Urlaub machen, wo es anderen zu gefährlich ist: Unseren Autor Felix Feuerwand zog es nach Südamerika. In einem spannenden und unvergesslichen Monat reiste er von Venezuela aus über die Grenze nach Kolumbien und weiter bis nach Panama.
Startpunkt seines Abenteuers war Caracas, die Hauptstadt Venezuelas und einer der gefährlichsten Orte der Welt. Von dort aus ging es über Macuto, Chroroní und Coro ins kolumbianische Santa Marta. Hier wanderte er vier Tage durch den Dschungel, musste scharfe Felsspalten und reißende Flüsse überwinden, um Ciudad Perdida – die verlorene Stadt – zu besichtigen. Zurück in der Zivilisation fuhr er zu bekannteren Städten wie Tayrona, Taganga, Turbo oder Capurganá. Den Abschluss der Reise bildete Panama City, mit dem Panamakanal und der nahegelegenen Insel Taboga.
In diesem Buch schildert unser Autor seine ganz persönlichen Eindrücke – von Land und Leuten, traumhaften Stränden und der atemberaubenden Natur in den Nationalparks Morrocoy, Henri Pittier und Tayrona. Er erzählt, in welch' außergewöhnliche Situationen man als Tourist in Südamerika geraten kann, liefert praktische Reisetipps und zeigt, wo die besten Partys gefeiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Zurück nach Südamerika – erste Station Venezuela
Caracas endlich drin!
Partyeinstand
Ein Tag im Zentrum von Caracas
Seilbahn hoch, Seilbahn runter und dann endlich raus aus Caracas
Macuto ich muss hier schnellstens weg!
Schaurige Geschichten vom Taxifahrer
Johannes ist da, ab nach Choroní!
Inselparadies im Nationalpark Morrocoy
Reggaeton-Schalldruck-Battle
Chillout in Coro
Letzer Tag in Coro Abschied von Venezuela
Grenzüberquerung extrem
Willkommen in Kolumbien
Party und Santa Marta
Tayrona – Sommer, Sonne, Strand und Palmen
Party und Chillout in Taganga
Dschungel extrem
Tag 1 – Gemütliches Wandern, eine tolle Aussicht und ein erfrischendes Bad
Tag 2 – Ein Wettlauf gegen die Zeit
Tag 3 – Ziel erreicht: Die Ciudad Perdida
Tag 4 – Der schmerzvolle Rückweg
Kolumbien hautnah – Taganga, Cartagena, Turbo und Capurganá
Party mit Jaini
Abschied von Taganga – auf nach Cartagena
Die Festung von Cartagena mit Johannes und Mona
Chilliger Abschiedstag von Cartagena
Gelandet im etwas heruntergekommenen Turbo
Capurganá – Leben in halber Geschwindigkeit
Panama
Grenzüberquerung, irgendwie wieder extrem
Spätshop im Panama-Style
Wir sind Panamakanal-Fans!
Jukebox-Party
Ich liebe Panama!
Ausflug zur Insel Taboga
Es ist vorbei
Zurück nach Südamerika – erste Station Venezuela
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gespannte Vorfreude ließ ein Kribbeln in mir hochsteigen: In wenigen Stunden wollte ich meinen Fuß nach vierJahren endlich wieder auf den südamerikanischen Kontinent setzen. Bei meiner letzten Reise hatte ich mir sechsMonate Zeit genommen, um von Argentinien über Chile, Peru, Paraguay, Brasilien und Ecuador bis nach Kolumbien zu reisen. Diesmal würde es leider nur ein Monat sein, dennoch wollte ich unbedingt Venezuela sehen, da ich letztes Mal nicht bis dorthin vorgedrungen war. Johannes, ein guter Freundvon mir,war bereits seit einem Monat in Peru und Bolivien unterwegs und ich saß gerade im Flugzeug von Frankfurt nach Caracas. Wir wollten uns in Venezuela treffen und dann zusammen über Kolumbien bis nach Panama reisen. Von dort aus ging es für mich wieder zurück nach Deutschland, Johanneswollte im Anschluss noch ein halbes Jahr weiter um die Welt reisen.
Am 29. Juli 2012 landete ichgegen 15:30 Uhr in Caracas und Johannes kam dreiTage später von Lima aus dorthin geflogen.Wir wollten uns in vierWochen von Venezuela über Kolumbien bis nach Panama City durchschlagen, von wo aus wir zurück nach Deutschlandfliegen wollten.
