als Einheit erfasst wie deren Dachmarken (etwa die ‚Bezirksblätter’ und deren einzelne Lokalausgaben oder die ‚Niederösterreichischen Nachrichten’ und deren Lokalausgaben). Zudem sind Kombitarife (also spezielle, günstigere Anzeigentarife für die Belegung von zwei oder mehreren Lokalausgaben) als eigene Eintragungen ausgewiesen und werden daher in der zusammenfassenden Statistik fälschlicherweise als − physisch gar nicht existierende − ‚Wochenzeitungen’ erfasst.
Die Aussagekraft der Österreichischen Pressestatistik speziell im Bereich ‚Wochenzeitungen’ ist also äußerst gering.
Von Bedeutung sind in Österreich und speziell im Segment der Gratiszeitungen aber auch seltener als wöchentlich erscheinende Zeitungen (14-tägliche, 3-wöchentliche, monatliche Zeitungen), die in dieser Statistik überhaupt nicht berücksichtigt sind. Für die statistische Erfassung von Gratiszeitungen in Österreich bedurfte es daher für diese Arbeit eingehender eigener Recherchen.
2.2. Informationsquellen und Vorgangsweise bei der Erhebung von Gratiszeitungen in Österreich
Um zu einem umfassenden Datenmaterial zu kommen, war die erste große Herausforderung, herauszufinden, welche Gratiszeitungen in Österreich von welchen Verlagen herausgegeben werden. Dazu war es notwendig, mehrere Informationsquellen zu durchforsten. Anschließend war es in vielen Fällen unumgänglich, die einzelnen Verlage direkt zu kontaktieren, um nähere Informationen über Erscheinungsgebiet, Auflagezahlen und Anzeigentarife zu erhalten.
2.2.1. Das Pressehandbuch des VÖZ
Erste Informationsquelle war das Pressehandbuch 2003 des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ)[16]. Gratiszeitungen sind hier unter verschiedenen Rubriken zu finden. Unter der Rubrik ‚Wochenzeitungen’ sind die Gratismedien eigens in der Unterkategorie ‚Wochenzeitungen gratis’ aufgelistet. Nicht wöchentlich erscheinende Gratiszeitungen finden sich unter der in 85 Gruppen aufgeteilten Rubrik ‚Fachpresse und sonstige Printmedien’ in der Gruppe 4 ‚Anzeigenblätter, Gratisblätter’, in der Gruppe 8 ‚Ausstellungen, Marketing, Messewesen, Werbung’, in der Gruppe 45‚ Heimatblätter, Lokalblätter, Regionalblätter’, in der Gruppe 61 ‚Life style (Lebensform)’ sowie in der Gruppe 83 ‚Wirtschaft’.
Die große Schwierigkeit bestand nun darin, aus der Vielzahl der im Pressehandbuch aufgelisteten Publikationen die Gratiszeitungen herauszufiltern, da dies meist weder durch die Zuordnung zu einer Rubrik bzw. Gruppe noch durch die in der Eintragung angeführten Informationen auf den ersten Blick ersichtlich ist. In vielen Fällen konnte dies erst nach Rückfrage bei den Verlagen bzw. nach Erhalt der Mediadaten (in der Regel Anzeigenpreislisten und Ansichtsexemplare) von den Verlagen geklärt werden.
2.2.2. Das Pressehandbuch des VRM
Detaillierte Informationen (mit Auflagezahlen auch der einzelnen Lokalausgaben und Anzeigentarifen) über die wichtigsten Gratiszeitungen Österreichs bietet das Pressehandbuch des 1992 als Interessensverband der österreichischen Gratismedien gegründeten ‚Verbandes der Regionalmedien Österreichs’ (kurz VRM). Zudem finden sich laufend aktualisierte Daten zu den einzelnen Gratiszeitungen auf der Website des VRM unter www.vrm.at. Allerdings sind hier ausschließlich die Mitgliedszeitungen des VRM angeführt.
2.2.3. Medienverzeichnisse der Landesregierungen
Als dritte, wichtige und ergänzende Informationsquelle dienten die Medienverzeichnisse der einzelnen Landesregierungen, die (teilweise) sowohl im Internet als auch in gedruckter Form für die meisten Bundesländer erhältlich bzw. zugänglich sind. Die Medien der einzelnen Bundesländer sind hier nach unterschiedlichen Kriterien kategorisiert. Auch hier war es notwendig, durch eingehende Recherchen bei den Verlagen selbst die Gratiszeitungen zu identifizieren und die notwendigen Mediadaten zu erhalten.
2.3. Die Auswertung der Rohdaten und systematische Erfassung von Gratiszeitungen
Nach Vorliegen der gesammelten Rohdaten (Erscheinungsweise, Erscheinungsgebiet, Verteilungsart, Auflagezahlen, Anzeigentarife etc.) ging es darum, die Daten systematisch zu erfassen. Dabei stellte sich die Frage, was denn nun als Gratiszeitungseinheit bzw. kleinste erfassbare Einheit statistisch gezählt werden soll und kann.
Die in verschiedensten Publikationen zu diesem Thema anzutreffenden ‚Titelzahlen’ sind bei näherer Betrachtung mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn in Ermangelung einer brauchbaren amtlichen Pressestatistik in Österreich und verbindlich definierter Begriffe werden in solchen ‚Titelstatistiken’ oft Äpfel mit Birnen, d.h. bloße Lokalausgaben mit eigenständigen Zeitungen bzw. Zeitungsringen, vermischt. Zudem spielt hier – gerade im Zusammenhang mit Konzentrationsprozessen am Markt für Gratiszeitungen (bzw. überhaupt auf Pressemärkten) – die Problematik von so genannten Kopfblättern eine große Rolle. Als ‚Kopfblatt’ oder ‚Kopfausgabe’ bezeichnet man Publikationen, die zwar einen eigenen Titel tragen, aber nicht als eigenständige Zeitung, sondern als Lokalausgabe eines übergeordneten Zeitungsverbundes zu betrachten sind. Dies ist in der Regel bei Fusionen oder Verlagsübernahmen der Fall. Aus marketingstrategischen Gründen wird meist der im jeweiligen Erscheinungsgebiet eingeführte und bekannte Titel der (vormals eigenständigen) Zeitung beibehalten.
Um die Struktur des Gratiszeitungsmarktes in Österreich möglichst exakt beschreiben zu können, müssen hier daher Begriffe unter Rückgriff auf die amtliche Deutsche Pressestatistik (die allerdings 1994 aus Kostengründen eingestellt worden ist) sowie auf die neue Typologie der Schweizer Presse eingeführt werden.
