Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, welche Bedeutung sprachlichen und paratextuellen Akkommodationen im Rahmen der Vermittlung von Literatur zukommt und inwiefern diese Akkommodationen Kriterien der Auswahl von Texteditionen sein sollten.
Der moderne Deutschunterricht nimmt nicht nur seinen Gegenstand - Literatur und Sprache - in den Blick, sondern in erster Linie die Vermittlung dieses Gegenstands an Schülerinnen und Schüler. Angesichts der wachsenden zeitlichen Distanz zwischen der Position der Schüler in der Gegenwart und den Texten der Vergangenheit, die sie rezipieren sollen, entsteht für den Deutschunterricht die Aufgabe, eine Brücke von der Zeit der Autoren und ihren Werken zur aktuellen Lebenswelt der Schüler zu schlagen.
Eine enorme Herausforderung ist dabei der Umgang mit dem steten Wandel der Lebensbedingungen des Menschen und seiner Sprache, der zu Verständnisschwierigkeiten auf sprachlicher wie inhaltlicher Ebene führt und jugendlichen Lesern so den Zugang zu Literatur versperren kann.
Verlage reagieren auf dieses Problem mit Leseausgaben, die ältere literarische Werke der modernen deutschen Standardsprache anpassen und mit verschiedenen Peritexten versehen, um dem jugendlichen Rezipienten der Gegenwart das Textverständnis zu erleichtern. Diese Akkommodationen, d.h. Modifikationen literarischer Texte, „die auf die Schaffung einer Kind- und Jugendgemäßheit überall dort zielen, wo sie im Originalwerk nicht gegeben“ sind, dienen Leseausgaben als Instrument, mit denen sie Schülern den Zugang zum literarischen Werk zu ermöglichen suchen.
Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck scheint als Untersuchungsgegenstand besonders geeignet, da die dem heutigen Leser fremde Sprache des 19. Jahrhunderts, die zahlreichen intertextuellen Bezüge sowie der Einsatz unter-schiedlichster Sprachebenen einerseits Möglichkeiten des literarischen Lernens bieten, andererseits aber auch hohe Anforderungen an den Rezipienten stellen.
Um eine wissenschaftlich fundierte sowie fachdidaktisch begründete Perspektive auf die Bedeutung von sprachlichen und paratextuellen Akkommodationen in Leseausgaben für den Lese- und Verstehensprozess zu ermöglichen, sollen in einem ersten Schritt Merkmale des Dramenfragments Woyzeck und Anforderungen an den Leser aus der Sicht der modernen Literaturdidaktik skizziert werden. Anschließend können Chancen und Gefahren unterschiedlicher Realisierungen von Akkommodationen deutlich gemacht werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Drama Woyzeck: Merkmale und Anforderungen an den Leser
2.1 Woyzeck als literarischer Text
2.2 Woyzeck als fragmentarisches Drama der offenen Form
2.3 Woyzeck als Klassiker des 19. Jahrhunderts
3. Paratextuelle und sprachliche Akkommodationen
3.1 Paratextuelle Akkommodationen des Dramas Woyzeck in Leseausgaben
3.2 Sprachliche Akkommodationen des Dramas Woyzeck in Leseausgaben
4. Schlussbetrachtung: Akkommodationen als Kriterien der Auswahl von Texteditionen?
5. Literaturverzeichnis
- Citation du texte
- Johanna Schneider (Auteur), 2016, Leseausgaben für Jugendliche. Möglichkeiten zur Verbesserung des Textverständnisses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335575