Ich flog mit der Lufthansa direkt nach Caracas.Für 300 Euro weniger hätte es zwar einen Flug mit Iberia über die USA gegeben, aber mit Zwischenlandungen in den USA hatte ich nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht. Auf ausgedehnte Sicherheitschecks und Fingerabdruckscanner hatte ich diesmal keine Lust.Da zahlte ich lieber die 300 Euro mehr, um mir all das zu ersparen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Landung in Caracas
Wieder „on theroad“ zu sein, war ein unglaubliches Gefühl, trotzdem hatte ich zunächst einen Heidenrespekt vor Caracas. Auf den Listen der gefährlichsten Städte der Welt rangiert Caracas je nach Statistik zwischen Platz 1 und 3, auf jeden Fall immer weit vor Bagdad. Pro Wochenende gibt es 150-200 Morde, allerdings meist zwischen verfeindeten Banden in den Barrios, wie man die Elendsviertel dort nennt. Als Ausländer hat man recht gute Chancen, des Öfteren ausgeraubt zu werden, wahlweise von Diebenoder gerne auch von der Polizei. Es ist nicht wirklichsicher, wer von beiden gefährlicher ist.
Ich hatte hin und her überlegt, ob ich wirklich in die Stadt oder direkt vom Flughafen aus in einen anderen Ort fahren sollte. Schlussendlich nahm ich mir aber doch für zweiTage ein Zimmer im Zentrum von Caracas. Immerhin war ich bisher in jeder südamerikanischen Hauptstadt gewesen und wollte einfach wissen, wie es dort ist. Irgendwas kribbelte da in mir und ich wollte dort einfach hin.
In Gedanken hatte ich mich schondarauf eingestellt, mindestens einmal ausgeraubt zu werden und mir eine billige Zweitkamera gekauft, die ich mir in Caracas im Ernstfall abnehmen lassen konnte. Aber auch ohne derartige Zwischenfällewar die Gefahr groß, dass die zwei Tage dort die Hälfte meines Venezuela-Budgets auffressen würden.Es ist einfach unglaublich, wie teuer Caracas ist. Die venezolanische Währung, der Boliviano, war im Jahr2012 offiziell mit 1:4,3 an den Dollar gekoppelt, hatte aber eine jährliche Inflationsrate von 30 bis40 %. Auf dem Schwarzmarkt bekamman meist einen besseren Kursvon 1:8 bis 1:10, weswegen ich mir die Taschen voller Dollars gepackt hatte, um diese dann schwarz zu tauschen. Aber selbst beidiesem vorteilhaften Kurs kosteten die günstigsten Absteigen in einer halbwegs sicheren Gegend mich umgerechnet 50 bis 60 Euro pro Nacht.
Ich reservierte ein Bett in einem 4er-ZimmerdesDal Bo Hostelsim Zentrum für 38 Euro pro Nacht und war gespannt.Auf Hostelworld hatten alle vom netten Besitzer Gustavo geschwärmt, der so unglaublichgastfreundlich sein sollte. Erst einmal musste ich aber vom Flughafen aus heil dort hinkommen.Denn ich hatte gelesen, dass man als Reisender auch schon mal direkt entführt werden konnte, wenn man ins falsche Taxi stieg. Gustavo hatte mir per E-Mail den Rat gegeben, nur in die schwarzen Taxis mit den gelben Schildern zu steigen – diese seien sicher.
Das Abenteuer begann also recht rasant. Aber ich dachte mir, wenn ich Caracas überlebenwürde, dann sollte ich eigentlich alles schaffen.
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Willkommen in Venezuela!
Caracas… endlich drin!
Ich war mittendrin… und ich lebte noch und hatte sogar noch alle Sachen!
Am Flughafen schnappte ich mir eines der schwarzen „Taxis officiales“, die angeblich sicher sein sollten:Trotzdem hatte ich ein etwas mulmigesGefühl. Ich fragte den Fahrer, wie es momentan mit der Sicherheit in Caracas aussähe und als er mit „un poco malito“ („ein bisschen angeschlagen“) antwortete, fühlte ich mich nicht gerade besser. Ich verteilte sämtliche meiner Wertsachen und Geldscheine so verstreutwie möglich in meinem Gepäck und ließ Caracas auf mich zukommen.
