In der vorliegenden Arbeit wollen wir uns linguistischen Überlegungen zuwenden, die für die Vermittlung von Phraseolexemen im Unterricht Spanisch als Fremdsprache relevant sind. Phraseolexeme gehören in den Bereich der Phraseologie, die eine Teildisziplin der Sprachwissenschaft darstellt und sich im Allgemeinen mit Phraseologismen auseinandersetzt, d.h. mit festen Wortverbindungen (polylexikalischen Einheiten) einer Sprache. Phraseolexeme gelten dabei als Phraseologismen im engeren Sinne und bilden den Kernbereich des phraseologischen Bestandes. Als Beispiele könnten u.A. genannt werden: tener la mosca detras de la oreja (die Fliege hinter dem Ohr haben = misstrauisch sein) oder meter la pata (die Pfote hineinstecken = ins Fettnäpfchen treten). Ihr wohl wichtigstes Merkmal ist die Idiomatizität, die die Abweichung der phraseologischen Bedeutung von der freien Bedeutung eines Phraseologismus (Bphras ¹ Bf) beschreibt, d.h. die wendungsexterne und wendungsinterne Bedeutung der Bestandteile stimmt nicht überein (vgl. Fleischer 1997, 30ff.).
Phraseolexeme gehören zu den sogenannten sprachlichen Universalien, d.h. sie sind Bestandteil jeder natürlichen Sprache und finden sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Sprachgebrauch häufig Anwendung. In der Sprachwissenschaft und insbesondere in der Sprachdidaktik wurden die Phraseolexeme jedoch bezüglich ihrer Behandlung im Fremdsprachenunterricht lange Zeit sehr stiefmütterlich behandelt2, und es bestehen in dieser Hinsicht noch immer konträre Meinungen. Einerseits wird behauptet, Phraseolexeme seien Randerscheinungen, die für die Verständigung nicht unmittelbar notwendig sind. Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass sie für die Kommunikation unverzichtbar und ein wichtiger Maßstab für die Kompetenz in der Fremdsprache sind.
Unserer Meinung nach bereichern Phraseolexeme den Wortschatz erheblich; man könnte sie aus lexikalischer Sicht als das „Salz in der Suppe“ bezeichnen. Sie werden auch als „ein Qualitätsmerkmal der Sprachbeherrschung“ (Ulbricht 1989, 98) angesehen, und da Sprachbeherrschung bzw. sprachliche Kompetenz im Fremdsprachenerwerb das eigentliche Lernziel verkörpert, sollten Phraseolexeme im Fremdsprachenunterricht nicht unberücksichtigt bleiben. Ob sie für die Kommunikation unverzichtbar sind, vermögen wir nicht zu sagen; in jedem Fall aber üben sie eine unterstützende Funktion in Bezug auf Verstehensprozesse in der Fremdsprache aus.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Gegenstandsbestimmung des Phraseolexems in der Phraseologie: Allgemeine Systemcharakteristika von Phraseolexemen
2.1 Polylexikalität
2.2 Stabilität
2.3 Idiomatizität
2.4 Lexikalisierung
2.5 Weitere Merkmale
3. Eine kontrastive Untersuchung von Äquivalenzbeziehungen spanischer und deutscher Phraseolexeme mit Tierkomponente
3.1 Die Begriffe Kongruenz und Äquivalenz in der Phraseologie
3.2 Semantisch äquivalente und formal (teil)kongruente Phraseolexeme
3.3 Semantisch äquivalente und formal inkongruente Phraseolexeme
3.4 Phraseologisch nulläquivalente Phraseolexeme
3.5 ‚Falsche Freunde’ als pseudoäquivalente Phraseolexeme
4. Zusammenfassung
5. Bibliographie
5.1 Wörterbücher
5.2 Sammelbände, Monographien und Zeitschriftenartikel
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: modellhafte Darstellung von Kongruenz in Quellen- und Zielsprache (nach einem Arbeitsblatt zur Vorlesung „Kontrastive Linguistik“ bei Prof. Wotjak, SS 2000, Universität Leipzig