Da sich die Deutsche Pressestatistik nur auf Tageszeitungen bezieht, bedarf es einiger Modifikationen, um der Gattung ‚Gratiszeitung’ in möglichst all ihren Erscheinungsformen gerecht zu werden. Die bis zu ihrer Einstellung im Jahre 1994 geführte amtliche Pressestatistik in Deutschland unterschied zwischen Gesamtausgaben, Hauptausgaben und Nebenausgaben, wobei als Nebenausgaben Bezirks-, Lokal- oder Stadtteilausgaben gewertet wurden (also auch Kopfblätter). In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft haben sich die von Walter J. Schütz definierten Kategorien von ‚publizistischer Einheit’ und ‚redaktioneller Ausgabe’ etabliert.[17] Als kleinste Zähleinheit kann „[...] jede Zeitung gewählt werden, die sich durch irgendwelche inhaltlichen Besonderheiten, meist im lokalen Teil, oder auch nur im Titel von anderen Zeitungen unterscheidet; man spricht dann davon, dass man die Zahl der Zeitungsausgaben ermittelt.“[18]
Allerdings sind die Kategorien von Schütz ausschließlich auf Tageszeitungen anwendbar. So werden unter die publizistische Einheit „[...] alle Verlage als Herausgeber mit den jeweiligen Ausgaben zusammengenommen, die in ihrem Mantel, im Regelfall den Seiten 1 und 2 mit den aktuellen politischen Nachrichten, vollständig oder [...] in wesentlichen Teilen übereinstimmen. Daraus ergibt sich: Innerhalb der publizistischen Einheit haben alle Ausgaben, unabhängig von ihrer verlegerischen Struktur, den weitgehend gleichen Zeitungsmantel.“[19]
Es mag bei Tageszeitungen sinnvoll sein, „[...] der Merkmalsausprägung ‚aktueller politischer Teil’ im Mantel besonderes Gewicht zu verleihen [...]“[20], für die Erfassung von – überwiegend als Lokalzeitungen angelegten – Gratiszeitungen sind diese Kriterien aber kaum brauchbar.
Aufgrund dieser Problematik hat der Verband der Schweizer Presse in Zusammenarbeit mit dem Verband Schweizerischer Werbegesellschaften neue Erfassungskriterien entwickelt. Die seit 1.1.2004 gültige Typologie der Schweizer Presse unterscheidet im Wesentlichen:
- Einzeltitel: das sind eigenständige Zeitungen ohne regionale Ausgaben
- Gesamtausgaben: mehrere Ausgaben bilden einen engen Verbund (dazu gehören Kopfblattsysteme, Zeitungssysteme)
- Lokalausgaben: zumindest in Teilen abweichende Ausgaben von Gesamtausgaben (dazu zählen auch Kopfblätter, Splitausgaben oder so genannte Mutationen).[21]
Diese Kategorisierung kann auch bei der statistischen Erfassung von Gratiszeitungen in Österreich angewandt werden und bringt sinnvolle Ergebnisse. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1: Tiroler Bezirksblätter
Die ‚Tiroler Bezirksblätter’ sind als eine Gesamtausgabe zu verstehen, die in elf Lokalausgabe n erscheint. Sie werden in der vorliegenden Arbeit als ein Haupttitel gezählt. Die Zahl der Ausgaben beträgt elf. Das erscheint zwar logisch, in vielen Titelstatistiken werden die ‚Tiroler Bezirksblätter’ jedoch als vier oder fünf Einheiten (Titel) gezählt. Der Grund liegt darin, dass die ‚Tiroler Bezirksblätter’ aus Zeitungsübernahmen und Neugründungen entstanden sind. Die vorher eingeführten Titel (‚Blickpunkt’ im Oberland, ‚Kitzbüheler Nachrichten’, ‚Stadtblatt’ in Innsbruck und ‚Bezirksblatt’ in den jeweiligen restlichen Tiroler Landbezirken) wurden am Zeitungskopf beibehalten. Zählt man die unterschiedlichen Namen, kommt man auf vier, nimmt man die Dachmarke (‚Tiroler Bezirksblätter’) noch dazu, kommt man auf fünf ‚Titel’. Die Statistik des VÖZ im Pressehandbuch zählt die ‚Tiroler Bezirksblätter’ als 12 ‚Gratiszeitungen’, da hier jede Eintragung im Handbuch summiert wird (also je eine Eintragung für die 11 Lokalausgaben und eine Eintragung für die Dachmarke). Das Ergebnis sind nicht wirklich sinnvolle Daten.
Beispiel 2: Steiermark Woche
Die ‚Steiermark Woche’ war ursprünglich ein loser Anzeigenverbund mit eigenständigen Einzeltiteln, der durch Übernahmen und Fusionen im Jahre 2002 zu einem Zeitungsverbund unter der Führung der Styria Medien AG zusammengeschmolzen ist. Die Namen der einzelnen Zeitungen sind ebenfalls wie bei den Bezirksblättern in Tirol beibehalten worden, die Eigenständigkeit der einzelnen Ausgaben ist aber nicht mehr gegeben. Die einzelnen Ausgaben bieten optisch ein einheitliches Erscheinungsbild, das Layout ist harmonisiert, nach außen (vor allem gegenüber den überregionalen Werbekunden) tritt dieser Verbund als einheitliches Ganzes auf. Die ‚Steiermark Woche’ ist mittlerweile ein geradezu klassisches Beispiel für ein Kopfblatt-System. Die einzelnen Kopfblätter und die Dachmarke jeweils undifferenziert als ‚Titel’ zu zählen, würde ebenfalls zu unsinnigen Ergebnissen führen. Die ‚Steiermark Woche’ wird folglich in der vorliegenden Arbeit als eine Gesamtausgabe und damit auch als ein Haupttitel gezählt. Die einzelnen Kopfblätter werden als Lokalausgaben der Gesamtausgabe gewertet.
2.4. Zusammenfassung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definitionen der relevanten ‚Gratiszeitungseinheiten’
Analog zur Titelstatistik der Schweizer Presse wird in der vorliegenden Arbeit zwischen Haupttitel und Ausgaben unterschieden.
Unter Haupttitel werden sowohl Einzeltitel als auch Gesamtausgaben verstanden:
Einzeltitel: sind eigenständige Zeitungen ohne regionale/lokale Ausgaben. Sie werden als ein Haupttitel und gleichzeitig als eine Ausgabe gezählt.
Gesamtausgaben : Das sind Zeitungen, die in einer Serie von redaktionell unterschiedlichen Teilausgaben (Lokalausgaben, Mutationen) erscheinen, die einzeln oder im Verbund mit Inseraten belegt werden können. Dazu gehören auch so genannte ‚Kopfblattsysteme’, d.h., einzelne Teilausgaben können unterschiedliche Bezeichnungen (Zeitungstitel) am Zeitungskopf (Titelblatt) und unterschiedliche Verlage als Medieninhaber im Impressum aufweisen. Wesentliches Merkmal von Gesamtausgaben ist ein einheitliches Erscheinungsbild (Layout), eine einheitliche redaktionelle Ausrichtung und eine gemeinsame Anzeigenpreisliste, in der sowohl Tarife für Einzelbelegungen als auch Tarife für die Kombination von zwei oder mehr Ausgaben enthalten sind. Meist stehen sie unter einheitlicher Leitung bzw. sind die verschiedenen herausgebenden Verlage durch gegenseitige Beteiligungen verflochten. Gezählt werden Gesamtausgaben als ein Haupttitel mit jeweils n Ausgaben.
