Historische Einordnung:
Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Untergang der deutschen Demokratie
Allgemeine Historische Einordnung (Deutschland, 1918-1929)
Im September 1918 fordert die Oberste Heeresleitung unter dem Kommando von General Erich Ludendorff vor versammelten deutschen Offizieren einen Waffenstillstand. Der vierjährige Erste Weltkrieg ist für das Deutsche Reich verloren und die Entente fordert die sofortige Parlamentarisierung Deutschlands.
Warum geht das Militär aber auf die Forderung vom Vertreter der Siegermächte, dem US-amerikanischen Präsidenten Wilson, ein? Natürlich offensichtlich für einen maßvolleren, leichteren und angenehmeren Friedensvertrag mit und für Deutschland und zweitens - nicht ganz so offensichtlich -, um die Schuld auf die nachfolgende demokratische Regierung abzuwälzen, sich selbst „aus der Schlinge“ zu ziehen.
Als im Oktober 1918 der Reichskanzler Max von Baden mit den Waffenstillstandsverhandlungen beginnt und dafür eine parlamentarische Monarchie einführt, bekommt die Öffentlichkeit Wind davon. Sie ist komplett davon überrascht, geschockt, dass der Krieg verloren ist, wo der positive Kriegsfortschritt doch immer propagiert wurde, ja geradezu der Sieg vorhergesagt wurde. Auch die Bevölkerung fordert als Reaktion den sofortigen Waffenstillstand der Deutschen.
Am 29. Oktober 1918 sollen die deutschen Flotten aber zur letzten Schlacht in der Nordsee auslaufen - mit ihnen an Bord die Matrosen, die natürlich wissen, dass der Krieg verloren ist. Die Reaktion darauf ist ein Aufstand: In den Häfen wie in Wilhelmshaven, Kiel, Bremen Hamburg rebelliert man gegen die Entscheidung der Offiziere. Die Aufstände weiten sich aus und es bilden sich kurzfristig Arbeiter- und Soldatenräte. Die als Novemberrevolution in die Geschichte eingegangenen Aufstände erreichen Berlin am 09. November 1918. Reichskanzler von Baden reagiert mit der eigenständigen Absetzung von Wilhelm II. als Kaiser.
Er überträgt Friedrich Ebert von der M(ehrheits)SPD das Kanzleramt; nur kurze Zeit später ruft der Abgeordnete Philipp Scheidemann (MSPD, ein paar Stunden später Karl Liebknecht von der USPD) die Republik aus. Zusammen mit der „parteieigenen“ Abspaltung, der U(nabhängigen)SPD, errichtet man mit dem „Rat der Volksbeauftragten“ eine provisorische Revolutionsregierung.
Vizekanzler Erzberger unterzeichnet im Auftrag des Rats der Volksbeauftragten den Waffenstillstand von Compiègne, doch schon im Dezember 1918 verlässt die USPD die provisorische Regierung wegen eines Streits um den Einsatz von Militär gegen revoltierende Matrosen. Die nun allein die Regierung stellende MSPD empfindet das eigenmächtige Vorgehen einzelner Räte als Verrat an den demokratischen Prinzipien der Arbeiterbewegung. Insgesamt unterscheiden sich die Ziele der beiden Parteien: Die MSPD fordert Reformen, während die USPD eine Revolution nach russischem Vorbild (1917) will.
Im Januar 1919 kommt es zum Spartakusaufstand, an dem Mitglieder der KPD und der USPD mitwirken. der mit Hilfe der Reichswehr und auch Freikorps blutig niedergeschlagen wird. Schon im November 1918 hatte Ebert mit General Wilhelm Groener von der OHL ein Abkommen geschlossen, das die bestehende Reichswehr mit dem Rat der Volksbeauftragten verband.
Aufgrund der großen Probleme als Folgen des Krieges der jungen Republik, wie die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung, die Umstellung der Wirtschaftsproduktion auf Frieden, verzichtet die sozialdemokratische Führung auf tiefergreifende Reformen. Die kaiserlich-konservativen Strukturen in Armee, Verwaltung und Justiz bleiben erhalten.
Am 19. Januar 1919 stellt die offizielle verfassungsgebende Nationalversammlung mit Ebert als Vorsitz die erste Regierung: Die „Weimarer Koalition“, bestehend aus der MSPD, der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Zentrumspartei, der Ebert als erster Reichspräsident übersteht.
Jene Regierung unterzeichnet im Juni 1919 unter leisem Protest und unter Zeitdruck - man hat bei einer Nichterfüllung der Frist Angst vor einer Besatzung Deutschlands - den Versailler Vertrag, der Deutschland umfassende Bedingungen auferlegt. So verlangen die Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich hohe Reparationszahlungen, Rohstoff-Lieferungen und einen Eingriff bzw. die Reduzierung der militärischen Macht der Republik. Viele Gebietsabtretungen sorgen zum Teil auch für wirtschaftlichen (Rohstoffe!) und kulturellen Verlust (ein großer Teil der Bevölkerung war dort deutsch).