Abbildung 2: modellhafte Darstellung von Äquivalenz bei Phraseolexemen in Quellen- und Zielsprache (nach Korhonen/Wotjak 2001, 227)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beispiele für semantisch äquivalente und formal kongruente Phraseolexeme mit Tierkomponente des Sprachenpaars Deutsch-Spanisch (Gruppe (i) in Abb.2)
Tabelle 2: Beispiele für semantisch äquivalente und formal teilkongruente Phraseolexeme mit Tierkomponente des Sprachenpaars Deutsch-Spanisch (Gruppe (ii) in Abb.2)
Tabelle 3: Beispiele für semantisch äquivalente und formal inkongruente Phraseolexeme mit Tierkomponente des Sprachenpaars Deutsch-Spanisch (Gruppe (iii) in Abb.2)
„ [Der Vorrat an Redensarten] bildet den eigent-lichen Geist, Gehalt und Reichtum, das eigent-lich innerste Leben der Sprache. Ist daran nichts zu lernen und lehren? Wichtiges und Schönes in unerschöpflicher Fülle!“
(Hildebrand 1917, 81)
1. Einführung
In der vorliegenden Arbeit wollen wir uns linguistischen Überlegungen zuwenden, die für die Vermittlung von Phraseolexemen im Unterricht Spanisch als Fremdsprache relevant sind.
Phraseolexeme [1] gehören in den Bereich der Phraseologie, die eine Teildisziplin der Sprach-wissenschaft darstellt und sich im Allgemeinen mit Phraseologismen auseinandersetzt, d.h. mit festen Wortverbindungen (polylexikalischen Einheiten) einer Sprache. Phraseolexeme gelten dabei als Phraseologismen im engeren Sinne und bilden den Kernbereich des phraseologischen Bestandes. Als Beispiele könnten u.A. genannt werden: tener la mosca detras de la oreja (die Fliege hinter dem Ohr haben = misstrauisch sein) oder meter la pata (die Pfote hineinstecken = ins Fettnäpfchen treten). Ihr wohl wichtigstes Merkmal ist die Idiomatizität, die die Abweichung der phraseologischen Bedeutung von der freien Bedeutung eines Phraseologismus (Bphras ¹ Bf) beschreibt, d.h. die wendungsexterne und wendungsinterne Bedeutung der Bestandteile stimmt nicht überein (vgl. Fleischer 1997, 30ff.).
Phraseolexeme gehören zu den sogenannten sprachlichen Universalien, d.h. sie sind Bestand-teil jeder natürlichen Sprache und finden sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Sprachgebrauch häufig Anwendung. In der Sprachwissenschaft und insbesondere in der Sprachdidaktik wurden die Phraseolexeme jedoch bezüglich ihrer Behandlung im Fremdsprachenunterricht lange Zeit sehr stiefmütterlich behandelt[2], und es bestehen in dieser Hinsicht noch immer konträre Meinungen. Einerseits wird behauptet, Phraseolexeme seien Randerscheinungen, die für die Verständigung nicht unmittelbar notwendig sind. Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass sie für die Kommunikation unverzichtbar und ein wichtiger Maßstab für die Kompetenz in der Fremdsprache sind.
Unserer Meinung nach bereichern Phraseolexeme den Wortschatz erheblich; man könnte sie aus lexikalischer Sicht als das „Salz in der Suppe“ bezeichnen. Sie werden auch als „ein Qualitätsmerkmal der Sprachbeherrschung“ (Ulbricht 1989, 98) angesehen, und da Sprachbe-herrschung bzw. sprachliche Kompetenz im Fremdsprachenerwerb das eigentliche Lernziel verkörpert, sollten Phraseolexeme im Fremdsprachenunterricht nicht unberücksichtigt bleiben. Ob sie für die Kommunikation unverzichtbar sind, vermögen wir nicht zu sagen; in jedem Fall aber üben sie eine unterstützende Funktion in Bezug auf Verstehensprozesse in der Fremdsprache aus.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile: zunächst erfolgt eine Gegenstands-bestimmung des Phraseolexems im Rahmen der Phraseologie. Dabei wird eine Beschreibung allgemeiner Systemcharakteristika der Idiome vorgenommen.