Haupttitel (also Einzeltitel und Gesamtausgaben) entsprechen also im übertragenen Sinne dem bei der Tagespresse geläufigen Begriff der ,publizistischen Einheiten’.
Als Ausgaben bezeichnen wir die Teilausgaben von Gesamtausgaben bzw. Einzeltitel (hier ist der Haupttitel mit der Ausgabe identisch). Die Zahl der Ausgaben gibt damit die Summe der kleinsten Einheiten (sowohl in ihrer lokalen redaktionellen Unterschiedlichkeit als auch in den Anzeigenbelegungsmöglichkeiten) wieder.
Daraus ergibt sich folgende Zählweise:
Haupttitel = Gesamtausgaben + Einzeltitel
Ausgaben = Teilausgaben von Gesamtausgaben + Einzeltitel
Vor direkten Vergleichen der Titel-Zahlen dieser Arbeit mit jenen anderer Publikationen muss aufgrund der unterschiedlichen Zuordnungen und Zählweisen der verschiedenen Autoren dringend gewarnt und auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Systematik hingewiesen werden.
3. Begriffsbestimmung
Aufgrund der ‚heillosen Begriffsverwirrung’, die Dietmar Horst bereits 1990 in seiner Dissertation ‚Gratisanzeiger in Österreich. Bestandsaufnahme und Funktionsanalyse’ beklagte, ist es notwendig, den Begriff ‚Gratiszeitung’ zu bestimmen. Horst verwendete den Begriff ‚Gratisanzeiger’ als Synonym für den in Deutschland üblichen Begriff ‚Anzeigenblatt’ und listet folgende im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Bezeichnungen für ein und dieselbe Printmedienkategorie auf:
a) Gratiszeitung
b) Gratiszeitschrift
c) Gratisblatt
d) Gratispresse
e) Gratisgazette
f) Anzeigenzeitung
g) Anzeigenbote
h) Inseratenzeitung
i) Werbeblatt
j) Annoncenblatt
k) Anzeiger.[22]
Da die Begriffe ‚Gratisanzeiger’ und ‚Anzeigenblatt’ missverständlich sind und zu Verwechslungen mit Druckwerken, die ausschließlich Anzeigen enthalten, aber entgeltlich abgegeben werden, führen können, wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich der Begriff ‚Gratiszeitung’ verwendet. Dieser in Österreich[23] sowie in der Schweiz[24] im allgemeinen Sprachgebrauch verständliche und in heimischen rechts- und kommunikationswissenschaftlichen Publikationen durchwegs übliche Begriff[25] soll als Synonym für sämtliche obigen Bezeichnungen verstanden werden.
3.1. Der Streit um die Zeitungseigenschaft von kostenlos verbreiteten Printmedien
Die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft wartet mit einer Vielzahl von Definitionsversuchen zum Begriff ‚Zeitung’ auf, die sich grundsätzlich auf vier Kriterien reduzieren lassen, nämlich
- Aktualität, d.h. Neuwertigkeit, Gegenwartsbezogenheit,
- Publizität, d.h. grundsätzliche Zugänglichkeit,
- Universalität, d.h. die grundsätzliche Offenheit nach allen Lebensbereichen hin,
- Periodizität, d.h. regelmäßiges Erscheinen.[26]
Diese Kriterien wurden in der Vergangenheit aus verschiedensten Motiven immer wieder dazu herangezogen, Gratiszeitungen die Zeitungseigenschaft abzusprechen.
Nun hängt es sehr davon ab, wie eng oder wie weit diese Kriterien ausgelegt werden. Meint man etwa mit Aktualität eine strikte Tagesaktualität, dann fallen etwa Wochenzeitungen wie die ‚Furche’, die ‚Niederösterreichischen Nachrichten’ oder die ‚Oberösterreichische Rundschau’ nicht unter den Zeitungsbegriff. Das Kriterium der Universalität wiederum wird vom deutschen ‚Handelsblatt’ ebenso wenig erfüllt wie vom österreichischen ‚Wirtschaftsblatt’ oder von der italienischen ‚Gazetta dello Sport’.[27]
Aus diesen vier Merkmalen abgeleitete Definitionen zeichnen sich vor allem durch ihre Unbestimmtheit aus. So zum Beispiel: „Die Zeitung ist ein in regelmäßiger Folge erscheinendes, grundsätzlich jedermann zugängliches Medium, das aktuelle Informationen aus allen Lebensbereichen verbreitet.“[28] Unter derartigen Definitionen kann alles oder auch nichts subsumiert werden.
Ebenso wie sich das Erscheinungsbild von Gratiszeitungen im Laufe der Jahre verändert hat, waren die entsprechenden Definitionsversuche einem Wandel unterworfen, dessen Bogen sich von anfänglich (ab)wertend-spekulativen Begriffsbestimmungen[29] bis zu differenzierteren Betrachtungsweisen in neuerer Zeit spannt.