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Caracas vom Taxi aus
Die nächste Herausforderung war der Weg zum Hostel. Es lag in einer Fußgängerzone, sodass das Taxi ungefähr hundert Meter weit weg halten und ich das restliche Stück laufen musste. Ein Überfall wäre auf diesen hundert Metern mit meinem ganzenGepäck sehr schmerzhaft gewesen. Ich sprang also aus dem Taxi und marschierte im Stechschritt zur rettenden Tür, klingelte zweimal, dann stand endlich Gustavo vor mir, der mir in diesem Moment wie der Heiland vorkam.
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Straßenszene in Caracas
ZweiStunden später musste ich wieder einmal feststellen, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Gustavo zeigte mir mein Zimmer, spendierte Bier und verbreitete eine dicke Portion gute Laune. Dann lernte ich meine beiden Zimmergenossen kennen, einen Brasilianer und eine Australierin.Direkt um die Ecke stieg gerade ein kostenloses Konzert mitten im Zentrum von Caracas.Gustavo schleppte mich und die beiden direkt dorthin und plötzlich waren wir mittendrin:Musik, schöne Frauen, Polizisten, Soldaten, Jongleure, finster aussehende Typen – alles auf einmal.
Ich liebe diesen Kontinent einfach! Ich schaute mich staunend um und wechselte sogar ein paar Sätze mit einer schönen Brasilianerin. Dann schleppte uns Gustavo aber direkt wieder ins Hostel, stellte frisches Bier auf den Tisch und begann zu grillen.
Partyeinstand
Wir bekamen riesige Fleischstücke serviert und noch mehr Biere, alles kostenlos von Gustavo spendiert, er war einfach unglaublich! Meine Zimmergenossen waren ein Paar. Den Brasilianer fand ichziemlich entspannt, aber die Australierin hatte ich ehrlich gesagt ein bisschen gefressen. Paare sind für Single-Reisende zwar immer wie eine Spezies von einem anderen Stern, aber diese Frau ging wirklich gar nicht. Sie schaute die ganze Zeit wie siebenTage Regenwetter und wenn sie dann doch mal etwas erzählte, drehte es sich um die neuesten Neuigkeiten aus Twilight, die sie gerade im Internet gelesen hatte.. Da hätte sie auch gleich zu Hause bleiben können.
Wie es für reisende Paare so üblich ist, sind die beiden früh ins Bett gegangen.Ich ging allerdings mit Gustavo wieder zurück zum Open-Air-Konzert. Unter jungen Leuten schien Staatpräsident Hugo Chávez recht beliebt zu sein. Bis zu den Wahlen war es noch ein Monat und ich sah überall T-Shirts mit Sprüchen wie „Chávez ist wie du“ oder „Mein Herz schlägt für Chávez“.
Gustavo und ich zischten noch ein paar Bierchen, lernten ein paar Mädels kennen und hatten richtig Spaß.Eine hatte es mir wirklich angetan: Sie hatte wunderschöne braune Haut, dunkle Locken und geradlinig schnoddrige Art, die sie irgendwie interessant machte. Ich kaufte für uns alle eine Flasche Schnaps und schäkerte mit der Schönen ein bisschen rum.
Irgendwann war das Konzert zu Ende und ich habe nur noch dunkelin Erinnerung, dass wir an irgendeinem Kiosk standen und ich größere Mengen Bier für Gustavo, mich und die Mädels gekauft habe. Mein Mädel wollte plötzlich nach Hause und ich wollte am liebsten mit. Gustavo aber zerrte mich weg und schleppte mich zurück ins Hostel. Am nächsten Morgen meinte er, dass sie im Barrioleben würdeund ich dort mindestens ausgeraubt, vielleicht aber auch um die Ecke gebracht worden wäre.
Im Hostelwar ich dann irgendwie ziemlich durch den Wind: Ichhatte mich im Bad eingeschlossen, aber das Licht nicht angeschaltet und wusste auf einmal nicht mehr, wo ich war. Jetlag, Schnaps und Caracas in Kombination hatten mich wohl irgendwie fast ausgeknockt.Auf jeden Fall bekam ich die Tür nicht mehr auf, wusste nicht, ob ich im Hostel oder irgendwo anders war, und habe wild um mich geschlagen, bis mich mein brasilianischer Zimmergenosse schließlich befreit hat.