Anschließend erfolgt eine kontrastive Untersuchung spanischer und deutscher Phraseolexeme eines lexikalisch-semantischen Feldes. Dabei sollen Äquivalenzbeziehungen spanischer und deutscher Phraseolexeme mit Tierkomponente analysiert sowie die für den deutschen Muttersprachler problematischen Wendungen herausgearbeitet werden.
2. Gegenstandsbestimmung des Phraseolexems im Rahmen der Phraseo logie: Allgemeine Systemcharakteristika von Phraseolexemen
In diesem Kapitel soll eine Gegenstandsbestimmung des Phraseolexems im Rahmen der Phraseologie vorgenommen und die allgemeinen Systemcharakteristika von Idiomen beschrieben werden.
Phraseolexeme sind sogenannte Zeichen der sekundären Nomination, d.h. Benennungen auf der Basis von bereits existentem Wortschatz. Neben Gegenständen und Zuständen benennen und bewerten sie insbesondere Personen, menschliche Handlungen, Eigenschaften und Verhaltensweisen, tragen also das Merkmal der Anthropozentriertheit.
Zentrale Charakteristika eines Phraseolexems sind Polylexikalität (vgl. 2.1), (relative) Stabilität (vgl. 2.2), Idiomatizität (vgl. 2.3) sowie Lexikalisierung/Reproduzierbarkeit (vgl. 2.4).
2.1 Polylexikalität
Die Mehrgliedrigkeit galt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts als ein Definitionskriterium für Phraseolexeme (vgl. Fiedler 1999, 78) und auch in der modernen Phraeologieforschung werden sie als polylexikalische Einheiten definiert. Gläser (1990) spricht beispielsweise von Wortgruppenlexemen und Fleischer (1997) von festen Wortverbindungen. Aus diesen Be-zeichnungen geht hervor, dass ein Phraseolexem immer eine Komposition mehrerer Lexeme ist und niemals aus nur einem einzigen Wort bestehen kann[3]. Die Anzahl der Einzellexeme ist dabei nicht festgelegt: es existieren zweigliedrige Phraseolexeme (echar faroles (mit Laternen um sich werfen = prahlen)) sowie mehrgliedrige Phraseolexeme (no tener dos dedos de frente (keine zwei Finger (breit) Stirn haben = dumm, beschränkt sein).
2.2 Stabilität
Neben Polylexikalität sind Phraseolexeme durch ein weiteres wichtiges Charakteristikum gekennzeichnet: sie sind (relativ) stabil, d.h. sie weisen einen bestimmten Grad an Festigkeit auf.
„Seine relative Stabilität, d.h. die Üblichkeit und Fixiertheit in Ausdruck und Inhalt, ist die zentrale Eigenschaft des Phraseologismus, durch die er sich von freien Wortverbindungen unterscheidet.“ (Fiedler 1999, 81).
Veränderungen der Einzelkonstituenten eines Idioms sind aus diesem Grund nur begrenzt möglich (vgl. Fleischer 1997, 36): tener buena labia bzw . tener mucha labia (ein gutes Mundwerk haben). Fleischer (1997) spricht in diesem Zusammenhang auch von der sogenannten ‚transformationellen Defektivität‘ und hebt hervor, dass Phraseolexeme „Restrik-tionen (Beschränkungen) der Transformation, Expansion und Reduktion unterliegen” (Fleischer 1997, 49).
De Azevedo do Campo (1998, 55) verdeutlicht durch verschiedene Eliminierungs- und Substitutionstests am Idiom matar dos pájaros de un tiro[4] die syntaktische und semantische Festigkeit eines Phraseolexems. Demnach sind Wendungen wie * matar pájaros de un tiro, * matar pájaros de tiros oder * matar dos pájaros de tiros als inkorrekt anzusehen (de Azevedo do Campo 1998, 56).