Unter dem Suchbegriff ‚Gratiszeitung’ fand sich im April 2003 im Online-FOCUS-Lexikon für Mediaplanung von Wolfgang J. Koschnick noch folgende Definition für die Synonyme ‚Anzeigenblatt (Gratisanzeiger)’: „Eine kostenlos verteilte, periodisch erscheinende, zeitungs- oder (seltener) zeitschriftenähnlich aufgemachte, ausschließlich durch Anzeigenwerbung finanzierte Druckschrift, die unentgeltlich und unaufgefordert an alle Haushaltungen eines räumlich abgegrenzten Gebiets verteilt wird. Typischerweise handelt es sich um lokale Publikationen, die dem örtlichen Einzelhandel als Werbeträger dienen, durch Boten als Wurfsendungen verteilt werden und im redaktionellen Teil nahezu ausschließlich kommunale Informationen verbreiten. Wegen dieser Eigenschaften galten Anzeigenblätter nach einer allerdings nicht ganz eindeutigen Rechtsprechung in rechtlicher Hinsicht nicht als Presseerzeugnisse.“[30]
Zu einer auf ähnliche Eigenschaften abgestellten Umschreibung kommt Jürgen Heinrich: „Als Anzeigenblätter gelten zeitungs- oder zeitschriftenähnliche Druckwerke, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind:
- periodische Erscheinungsweise,
- unentgeltliche Zustellung,
- unbestellte Zustellung,
- regional abgegrenzte Verbreitung,
- im Prinzip Belieferung aller Haushalte des Zielgebietes,
- ausschließliche Finanzierung durch Verkauf der Verbreitungswahrscheinlichkeit von Werbebotschaften,
- enges Spektrum der inhaltlichen Breite der redaktionellen Berichterstattung
und
- keine sachliche Abgrenzung der Zielgruppe.“[31]
Mit dieser Beschreibung von bestimmten (allerdings nur für ganz spezifische Arten von Gratiszeitungen zutreffenden) Merkmalen wurde und wird eine deutliche Abgrenzung zur Mediengattung ‚Zeitung’ zu begründen versucht. Diese Definitionsversuche stammen aus einer Zeit in den 70er und 80er Jahren, als die Expansion zahlreicher lokaler Gratiszeitungen mit wöchentlicher und monatlicher Erscheinungsweise ein Ausmaß annahm, bei dem die etablierten Tageszeitungsverleger nicht mehr tatenlos zusehen wollten. Eine Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen – angestrengt von Tageszeitungsverlegern – über das Recht einer Gratiszeitung, sich Zeitung nennen zu dürfen, endete zwar mit unterschiedlichen Urteilen und nicht selten zu Gunsten der Gratiszeitungen[32] ; letztlich kam aber in Deutschland auf diese Weise der international gesehen einzigartige und sprachlich irreführende Gattungsbegriff ‚Anzeigenblatt’ zustande. „Entgegen der Position der Tagespresseverleger sowie der Rechtsprechung können Anzeigenblätter als ‚Zeitungen’ bezeichnet werden, denn sie erscheinen zumeist unstrittig in einer Zeitungsausstattung. Die Tagespresseverleger und die Rechtsprechung überhöhen allerdings den Begriff ‚Zeitung’ und weisen ihn fälschlicherweise allein der Tagespresse zu. Diese überkommene Sichtweise gründet am Festhalten an der pressesystematisch wenig hilfreichen Dichotomie von ‚Zeitung’ und ‚Zeitschrift’.“[33]
Die neuere Entwicklung seit Mitte der 90er Jahre, als die ersten Gratistageszeitungen auf den Markt kamen, heizte die Diskussion um die Zeitungseigenschaft von kostenlosen Printmedien erneut auf: „The appearance of unpaid daily newspapers has created turmoil surrounding the definition of a newspaper because there is no single industrywide or international agreement on definitional elements within the scope of the term ‚newspaper’.“[34] Wie eine Gratiszeitung definiert wird, ist aber von größter Bedeutung, denn es betrifft ihre Marktkategorisierung „[...] whether they are perceived as competing for certain advertisers, and whether they are provided governmental and private organisational advantages and standing.“[35]
Picard nennt in seiner Betrachtung eine Reihe von Gründen für die unterschiedliche Definition von Gratiszeitungen: Da geht es darum, ob kostenlos verteilte Zeitungen in den Genuss von vergünstigten Posttarifen kommen sollen oder nicht (Frankreich, Österreich bis zum Jahre 2001) und ob sie unter die Bestimmungen für staatliche Förderungen (Österreich), Regulierungen oder bestimmte Steuergesetze fallen oder nicht. Daneben listet Picard eine Reihe privater Definitionen von nichtstaatlichen Organisationen auf, wobei die Definition an sich und ob man Gratispublikationen in Statistiken überhaupt aufnimmt und wenn ja, in welcher Form, je nach Interessenlage unterschiedlich ist.[36]
3.2. Der Begriff ‚Gratiszeitung’ aus ökonomischer Sicht
Das wesentliche ökonomische Unterscheidungskriterium zu Kaufzeitungen besteht zweifellos im Umstand der unentgeltlichen Verbreitung von Gratiszeitungen, wobei genau das Kriterium der Entgeltlichkeit bei den vor allem aus den 80er Jahren stammenden kommunikations-wissenschaftlichen Zeitungsdefinitionen überhaupt keine Rolle spielt.
So meint Frank Stahmer, dass eine exakte begriffliche Trennung zwischen Zeitung und Zeitschrift (streng genommen fallen die meisten Gratiszeitungen unter die kommunikationswissenschaftliche Kategorie ‚Zeitschrift’) zwar publizistisch von großer Bedeutung sein mag, ökonomisch gesehen aber nur Sinn macht, wenn diese Kategorien verschiedene Eigenschaften aufweisen, was aber in der Realität nicht der Fall sei: „Beide weisen i. allg. die Eigenschaft auf, neben den redaktionellen Beiträgen Anzeigen bzw. neben den Anzeigen Redaktionsbeiträge zu beinhalten [...]. Auch dienen Zeitungen und Zeitschriften den gleichen Informationsbedürfnissen der Konsumenten nach Nachrichten, Meinungen, Unterhaltung und Anzeigen.“[37] Es sei daher aus ökonomischer Sicht „[...] nur relevant, ob zwei bestimmte Presseerzeugnisse in einem Konkurrenzverhältnis miteinander stehen oder nicht [...]. Es ist nur von Bedeutung, ob die Konsumenten die Erzeugnisse als substitutiv erachten, denn Wettbewerb ergibt sich nicht quasi automatisch durch die Subsumtion unter einen gemeinsamen publizistischen Begriff.“[38]
Für Marie Luise Kiefer hingegen ist „[...] der Verzicht der Anzeigenblätter auf das mögliche Ausschlussprinzip wohl primär als Konkurrenzstrategie zur Lokal- und Regionalpresse mit dem Ziel der Abschöpfung lokaler Werbemärkte zu begreifen, aber auch in der weitgehenden Suspension eines redaktionellen Teils im Sinne der klassischen Zeitungsressorts begründet.“[39]
Dieser Sichtweise liegt aber ein bereits lange überholtes Bild von Gratiszeitungen zugrunde. „Denn“, so meint Albert Sachs in der Fachzeitschrift Bestseller (Ausgabe 5/1996), „natürlich hängt der Erfolg dieses Medientyps bei Lesern und auf dem Inseratenmarkt nicht von einem schlichten Gattungsbegriff ab, sondern von der Qualität jedes einzelnen Mediums.“[40] Bereits 1991 stellte Gerd G. Kopper im Rahmen einer Studie für das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen fest, dass das Spektrum von Anzeigenblättern [also Gratiszeitungen, Anm. td] inzwischen bis zu einem wöchentlichen Gratisangebot reicht, „[...] das in seiner Gestaltung, redaktionellen Aufmachung und seiner Nutzung eine lokale Wochenzeitung [gemeint sind Kauf-Wochenzeitungen, Anm. td] völlig substituiert.“[41]