Bei der Aktion war einiges zu Bruch gegangen und in der Früh war mir das Ganze echt peinlich. Gustavo war aber entspannt wie immer und meinte nur „tranquilo“ („ruhig“). Er hatte schon alles repariert und wollte mir sogar das Geld für das Bier wiedergeben, das ich am Vorabendausgegeben hatte – natürlich habe ich das nicht akzeptiert.
Ein Tag im Zentrum von Caracas
Gegen Mittag wagte ich mich in die Höhle des Löwen und spazierte ein bisschen im Zentrum herum. Die Architektur ist eine Mischung aus alten Kolonialbauten und dazwischengesetzten hässlichen Betonklötzen. Richtig schön fand ich das Ganze zwar nicht, aber es war trotzdem gut, es mal gesehen zu haben.
Apropos schön: So richtig schön fand ich die Venezolanerinnen. Sie gewinnen ja regelmäßig alle Schönheitswettbewerbe und das auch aus gutem Grund. Auf der Straße sah eine umwerfender als die andere aus. Ich hatte allerdings gedacht, dass ich als großer Blonder in einem Land mit wenigen Touristen der Star der Straße sein würde. Dem war leider nicht so, die meisten würdigten mich keines Blickes. Überhaupt war der Umgang derMenschen miteinander ziemlich ruppig und unfreundlich. Die eine oder andere Ausnahme gab es natürlich, aber ich hoffte, dass es außerhalb von Caracas ein bisschen entspannterwerden würde.
Ein kleines Abenteuer war der Umtausch des Geldes: Der offizielle Kurs von 1:4,30 pro Dollar warindiskutabel, also musste ich irgendwo schwarz tauschen. Auf der Straße wurdeman zwar überall angesprochen, aber dort zu tauschen, soll ziemlich gefährlich sein. Falschgeld, Raub, das Übliche eben. Deswegen fragte ich lieber eine vertrauenswürdig aussehende Kioskverkäuferin, ob sie wüsste, wo man sicher Geld tauschen könnte. Sie meinte, auf keinen Fall auf der Straße, und winkte einen Typen aus einem Geschäft gegenüber heran. Der schleppte mich in eine Einkaufspassage und fragte, was ich tauschen wolle. Ich meinte, ich wolle 400 Bolivares für 50 Dollar haben, also 1:8. Er war einverstanden, schnappte sich meine 50 Dollar und machte Anstalten, damit wegzulaufen. Als ich protestierte, meinte er nur „Vertrau mir“ und weg war er. Nach zehnMinuten kam er tatsächlich mit 400 echten Bolivares wieder und ich hatte endlich venezolanisches Geld in der Tasche.
Ich schaute mich noch ein bisschen um und lief durch die Straßen, die links und rechts mit Chávez-Plakaten gesäumt waren. Der Wahlkampf kam mir irgendwie leicht einseitig vor, es schien überhaupt keine Gegenkandidaten zu geben. Zumindest habe ich nicht ein einziges Plakat von jemandem anderen als Chávez während meiner Zeit in Caracas gesehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Chávez überall
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Ein bunter Bus vor Chávez
Auf dem Plaza Bolivarsprach mich ein Sicherheitsmann an, der mal Deutsch studiert hatte und die Sprache gerne wieder einmal sprechen wollte. Als er mich fragte, was ich vom Präsidenten halte, wollte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und meinte, ich wüsste nicht viel über ihn. Da sagte er: „Verstehe, in eurem Land interessiert man sich nicht für unsere Politik.“ Das stimmte so natürlich nicht, aber mich auf eine Politikdiskussion einzulassen, war mir in diesem Moment zu heikel.
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Plaza Bolivar
Abends habe ich PabellonCriollo gegessen, ein venezolanisches Nationalgericht. Es besteht aus Reis, schwarzen Bohnen, frittierten Bananen und „geschreddertem“ Rindfleisch –bis auf die Bohnen fand ich es ziemlich lecker.