In der deutschen Bevölkerung ist man empört und protestiert gegen die „Erfüllungspolitiker“, die den Vertrag für Deutschland unterschrieben haben. Das ist ein „gefundenes Fressen“ für die rechten antirepublikanischen Parteien, die gegen die Regierung wettern und bereits jetzt großen Zuspruch erhalten. Die einfache Akzeptanz der Bedingungen zur Reparationszahlungen auf der Londoner Konferenz 1921 verstärkt den Eindruck des naiven Erfüllens der alliierten Forderungen.
Aber bereits im März 1920 zeigen sich erste rechte Reaktionen auf die „Erfüllungspolitik“: Beim Kapp-Lütwitz-Putsch besetzen konservative Freikorps Berlin, werden aber schließlich durch einen Generalstreik der Beamten und durch loyale Armeeinheiten entmachtet.
Auch die Ermordung der „Erfüllungspolitiker“ Matthias Erzberger und Außenminister Walther Rathenau sorgen für Unruhe. Die konservativ geprägte Justiz und Armee reagieren auf die Gefährdung des demokratischen Systems mit Milde, wenn nicht sogar mit insgeheimer Sympathie. Linke Aufstände werden hart niedergeschlagen und insgesamt stärker bestraft als die der Rechten.
Der Wirtschaft der Republik geht es alles andere als gut. Durch die hohen Kriegs- und Versorgungskosten, die sie nach dem Ersten Weltkrieg zu tragen hat, und durch die Reparationszahlungen, fällt es Deutschland immer schwerer, alle Zahlungen fristgerecht zu leisten. Nach dem Londoner Ultimatum im Mai 1921 fordern die Alliierten eine Nachzahlung der rückständigen Reparationszahlungen in Form von Sachleistungen (Stahl, Holz, Kohle), wollen jedoch 1923 erkennen, dass Deutschland diese absichtlich zurückgehalten habe. Französische Truppen besetzten in der Folge im Januar 1923 das Ruhrgebiet.
Reichskanzler Wilhelm Cuno rief als Folge nationaler Empörung zum passiven Widerstand vor Ort auf, d.h. die Einstellung der Reparationszahlungen und Generalstreik. Weil jedoch während des Widerstands die Gehälter der Arbeiter durch den Staat gedeckt werden müssen, druckt Deutschland Geldmengen nach. Dies führt zusammen mit den bereits genannten Problemen in der Wirtschaft zur Verstärkung der seit 1914 andauernden (Hyper-)Inflationsphase.
Der passive Widerstand wird durch Frankreich zwar mit äußerster Brutalität gesühnt, ein Ende findet der „Ruhrkampf“ jedoch erst im September 1923, als Reichskanzler Gustav Stresemann ihn abbricht. Das Ende des Ruhrkampfs ermöglicht eine Währungsreform und damit das Ende der Inflation.
Das Ziel der Außenpolitik - auch unter Stresemann, der nach seiner Zeit als Reichskanzler Außenminister ist, ist nach wie vor die Revision des Versailler Vertrags und das Durchbrechen der außenpolitischen Isolierung.
Ein erster Schritt ist bereits getan, als man im Vertrag von Rapallo im Jahr 1922 die Beziehungen zu Russland wiederauffrischt und die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit intensiviert (dieser Vertrag wird durch den Berliner Vertrag 1926 gefestigt).
Stresemann nahm sich auch der Reparationsfrage an; so verabschiedete der Reichstag 1924 den Dawes-Plan, der eine Festlegung der jährlichen Reparationszahlungen genau festlegte, jedoch nicht das Ende der Zahlungen. Auch diese Verabschiedung sorgte in der Bevölkerung wieder für ein Aufleben der rechten Parteien und diente als Propagandamittel. Durch Kredite aus den USA und den daraus folgenden wirtschaftlichen Aufschwung wird die politische Unruhe aber kleiner gehalten („Goldene Zwanziger“).
Auch international beteiligt man sich wieder: So schließt man mit den Verträgen von Locarno 1925 ein Abkommen mit Frankreich und Belgien, die die Festlegung der Grenzverläufe im Westen (!) beinhaltet. Alliierte räumen im Gegenzug die erste Zone des Rheinlandes und ziehen die Kontrollkommissionen ab. Außerdem tritt Deutschland 1926 dem 1919 gegründeten Völkerbund als ständige Vertretung bei. Deutschland wird außenpolitisch wieder akzeptiert.
Während Stresemann die Vorteile des Young-Plans (1929, legt ein Enddatum für die Zahlungen fest), der den Dawes-Plan ablöst, für die deutsche Seite erkennt, nutzt das rechte politische Lager den Plan als Vehikel für eine gegen die Republik gerichtete Kampagne. Der Rechtsruck und die Überlassung des Staates für die Rechten vollziehen sich dann, als die letzte demokratisch gewählte Regierung unter Müller (SPD) zurücktritt.
Heinrich Brüning wird in der Folge neuer Reichskanzler - eingesetzt durch den Reichspräsidenten und Ex-General Hindenburg und somit der erste Vorsitzende der „Präsidialkabinette“. Die Verfassung und die Artikel 25 und 48 werden in den folgenden Jahren schwerwiegend missbraucht.
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- Citation du texte
- Sascha Grag (Auteur), 2016, Vom Ende des Ersten Weltkrieg bis zum Untergang der deutschen Demokratie (1918-1929). Eine historische Einordnung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336368