Während es im angelsächsischen Sprachraum seit langem schon kein Problem darstellte, Zeitungen einfach in ‚paid-for’- und ‚free newspapers’ einzuteilen, scheint sich jetzt auch in Deutschland ein Wandel abzuzeichnen. Das von Wolfgang J. Koschnick überarbeitete und auf den neuesten Stand gebrachte Online Focus-Lexikon für Werbeplanung-Mediaplanung- Marktforschung-Kommunikationsforschung-Mediaforschung weist – seit November 2003 – unter dem Suchbegriff ‚Gratiszeitung’ folgenden bemerkenswerten, weil bisher im deutschen Sprachraum ungewohnten Text aus: „Ein täglich erscheinendes, auf Papier gedrucktes Periodikum mit dem redaktionellen Anspruch einer Tageszeitung, das gratis verteilt wird und sich ausschließlich aus Anzeigeneinnahmen finanziert. Es ist eine Publikation, die kaufmännisch ein Anzeigenblatt und publizistisch eine Tageszeitung darstellt. Eine Tages- oder Wochenzeitung, die also ausschließlich über Anzeigeneinnahmen finanziert wird (folglich ganz und gar auf Vertriebserlöse verzichtet), gleichwohl aber mit dem journalistischen Anspruch einer Zeitung daherkommt. […] Spätestens Mitte der 90er Jahre hat eine neue Ära in der Entwicklung von Anzeigenblättern begonnen. Sie werden den herkömmlichen Tages- und Wochenzeitungen ähnlicher. Denn es ist kein Zufall, dass zu dieser Zeit zahlreiche Gratisblätter geradezu aus dem Boden schossen. Den fruchtbaren Boden für diese Entwicklung stellt die Erlösstruktur von periodischen Druckerzeugnissen im Allgemeinen und die von Zeitungen im Besonderen dar.“[42]
So würden Zeitungen in den USA bereits 87 % ihrer Erlöse aus dem Verkauf von Anzeigenraum erzielen, wobei in Deutschland die Vertriebserlöse mit einem Anteil von 39 % zwar noch etwas höher als in den USA seien, das aber mit sinkender Tendenz.[43] Deshalb schreibt Koschnick weiter, „[…] müssen die Zeitungsverleger auch so merkwürdige intellektuelle Verrenkungen machen, wenn sie gegen die wachsende Zahl gratis verteilter Qualitätsblätter auf Zeitungsniveau anzuargumentieren versuchen. Sie können ja schlecht sagen, eine Zeitung sei nur unabhängig, wenn sie nicht auch noch von Anzeigen leben müsse. Dann gäbe es weltweit keine Zeitung, die diesen Namen verdient. Also müssen sie eine Relation festlegen. Auf einer Klausurtagung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) beharrten die Verleger darum darauf, dass ‚Verlagsumsätze zu einem Drittel im Vertriebsmarkt erzielt werden’ müssen. Sonst seien das keine ordentlichen Zeitungen.“[44]
Es zeichnet sich also auch im deutschen Sprachraum ein Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Betrachtung von Gratiszeitungen ab.
So beschritt man in der Schweiz mit der seit 1.1.2004 gültigen neuen Pressetypologie, ausgearbeitet von einer Projektgruppe des Verbandes Schweizer Presse gemeinsam mit dem Verband Schweizerischer Werbegesellschaften VSW, einen pragmatischen Weg: „Bewusst nicht verwendet wurden in der neuen Typologie die höchst unpräzisen Begriffe ‚Zeitung’ und ‚Zeitschrift’. Das heisst: die äussere Form scheidet als Unterscheidungskriterium aus. Entscheidend ist vielmehr der Inhalt. Unterschieden werden ab 2004 die vier Sektoren ‚Tagespresse’, ‚regionale Wochen- und Sonntagspresse’, ‚Publikums-, Finanz- und Wirtschaftspresse’, ‚Spezialpresse’ und ‚Fachpresse’. Unterteilt werden diese Sektoren in einzelne Segmente und diese wiederum in Gruppen. In diesen Gruppen wird dann nach den Vertriebsarten ‚verkauft’ bzw. ‚gratis’ unterschieden.“[45]
3.3. Begriffsbestimmung durch Subsumtion unter Produkteigenschaften
Im Lexikon der Medienökonomie zählt Jürgen Frühschütz folgende konstituierenden Merkmale (fakultative und obligatorische) einer Zeitung auf:[46]
1. Öffentlichkeit (Publizität)
2. Variierbarkeit (kein festgelegter Umfang)
3. periodische Erscheinungsweise (Periodizität)
4. Regionalisierbarkeit (Variation nach überregionalen und kleinsten regionalen Bedarfsgruppenteilen)
5. Aktualität (aktueller Zeitbezug der Inhalte)
6. inhaltliche Universalität (kaum Themeneinschränkung)
7. zeitliche Mobilität (Wahl des Rezeptionszeitpunkts durch den Rezipienten)
8. sachliche Mobilität (Wahl der Rezeptionsinhalte durch den Rezipienten)
9. zeitliche Intensität (überdurchschnittliche Menge an Informationen, die pro Zeiteinheit aufgenommen werden).
Dabei unterscheidet Frühschütz nach der Erscheinungsweise in Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen; nach dem Verbreitungsgebiet in Lokalzeitung und Regionalzeitung sowie nach der Bezugsform in Kaufzeitung (Straßenverkaufszeitung, Boulevardzeitung) und Abonnementzeitung. Den Begriff ‚Anzeigenblatt’ ordnet Frühschütz diesem merkmalsorientierten Zeitungsbegriff zu und zwar in der Kategorie ‚Unterscheidung nach diversen Merkmalen’.[47] Nachdem auf Gratiszeitungen alle oben aufgelisteten Merkmale zutreffen, liegt der definitorische Unterschied im Gratisvertrieb. Es wäre daher einfacher und zielführender, den Begriff ‚Gratiszeitung’ bei der ‚Unterscheidung nach der Bezugsform’ einzuführen.
Gratiszeitungen können daher – wie dies im angelsächsischen Sprachraum selbstverständlich ist – als kostenloses Gegenstück zu den jeweiligen entgeltlichen Zeitungen betrachtet werden, oder – wie Robert G. Picard meint: „Regardless, they present themselves in newspaper form, define themselves as newspapers, are perceived by large numbers of readers and advertisers as newspapers, and are regarded as substitutes by traditional newspaper managers. As a result, it is necessary for newspaper managers to understand them as newspaper competitors and to employ stategic responses to their appearance.“[48]
2.4. Abgrenzung
Nicht als Gratiszeitungen werden im Rahmen dieser Arbeit Organe von Parteien und Verbänden, Vereinsmitteilungen, Gästezeitungen von Tourismusverbänden, Amtsblätter und Gemeindezeitungen, Firmen- und Kundenzeitschriften sowie Kirchenzeitungen gewertet. Sie alle weisen zwar auch in vielen Fällen die wesentlichen Merkmale einer ‚Zeitung’ auf, es fehlt aber das für die wettbewerbliche Stellung wichtige erwerbswirtschaftliche Interesse an der Herausgabe der jeweiligen Publikation. Es stehen hier andere Zwecke als jene der Gewinnerzielung im Vordergrund, und auch in publizistischer Hinsicht sind sie auf einen ganz bestimmten, aber keinesfalls journalistischen Zweck gerichtet.