Seilbahn hoch, Seilbahn runter und dann endlich raus aus Caracas
In Caracas gibt es eine Seilbahn, die einen auf den über 2000 Meter hohen, dschungelartig bewachsenen Berg ElÁvila bringt. Ich machte mich am nächsten Morgen auf den Weg dorthin, kaufte mir ein Ticket und stellte mich in eine relativ kurze Schlange. Kurze Zeit später fragte ich mich, was die Menschenmassen wohl Wichtiges wollten, die ein paar Meter weiter in die andere Richtung anstanden. Wenige Minuten später wusste ich es: Meine Schlange wurde an der nächsten Kurve um die Ecke geleitet und ich stand mir die nächsten zweiStunden die Beine in den Bauch.
Seilbahnen sind nicht unbedingt mein Lieblingsgefährt, aber nach der ewigen Warterei beschloss ich, meine Höhenangst an diesem Tag hinter mir zu lassen und mich zu entspannen. Nach ein paar Minuten ging das sogar ganz gut. Die Fahrt dauerte 20 Minuten, führte hoch über den Dschungel und es gab eine nette Aussicht von oben auf Caracas. Allerdings war dabei eher der Weg das Ziel, denn vom Gipfel aus waren hauptsächlich Wolken zu sehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Seilbahn auf den Berg ElÁvila
Irgendwie scheinen Hauptstädte mit Seilbahnen immer dazu zu führen, dass sich kleine Mädchen mit mir fotografieren lassen wollen.Als ich bei meiner letzten Südamerika-Reise per Seilbahn vom Berg Cruz Loma zurück nach Quito fuhr, fand ich mich unversehens umringt von fünfecuadorianischen Studentinnen im Geisterhaus eines Rummels wieder. Diesmal war ich plötzlich von fünfkichernden Mädchenumgeben, die auf einer Art Ferienfahrt waren und alle ein Foto mit mir wollten. Sie kamen nicht aus Caracas und weckten in mir eine gewisse Hoffnung, dass die Menschen woanders in Venezuela etwas freundlicher wären. Sie waren ganz begeistert, dass ich Spanisch konnte, und wir haben ein Weilchen gequatscht.Hauptsächlich wollten sie wissen, welche venezolanischen Spezialitäten ich schon gegessen hatte –eine lustige Begegnung.
Wieder unten angekommen, regnete es in Strömen und ich wartete auf ein Taxi. Dabei lernte ich zwei – ja, tatsächlich – freundliche Menschen aus Caracaskennen: einen Kerl, der inzwischen in Schweden lebte und seine Familie besuchte, und ein Mädel aus Caracas. Sie boten mir an, mich mit dem Auto zurück in die Stadt zu fahren und weil sie recht metropolitanaussahen, schiendas sicherheitstechnisch von meiner Seite aus auch klarzugehen. Sie brachten mich direkt nach Sabana Grande, wo ich als nächstes hinwollte –supernett von den beiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Regen im Viertel Sabana Grande
Sabana Grandeist ein alter Einkaufsboulevard, der im Reiseführer als ziemlich heruntergekommen und gefährlich beschrieben worden war. Ich machte mich deshalb auf einiges gefasst, fand es dann aber gar nicht so schmuddelig, wie ich befürchtet hatte. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass es besonders gefährlich wäre, man sollte sich einfach nicht paranoid machen lassen. Ich setzte mich in ein Restaurant und bekam, bevor ich überhaupt bestellt hatte, erst einmal ein kaltes Bier auf den Tisch gestellt.Sehr schön!
Meine nächste Station, Altamira, ist ein etwas schickerer Bezirk von Caracas, in dem sich das betuchtere Volk niedergelassen hat. Ich machte noch einen kurzen Abstecher dorthin und lief ein wenig durch die Straßen, sah aber nichts, was mich wirklich interessiert hätte, und fuhr schließlich zurück zum Hostel. Dort packte ich meine Sachen, verabschiedete mich von Gustavo und machte mich auf den Weg zur BusstationGatoNegro, von wo aus angeblich Busse nach Macuto fahren sollten, wo ich Johannes treffen wollte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein etwas schickerer Bezirk von Caracas: Altamira
Die Sonne senkte sich schon langsam bedrohlich Richtung Horizont und ich stand mit zweiRucksäcken beladen mitten in Caracas auf der Suche nach dem richtigen Bus. So richtig wohl fühlte ich mich dabei nicht – noch weniger, als ich nach zwei Runden um den GatoNegroimmer noch so planlos wie zuvor war. Schließlich stellte sich heraus, dass die Busse bei zu viel Verkehr nicht dorthin fahren, und an dem Tagwar eben einfach zu viel Verkehr.