Dennoch ist das Charakteristikum Stabilität als relativ zu bezeichnen, da „Variationen ver-schiedener Art“ (Fiedler 1999, 82) auftreten können; die Festigkeit eines Phraseolexems ist demnach nicht als absolut zu verstehen. Burger et.al. (1982, 67ff.) unterscheiden zwischen Varianten und Modifikationen. Varianten wären demnach formale Veränderungen eines Phraseolexems ohne die Bedeutung der Wendung zu verändern: echar leña al fuego bzw. echar aceite al fuego (Öl ins Feuer gießen). Modifikationen sind dagegen okkasionelle Veränderungen des Idioms, die vor allem im Bereich des Journalismus und der Reklame aufgrund ihrer aufmerksamkeitserzeugenden Wirkung genutzt werden.
2.3 Idiomatizität
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Phraseolexeme ist das der Idiomatizität. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, wurde bereits in der Einführung geklärt.
Man unterscheidet zwischen voll- und teilidiomatischen Phraseolexemen. Bei vollidio-matischen Phraseolexemen sind alle Komponenten semantisch transformiert, d.h. alle Wörter haben ihre wendungsexterne Bedeutung aufgegeben, um eine neue, idiomatisierte phraseologische Bedeutung (Bphras) zu konstituieren (vgl. Palm 1997, 9; Wotjak 1992, 3): z.B. meterse en camisa de once varas (sich in unangenehme, die eigenen Kräfte übersteigenden Dinge begeben). Bei teilidiomatischen Einheiten hat mindestens eine wendungsinterne Komponente ihre wörtliche Bedeutung beibehalten: z.B. estar en un atolladero (schön in der Patsche sein).
2.4 Lexikalisierung
Phraseolexeme gelten als lexikalisiert, d.h. es wird angenommen, dass eine Speicherung des Wortidioms als lexikalische Einheit im Gedächtnis erfolgt. Dieses Charakteristikum kann als eine Ableitung aus den Merkmalen (relative) Stabilität und Idiomatizität betrachtet werden (vgl. Fleischer 1997, 64).
In der Rede müssten Phraseolexeme aufgrund dieser Lexikalisierung somit nicht mehr produziert, sondern lediglich reproduziert werden (vgl. Wotjak 1996, 5; Fiedler 1999, 91).
Werden Phraseolexeme charakterisiert, ist häufig auch von ‚Wortwertigkeit‘ die Rede. Dieses Merkmal hängt eng mit dem der Lexikalisierung zusammen. Ein Phraseolexem wird im mentalen Lexikon nach einer traditionellen Auffassung als eine Einheit und demnach wie ein Wort gespeichert. Zudem sind viele Phraseolexeme tatsächlich durch ein Wort ersetzbar: apretarse el cinturón (den Gürtel enger schnallen) = ahorrar.
[...]
[1] auch Wortidiome oder wortwertige Redewendungen genannt (vgl. Wotjak 1996, 5) und in dieser Arbeit aufgrund stilistischer Aspekte neben „Phraseolexem“ auch mit diesen möglichen Termini bezeichnet.
[2] Wotjak (1996, 4) spricht in diesem Zusammenhang vom “Stiefkind der Sprachwissenschaft und ... der Sprachdidaktik”; Kühn prägte den Begriff vom “phraseodidaktischen Dornröschenschlaf” (vgl. Kühn 1996, 10)
[3] Zwar bestehen in der Forschung Ansätze, idiomatische Komposita (z.B. Hundeleben), auch Einwort- phraselogismen genannt (vgl. Duhme 1991), zum phraseologischen Bestand zu zählen, doch die Mehrheit der Forscher schließt diese aus der Phraseologie aus. Aus diesem Grund betrachten auch wir nur mehrgliedrige idiomatische Wendungen als Phraseolexeme.
[4] zwei Vögel mit einem Wurf töten; entspricht der dt. Wendung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
- Quote paper
- Doreen Walter (Author), 2004, Phraseolexeme im Unterricht Spanisch als Fremdsprache. Linguistische Überlegungen mit Blick auf Lernende mit deutscher Muttersprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33576
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.