Ebenso nicht unter den Begriff ‚Gratiszeitung’ fallen Zeitungsbeilagen (also sozusagen Zeitungen in der Zeitung), selbst dann nicht, wenn sie mit einem eigenen Titel aufgemacht sind und für sie gesonderte Anzeigentarife berechnet werden (wie z.B. ‚VN Heimat’). Sie werden dem jeweiligen Trägermedium zugerechnet. Weiters werden periodische ‚Großauflagen’ von entgeltlichen Zeitungen nicht zu den Gratiszeitungen gezählt. Sie dienen vorwiegend zu Werbezwecken, um die jeweilige Zeitung bekannt zu machen und Abonnenten zu gewinnen bzw. um die Auflage zu steigern und somit für Anzeigenkunden interessanter zu werden, sie werden aber nicht grundsätzlich kostenlos verbreitet.
Umgekehrt gibt es aber keinen Grund, jene Gratiszeitungen von der Betrachtung auszuschließen, die etwa außerhalb ihres Verbreitungsgebietes zusätzlich verkauft werden (sei es an Kiosken oder als Abonnement). Im Verbreitungsgebiet, wo der Großteil der Auflage kostenlos (meist an alle Haushalte) verteilt wird, treffen alle Kriterien einer Gratiszeitung zu. Detto ist es mit jenen Gratiszeitungen, die jährlich einen Erlagschein beilegen und ihre Leser bitten, eine „Abogebühr“ einzuzahlen.[49] Wenngleich oft ein gewisser (allerdings sehr geringer) Prozentsatz der Leser dieser Bitte nachkommt, handelt es sich dabei um den Charakter von freiwilligen Spenden und nicht um einen Kaufpreis, da die betreffende Gratiszeitung ohnehin an alle Haushalte kostenlos zugestellt wird.
Bei einigen Gratiszeitungen ist ein Einzelverkaufspreis am Titelblatt aufgedruckt bzw. in den Presseverzeichnissen angegeben, obwohl dieselben kostenlos an alle Haushalte verteilt werden. Das macht die Identifizierung von Gratiszeitungen anhand von Presseverzeichnissen oft schwierig. Der Grund für die Angabe dieses fiktiven Preises dürfte vor allem historischer Natur sein: Bis zum Jahre 2001 waren die Gratiszeitungen – nicht zuletzt auf Druck des Verbandes der Österreichischen Zeitungsverleger (VÖZ) – vom ermäßigten Postzeitungsversandtarif ausgeschlossen, d.h., sie mussten bei der Post höhere Beförderungsentgelte bezahlen als Kaufzeitungen. Das führte auch zum österreichischen Kuriosum, dass einige Gratiszeitungsverleger politische Parteien gründeten und diese als Herausgeber der Gratiszeitung fungieren ließen. Es handelte sich dann nämlich offiziell um Parteizeitungen und diese wurden aufgrund von Ausnahmebestimmungen von der Post zum begünstigten Tarif befördert.[50] Diese (nicht kostendeckenden) begünstigten Tarife der Post für den Zeitungsversand wurden bis zum Jahre 2001 mit 65 Millionen Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt subventioniert.[51] Die Bestimmungen über den ermäßigten Postzeitungsversand sind trotz heftiger Proteste des VÖZ per 31. Dezember 2001 außer Kraft getreten, die Tarife wurden seither schrittweise angehoben.[52]
4. Entstehung und Entwicklung von Gratiszeitungen
4.1. Ursprünge und Vorläufer von Gratiszeitungen heutiger Prägung
Als Vorläufer der Gratiszeitungen heutiger Prägung werden in der Literatur häufig die ‚Feuilles d’avis du bureau d’adresses’, ins Leben gerufen von Théophraste Renaudot in Frankreich im Jahre 1633, genannt.[53] „Im Prinzip handelte es sich dabei um ein ‚Arbeitsamt’ moderner Prägung, welches Arbeitgebern und Stellungssuchenden die Möglichkeit bot, sich in Listen einzutragen und sich gegenseitig vermitteln zu lassen.“[54] Aus diesen ersten ‚Stellenanzeigen’ entwickelten sich im deutschen Sprachraum die so genannten ‚Intelligenzblätter’. „Das 1703 in Wien herausgegebene ‚Wiennerische Diarium’ gilt als das älteste deutschsprachige Intelligenzblatt. 1722 erschienen dann die ‚Wöchentlichen Frankfurter Frag- und Anzeig-Nachrichten’, 1724 die ‚Wöchentlichen Hamburger Frag- und Anzeig-Nachrichten’.“[55]
Allerdings stellen diese ‚Intelligenzblätter’ nur eine sehr weitschichtige Verwandtschaft zu den heutigen Gratiszeitungen dar. „So ist es zwar richtig, dass die ‚Intelligenzblätter’ des 18. und 19. Jahrhunderts großteils aus Anzeigen bestanden, doch dürfte damit die wesentlichste Parallele zum heutigen Gratisanzeiger [bzw. den heutigen Gratiszeitungen, Anm. td.] bereits genannt sein. Von einer kostenlosen Verteilung oder gar von einer Distribution an alle Haushalte war damals noch keine Rede.“[56]
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich „[...] der anzeigenbetonte Typ des Generalanzeigers – für den mitunter auch die Bezeichnung ‚Gratis-Anzeiger’ auftauchte – , der bis zum Ersten Weltkrieg eine Blüte erlebte.“[57] Während die Intelligenzblätter ursprünglich entgeltlich verbreitet wurden, kamen die späteren General- oder Lokal-Anzeiger im Zuge ihrer Markteinführung kostenlos zur Verteilung. „Erst wenn die notwendigen Inseratenkunden gefunden waren, gingen diese Publikationen [...] zum normalen Abonnementbetrieb über.“[58] Über vereinzelte ‚Gratis-Anzeiger’, die nicht bloß während ihrer Markteinführungsphase, sondern permanent gratis verteilt wurden, gibt es nach 1850 zwar Hinweise, eine genaue Bestandsaufnahme ist aber auf Grund des Umstandes, dass diese Blätter weder von Archiven oder Bibliotheken erfasst noch von deren Herstellern oder Herausgebern aufbewahrt wurden, schlichtweg unmöglich.[59]
Ab Beginn des 20. Jahrhunderts ist für Deutschland eine Reihe von Gratisblättern bekannt und schon zu Beginn der dreißiger Jahre regt sich der Widerstand der (entgeltlichen) Tageszeitungen gegen die Gratiskonkurrenz. Das ‚Handbuch der deutschen Tagespresse’ gibt 1932 den ersten offiziellen Hinweis auf das bis heute gespannte Verhältnis dieser beiden Printmedientypen, indem eine Aufnahme der kostenlosen Anzeigenblätter in dasselbe abgelehnt wurde, mit der Begründung: „[...] sie enthalten nur Geschäftsanzeigen, werden gratis frei Haus geliefert, machen ihre Geschäfte in Großstädten, wo die geeignete Bezieherschaft in genügender Zahl vorhanden ist [und] putzen sich inhaltlich als Zeitung auf.“[60] 1934 folgte mit dem Verbot der Gratisverteilung und der Veröffentlichung von Fremdanzeigen das faktische Aus für Gratiszeitungen in Deutschland.[61]
4.2. Die Entwicklung von Gratiszeitungen moderner Prägung – ein internationaler Überblick
Erst in den 50er Jahren begannen sich die Gratiszeitungen in Deutschland (dort als ‚Anzeigenblätter’ bezeichnet) und etwa ein Jahrzehnt später in Österreich wieder zu etablieren. Der eigentliche Aufschwung in Deutschland fand etwa ab Mitte der 60er Jahre statt und erreichte in den 70er und 80er Jahren wie in fast allen westeuropäischen Ländern ein rasantes Wachstum,[62] das sich auch in den 90er Jahren ungebrochen fortsetzte.