An Taxis standen nur zweiblaue mit weißen Schildern da, sicher sind in der Stadt aber angeblich nur weiße mit gelben Schildern. Noch unsicherer wäre es allerdings gewesen, bei Einbruch der Dunkelheit mit sämtlichem Gepäck durch Caracas zu stolpern, also stieg ich für schweineteure 350 Bolivares (35 Euro) ein und war gespannt, ob ich entführt werden würde. Nachdem ich mit dem Taxifahrer ein paar nette Worte gewechselt hatte, fühlte ich mich aber einigermaßen sicher.
Im zähen Stadtverkehr kamen wir nur schleppend voran, aber nach zweiStunden kamen wir schließlich in Macuto an, wo ich ein Zimmer reserviert hatte. Es war wieder ein erhebendes Gefühl, anzukommen und noch alle meine Sachen zu haben.
Ich muss sagen, dass ich froh war, aus Caracas raus zu sein.Die Stadthatte auf michkeinenschönen Eindruck gemacht, die Stimmung war angespannt und ich traf nur wenigefreundliche Leute. Allerdings kam es mir auch nicht wie die Hölle vor, als die es oft beschrieben wird, und ich bin froh, es mal gesehen zu haben.
Macuto… ich muss hier schnellstens weg!
Als ich mich in Macuto ein wenig umgeschaut hatte, fragte ich mich plötzlich, wie ich auf die Schnapsidee gekommen war, hierhin zu fahren. Hauptsächlich hatte mich wohl der Strand angezogen, 30 Kilometer nördlich von Caracas war es der am schnellsten erreichbare. Ich wusste schon, dass es nicht der schönste sein würde, aber ein kleines bisschen Karibik-Flair hatte ich mir doch erwartet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Strand von Macuto
Eigentlich wollte ich mich mit Johannes treffenund ein paar Tage ausruhen.Als ich allerdings in der Früh Richtung Strand schlenderte, traf mich fast der Schlag. Macuto ist ziemlich heruntergekommen, halb verfallen und der Strand nur ein Sandstreifen mit ein paar Steinen links und rechts. Das alleine hätte mich noch nicht gestört, wenn ein entspanntesFlairin der Luft gelegen hätte, aber die Leute schienen noch heruntergekommener zu sein als die Stadt:Unfreundliche Blicke, alkoholisierte Einwohner und grimmig dreinschauende Frauen erwarteten mich.
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Streunende Hunde in Macuto
Nach einem kurzen Morgenspaziergang hatte ich nur noch einen Gedanken: Wie komme ich weg von hier und verhindere, dass Johannes und ich noch eine Nacht bleiben müssen?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Rast an einem schattigen Plätzchen
Ich schaute im Internet nach den nächsten Orten.Die Situationwar nicht wirklich ideal, weil Johannes erst abends ankommen würde und wir mit Bussen um diese Uhrzeit nicht mehr sicher wegkämen mit unserem ganzen Gepäck. Aber dann erschien die Webseite einer Deutschen, die mir in diesem Moment wie ein Engel vorkam.Sie lebteseit 17 Jahren in Venezuela lebteund bot im 200 Kilometer entfernten Choroní, im Nationalpark Henri Pittier, direkt am Meer eine günstige Unterkunft an. Außerdem würdesie uns für 80 Euro einen Abholservice vom Flughafen organisieren. Nicht billig, aber die Fahrt dauerteauch einige Stunden und mit einer zusätzlichen Übernachtung wären wir auch nicht günstiger weggekommen.
Ich machte direkt am Telefon alles fix undrief Johannes an.Der stand schon am Flughafen in Lima und zum Glück erwischte ich ihn noch, bevor er ins Flugzeug stieg. Nichts konnte mich mehr in diesem Kaff halten, wo mirdie Leute noch unfreundlicher vorkamenals in Caracas. Obwohl ich auch feststellenkonnte, dass sie schnell auftauten, wenn man ein paar spanische Worte mit ihnen wechselte. Ich glaube, dortwar man einfach überhaupt keine Touristen gewohnt. Um sich an mich zu gewöhnen, blieb ihnen aber auch keine Zeit mehr, denn zweiStunden später machte ich mich aus dem Staub.
Schaurige Geschichten vom Taxifahrer
Von Macutoaus fuhr ich mit einem vom Hotel organisierten Fahrer zurück zum Flughafenvon Caracas, wo ich auf Johannes wartete. Eigentlich wollte ich einen Bus nehmen, weil mir das Geld wie Sand zwischen den Fingern zerronnen war.Als mir die Autofahrt aber für 100 Bolivares (10 Euro) angeboten wurde, war ich schließlich einverstanden.
Für die 11 Kilometer von Macuto zum Flughafen brauchten wir eineinhalb Stunden, weil es einen Stau gab. Wir waren aber zum Glück rechtzeitig losgefahren. So blieb viel Zeit, mit dem gesprächigen Fahrer zu schwatzen. Ich war froh, nicht im Bus zu sitzen, denn er meinte, die Strecke sei sehr gefährlich, weil sie an vielen Barrios vorbeiführe. Ich fragte ihn ein bisschen über die Situation in den Barrios aus und hörte unglaubliche Geschichten.
Von der Straße aus ist alles einfach ein einziges Hütten- und Häusermeer an den Hängen. Er meinte jedoch hin und wieder: „Dieses Barrio ist sicher“, und wenige Meter weiter, wo es ganz genauso aussah: „Wenn hier jemand seinen Fuß reinsetzt, den dort keiner kennt, wird er sofort erschossen.“ Zu einem anderen meinte er schließlich: „Hier war es bis vor kurzem sehr gefährlich, aber eines Nachts hat die Polizei das Barrio gestürmt und alle erschossen, jetzt ist es sauber und sicher.“ Und so ging es weiter: „Dieser Bürgersteig ist sicher, aber ...“, ein paar Meter weiter: „ ... auf diesem würdest du als Tourist erschossen.“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grüne Hügel …
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… und Elendsviertel.
Der Fahrer meinte, dass er bei Nachtfahrten auf der gleichen Strecke alle paar Meter von der Polizei angehalten würde. Ich erwiderte, dass das ja nervig sei, aber er sagte nur: „Bevor das so war, standen Typen mit Knarren auf der Straße und haben den Leuten die Autos geklaut.“
Irgendwann erzählte ich, dass ich gestern um 17:30 Uhr Runden um denGatoNegro in Caracas gedreht und vergeblich nach einem Bus nachMacuto gesucht hatte. Da schlackerte er mit den Ohren und meinte, GatoNegro sei eine der gefährlichsten Gegenden in Caracas und ich hätte viel Glück gehabt, dort nicht überfallen worden zu sein.
Vielleicht übertrieb er etwas, vielleicht auch nicht.Auf jeden Fall war ich froh, die 3 Tage in und um Caracas ohne Blessuren überstanden zu haben. Ich war die ganze Zeitziemlich in Alarmbereitschaft gewesen, aber ein bisschen gesucht hatte ich diesen Kick ja ehrlich gesagt auch. Jetzt saß ich am Flughafen und wartete auf Johannes. Eigentlich sollte er vor einer Stunde gelandet sein, aber momentan hatten sämtlicheFlüge zweiStunden Verspätung, weil Chávez zwischendurch hier aufgeschlagen war und deshalb alle anderen Flüge verschobenwerden mussten.
Johannes ist da, ab nach Choroní!
Nachdem Chávez sich aus dem Flughafen von Caracas bequemt hatte, konnten auch alle weiteren Flugzeuge landen und zweiStunden später stand Johannes endlich vor mir.
Wir trafen unseren Abhol-Service und kurz danach kam noch eine Mitfahrerin namens Gretel an, die das gleiche Ziel wie wir hatte. Wir dachten aufgrund ihres Namens, dass sie eine Deutsche wäre, aber sie meinte: „Ich bin Argentinierin und habe deutsche Vorfahren, aber keine Nazis!“
Auf dem Parkplatz tauschten Johannes und Gretel noch schnell bei einem Schwarztauscher Dollars gegen Bolivares, es war wie in einem schlechten Film. Dunkle Ecke, Dollars rübergeschoben, ein dickes Bündel Bolivares in 20er Scheinen bekommen, nachgezählt, verarscht worden, protestiert, noch ein paar Scheine oben draufbekommen, alles ok.
[...]
- Quote paper
- Felix Feuerwand (Author), 2016, Backpacker unterwegs. Ein Monat in Südamerika, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335820
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