Der Vormarsch der Gratiszeitungen ist in dieser Zeit international zu beobachten.
„In England“, schreibt Peter Muzik 1990 in seinem Buch ‚Die Medienmultis’, „existieren nach einer 15jährigen Anlaufphase bereits tausend solcher Titel. Sie haben 1988 insgesamt 522 Millionen Pfund eingenommen und damit in Summe besser abgeschnitten als die 3.700 britischen Fachzeitschriften oder die bezahlten Wochenzeitungen. [...]
In Frankreich blüht diese Sparte ebenfalls auf: Die rund 600 statistisch erfaßten Gazetten landen Woche für Woche in einer Auflage von vierzig Millionen Stück in den Postkästen der Franzosen. Sie bringen ihren Inhabern rund vier Milliarden Francs im Jahr [aus den Inseratenerlösen, Anm. td], womit sich die Einnahmen seit 1987 mehr als verdoppelt haben. [...]
Am deutschen Markt findet diese Gattung immer mehr Anhänger. Hatte es 1975 erst 250 Gratisgazetten gegeben, so existieren derzeit bereits mehr als tausend derartige Objekte [...], die Gesamtauflage liegt bei der eindrucksvollen Marke von 55 Millionen Stück. Während diese Blätter von der etablierten Konkurrenz zunächst mit scheelen Blicken als harmlose Zeiterscheinung abgetan wurden, konnten sie sich einstweilen als Faktor am Printmarkt verankern. Sie erzielen ungefähr zwei Milliarden Mark Umsatz, was fast einem Viertel des auf die Tageszeitungen entfallenden Anzeigenaufkommens entspricht, aber doppelt so viel ist, wie die Hörfunksender gemeinsam kassieren.“[63]
Dieser Aufschwung hat auch beträchtliche Konzentrationsprozesse mit sich gebracht. Bereits 1990 wähnt Peter Muzik die Konzentration am Sektor der Gratiszeitungen voll im Gange und konstatiert für Großbritannien: „Die großen Gruppen, die an dieser Sparte Gefallen finden, etwa Reed, EMAP oder Thomson, stecken erfolgreiche Pioniere neuerdings reihenweise ein: Thomson beispielsweise erstand vor gar nicht so langer Zeit Keith Barwell’s Herald Group, Tony Bollemier’s Northants Post Group und Lionel Pickering’s Trader Group [...]“[64]. Ebenso in Frankreich: „Der Marktleader Comareg, der 1968 von Paul Dini gegründet wurde und heute ein Drittel des Marktes kontrolliert, kann sich mit 140 Gratuits nach Lust und Laune austoben und kauft laufend kleinere Mitbewerber, etwa die Publival, auf. [...] Ihre Gewinne stiegen in den letzten Jahren um das Fünffache, auf derzeit 110 Millionen, an. Anfang 1990 verhökerte sie ihre in Pittsburgh ansäßige US-Tochter Pennysaver an die britische Trinity-Gruppe, um sich fortan auf nähergelegene und vielversprechendere Märkte zu konzentrieren, etwa auf Italien und Spanien. Die Comareg-Verfolger Carillon und SPIR Communication, die sich ebenfalls schon im Ausland umsehen, bringen in Frankreich achtzig bzw. vierzig Gratisblätter in Umlauf, insgesamt 10,5 Millionen Exemplare pro Woche, und sind ähnlich profitabel wie die Nummer eins.“[65]
4.3. Die Entwicklung in Großbritannien
Die Entwicklung des Marktes für Gratiszeitungen begann in Großbritannien etwa Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre. Um das Jahr 1970 zählte man etwa 0,6 Millionen wöchentlich verbreitete Exemplare. Nach eher bescheidenen Anfängen in den 70er-Jahren kam es zu einem fulminanten Wachstum in den 80er Jahren. Im Jahre 1989 betrug die verbreitete Auflage von Gratis-Wochenzeitungen in Großbritannien bereits 39,5 Millionen Exemplare. Um 1990 dürfte in Großbritannien der Zenit der Entwicklung erreicht worden sein. Wie Abbildung 2 zeigt, stagniert die Auflage der in Großbritannien zirkulierenden lokalen Gratis-Wochenzeitungen seit etwa 1990. Im Jahre 1999 betrug die verteilte Auflage von lokalen Gratis-Wochenzeitungen in Großbritannien nur mehr 27 Millionen Exemplare. Zum Vergleich: Die entgeltlichen lokalen Wochenzeitungen verloren im gleichen Zeitraum stetig an Auflage, sie sank von 12,1 Millionen Exemplaren im Jahre 1970 auf 6,2 Millionen im Jahre 1999.[66] Bei der Interpretation dieser Zahlen ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass ein Teil der ‚Local dailies’ und der ‚Local Sundays’ als Gratiszeitungen verbreitet werden. Genauere Daten zu den free local dailies und sundays sind aus den vorliegenden Statistiken nicht ersichtlich.
Abbildung 2: Entwicklung der Auflage von Zeitungen in Großbritannien 1970 bis 1999
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Competition Commission 2000, S. 47
Anders das Bild bei den Anzeigenumsätzen. Trotz sinkender Auflagezahlen konnten die lokalen Gratis-Wochenzeitungen in Großbritannien ihren Marktanteil zwischen 1989 und 1999 leicht steigern (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Entwicklung der Zeitungs-Anzeigenumsätze in Großbritannien 1970 bis 1999
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Competition Commission 2000, S. 51
Insgesamt erzielten die lokalen Gratis-Wochenzeitungen in Großbritannien im Jahre 1999 Anzeigenumsätze in der Höhe von 925 Millionen Pfund. Das bedeutet einen Marktanteil am gesamten Zeitungs-Anzeigenmarkt in Großbritannien von 22,7 % bzw. von 38,1 % auf den regionalen/lokalen Anzeigenmärkten.[67]
Besonders weit fortgeschritten ist mittlerweile die Eigentumskonzentration bei den lokalen und regionalen Zeitungen (Tages- und Wochenzeitungen, inklusive Gratiszeitungen) in Großbritannien. So vereinigen im Jahre 2004 die fünf größten Verlage einen Marktanteil (gemessen an der gesamten Auflage) von 73,3 %. Vier davon sind gleichzeitig die größten Anbieter im Segment der Gratiszeitungen. Ihr Marktanteil, gemessen an der Auflage der Gratiszeitungen, beträgt zusammen 68,8 % (siehe Tabelle 2). Die größten 20 Verlagsgruppen vereinigen 96,1 % der Gesamtauflage von lokalen und regionalen Zeitungen auf sich und 94,7 % der Gratiswochenzeitungen.
[...]
[1] Chmelir 2001, S. 309 f.
[2] Chmelir 2001, S. 310
[3] Chmelir 2001, S. 312
[4] So etwa Albarran 1996; Czygan/Kallfaß 2003; Sjurts 1996 und Sjurts 2002
[5] Albarran 1996, S. 29
[6] Schmidt 1999, S. 55
[7] Schmidt 1999, S. 57
[8] Just/Latzer 2001, S. 16
[9] Kaufer 1980, S. 368
[10] Kaufer 1980, S. 9
[11] Horst 1990: Gratisanzeiger in Österreich: Bestandsaufnahme und Funktionsanalyse. Wien (VWGO) 1990 (Diss. Univ. Salzburg, approbiert 1989).
[12] Horst 1990: S. 3 f.
[13] Geretschlaeger 1993, S. 113
[14] Bachmayer/Mantl/Schöpfer 2002, S. 30
[15] Daneben weist Statistik Austria noch eine ähnlich informative Tabelle über „Fachpresse und sonstige Printmedien“ auf (Statistik Austria 2004, a.a.O.)
[16] VÖZ 2003
[17] Vgl. Heinrich 2001, S. 217 sowie Wilke 2002, S. 424
[18] Wilke 2002, S. 426
[19] Schütz, W. J. 1989, Deutsche Tagespresse 1989, in: Media Perspektiven 12, S. 749, zitiert nach Heinrich 2001, S. 218
[20] Heinrich 2001, S. 218
[21] Vgl. VSW 2003: Definition der Pressetypen, http//www.vsw-assp.ch/d/Pressedef-d.pdf (9.11.2003) sowie Schweizer Presse 2003: Übersicht Titelstatistik 2003, http://www.schweizerpresse.ch/ de/statistik/ba/ba_titelstatistik.shtml (Oktober 2003)
[22] Horst 1990, S. 5 ff.
[23] So z.B. in der Broschüre ‚Massenmedien in Österreich’, herausgegeben vom Bundespressedienst (Geretschlaeger 1997, S. 10).
[24] Während sich die deutschen Gratiszeitungsherausgeber mit dem Begriff ‚Anzeigenblätter’ abgefunden haben und ihre Interessenvertretung ‚Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter’ (BVDA) nennen, heißt es in der Schweiz ‚Verband Schweizerischer Gratiszeitungen’. Auch in der Inseratestatistik der Schweizer Presse sind ‚Gratiszeitungen’ als eigene Kategorie gelistet.
[25] Bereits 1994 wählte Florian Haas in seiner juristischen Diplomarbeit ‚Gratiszeitungen im Wettbewerb am Zeitungsmarkt’ diesen pragmatischen Weg (Haas 1994, S. 4 ff.).
[26] Brand, Schulze 1987, S. 7
[27] Vgl. auch Heinrich 2001, S. 216 f.
[28] Brand, Schulze 1987, S. 7
[29] Vgl. Sommer 1998, S. 4 ff.; auch Horst 1990 beklagte die Unbrauchbarkeit solcher Begriffsbestimmungen: „Der wertend-spekulative Ton derartiger Definitionen trägt wenig dazu bei, ein unbefangenes Herangehen an die Materie zu fördern.“
[30] Koschnick 2003 a: http://medialine.focus.de (6. 4. 2003)
[31] Heinrich 2001, S. 365
[32] Vgl. Kopper 1991 S. 120 ff. sowie Horst 1990, S. 49 ff.
[33] http://www.presseforschung.de/struktur/anzeigenblaetter.htm (Oktober 2004)
[34] Picard 2001, S. 167
[35] Picard 2001, S. 167
[36] Vgl. Picard 2001, S. 167 f.
[37] Stahmer 1995, S. 57
[38] Stahmer 1995, S. 57
[39] Kiefer 2001, S. 298
[40] zit. nach Sommer 1998, S. 25
[41] Kopper 1991, S. 145
[42] Koschnick 2003 b: http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DB/PM1DBF/pm1dbf.htm?stichwort=Gratiszeitung (9.11.2003)
[43] Vgl. Koschnick 2003 b: http://medialine.focus.de/ PM1D/PM1DB/PM1DBF/pm1dbf.htm?stichwort=Gratiszeitung (9.11.2003)
[44] Koschnick 2003 b: http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DB/PM1DBF/pm1dbf.htm?stichwort=Gratiszeitung (9.11.2003)
[45] VSW 2003: http://www.vsw-assp.ch/d/typo.htm (9.11.2003)
[46] Vgl. Frühschütz 2000, S. 378 f.
[47] Vgl. Frühschütz 2000, S. 378 f.
[48] Picard 2001, S. 168
[49] Klauda 1998, S. 44 f., führt für die Gratiszeitungen (resp. Anzeigenblätter) in Niederösterreich an, dass durch die finanzielle Unterstützung „... die Zufriedenheit mit dem Blatt ausgedrückt werden soll. Mit der Tendenz zu höheren Auflagen und der Marktbereinigung, die in den letzten Jahren feststellbar ist, wurden Spendenaufrufe seltener, da für größere Anzeigenblätter damit kaum etwas zu verdienen ist.“ Einzelne Gratiszeitungen bieten ihren Lesern, obwohl sie an jeden Haushalt gratis verteilt werden, ein Jahresabonnement an. „Damit wird die Höhe der Abonnentenzahl zum Argument der Anzeigenblattherausgeber für die Akzeptanz ihres Blattes bei den Lesern.“
[50] Vgl. Horst 1990, S. 66 ff.
[51] Ratzer 2002, S. 34
[52] Vgl. Ratzer 2002, S. 35 f.
[53] Vgl. Koschnick 1996, S. 44, oder auch Horst 1990, S. 18
[54] Horst 1990, S. 18
[55] Koschnick 1996, S. 45
[56] Horst 1990, S. 17 f.
[57] Koschnick 1996, S. 45
[58] Horst 1990, S. 21
[59] Vgl. Horst, S. 20 f. sowie Klauda 1998, S. 31
[60] zit. nach Horst 1990, S. 23
[61] Vgl. Klauda 1998, S. 31
[62] Vgl. Horst 1990, S. 23 ff., Koschnick 1996, S. 45
[63] Muzik 1990, S. 71f.
[64] Muzik 1990, S. 71
[65] Muzik 1990, S. 71 f.
[66] Vgl. Competition Commission 2000, S. 48
[67] Vgl. Competition Commission 2000, S. 45
- Citation du texte
- Mag. Thomas Driendl (Auteur), 2005, Der Markt für Gratiszeitungen in Österreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33662
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